Man lernt nie aus, Frau Freitag! (eBook)

Eine Lehrerin in der Fahrschule des Lebens

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
192 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1530-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Man lernt nie aus, Frau Freitag! -  Frau Freitag
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Frau Freitag ist Lehrerin. Sie sagt normalerweise, wo's lang geht. Doch nun wird sie selbst zur Schülerin, denn Frau Freitag will endlich den Führerschein machen. Aber ständig bekommt sie zu hören, dass sie schon viel zu alt sei, um etwas Neues zu lernen - auch von ihrem Fahrschullehrer. Dabei hat sie doch Snowboardfahren gelernt und Lehrerinsein und Aquagymnastik. Und mit Frau Dienstag geht sie regelmäßig zum Pilates, ihren Körper kann sie noch tip-top verrenken. Aber Frau Freitag ist eine ungeduldige Schülerin, in ihrem Alter will sie sich eigentlich gar nichts mehr sagen lassen. In der Fahrschule lernt sie nicht nur Autofahren, sondern vor allem eine Menge über sich selbst... Eine rasante Fahrt durchs Leben voller Situationskomik und bizarrer Begegnungen - im beliebten Sound der Bestsellerautorin Frau Freitag.

Frau Freitag, geboren 1968, wollte schon immer Lehrerin werden. Seit über zehn Jahren unterrichtet sie Englisch und Kunst in lauter überdrehten, dafür recht leistungsschwachen Klassen. Sie lebt in einer deutschen Großstadt.

Frau Freitag, geboren 1968, ist Lehrerin, Bloggerin und Bestseller-Autorin. Sie schrieb u. a. "Chill mal, Frau Freitag" und 2016 erschien ihr Lehrer-Ratgeber "Für mich ist auch die sechste Stunde". Letztes Jahr wurde die Lehrerin selbst wieder zur Schülerin und machte ihren Führerschein. Frau Freitag lebt in Berlin, wo sie mit ihrem neuen Auto unterwegs ist.

1. Woche (222,80 Euro)


Heute habe ich meine allererste Fahrstunde. Ich bin aufgeregt und sehr gespannt auf den Fahrlehrer. Was soll ich denn anziehen? Der erste Eindruck ist doch wichtig. Na, mit Jeans, Kapuzenpulli und flachen Winterstiefeln kann man nichts falsch machen. Mit hochhackigen Schuhen soll man bestimmt nicht Auto fahren. Auf jeden Fall darf ich nicht so aussehen, als hätte ich mir zu viele Gedanken über mein Outfit gemacht. Ich lasse mal ein Hosenbein über dem einen Stiefel und zieh das andere runter. Das sieht dann sehr lässig und auf keinen Fall nach vielen Vorüberlegungen aus. Es ist wichtig, was der Fahrlehrer von mir hält. Schließlich sitze ich ja ab jetzt wochenlang mit dem im Auto.

Fünfzehn Jahre Lehrerin, und auf einmal bin ich Schülerin. »Wir nähern uns der Fahrertür immer von vorn. Warum? Damit wir den vorbeifahrenden Verkehr im Auge haben.«

Fahrlehrer Harald fragt gerne Sachen, die er sich dann selbst beantwortet. Bis wir im Auto sitzen, grinse und nicke ich eigentlich nur immer wieder und sage »Aha« und »Ach so«. Ich versuche, freundlich rüberzukommen und einen guten Eindruck zu machen. Harald ist wahrscheinlich so alt wie ich, sieht aber älter aus. Er trägt eine Antiklederjacke.

»Hast du schon mal darüber nachgedacht, den Führerschein nur für Automatik zu machen?«, fragt er.

»Nee, hab ich nicht und will ich auch nicht.«

»Na ja, schalten ist nicht zu unterschätzen«, sagt er, obwohl ich das Schalten gar nicht unterschätzt habe. Wie käme ich denn dazu? Aber ich will nicht nur Automatik. Haben Sie sich schon mal überlegt, nur den Hauptschulabschluss zu machen? Haben Sie sich mal überlegt, nur eine halbe Packung Zigaretten zu kaufen? Nee, ich will das ganz Normale. Ich will das, was alle haben. Ich will schalten. Aber bevor ich auch nur irgendetwas im Auto anfassen darf, wird mir jeder eingebaute Pups in dem Fahrzeug erklärt. Ich darf die Spiegel einstellen. »Du musst den Türgriff in der unteren rechten Ecke sehen können.« Ich drücke auf die Taste mit den Pfeilen. Der Spiegel dreht sich nach außen. Okay, rechts, das muss nahe am Auto sein. Alles andere macht keinen Sinn. Das sind jetzt Sachen, die ich nie mehr vergessen werde. »Du musst den Türgriff in der unteren rechten Ecke sehen können.« Von heute an werde ich alle Seitenspiegel in allen Autos, die ich noch fahren werde, so einstellen. Hoffentlich erzählt mir Harald keinen Scheiß. Er sagt auch, ich soll nicht auf den Rückspiegel fassen.

