Die Berechnung des Kosmos (eBook)
528 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00058-2 (ISBN)
Ian Stewart, geboren 1945, ist der beliebteste Mathematik-Professor Großbritanniens. Seit Jahrzehnten bemüht er sich erfolgreich, seine Wissenschaft zu popularisieren. Er studierte Mathematik in Cambridge und promovierte an der Universität Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist Stewart zudem Mitglied der Royal Society. Er lebt mit seiner Familie in Coventry.
Ian Stewart, geboren 1945, ist der beliebteste Mathematik-Professor Großbritanniens. Seit Jahrzehnten bemüht er sich erfolgreich, seine Wissenschaft zu popularisieren. Er studierte Mathematik in Cambridge und promovierte an der Universität Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist Stewart zudem Mitglied der Royal Society. Er lebt mit seiner Familie in Coventry. Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde. Trägerin des Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2021. Bernd Schuh, geboren 1948 ist Physiker, Dozent, Journalist, Autor und Übersetzer. Er studierte Mathematik, Physik und Chemie in Köln, wurde 1977 promoviert und habilitierte sich 1982 in Physik. Er ist Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.
Einleitung
«Nun, ich habe es ausgerechnet.»
So antwortete Isaac Newton Edmond Halley auf die Frage, woher er wisse, dass ein reziprokes quadratisches Abstandsgesetz für die Anziehung zwischen Himmelskörpern zu einer Ellipse für die Umlaufbahn eines Planeten führe.
Zitiert nach Herbert Westren Turnbull, The Great Mathematicians
Am 12. November 2014 hätte ein intelligentes Wesen von einem anderen Stern, das unser Sonnensystem observiert, eine verwirrende Beobachtung machen können. Schon seit Monaten war ein kleiner Apparat einem Kometen auf seiner Bahn um die Sonne gefolgt – ganz passiv, schlafend. Doch plötzlich erwachte der Apparat und spuckte eine noch kleinere Maschine aus. Diese stieg auf die pechschwarze Oberfläche des Kometen hinab, traf ihn … und schlug mehrmals hart auf. Als sie schließlich zur Ruhe kam, kippte sie auf eine Seite und rammte einen Felsbrocken.
Als dem Außerirdischen klar wurde, dass die Landung nicht ganz wie geplant verlaufen war, war er möglicherweise nicht furchtbar beeindruckt. Doch hatten die Ingenieure hinter den beiden Maschinen ein Kunststück ohnegleichen vollbracht – nämlich eine Raumsonde auf einem Kometen landen zu lassen. Die größere Maschine war Rosetta, die kleinere Philae und der Komet hieß 67P/Tschurjumow-Gerassimenko. Die Mission wurde von der European Space Agency (die europäische Raumfahrtorganisation ESA) durchgeführt, und der Flug dauerte mehr als zehn Jahre. Trotz der holprigen Landung erreichte Philae die meisten ihrer wissenschaftlichen Ziele und sandte wichtige Daten zur Erde zurück. Rosetta funktioniert weiterhin wie geplant.
Warum landet man auf einem Kometen? Kometen sind für sich genommen schon sehr interessant, und alles, was wir über sie herausfinden können, erweitert unser Grundlagenwissen in nützlicher Weise. Ganz praktisch betrachtet, kommen Kometen der Erde gelegentlich nahe, und ein Zusammenprall würde gigantische Verwüstungen zur Folge haben, sodass es klug ist, herauszufinden, woraus Kometen bestehen. Man kann die Umlaufbahn eines festen Körpers mit Hilfe einer Rakete oder einer Atomrakete verändern, aber eine zu schwache könnte auseinanderbrechen und das Problem verschlimmern. Es gibt jedoch noch einen dritten Grund. Kometen enthalten Material, das auf den Ursprung des Sonnensystems verweist; deswegen liefern sie wertvolle Hinweise zum Verständnis, wie unsere Welt entstanden ist.
