Arrival of the Fittest - Wie das Neue in die Welt kommt (eBook)

Über das größte Rätsel der Evolution
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403517-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Arrival of the Fittest - Wie das Neue in die Welt kommt -  Andreas Wagner
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Das letzte Rätsel der Evolution - gelöst! »Wagner stößt bis ins Herz der Innovationen bei lebendigen Systemen vor. Unterhaltsam, brillant.« Rolf Dobelli Bislang blieb ein Rätsel der Evolutionstheorie ungelöst: Ist wirklich nur zufällige Mutation die Ursache von Flügeln, Facettenaugen, Photosynthese und des ganzen Reichtums der Arten? Jetzt wissen wir: nein! Der renommierte Evolutionsbiologe Andreas Wagner hat Gesetze entdeckt, die es der Natur gestatten, neue Moleküle und Mechanismen herauszubilden, die eine schnelle Anpassung der Arten ermöglichen: wie der Kabeljau, der im Eiswasser dank eines Proteins überlebt, das den Gefrierpunkt seiner Körperflüssigkeit herabsetzt. Sorgfältig argumentiert und mit vielen Beispielen veranschaulicht, präsentiert Andreas Wagner jetzt den letzten Baustein der Darwinschen Theorie - er zeigt, wie das Neue in die Welt kommt.

ANDREAS WAGNER ist Professor am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich. Nach der Promotion bestritt er Forschungsaufenthalte am Santa Fe Institute (USA), dem Institut des Hautes Etudes Scientifiques in Bures-sur-Yvette (Frankreich) und lehrte an der Universität von New Mexico (USA). Er ist Mitglied der American Association for the Advancement of Science sowie der European Molecular Biological Organization (EMBO).

ANDREAS WAGNER ist Professor am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich. Nach der Promotion bestritt er Forschungsaufenthalte am Santa Fe Institute (USA), dem Institut des Hautes Etudes Scientifiques in Bures-sur-Yvette (Frankreich) und lehrte an der Universität von New Mexico (USA). Er ist Mitglied der American Association for the Advancement of Science sowie der European Molecular Biological Organization (EMBO).

wer mehr über neueste Entwicklungen in der Evolutionsbiologie erfahren möchte […], dem ist die Lektüre seines Buch ohne Einschränkung zu empfehlen.

Freude am abstrakten Denken ist Voraussetzung für dieses Lesevergnügen.

ein großer Gewinn für alle, die die Evolutionstheorie besser verstehen wollen.

das Buch ist lebendig geschrieben und am Ende steht ein neuer umfassender Blick auf die Evolution der Arten

interessante Erkenntnisse und Einblicke in Genetik und Bioinformatik

Prolog


Genug Welt, genug Zeit

Im Frühjahr 1904 hielt Ernest Rutherford einen Vortrag vor der ältesten wissenschaftlichen Gesellschaft der Welt: der Royal Society of London for Improving Natural Knowledge. Der zweiunddreißigjährige, in Neuseeland geborene Physiker, der damals an der McGill University in Kanada arbeitete, sprach über Radioaktivität und das Alter der Erde.

Zu jener Zeit hatten die Wissenschaftler sich längst von den biblischen Berichten abgewandt, in denen behauptet wurde, die Erde sei nur 6000 Jahre alt. Das weithin anerkannte Datum hatte ein anderer Physiker berechnet: William Thomson, besser bekannt als Lord Kelvin. Er hatte die Gleichungen der Thermodynamik und die Erkenntnisse über die Leitfähigkeit der Erde zugrunde gelegt und abgeschätzt, dass unser Planet ungefähr 20 Millionen Jahre alt ist.

In der Geologie ist das keine besonders lange Zeit, und aus seiner Schätzung ergaben sich weitreichende Folgerungen. Die geologischen Merkmale der Erde konnten in einem solchen Zeitraum nicht entstanden sein, wenn Prozesse wie Vulkanismus und Erosion immer mit der gleichen Geschwindigkeit abgelaufen waren wie heute.[1] Das wahre Opfer von Kelvins Schätzung jedoch war Charles Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Selektion. Darwin selbst hatte geschrieben, er sei »stark beunruhigt über die kurze Dauer der Welt nach Sir W. Thomson«.[2] Er wusste, dass die Lebewesen sich seit den letzten Eiszeiten kaum verändert hatten, und aus diesen geringfügigen Veränderungen hatte er den Schluss gezogen, dass ein wahrhaft gewaltiger Zeitraum verstrichen sein musste, damit alle Organismen, die heute leben oder als Fossilien erhalten geblieben sind, entstehen konnten.[3]

