Wer schneller denkt, ist früher klug (eBook)

Alles über das Gehirn
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
256 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-21877-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer schneller denkt, ist früher klug -  Kaja Nordengen
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Unser Gehirn macht uns zu dem, was wir sind: Es ermöglicht uns, zu kommunizieren, ist für unsere Persönlichkeit und unsere Gefühle verantwortlich, speichert Erinnerungen und erlaubt uns, Neues zu erlernen. Es bringt uns dazu, uns zu verlieben, und hilft uns dabei, komplexe Muster und Informationen zu deuten. Aber das Gehirn verleitet uns auch dazu, falsche Entscheidungen zu treffen, und es belohnt Suchtverhalten. Kaja Nordengen erklärt locker und leicht verständlich, wie unser faszinierendstes Organ funktioniert und was es so einzigartig macht.

Dr. Kaja Nordengen, geboren 1987, ist Ärztin mit Spezialgebiet Neurologie am Akershus Universitätsklinikum. Außerdem unterrichtet sie an der Universität Oslo. Das Gehirn ist für Kaja Nordengen eines der faszinierendsten Organe des Menschen.

1
GEDANKEN(R)EVOLUTION

Die wellige Oberfläche des Gehirns, die an eine Walnuss erinnert, heißt Hirnrinde. Sie ist vollgepackt mit Nervenzellen und war eine Revolution in der Evolutionsgeschichte. Je größer die Hirnrinde eines Tieres ist, desto besser stehen die Chancen für hohe Intelligenz.

Vor 500 Millionen Jahren existierte nur das Reptiliengehirn, heute bekannt als Hirnstamm. Es vergingen weitere 250 Millionen Jahre, bis sich das früheste Säugetiergehirn entwickelte, das wir das limbische System nennen. Großhirn und Hirnrinde entwickelten sich bei den Säugetieren vor 200 Millionen Jahren, während das menschliche Gehirn erst vor 200.000 Jahren entstand. Evolutionsgeschichtlich gesehen ist das wie gestern.

DAS REPTILIENGEHIRN

Die große Hirnrinde des Menschen ist wahrscheinlich ein Ergebnis der Eiszeit; die Arten mit Hirnrinde passten sich den Veränderungen nämlich besser an als diejenigen, die keine hatten. Die Dinosaurier mit ihrem Reptiliengehirn ohne reguläre Hirnrinde waren daher nicht gut gerüstet, als ein Meteoriteneinschlag zu großen Klimaveränderungen führte. Der Stegosaurus wog enorme fünf Tonnen, hatte aber ein Gehirn von nur 80 Gramm Gewicht (etwa so groß wie eine Zitrone). Wenn man außerdem weiß, dass dieses Minigehirn keine Hirnrinde besaß, ist es kein Wunder, dass es diese Tiere heute nur noch im Film und im Museum gibt.

Abbildung 1. Die rechte Hirnhälfte eines menschlichen Gehirns von der Mitte aus gesehen, mit den jeweiligen evolutionsgeschichtlichen Entwicklungsstufen in verschiedenen Grautönen. Das Reptiliengehirn ist dunkelgrau, das frühe Säugetiergehirn hellgrau markiert. Das am weitesten entwickelte Säugetiergehirn, also das Menschengehirn, ist weiß dargestellt. Einzelne Hirnstrukturen, die eine zentrale und definierbare Rolle innehaben, sind speziell benannt.

Auch wenn uns die Hirnrinde zur intelligentesten Art auf der Erde macht, hätten wir es ohne die tiefer liegenden Teile des Gehirns nicht weit gebracht. Der Teil, der am tiefsten sitzt und grundlegend für unsere Existenz ist, ist das Reptiliengehirn. Es besteht aus Hirnstamm und Kleinhirn. Der Hirnstamm ist der perfekte Hausmeister; er sorgt dafür, dass alles funktioniert, ohne dass wir uns darüber Gedanken machen müssen. Die Nervenzellen im Hirnstamm regulieren Atmung, Herzrhythmus und Schlaf. Sie ruhen nie, ganz gleich, ob wir schlafen oder wach sind. An der Rückseite des Hirnstamms sitzt das Kleinhirn. Das Kleinhirn reguliert unsere Bewegungen, und wenn es durch Alkohol beeinflusst wird, bewegen wir uns unkoordiniert und schwankend.

