Wie unterstützen Tiere unsere Kinder beim Erwachsenwerden? Warum sind Menschen mit Haustieren weniger gestresst? Wie stärkt der Kontakt mit ihnen unser Immunsystem? Solche und viele weitere Fragen beantworten Dr. Rainer Wohlfarth und Bettina Mutschler mit einer unterhaltsamen und spannenden Mischung von zahlreichen Fakten und interessanten Fallgeschichten aus ihrer täglichen Arbeit. Die beiden Experten auf dem Gebiet der Mensch-Tier-Beziehung helfen uns, zu verstehen, wie enorm wichtig der Kontakt mit Hund, Katze & Co. für unsere Gesundheit ist und wie wir dieses Wissen für unser eigenes Leben verwenden können.
Dr. Rainer Wohlfarth, Jahrgang 1960, ist Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie und Neuropsychologie. Nach mehreren Stationen im klinischen Bereich und an der Pädagogischen Hochschule Freiburg arbeitet er erfolgreich in eigener Praxis und leitet »Ani.Motion«, das Institut für tiergestützte Therapie in Sasbachwalden. Er befasst sich seit 2006 intensiv mit tiergestützten Interventionen, hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema publiziert und ist heute einer der führenden Vertreter auf diesem Feld. Außerdem war er bis 2020 Präsident der »European Society of Animal-Assisted Therapy« (ESAAT) und ist derzeit Vizepräsident der »International Society of Animal-Assisted Therapy« (ISAAT).
Ein etwas anderes Vorwort
Während Rainers Psychologiestudium, also Mitte der 1980er-Jahre, waren Tiere lediglich als Versuchsobjekte interessant. Er erfuhr anhand von Tierversuchen, wie der Mensch lernt oder sich psychische Erkrankungen entwickeln. Er lernte aber kaum etwas über die Beziehung zwischen Mensch und Tier, und wie diese die menschliche Evolutionsgeschichte, unser Denken und Fühlen oder unser psychisches Gleichgewicht beeinflusst.
An einem sonnigen Nachmittag vor ein paar Jahren saßen wir dann beim Kaffee und überlegten im Spaß, wie wir Ayla, unsere junge Schafpudelhündin, sinnvoll beschäftigen könnten: Toilettenpapier bringen, Waschmaschine ausräumen, Zeitung holen, das Telefon bringen ... Wir wischten uns bald die Tränen ab, die uns bei all den schrägen Ideen vor Lachen gekommen waren. Uns war natürlich klar: Wir brauchten etwas anderes. Etwas richtig Sinnvolles wollte uns aber zunächst nicht einfallen.
Ein paar Wochen später waren wir zur Geburtstagsfeier eines guten Freundes eingeladen. Doch statt fröhlicher Lieder und Partystimmung herrschte betretenes Schweigen – zwei Tage zuvor war er von seiner Ehefrau vor die Tür gesetzt worden. Da saß er nun mit gesenktem Kopf, eingefallenen Augen und traurigem Blick – die Gespräche flossen zäh dahin, die Geburtstagstorte schmeckte schal. Doch mit einem Mal hellte sich sein Blick auf, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht: Ayla hatte ihren Kopf auf seine Knie gelegt, und er streichelte sie sanft. Das hatten wir noch nie beobachtet. Ayla war ein sehr zurückhaltender Hund, was den Kontakt zu Menschen anging, selbst uns beschenkte sie nur selten mit intensivem Kuscheln. Und nun das. Ganz intuitiv schien sie zu spüren, was für unseren Freund in seiner Situation sinnvoll und wichtig war: in den Arm genommen werden. Damals wussten wir noch nichts von »Biophilie«, »Oxytocin« oder »Du-Evidenz«. Wir sahen nur, wie Ayla ganz von sich aus das Richtige tat – und in genau diesem Augenblick wussten wir, wie wir Ayla sinnvoll beschäftigen könnten.
Unsere Neugier war geweckt, die wichtigste unserer menschlichen Eigenschaften. Wir wollten mehr darüber wissen, was Hunde und Menschen verbindet, und unser Wissensdurst wurde bald unersättlich. Und so luden wir nach und nach kluge Leute in unser Wohnzimmer ein, die uns die Welt tiergestützter Interventionen näherbringen sollten. Es fand sich rasch eine kleine Schar von Interessierten, die mit uns in diese neue Welt eintauchten. Dann geschah etwas, womit wir nie gerechnet hatten: Beinahe unablässig klingelte das Telefon, völlig Unbekannte waren erpicht darauf, an unseren »Wohnzimmer-Fortbildungen« teilzunehmen, doch unsere Wohnung war dem Ansturm bald nicht mehr gewachsen. So entstand das Freiburger Institut für tiergestützte Therapie, das bald durch ein eigenes Trainingsgelände und ein kleines Seminarzentrum erweitert wurde.
