Goethe - Leben und Werk (eBook)

Erster Teil: Hälfte des Lebens
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2015 | 1. Auflage
526 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560508-0 (ISBN)

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Goethe - Leben und Werk -  Karl Otto Conrady
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Karl Otto Conrady zeichnet in seiner Biographie alle wichtigen Stationen des Goetheschen Lebens auf dem Hintergrund der von Kriegen und der Französischen Revolution bestimmten Epoche nach. Seine Darstellung, die von einer genauen Kenntnis der Briefe und Tagebücher Goethes und seiner Zeitgenossen zeugt sowie zahlreiche Ergebnisse der Goethe-Forschung aufarbeitet, vermittelt ein differenziertes Bild dieser für ihre Zeit exemplarischen Persönlichkeit. Sie bietet darüber hinaus einen Einblick in das umfangreiche dichterische Werk, seine naturwissenschaftlichen Studien und seine politische Tätigkeit am Hof von Weimar. Der erste Teil der Biographie umfaßt die Zeit von 1749-1789, von der Kindheit in Frankfurt über die Italienische Reise bis zur Rückkehr nach Weimar. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Karl Otto Conrady, geb. 21.2.1926 in Hamm/Westf., Dr. phil., war seit 1961 ord. Professor für Neuere deutsche Literatur in Saarbrücken, Kiel (1962-1969) und dann bis zu seiner Emeritierung 1991 an der Universität zu Köln. Neben seinen literaturhistorischen Arbeiten wurde weithin bekannt die von ihm herausgegebene Sammlung deutscher Gedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, die unter dem Titel ?Das große deutsche Gedichtbuch? seit 1977 in mehreren Ausgaben erschien, zuletzt 2008 (bei Artemis & Winkler). Autobiografisches, auch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Hochschullehrer und der Beschäftigung mit der Geschichte der deutschen Germanistik, findet sich im Band ?Klärungsversuche. Essays zu Literatur und Zeitgeschehen? (München 2005).

Karl Otto Conrady, geb. 21.2.1926 in Hamm/Westf., Dr. phil., war seit 1961 ord. Professor für Neuere deutsche Literatur in Saarbrücken, Kiel (1962–1969) und dann bis zu seiner Emeritierung 1991 an der Universität zu Köln. Neben seinen literaturhistorischen Arbeiten wurde weithin bekannt die von ihm herausgegebene Sammlung deutscher Gedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, die unter dem Titel ›Das große deutsche Gedichtbuch‹ seit 1977 in mehreren Ausgaben erschien, zuletzt 2008 (bei Artemis & Winkler). Autobiografisches, auch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Hochschullehrer und der Beschäftigung mit der Geschichte der deutschen Germanistik, findet sich im Band ›Klärungsversuche. Essays zu Literatur und Zeitgeschehen‹ (München 2005).

Vaterstadt und Elternhaus


Die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main


Als Johann Wolfgang Goethe am 28. August 1749 in Frankfurt geboren wurde, waren gerade hundert Jahre seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vergangen. Auch die Freie Reichsstadt am Main hatte die Folgen des Krieges zu spüren bekommen, der weite Teile des deutschen Reiches verheerte. Mal waren es Franzosen, mal Kaiserliche gewesen, die das Gebiet der Stadt verwüsteten. Alle Neutralität, die man zu wahren trachtete, half da wenig. Große Opfer an Geld mußten gebracht werden, um jeweils den Abzug der fremden Truppen zu erreichen. Als 1648 Friede geschlossen wurde, hatten die Frankfurter aber Grund genug, nicht nur das Ende der Kriegsjahrzehnte zu feiern, sondern auch mit der politischen Position ihrer Stadt zufrieden zu sein; denn sie war unabhängig geblieben, und der Protestantismus hatte bewahrt werden können.

Als Stadt in günstiger Verkehrslage ist Frankfurt schon im 11. und 12. Jahrhundert aufgeblüht. Seit 1150 läßt sich die Herbstmesse nachweisen; im 14. Jahrhundert kam eine zweite Messe im Jahr hinzu, und Frühjahrs- und Herbstmesse sind es gewesen, die seit dem 15. Jahrhundert den europäischen Ruf der Messestadt Frankfurt begründet und die Entwicklung zu einer beachtlichen Handelsstadt gefördert haben.