»Der Blinker.« Erklär, erklär, ich darf den Blinker anmachen. Links blinken, rechts blinken, links blinken, rechts blinken. Ich warte auf ein mich austricksendes links, links, aber das kommt nicht. »Das ist das Radio. So geht das aus und an, und die Sender …« Ich habe schon mal ein Radio gesehen. Sogar schon mal bedient. Sogar schon ein Autoradio bedient. Harald nimmt es mit der Einführung sehr genau. Wir sitzen eine Stunde nebeneinander, und er erklärt mir, wie Mercedes irgendwas gebaut hat, und im Gegensatz zu Opel sei es bei VW ja immer so oder so, und hier ist die Heizung, und da geht der Sitz nach vorne und nach hinten und nach unten und nach oben.

Harald muss das machen. Er muss mir alles erklären. Aber auch wenn ich keinen Führerschein habe – ein Auto habe ich schon mal gesehen. Auch schon in einem gesessen, und als er mir erklären will, wie ich mich anschnallen soll, da kann ich nicht anders und sage, dass ich mich schon mal angeschnallt habe, auch wenn der Stecker da auf der anderen Seite war. Anschnallen kann ich.

Und dann geht es los. Ich soll nur lenken. Wir gurken im Schritttempo durch die Gegend, und ich lenke. Enge Straße, Kopfsteinpflaster. Harald gibt Gas, und ich lenke. Geradeaus und nach links und nach rechts, und es geht eigentlich ganz gut. Ich streife kein parkendes Fahrzeug und fahre auch nicht in den Gegenverkehr. Verrückt, dass ich in einem richtigen Auto am Steuer sitze. Wenn mich jetzt Frau Dienstag sehen könnte. »Guck, guck, ich fahre!«

Nach zehn Minuten sind wir fertig. Harald parkt den Wagen. Wir steigen aus und rauchen. Ich finde, ich war okay für das erste Mal. Harald sagt erst mal nichts. Wir rauchen. Dann sagt er: »Na ja, war ja gar nicht so schlecht. Mal sehen, wie du dich beim Schalten anstellst. Auto fahren ist ja auch schwerer, als in einen Laden zu gehen und ein Buch zu kaufen.«

Ja, stimmt. Buch kaufen ist nicht so schwer. Er hat recht. Auto fahren ist bestimmt schwerer. Glaubt Harald, dass ich denke, ein Buch kaufen und Auto fahren sind gleich schwer? Denkt er, ich kaufe nur Bücher und mache sonst nichts? Er hat mich gar nicht gefragt, was ich mache, und wenn er gefragt hätte, dann hätte ich bestimmt nicht gesagt, dass ich den ganzen Tag Bücher kaufe.

Ich sage: »Stimmt. Auto fahren ist bestimmt schwerer.« Wir verabschieden uns, und ich gehe nach Hause. Es gibt viele Sachen, die schwerer sind als andere Sachen. Alleine um die Welt zu segeln ist zum Beispiel schwerer, als Wasser zu kochen, und ein Haus zu bauen ist schwerer, als einen Grießbrei zu machen. Aber was wollte er mir damit sagen? Dieser Harald ist irgendwie komisch.

Am Abend erzähle ich Frau Dienstag von Harald. Aber sie bedauert mich vor allem, weil ich zum Theorieunterricht muss. »Du Arme. Wie oft ist das denn?«

»Ich glaube, es sind insgesamt vierzehn Themen. Das geht immer drei Stunden.«

»Drei Stunden?! Auweia! Voll anstrengend. Das lange Sitzen, und dann ist es bestimmt total langweilig.« Sie ist sichtlich erschüttert. Das Mitleid tut gut. Zu dem ganzen Mitleid mischt sich allerdings auch ein bisschen Freude und Erleichterung darüber, dass sie nicht gezwungen wird, endlose Abende in diesem kargen Fahrschulraum zu verbringen. Diese Genugtuung will ich ihr aber nicht geben.

»Ach, mir macht das lange Sitzen gar nicht so viel aus. Und ich lerne da ja auch was. Wichtige Sachen, die ich zum Autofahren brauche.« Frau Dienstag macht eine wegwerfende Handbewegung. »Pfff, das ist alles richtig langweilig, und du vergisst das sowieso sofort wieder.«

»Meinst du?«

Sie nickt. Komisch, dass ich von einer Lehrerin bedauert werde, etwas lernen zu dürfen.

