HOW TO - Wie man's hinkriegt (eBook)
384 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-24023-3 (ISBN)
Für jede Aufgabe gibt es einen richtigen Weg, einen falschen und einen, der so offensichtlich absurd ist, dass man ihn niemals in Betracht ziehen würde. »How to« ist eine Anleitung zu diesem dritten Ansatz. Randall Munroe erklärt, wie wir digitale Daten versenden, indem wir Mikrochips an Schmetterlingen befestigen. Oder wie wir's schaffen, pünktlich zu sein, indem wir die Länge der Tage ändern. Einfache Probleme auf allerschwierigste Weise gelöst, cleverste Unterhaltung garantiert! Durchgehend illustriert mit den berühmten Strichzeichnungen des Kultautors.
Randall Munroe ist der Autor von vier internationalen Bestsellern, What if - Was wäre wenn? Bd. 1 u. Bd. 2, Der Dinge-Erklärer und How to - Wie man's hinkriegt, außerdem Erfinder des beliebten Webcomics »xkcd« und des Wissenschaftsblogs »what if?«. Der einstige Roboteringenieur verließ 2006 die NASA, um sich ausschließlich dem Zeichnen und Schreiben seiner Comics widmen zu können. Er lebt in Massachusetts.
KAPITEL 1
Wie man’s hinkriegt,
richtig hoch zu springen
Menschen können nicht sehr hoch springen.
Basketballspieler machen bisweilen eindrucksvolle Sprünge, um einen Korb zu erreichen, der hoch oben in der Luft aufgehängt ist, aber ihre Reichweite haben sie überwiegend der eigenen Körpergröße zu verdanken. Ein durchschnittlicher Basketballprofi kann nur etwas mehr als 60 cm aus dem Stand in die Höhe springen. Bei Nichtsportlern beschränkt sich dieser Wert wahrscheinlich auf etwa 30 cm. Wenn Sie höher springen wollen, brauchen Sie etwas Unterstützung.
Ein Anlauf vor dem Sprung kann hilfreich sein. So machen es die Athleten bei Hochsprungwettkämpfen, und der Weltrekord liegt bei 2,45 m. Das ist allerdings vom Erdboden aus gemessen. Da Hochspringer in der Regel großgewachsen sind, startet ihr Schwerpunkt schon Dutzende Zentimeter näher an der Latte, und wegen der speziellen Technik, mit der sie ihre Körper verbiegen, um drüberzukommen, ist es sogar möglich, dass ihr Schwerpunkt unter der Latte hindurchschlüpft. Ein 2,45-m-Sprung bedeutet also keinesfalls, dass der Sportler seinen Körperschwerpunkt um die vollen 2,45 m anhebt.
Wenn Sie einen Hochspringer schlagen wollen, haben Sie zwei Optionen:
1.Sie können Ihr Leben von früher Kindheit an dem Leichtathletiktraining weihen, bis Sie eines Tages der beste Hochspringer der Welt sind.
2.Sie können schummeln.
Option 1 ist zweifellos bewunderungswürdig, aber wenn das Ihre Wahl ist, lesen Sie gerade das falsche Buch. Lassen Sie uns also über Option 2 reden.
Beim Hochsprung können Sie auf ganz unterschiedliche Weise schummeln. So könnten Sie eine Leiter benutzen, um über die Latte zu steigen, aber springen kann man das nicht mehr so recht nennen. Sie könnten versuchen, sich solche mit Federn versehenen Sprungstelzen1 anzuschnallen, wie sie unter Extremsportlern populär sind. Das könnte, falls Sie athletisch genug sind, ausreichen, um Ihnen den entscheidenden Vorteil über einen Hochspringer ohne Hilfsmittel zu verschaffen. Aber was die reine vertikale Höhe betrifft, so haben sich die Leichtathleten bereits eine bessere Technik einfallen lassen – den Stabhochsprung.
Beim Stabhochsprung laufen die Athleten an, stecken einen biegsamen Stab vor sich in den Boden und schießen in die Luft hoch. Stabhochspringer können sich um ein Mehrfaches höher aufschwingen als die besten Hochspringer ohne Gerät.