Das Gehirn besteht aus grauer und weißer Substanz. In der grauen Substanz (die tatsächlich nicht grau, sondern rosa ist), liegen die Nervenzellkörper und die Synapsen, an denen die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen stattfindet. Die weiße Substanz ist die Schnellstraße für die elektrischen Signale, die durch lange Nervenzellfortsätze geleitet werden. Wie jede elektrische Leitung brauchen auch die Leitungen im Gehirn eine Isolierung. Das Isoliermaterial im Gehirn bewirkt eine schnellere Übertragung der Signale. Es heißt Myelin und hat einen so hohen Fettgehalt, dass es weiß aussieht. Die graue Substanz finden wir in der Hirnrinde, also sowohl um das Großhirn als auch um das Kleinhirn herum, aber es gibt auch Inseln von grauer Substanz in der Mitte, in den Kernen.

Abbildung 2. Die Hirnrinde besteht aus grauer Substanz. Hier finden wir auch alle Nervenzellkörper und die Kontaktpunkte zwischen den Nervenzellen, also die Synapsen. Unterhalb der grauen Substanz befindet sich die weiße Substanz, die aus isolierten Nervenzellfortsätzen besteht.

DAS SÄUGETIERGEHIRN

Im menschlichen Gehirn sitzen immer noch die Strukturen des frühesten Säugetiergehirns. Dies entwickelte sich vor 250 Millionen Jahren und wird das limbische System genannt. Die ältesten Teile der Hirnrinde und die Inseln aus grauer Substanz mit Nervenzellen im Inneren des Gehirns gehören zu diesem System. Diese Inseln mit Nervenzellen nennt man Kerne, und viele von ihnen sind wichtig für grundlegende Funktionen. Im Englischen merkt man sich diese Funktionen mit Hilfe von vier F-Wörtern: Fighting, Flighting, Feeding and Fucking, also Kampf, Flucht, Essen und Sex. All das sind entscheidende evolutionäre Triebkräfte.

Ein wichtiger Kern im limbischen System heißt Amygdala und liegt hinter der Schläfe (siehe Abbildung 1). Die Anatomen des Altertums benannten die Strukturen des Gehirns nach Dingen, denen sie ähnelten, und Amygdala ist griechisch für Mandel. Die beiden ersten F findest du in diesem Mandelkern. Die Nervenzellen in der Amygdala sind wichtig für deine emotionalen Reaktionen. Sie bewirken, dass dir vielleicht ein paar unfeine Wörter entschlüpfen, wenn du zum Bus rennst und der Busfahrer genau in dem Moment losfährt, wenn du ankommst, oder dass du dich erneut darüber aufregst, wenn du die Geschichte ein paar Stunden später beim Mittagessen erzählst. Die Amygdala ist auch wichtig für deine Motivation, und deswegen ist sie, wenigstens zum Teil, schuld daran, dass du dich so abgehetzt hast, um den Bus zu erreichen, obwohl der nächste nur wenig später fährt. Wenn du dann am selben Abend im Dunkeln nach Hause gehst, Schritte hinter dir hörst und vielleicht dein Tempo ein wenig beschleunigst – dann ist es wieder die Amygdala, die arbeitet. Und selbst wenn du in einer sicheren Umgebung wärst und nichts zu befürchten hättest, würdest du große Angst empfinden, wenn man deine Amygdala elektrisch stimulieren würde.

Hinter der Amygdala liegt eine drei bis vier Zentimeter lange wurstförmige Struktur, die ebenfalls zum primitiveren Teil des Gehirns gehört. Diese Wurst heißt Hippocampus, lateinisch für Seepferdchen (siehe Abbildung 1). Der Hippocampus ist wichtig für das Gedächtnis und den Ortssinn. Er kann dir dabei helfen, den Busfahrplan auswendig zu lernen, aber selbst wenn du die Abfahrtszeiten paukst, bis der Hippocampus qualmt, wirst du deswegen noch kein Mathe-Genie. Der Zahlensinn befindet sich nämlich in der Hirnrinde.