Am nächsten Abend ist es dann so weit. Ich denke: Ich sag nichts. Ich setze mich einfach nur hin und höre zu. Vielleicht schreibe ich ein bisschen mit, aber sagen werde ich nichts. Gar nichts. Es gibt immer Leute, die gar nichts sagen. Die kommen rein, setzen sich hin, sind dabei, und am Ende gehen sie wieder und haben gar nichts gesagt. Nicht ein Wort. Ich will auch so sein.

Mit dem festen Vorsatz, mich diesmal absolut zurückzuhalten, begebe ich mich in meine erste Theoriestunde. Ich nicke den Anwesenden zur Begrüßung zu. Ich werde nicht mal »Guten Abend« oder »Hallo« sagen. Von mir hören sie nichts! Ich werde eine von diesen stummen, undurchschaubaren Personen sein. Mit neutralem Gesichtsausdruck. Wo man nicht weiß – findet die das jetzt gut oder schlecht? Undurchschaubar, weil stumm und emotionslos. Emotionslos – ja!

Es fängt an. Wir sehen einen Film. Einen Film über Autos. Der Film ist länger als nötig. Der Fahrlehrer verschwindet im Hinterzimmer. Niemand sagt etwas. Ich beginne, mich zu langweilen. Ist kein Actionfilm, und lustig ist er auch nicht. Autofahrer werden interviewt, und jeder sagt, dass er ein guter Fahrer sei. Ich sehe mich um. Der Raum ist anregungsarm, ich gucke mir den Kalender an. Es ist so einer, bei dem man ein kleines Kästchen über die Zahlen schieben kann, um den Tag einzustellen. Das Datum stimmt nicht. Heute ist zwar Oktober, aber nicht der zweiundzwanzigste, sondern der vierundzwanzigste.

Dann kommt der Fahrlehrer wieder. Er sitzt vor uns und erzählt uns etwas über Alkohol, Drogen, Handys, Vollkasko, Teilkasko, Insassenversicherungen und Schutzbriefe, und dann fragt er, was man tut, wenn man zu müde wird beim Fahren.

Ich sag nichts! Ich werde nichts sagen. Er fragt noch mal. Niemand meldet sich. Ich werde mich weder melden noch was sagen. Und dann höre ich mich plötzlich sagen: »Na, auf keinen Fall Kaffee trinken!« Es ist einfach so aus mir herausgeplatzt. Ich wollte das gar nicht sagen. Ich wollte doch unauffällig meine Zeit absitzen.

Der Fahrlehrer grinst. Ich meine – Kaffee, ist doch klar. Jeder trinkt Kaffee, wenn er müde ist, aber hier wird Kaffee nicht akzeptiert. Und dann nickt der Fahrlehrer, und wir erhalten einen kurzen Vortrag darüber, dass Kaffee eben nicht wach macht. So ein Quatsch. Kaffee macht wach. Aber Kaffee ist böse. Tee auch und Energy-Drinks ebenfalls. Von Zigaretten wollen wir gar nicht erst anfangen.

Und ab da kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Jeden Satz muss ich kommentieren. Überall meine schlechten Witze beisteuern. Wenn ich was höre, dann sucht mein Hirn einen passenden Witz zu dem Satz, und auch wenn ich das nicht will, sage ich den dann. Das ist wie kotzen. Man denkt noch: Nein, nein, und schon ist es passiert.

Die erste Theoriestunde, und Oma ist schon jetzt der Klassenclown. Na toll. Um meinen Witzemachdrang ein bisschen zu kontrollieren, habe ich angefangen mitzuschreiben. Das ging dann. Aber nur kurz. Die Pausen waren ganz schlimm. Ich werde mich nächstes Mal einfach nicht zu den anderen stellen.

Ich war total der Schüler. Mit all seinen negativen Eigenschaften. Unkonzentriert, habe ständig auf mein Handy geguckt, mich nicht gemeldet, wenn ich was sagen wollte, mit meinem Nachbarn geflüstert, und ich bin sicher, das nächste Mal komme ich bestimmt zu spät und bekritzele die Tische. Oh Gott.

Ein paar Tage später habe ich meine zweite Fahrstunde bei Harald. Ich komme in die Fahrschule, und Harald sitzt am...

Erscheint lt. Verlag 7.4.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Technik
Schlagworte Auto • Autofahren • Autofahrt • Berlin • Buch 2017 • Fahrlehrer • Fahrprüfung • Fahrschule • Frau Freitag • Fräulein Krise • Führerschein • Großstadt • Ich hatte mich jünger in Erinnerung • Lebensmitte • Lehrer • lehrer beruf • Lernen • Monika Bittl • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen 2017 • Schule • Verkehr
ISBN-10 3-8437-1530-0 / 3843715300
ISBN-13 978-3-8437-1530-0 / 9783843715300
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