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Mit der Zeit sammelten wir unsere eigenen Erfahrungen. Bettina im täglichen Umgang mit Hunden und seit einigen Jahren mit Eseln, Rainer hingegen interessierte sich für das wissenschaftliche Fundament der Mensch-Tier-Beziehung. Beide trugen wir mit den Jahren einen großen Erfahrungsschatz darüber zusammen, wie man Tiere in Therapie und Coaching einsetzen kann. Zwischen uns ergab sich eine äußerst belebende Verbindung, die mehr ist als das Einzelne zweier Teile. Ähnlich der intensiven Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Tier, die für den Klienten einen deutlichen Mehrwert besitzt, da er das Beste vom menschlichen Therapeuten und tierischen Co-Therapeuten bekommt. Bei uns treffen Wissenschaft und Intuition zusammen.
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Wie muss die Mensch-Tier Beziehung gestaltet sein, dass wir Tiere ethisch vertretbar als Co-Therapeuten einsetzen dürfen?
Diese Frage ist inzwischen zu einem Lebensthema für uns geworden.
Jeder kennt die Delfintherapie, aber nur wenige wissen, dass auch Hund, Pferd oder Esel Ähnliches vollbringen und im Gegensatz zu Delfinen auch noch tiergerecht gehalten werden können. Es braucht kein spezielles Wissen, um das Potenzial dieses Ansatzes ermessen zu können. Man muss nur Kinder beobachten, die ihrem Haustier all ihre Nöte und Sorgen anvertrauen oder zuschauen, wie sie lernen, Verantwortung für andere zu übernehmen, wenn sie sich um ihr Haustier kümmern. Es gehört inzwischen beinahe zum Allgemeinwissen, dass unsere Beziehung zu Tieren uns nicht nur Freude bringt, sondern auch unsere Gesundheit fördert. Tiere scheinen uns auf intuitive Weise positiv zu beeinflussen. Diese faszinierende Wechselwirkung der Mensch-Tier-Beziehung beginnt die Wissenschaft erst allmählich zu verstehen. Dabei gibt es zwei seltsam auseinanderdriftende Haltungen: Zum einen tun viele Menschen die heilende Wirkung der Tiere als esoterischen Quatsch ab. Und auf der anderen Seite schreiben viele spirituelle Menschen den Tieren einen besonderen siebten Sinn zu. Aus unserer Sicht stimmt das beides nicht. Die positive Wirkung von Tieren auf uns Menschen lässt sich sehr wohl wissenschaftlich beschreiben, und Tiere brauchen gar keinen siebten Sinn. Sie beeinflussen uns über ganz grundlegende neuronale, physiologische und hormonelle Prozesse, die sich in der langen gemeinsamen Evolution herausgebildet haben.
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Eines Tages flatterte eine ungewöhnliche E-Mail in unser Postfach. Im Nordschwarzwald, genauer gesagt, in der Nähe des Luftkurortes Sasbachwalden, solle ein völlig neuartiger Tiergarten entstehen, und in diesen solle ein Seminar- und Therapiezentrum für tiergestützte Therapie integriert werden. Ob wir Interesse und Lust hätten, dort mitzuarbeiten? Hatten wir!
Wir vertrauten unserem Bauchgefühl, quittierten unsere Jobs und zogen nach Sasbachwalden um. Dort verwirklichen wir nun seit 2014 unseren großen Traum vom eigenen Seminar- und Therapiezentrum. Der Weg dorthin ist steiniger als gedacht – doch Aufgeben ist nicht unser Ding.