Rutherford jedoch hatte erst wenige Jahre zuvor das Phänomen der radioaktiven Halbwertszeit entdeckt und wusste, dass Kelvin um mindestens einige Zehnerpotenzen danebenlag. Später erinnerte er sich:

Ich kam in den halb dunklen Saal und machte sofort Lord Kelvin im Publikum aus. Da wurde mir klar, dass ich im letzten Teil meines Vortrages Schwierigkeiten bekommen würde, denn dort behandelte ich das Alter der Erde, und meine Ansichten standen im Widerspruch zu seinen … Die Entdeckung der radioaktiven Elemente, die bei ihrem Zerfall ungeheure Energiemengen freisetzen, verschiebt die mögliche Grenze für die Dauer des Lebens auf unserem Planeten und stellt die Zeit zur Verfügung, die von Geologen und Biologen für den Prozess der Evolution gefordert wird.[4] (Hervorhebung hinzugefügt).

Das war es dann aber auch. Kelvin starb 1907. Rutherford erhielt 1908 den Nobelpreis, und schon in den 1930er Jahren hatte man mit seinen radiometrischen Methoden gezeigt, dass die Erde rund 4,5 Milliarden Jahre alt ist. Darwins Theorie war gerettet: Zufällige Mutationen und Selektion hatten jetzt die notwendige Zeit, um die ungeheure Komplexität und Vielfalt des Lebens zu schaffen.

Oder nicht?

Betrachten wir einmal den Wanderfalken Falco peregrinus, eines der großartigen Raubtiere in der Natur und ein Lebewesen von atemberaubender Vollkommenheit. Seine kraftvolle Muskulatur macht ihn in Verbindung mit einem äußerst leichten Skelett zum schnellsten Tier der Welt: Bei seinem charakteristischen Sturzflug kann er Geschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern erreichen. Und wenn der Falke seine Beute im Flug mit seinen rasiermesserscharfen Krallen ergreift, setzt er die gesamte Geschwindigkeit in eine ungeheure kinetische Energie um. Wenn der Stoß allein noch nicht tödlich wirkt, kann der Raubvogel die Wirbelsäule seiner Beute bequem mit seinem hakenförmigen Schnabel durchtrennen.[5]

Bevor F. peregrinus sich auf seinen tödlichen Sturzflug begibt, muss er seine Beute ausfindig machen. Sein Zielmechanismus besteht aus einem Augenpaar, das zu räumlichem Farbensehen in der Lage ist und ein fünfmal größeres Auflösungsvermögen besitzt als die Augen der Menschen; deshalb kann der Falke eine Taube noch aus einer Entfernung von mehr als eineinhalb Kilometern erkennen.[6] Wie viele andere Raubvögel hat der Falke in seinen Augen eine Nickhaut, ein drittes Augenlid, das ein wenig wie ein Scheibenwischer wirkt: Es entfernt bei der Hochgeschwindigkeitsjagd den Schmutz und hält das Auge gleichzeitig feucht. Außerdem enthalten die Augen eines Falken mehr Lichtrezeptoren – die Stäbchenzellen, die Bilder bei sehr schwachem Licht einfangen, und die Zapfen, die das Farbensehen ermöglichen.[7] Seine Lichtrezeptoren machen sogar langwelliges Ultraviolettlicht sichtbar.

Ein Wunder, allerdings. Noch staunenswerter ist aber etwas anderes: Wir wissen, dass jede dieser hervorragenden Anpassungen die Summe unzähliger winziger Schritte ist, die durch die natürliche Selektion erhalten geblieben sind und jeweils eine Veränderung in einem einzigen Molekül widerspiegeln. Der tödliche Schnabel und die Krallen von F. peregrinus bestehen aus dem gleichen Baumaterial wie seine Federn, Proteinmolekülen namens Keratin, die in ihrer menschlichen Version auch unsere Haare und Fingernägel bilden.[8] Für das Farbensehen sind die außergewöhnlichen Augen auf Opsine angewiesen, Proteinmoleküle in den Stäbchen und Zapfen. Für ihre ungeheure Sehschärfe sind die Augenlinsen verantwortlich, und die bestehen aus durchsichtigen Proteinen, die man Crystalline nennt.[9]