Die Physik des Stabhochspringens ist interessant, und anders, als Sie vielleicht annehmen, geht es dabei nicht einmal so sehr um den Stab. Der Schlüssel zum Sprung ist nicht die Elastizität des Stabes, sondern die Anlaufgeschwindigkeit des Sportlers. Der Stab ist einfach nur ein effizientes Mittel, um diese Geschwindigkeit nach oben umzuleiten. Theoretisch könnten die Springer auch eine andere Methode nutzen, um ihre Richtung von vorwärts auf empor zu ändern. Statt eine Stange in den Boden zu rammen, könnten sie etwa auf ein Skateboard springen, eine glatte, gekrümmte Rampe hinauffahren und ungefähr die gleiche Höhe erreichen wie der Springer.
Wir können die Maximalhöhe eines Stabhochspringers berechnen, indem wir physikalisches Grundwissen anwenden. Ein Topsprinter schafft die hundert Meter in 10 Sekunden. Wenn ein Gegenstand mit dieser Geschwindigkeit nach oben geschossen wird und die Erdanziehungskraft wirkt, verrät uns eine nette kleine Gleichung, wie hoch er kommen sollte:
Da der Stabhochspringer vor dem Sprung anläuft, startet sein Schwerpunkt bereits ein ganzes Stück über dem Boden, was die erreichte Gesamthöhe steigert. Der Schwerpunkt eines normalen Erwachsenen liegt irgendwo im Unterleib, gewöhnlich auf etwa 55 % seiner Körpergröße. Renaud Lavillenie, der Weltrekordhalter im Stabhochsprung der Männer, misst 1,77 m. Sein Körperschwerpunkt beschert ihm also ungefähr 98 Extrazentimeter, was eine errechnete Gesamthöhe von 6,08 m ergibt.
Wie lässt sich unsere Vorhersage mit der Wirklichkeit vereinbaren? Nun ja, die Weltrekordhöhe liegt gegenwärtig bei 6,16 m. Für eine schnelle Schätzung war das also ziemlich genau!2
Wenn Sie bei einem Hochsprung-Wettbewerb mit einem Stab aufkreuzten, würde man Sie natürlich sofort disqualifizieren.3 Allerdings würden die Kampfrichter zwar Einspruch erheben, sich Ihnen aber wohl nicht in den Weg stellen – besonders wenn Sie Ihren Stab beim Anlauf drohend umherschwenken.
Ihr Rekord würde nicht offiziell registriert werden, aber das macht ja nichts – Sie selbst wissen schließlich, wie hoch Sie gesprungen sind.
Aber wenn Sie bereit sind zu schummeln, können Sie sogar höher als sechs Meter kommen. Viel höher. Sie müssen bloß die richtige Absprungstelle finden.
Läufer machen sich die Aerodynamik zunutze. Sie tragen glatte, eng anliegende Kleidung, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Dadurch kommen sie auf größere Geschwindigkeit und können sich nach dem Absprung auch höher in die Luft aufschwingen.4 Warum nicht noch einen Schritt weiter gehen?
Wenn man sich mit einem Propeller oder einer Rakete vorantreibt, zählt das natürlich nicht. So etwas kann man wirklich nicht mehr als »springen« bezeichnen.5 Es ist kein Sprung, sondern ein Flug. Aber es ist doch sicher nichts Böses daran, ein bisschen zu … gleiten.
Die Bahn eines jeden fallenden Gegenstands wird davon beeinflusst, wie sich die Luft in seiner Umgebung bewegt. Skispringer richten ihre Umrisse so aus, dass sie beim Sprung einen großen aerodynamischen Auftrieb gewinnen. In einem Gebiet mit den richtigen Winden können Sie es genauso machen.
Wenn Sprinter mit Rückenwind rennen, können sie auf ein höheres Tempo kommen. Genauso gilt: Wenn Sie in einem Gebiet springen, in dem der Wind aufwärts bläst, können Sie eine größere Höhe erreichen.
Um Sie nach oben zu schieben, braucht es einen starken Wind – er muss stärker sein als Ihre Endgeschwindigkeit. Ihre Endgeschwindigkeit ist das maximale Tempo, das Sie erreichen, wenn Sie durch Luft fallen. Dabei gleicht die Kraft der vorbeirauschenden Luft die Abwärtsbeschleunigung durch die Schwerkraft aus. Genauso verhält es sich mit der Geschwindigkeit des aufsteigenden Windes, die mindestens vonnöten ist, um Sie vom Erdboden anzuheben. Da alle Bewegung relativ ist, kommt es nicht wirklich darauf an6, ob Sie durch die Luft nach unten fallen oder ob die Luft hinter Ihnen aufwärts bläst.