Astronomen glauben, dass Kometen schmutzige Schneebälle sind, nichts als Eis mit einer dünnen Staubschicht darauf. Philae konnte das bestätigen, jedenfalls für den Kometen 67P, bevor ihre Batterien erschöpft waren und die Sonde für immer schwieg. Falls sich die Erde in der gegenwärtigen Entfernung von der Sonne gebildet hat, besitzt sie mehr Wasser, als sie dürfte. Wo kam dieses zusätzliche Wasser her? Eine attraktive Möglichkeit wäre ein Bombardement durch Millionen Kometen, als sich das Sonnensystem bildete. Das Eis schmolz, und die Ozeane waren geboren. Vielleicht überrascht es, dass man diese Theorie prüfen kann. Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff. Wasserstoff kommt in drei verschiedenen atomaren Formen vor, die man als Isotope bezeichnet. Sie alle haben dieselbe Anzahl Protonen und Elektronen (jedes einzelne Atom), doch sie unterscheiden sich in der Anzahl der Neutronen. Gewöhnlicher Wasserstoff hat keine Neutronen, Deuterium hat eins und Tritium zwei. Wenn die Ozeane der Erde auf Kometeneinschläge zurückgehen, müsste das Verhältnis dieser Isotope im Meer und in der Erdkruste, deren Gestein ebenfalls große Mengen Wasser enthält, den Mengenverhältnissen in den Kometen ähneln.
Der Komet 67P, auch «Gummiente» genannt, von Rosetta fotografiert.
Philaes Analyse zeigt, dass 67P im Vergleich zur Erde einen höheren Anteil Deuterium enthält. Weitere Daten von anderen Kometen werden nötig sein, um ganz sicherzugehen, doch die These vom Entstehen der Ozeane aus einem Kometenhagel steht bereits auf wackligen Füßen.
Die Rosetta-Mission ist nur ein Beispiel für die zunehmenden menschlichen Fähigkeiten, Roboter zur wissenschaftlichen Erkundung oder zum alltäglichen Gebrauch ins Weltall zu entsenden. Diese neue Technologie hat unsere wissenschaftlichen Bestrebungen erweitert. Unsere Raumsonden haben mittlerweile Schnappschüsse von jedem Planeten im Sonnensystem und sogar von noch kleineren Himmelskörpern zur Erde gefunkt.
Der Fortschritt vollzieht sich rapide. Amerikanische Astronauten landeten 1969 auf dem Mond. 1972 wurde Pioneer 10 gestartet; die Sonde besuchte Jupiter und verließ anschließend das Sonnensystem. Pioneer 11 folgte im Jahr darauf und besuchte auch Saturn. 1977 starteten Voyager 1 und Voyager 2, um diese Welten und außerdem die noch weiter entfernten Planeten Uranus und Neptun zu erkunden. Andere Raumschiffe, von anderen Nationen oder nationalen Zusammenschlüssen gestartet, haben Merkur, Venus und Mars besucht. Einige sind sogar auf Venus und Mars gelandet und haben wertvolle Informationen zurückgesendet. 2015 sind fünf Raumsonden und zwei Oberflächenfahrzeuge dabei, den Mars zu erkunden, Cassini umrundet Saturn, die Raumsonde Dawn umkreist den früher als Asteroid und nun als Zwergplanet bezeichneten Ceres, und das Raumschiff New Horizons ist gerade am bekanntesten Zwergplaneten unseres Sonnensystems vorbeigesaust und hat umwerfende Bilder von ihm gesendet: Pluto. Seine Daten werden dazu beitragen, die Geheimnisse dieses rätselhaften Himmelskörpers und seiner fünf Monde zu entschlüsseln. Die Sonde hat schon bewiesen, dass Pluto unwesentlich größer als Eris ist, ein noch weiter entfernter Zwergplanet, den man bislang für den größten gehalten hatte. Pluto wurde ja seinerzeit zum Zwergplaneten zurückgestuft, um Eris seines planetaren Status zu entheben. Nun zeigt sich, dass das gar nicht nötig gewesen wäre.
Am 14. Juli 2015 sandte die NASA-Sonde New Horizons dieses historische Bild von Pluto zur Erde, das erste, auf dem Merkmale des Zwergplaneten deutlich zu sehen sind.
Wir fangen auch gerade an, weniger wichtige, doch gleichermaßen faszinierende Himmelskörper zu erkunden: Monde, Asteroiden und Kometen. Das ist noch nicht Star Trek, doch die letzte Grenze, The Last Frontier, ist eröffnet.