Im Zentrum des Gehirns sitzt links und rechts der Mittelachse ein Thalamus (siehe Abbildung 1). Die beiden Thalamusseiten leiten Signale mit den neuesten Nachrichten von allen Sinnen an so gut wie jeden Winkel des sensorischen Universums in der Hirnrinde. Würden wir die Hirnstrukturen mit Menschen vergleichen, wäre der Thalamus jemand, der sämtlichen Tratsch und Klatsch über die Leute weiß und überall mitmischt. Breite Autobahnen aus Nervenzellfortsätzen verlaufen nämlich durch diese beiden Thalamusteile, verbinden sich mit anderen Bahnen und bilden so komplexe Kreisläufe von elektrischen Informationen, die in koordinierten, wiederholten Mustern dahinflitzen.

GENIALE AFFEN

Die Menschenaffen bekamen schnell größere Gehirne. Sie behielten sowohl das Reptiliengehirn als auch das limbische System; der Volumenzuwachs bestand aus etwas anderem: der Hirnrinde.

In grauer Vorzeit lebten unsere Ahnen in den Baumkronen der afrikanischen Urwälder, bis die klimatischen Bedingungen sich ins Gegenteil verkehrten. Damals war das Klima die reinste Achterbahnfahrt, Mini-Eiszeiten und Hitzeperioden wechselten sich ab. Die extremen Verhältnisse wirkten sich auf alle Kreaturen aus, sofern sie denn überlebten. Die meisten überlebten nicht. Die Veränderungen waren extrem genug, um uns aus den Bäumen zu schütteln, aber nicht extrem genug, um uns auszurotten. Als die frühen Menschen vor vier Millionen Jahren auf zwei Beinen durch die afrikanische Savanne liefen, wog ihr Gehirn rund 400 Gramm. Obwohl sie die Hände nun für andere Aufgaben frei hatten, als sich an Ästen festzuklammern, benutzten sie kein Werkzeug. Das änderte sich erst, als Homo habilis, der »begabte Mensch«, vor zwei Millionen Jahren auf den Plan trat. Da war das Gehirn auf gut 600 Gramm angewachsen. Es waren allerdings nicht gerade anspruchsvolle Werkzeuge, mit denen Homo habilis sich ausrüstete: Meistens griff er sich einfach irgendwelche Steine und schlug damit auf ein Objekt ein. Um Homo habilis etwas Würde zu verleihen, bezeichnet man diese Steine heute als Faustkeile.

Die Verwendung von Werkzeugen war ein Durchbruch, aber der Mensch ist nicht das einzige Geschöpf, das sich ihrer bedient. Delfine beißen Stücke von Seeschwämmen ab, um ihre Schnauzen zu schützen, wenn sie den Meeresgrund nach Beutetieren durchwühlen. Spechtfinken benutzen Kaktusstacheln, um Larven aus Löchern zu puhlen, während Schimpansen mit Hilfe von Stöckchen Termiten aus Baumstämmen angeln. Dass sie ein Werkzeug benutzen, um an Termiten zu kommen, ist zwar beindruckend, aber es fehlt doch noch einiges, bis Schimpansen Symphonien schreiben. In der Evolutionsgeschichte des Menschen muss also noch mehr passiert sein, etwas, das unser Denken einzigartig macht.

Eine weitere Million Jahre verging, und Homo habilis wich dem Homo erectus (»aufgerichteter Mensch«), der sich das Feuer zunutze machte und zu jagen begann. Homo erectus wurde in geringerem Maße als seine Vorfahren von den primitiven Teilen des Gehirns gesteuert. Das Gehirn hatte sich von der Größe her abermals fast verdoppelt und wog nun 1000 Gramm. Anstatt vor dem Feuer zu fliehen, begriff Homo erectus, dass er es...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2018
Übersetzer Dagmar Lendt
Zusatzinfo s/w, ca. 20 s/w-Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Hjernen Er Stjernen
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Biologie • Darm mit Charme • eBooks • Emotionen • Erinnerungen • Gehirn • Gesundheit • Hirn • Kommunikation • Kopf • Neurologie • Neurowissenschaften • Organ • Persönlichkeit
ISBN-10 3-641-21877-2 / 3641218772
ISBN-13 978-3-641-21877-5 / 9783641218775
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