Menschen sind viel dichter als Luft, und so ist unsere Endgeschwindigkeit ziemlich hoch. Die Endgeschwindigkeit einer fallenden Person liegt bei etwa 210 km/h. Damit Sie vom Wind Auftrieb bekommen, muss die Geschwindigkeit des aufsteigenden Windes mindestens im selben Bereich liegen wie Ihre Endgeschwindigkeit. Ist der Wind deutlich langsamer, wird er Ihre Sprunghöhe nicht groß beeinflussen.
Vögel nutzen Säulen aus warmer, aufsteigender Luft (den sogenannten thermischen Auftrieb) als Fahrstuhl. Sie steigen empor, ohne mit den Flügeln zu schlagen, und lassen sich einfach von der aufsteigenden Luft nach oben tragen. Leider sind solche Aufwinde recht schwach, und es braucht eine stärkere Quelle aufsteigender Luft, um Ihren viel schwereren Menschenkörper in die Höhe zu befördern.
Einige der stärksten Aufwinde in Bodennähe gibt es an Gebirgsrücken. Wenn der Wind auf einen Berg oder einen Höhenzug trifft, kann der Luftstrom nach oben umgeleitet werden. In manchen Gegenden sind diese Winde ziemlich schnell unterwegs.
Unglücklicherweise reichen diese senkrecht aufstrebenden Winde selbst an den besten Stellen nicht annähernd an die Endgeschwindigkeit eines Menschen heran. Man würde durch die Windunterstützung also nur ein bisschen zusätzliche Höhe gewinnen.7
Statt zu versuchen, die Windgeschwindigkeit zu erhöhen, könnten Sie sich vielleicht lieber daranmachen, durch aerodynamische Kleidung Ihre Endgeschwindigkeit zu verringern. Ein guter Wingsuit (ein Kleidungsstück mit Stoffflächen zwischen Armen und Beinen) kann die Fallgeschwindigkeit einer Person von 210 auf gerade mal noch 65 km/h verringern. Das ist immer noch nicht genug, um auf den Winden aufwärts zu segeln, aber es würde Ihre Sprunghöhe definitiv steigern. Andererseits müssten Sie Ihren Anlauf in voller Wingsuit-Montur ausführen, was den Vorteil durch die Windunterstützung vermutlich wieder zunichte machen würde.
Damit Ihr Sprung wirklich substanziell höher wird, müssten Sie noch über die Wingsuits hinausgehen und die Welt der Fall- und Gleitschirme betreten. Diese großen Gerätschaften reduzieren die Fallgeschwindigkeit eines Menschen so sehr, dass die Bodenwinde häufig stark genug sind, um sie anzuheben. Geübte Gleitschirmflieger können vom Erdboden aus starten und auf der Thermik oder auf Winden an Bergkämmen bis in eine Höhe von etlichen hundert Metern aufsteigen.
Aber wenn Sie einen echten Hochsprungrekord aufstellen möchten, geht es sogar noch besser.
An den meisten Orten, an denen Luft über ein Gebirge strömt, reichen die sogenannten »Leewellen« nur bis in die Troposphäre hinauf. Dadurch wird die Höhe, die ein Gleitschirmflieger erreichen kann, begrenzt. Aber es gibt auch Stellen, wo diese Störungen – wenn alle Bedingungen stimmen – mit dem Polarwirbel und dem Polarnacht-Jetstream8 zusammenwirken...
Erscheint lt. Verlag | 3.9.2019 |
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Übersetzer | Ralf Pannowitsch, Benjamin Schilling |
Zusatzinfo | durchgehend illustriert |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | How To? |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik |
Technik | |
Schlagworte | Big Bang Theory • Der Dinge-Erklärer • eBooks • Harald Lesch • Infotainment • Physik • pop science • Ranga Yogeshwar • SPIEGEL-Bestseller • unnützes Wissen • What if? • xkdc • Yuval Noah Harari |
ISBN-10 | 3-641-24023-9 / 3641240239 |
ISBN-13 | 978-3-641-24023-3 / 9783641240233 |
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