In den Augenlinsen von Wirbeltieren tauchten Crystalline erstmals vor mehr als 500 Millionen Jahren auf, und die Opsine, die dem Falken eine so gute Sehfähigkeit verschaffen, sind etwa 700 Millionen Jahre alt.[10] Sie entstanden also rund dreieinhalb Milliarden Jahre, nachdem das Leben erstmals auf der Bildfläche erschien. Das hört sich nach einer wahrhaft ausreichend langen Zeit an, um solche molekularen Neuerungen zu erfinden. Aber jedes Molekül eines Opsin- oder Crystallinproteins ist eine Kette aus mehreren hundert Aminosäuren, eine ganz spezifische Folge von Molekülbausteinen, geschrieben im Alphabet aus 20 Aminosäure-Buchstaben. Angenommen, nur eine einzige solche Sequenz kann Licht wahrnehmen oder zur Ausbildung einer durchsichtigen, kameraähnlichen Linse beitragen: Wie viele verschiedene Proteinketten aus jeweils 100 Aminosäuren mussten durchsucht werden, bis sie gefunden war? Der erste Baustein in einer solchen Kette konnte jede der 20 Aminosäuren sein, und das Gleiche gilt für den zweiten. Da 20 × 20 = 400 ist, sind 400 Verbindungen von zwei Aminosäuren möglich. Nehmen wir die dritte Aminosäure hinzu, so gelangen wir zu 20 × 20 × 20 oder 8000 Möglichkeiten. Bei vier Aminosäuren sind es schon 160000. Für ein Protein mit 100 Aminosäuren (Crystalline und Opsine sind noch viel länger) multiplizieren sich die Zahlen zu einer Eins mit mehr als 130 Nullen, das heißt, es gibt mehr als 10130 Aminosäureketten. Um sich einen Eindruck von der Größenordnung dieser Zahl zu verschaffen, kann man daran denken, dass es sich bei den meisten Atomen im Universum um Wasserstoff handelt, und die Zahl der Wasserstoffatome haben Physiker auf 1090 oder 1000000000000000000000 000000000000000000000000000000000000000 000000000000000000000000000000 geschätzt. Das ist »nur« eine 1 mit 90 Nullen. Die Zahl der möglichen Proteine ist also nicht nur astronomisch, sondern hyperastronomisch, nämlich viel größer als die Zahl der Wasserstoffatome im Universum.[11] Eine einzelne solche Sequenz zu finden ist nicht nur weniger wahrscheinlich als ein Sechser im Lotto, sondern es ist auch weniger wahrscheinlich, als in jedem Jahr seit dem Urknall einen Sechser zu haben.[12] Es ist sogar zahllose Milliarden Mal weniger wahrscheinlich. Wenn seit Anbeginn des Lebens in jeder Sekunde eine Billion Lebewesen eine Aminosäurekette ausprobiert hätten, wären sie heute erst bei einem winzigen Bruchteil der 10130 Möglichkeiten angelangt. Die eine Opsinkette hätten sie nicht gefunden. Man kann Moleküle auf ungeheuer viele Arten anordnen. Und es stand nicht annähernd genug Zeit zur Verfügung.

Im 17. Jahrhundert klagte der Lyriker Andrew Marvell: »Hätten wir doch Welt genug, und Zeit«, um die »großen Wüsten der weiten Ewigkeit« zu vermeiden, die vor ihm lagen. Damit wollte er aber keinen Zugang zu den Geheimnissen der Natur, sondern nur zum Schlafzimmer seiner Geliebten erlangen. Dennoch war er auf der richtigen Spur. Die allgemein verbreitete Weisheit besagt, dass die natürliche Selektion in Verbindung mit dem Zauberstab des zufälligen Wandels zu gegebener Zeit das Auge des Falken hervorbringt. Das ist die etablierte Sichtweise für die darwinistische Evolution: Ein winziger Bruchteil der kleinen, zufälligen erblichen...

Erscheint lt. Verlag 22.10.2015
Übersetzer Sebastian Vogel
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Aminosäure • Charles Darwin • Darwin • Das Neue • DNA • Enzym • Evolution • Evolutionstheorie • Gregor Mendel • Kreativität • Lebewesen • Molekül • Moleküle • Mutation • Phänotyp • Protein • Sachbuch • Stoffwechsel • Überleben • Vererbung
ISBN-10 3-10-403517-2 / 3104035172
ISBN-13 978-3-10-403517-8 / 9783104035178
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