Die Erkundung des Weltraums ist Grundlagenwissenschaft, und während die meisten Menschen neue Erkenntnisse über die Planeten faszinierend finden, wären manchen Steuerzahlern etwas handfestere Ergebnisse lieber. Soweit es unseren Alltag betrifft, ist die Fähigkeit, gravitative Wechselwirkung zwischen Körpern mathematisch zu modellieren, die Quelle einer Reihe technologischer Wunder, die auf künstlichen Monden beruhen: Satellitenfernsehen, ein hocheffizientes internationales Telefonnetzwerk, Wettersatelliten, Satelliten, die Magnetstürme auf der Sonne registrieren, Umweltbeobachtungssatelliten, die auch den Globus kartieren – bis hin zu Fahrzeugen, die mit Hilfe des Global Positioning System navigieren.
Diese Errungenschaften hätten frühere Generationen erstaunt. Noch in den 1930er Jahren dachten die meisten Menschen, dass nie ein Mensch den Mond betreten würde. (Heute noch glaubt eine Menge naiver Verschwörungstheoretiker, dass das immer noch nicht geschehen sei, aber davon will ich gar nicht erst anfangen.) Es gab hitzige Debatten darüber, ob es überhaupt möglich sei, in den Weltraum zu fliegen. Manche Leute bestanden darauf, dass Raketen im Weltraum nicht funktionieren würden, weil «es nichts gäbe, an denen sie sich abstoßen könnten», wobei sie Newtons drittes Bewegungsgesetz missachteten – zu jeder Wirkung gibt es eine gleich große und entgegengesetzte Gegenwirkung, actio gleich reactio.
Ernsthafte Wissenschaftler bestanden hartnäckig darauf, dass eine Rakete niemals funktionieren würde, weil man eine Menge Treibstoff brauchte, um die Rakete in die Luft zu bekommen, dann noch mehr Treibstoff, um den Treibstoff hochzubekommen, dann noch mehr Treibstoff, um das zu schaffen … und das, obwohl schon im chinesischen Huolongjing (Feuerdrachen-Anleitung) aus dem 14. Jahrhundert die Darstellung (von Jiao Yu) eines Feuerdrachen, sprich einer mehrstufigen Rakete abgebildet ist. Um eine weitere Stufe in die Luft zu bekommen, benutzten diese chinesischen Marinewaffen abwerfbare Booster; sie sahen aus wie der Kopf eines Drachen, der mit Feuerpfeilen bestückt war, die aus seinem Maul schossen. Conrad Haas machte 1551 das erste europäische Experiment mit mehrstufigen Raketen. Die Raketenpioniere des 20. Jahrhunderts wiesen nach, dass die erste Stufe einer Mehrstufenrakete in der Lage wäre, die zweite Stufe und ihren Treibstoff nach oben zu bringen, wenn sie alles überschüssige Gewicht der ausgebrannten ersten Stufe abwarfen. Konstantin Ziolkowski veröffentlichte im Jahr 1911 detaillierte und realistische Berechnungen zur Erforschung des Sonnensystems.
Nun, wir sind ja trotz der Nörgler zum Mond gekommen – mit genau den Ideen, die sie in ihrer Verblendung gar nicht in Betracht ziehen wollten. Bis jetzt haben wir lediglich den Weltraum in unmittelbarer Nähe erforscht, der angesichts der ungeheuren Weiten des Universums zur Bedeutungslosigkeit verblasst. Noch haben wir keine Menschen auf einen anderen Planeten gebracht, und selbst der nächste Stern scheint in...
Erscheint lt. Verlag | 27.3.2018 |
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Übersetzer | Monika Niehaus, Dr. Bernd Schuh |
Zusatzinfo | Mit 13 4-farb. Abb., zahlr. s/w Abb. |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Natur / Technik ► Naturwissenschaft |
Technik | |
Schlagworte | Astronomie • Astrophysik • Chaostheorie • Dunkle Energie • Dunkle Materie • Einstein • Geschichte der Mathematik • Kosmologie • Newton • Qantentheorie • Quantentheorie • Relativitätstheorie • Sonnensystem • Stringtheorien • Unterhaltung • Urknall • Zahlen |
ISBN-10 | 3-644-00058-1 / 3644000581 |
ISBN-13 | 978-3-644-00058-2 / 9783644000582 |
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