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Ayla für ihren Teil durfte für eine Weile lang noch unseren neuen großen Garten in Sasbachwalden genießen und ist dort 2015 friedlich eingeschlafen. Heute tobt Thimba durch unser Leben, eine fröhliche Barbet-Hündin, die Menschen liebt und unsere therapeutische Arbeit enorm bereichert. Sie hat ein feines Gespür, wann genau unsere Klienten eine Streicheleinheit brauchen oder mal ein anderes Thema ansteht. Doch auch Thimba ist kein Allroundtalent, daher gehören zu unserem Team seit einiger Zeit auch Paco, Leo, Samu und Pepe – vier Eselwallache. Durch sie lernen unsere Patienten, was uns Menschen manchmal fehlt: Charakter. Denn unsere Esel setzen achtsam Huf vor Huf. Kommt ihnen der Untergrund seltsam vor, dann bleiben sie stehen und denken nach – egal, wie lange es dauert. Sie finden ihre Lösung. Immer. Esel folgen dem Menschen nicht blindlings, jeder Esel entscheidet selbst, welchen Weg er gehen möchte. Sind seine Bedenken zu groß und warnt ihn seine Erfahrung, nimmt er einen anderen Weg. Die Teilnehmer unserer Seminare erfahren ganz nebenbei: Ein Esel flieht nicht einfach kopflos. Er rennt nicht der Masse hinterher. Er will anderen nicht gefallen. Er lässt sich nicht durch Karotten locken. Schon gar nicht kann er durch Ziehen, Schieben oder gar Prügel angetrieben werden. Vielmehr verlässt er sich einzig und allein auf seinen gesunden Eselverstand und gute Argumente. Es ist heilsam, wenn man durch diese Erfahrung den Esel in sich selbst entdeckt. Und wir wollen auch nicht vergessen, Lilly zu erwähnen. Die kleine, heimatlose Katze quartierte sich während eines Urlaubs in unserem Häuschen in Spanien bei uns ein und wollte trotz guten Zuredens nicht mehr gehen. Also nahmen wir sie als Azubine mit nach Deutschland.
Immer noch gehört die wohltuende Wirkung von Tieren nicht zum Allgemeinwissen, und die tiergestützte Therapie – wenn man nicht gerade über Delfine spricht – ist nahezu unbekannt. Viele schwarze Schafe – wobei wir den echten Schafen hier grob unrecht tun – tummeln sich auf diesem Markt. Sie versprechen Heilung, wo es keine Heilung geben kann, und, was wir besonders schlimm finden: Es wird wenig darauf geachtet, wie es den Tieren dabei geht.
Daher beschlossen wir, ein Buch zu schreiben, das weit über eine simple Wertschätzung der Mensch-Tier-Beziehung hinausgeht. Wir wollen zeigen, was es Mensch und Tier ermöglicht hat, sich nahezukommen, und warum diese Nähe heilsam für Menschen sein kann. Außerdem werden wir immer wieder danach fragen, was das Tier für diese Aufgabe von uns braucht.
Das Buch, das Sie in Händen halten, befasst sich deshalb ausführlich mit den Zusammenhängen zwischen Tieren und unserer Gesundheit. Es zeigt auf, was Sie tun können, um in den Genuss der heilsamen Kraft der Tiere zu kommen. Wir beziehen dafür wissenschaftliche Erkenntnisse ein, beschreiben alltägliche Erfahrungen im Umgang mit Tieren und versuchen, mit Worten zu vermitteln, was eigentlich nur durch Intuition verstehbar ist. Wir liefern Ihnen sowohl konkrete Beispiele aus unserer täglichen Praxis als auch Geschichten von Menschen, denen Tiere viel Gutes getan haben, und erzählen von engagierten Kolleginnen und Kollegen, die unseren Weg begleiten.
Dazu skizzieren wir im ersten Kapitel erst einmal die Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung und die Ursprünge der heilenden Wirkung von Tieren.
Im zweiten Kapitel werfen wir einen genaueren Blick auf den immensen Einfluss von Haustieren auf das Erwachsenwerden unserer Kinder und darauf, wie die Anwesenheit von Tieren die kindliche Entwicklung stärken kann.
Das dritte Kapitel ergründet, wie das genau funktioniert, dass Haustiere unsere Gesundheit fördern, und warum...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2020 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Natur / Ökologie |
Technik | |
Schlagworte | Angststörung • Angsttherapie • Autismus • Beziehung Mensch-Tier • Burnout • Coaching • Das Seelenleben der Tiere • Das Seelenleben der Tiere Peter Wohlleben • Depression • eBooks • Einsamkeit • Gesund werden • Haustier • Immunsystem • Katzen • Kinder • Mensch und Tier • Natur • Peter Wohlleben • Selbstbewusstsein • Therapie auf vier Pfoten • Therapiehund • Tiergestützte Therapie • Tiertherapie |
ISBN-10 | 3-641-24722-5 / 3641247225 |
ISBN-13 | 978-3-641-24722-5 / 9783641247225 |
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