In der Geschichte des Reiches ist Frankfurt berühmt als Ort, wo Kaiser und Könige gewählt und gekrönt worden sind. 1356 wurde ein schon lange bestehender Brauch durch Reichsgesetz festgeschrieben: die Wahl des Königs hatte in der Wahlkapelle des Frankfurter Doms zu erfolgen. So bestimmte es die mit dem goldenen Kaisersiegel versehene und deshalb so genannte „Goldene Bulle“ Kaiser Karls IV. Nach diesem Datum sind nur fünf Könige und Kaiser nicht mehr hier gewählt worden, wobei in den Wahlakten jedoch Frankfurt stets als eigentliche Wahlstadt ausdrücklich bestätigt wurde. Seit der Krönung Maximilians II. 1562 fand auch diese Zeremonie, die bis dahin in Aachen gefeiert worden war, in der Stadt der Königs- und Kaiserwahl statt, und das ist so geblieben bis zum Ende des alten Reiches. 1372 hatte Frankfurt ganz formell die Reichsunmittelbarkeit als Freie Reichsstadt gewinnen können, indem das Reichsschultheißenamt an die Stadt überging. Damit besaß sie die Gerichtshoheit und hatte niemand über sich als den Kaiser. Wer Reichs-, Stadt- und Gerichtsschultheiß wurde, wie Goethes Großvater Textor im Jahre 1747, war sich dieser Tradition bewußt.

Die Stadt hat Zeiten des Aufstiegs und der Blüte erlebt und hat ebenso, auf florierenden Handel in Deutschland und Europa angewiesen, bittere Jahre des Niedergangs durchmachen müssen. Kriegsgeschehen hat sie nicht verschont, und die in früheren Zeiten wütenden Seuchen haben sie wie andere Städte und Landstriche heimgesucht. Auch an Unruhen und heftigen sozialen Kämpfen hat es nicht gefehlt. Von alledem wußten natürlich die gebildeten Bürger der Stadt. Die Freie Reichsstadt am Main war einer der sog. Reichsstände, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bildeten und es im Reichstag repräsentierten. Aus über 300 souveränen Territorien, fast autonomen Gebieten und Städten setzte sich das buntscheckige föderative Gebilde des Reiches zusammen, für das der Staatsrechtslehrer Samuel Pufendorf 1667 das böse, aber treffende Wort von einem „irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper“ prägte. Im Reichstag, der als ‚immerwährender‘ seit 1673 in Regensburg tagte, saßen die Obrigkeiten der Landesterritorien und Städte zusammen, gegliedert in die drei Reichskollegien des Kurfürstenkollegs, des Reichsfürstenrates und der Städte. Die Obrigkeiten waren hier vertreten, nicht die große Masse der Bürger und Bauern, die Jahrhunderte brauchten, um für sich verfassungsmäßig gesicherte Rechte zu erstreiten. Viel gab es auf der höchsten Ebene des Reiches im 18. Jahrhundert freilich nicht mehr zu entscheiden; dem Reich und dem Kaiser an seiner Spitze waren bedeutende Befugnisse nicht geblieben; die Territorien hatten mehr und mehr ihre eigenen Hoheitsrechte festigen und ausbauen können. Reichstag und Reichskammergericht, das seit 1693 in Wetzlar residierte, waren die beiden einzigen Institutionen, in denen der Kaiser und die Reichsstände zu gemeinsamer politischer Beratung und Entscheidung vereinigt waren. In Wien stand dem Kaiser als beratendes Kollegium noch der Reichshofrat zur Verfügung und unter seiner alleinigen Kontrolle, eine Behörde aus adligen und gelehrten Räten, die auch als juristische Berufungsinstanz und oberste Zensurbehörde tätig werden konnte. Goethes Vater hat, wie später sein berühmter Sohn, beim Reichskammergericht Erfahrungen in der juristischen Praxis gesammelt und es sich auf seiner Kavalierstour nicht entgehen lassen, auch den Reichstag in Regensburg und den Reichshofrat in Wien kennenzulernen.

Man darf nicht glauben, in einer Freien Reichsstadt, wo kein Fürst monarchisch regierte, seien jedem Einwohner gleiche Rechte gewährt worden und Handel und Wandel hätten sich ohne störende Einflüsse entfaltet. Das Gemeinwesen war streng hierarchisch gegliedert, und die einzelnen Kasten sorgten dafür, daß ihre Macht und ihr Einfluß nicht geschmälert wurden. Jede Zunft paßte auf, daß kein Unbefugter in ihr tätig wurde; selbst die Tagelöhner achteten strikt auf die zunftgemäße Einteilung ihrer Arbeitsbereiche. Es war alles andere als leicht, das Bürgerrecht zu erwerben. Man mußte einem der drei christlichen Bekenntnisse angehören, also Lutheraner, Katholik oder Reformierter sein, und das zu entrichtende Bürgergeld machte eine erhebliche Summe aus. Beisassen und Fremde hatten mindere Rechte als die Bürger, nicht zu reden von den Juden, die bis 1728 gelbe Ringe als besonderes Kennzeichen tragen mußten und auch später noch an Sonntagen und christlichen Feiertagen ihre Judengasse nicht verlassen durften.

 

Die Herrschaft im Gebiet der Reichsstadt Frankfurt lag beim Rat mit seinen drei „Bänken“ von je 14 Mitgliedern: den Schöffen, den jüngeren Ratsherren, den Handwerkerräten. Alle waren auf Lebenszeit gewählt. Lange wurde der Rat ergänzt, ohne daß die Masse der Bürger hätte Einfluß nehmen können. Es galt das Prinzip der Selbstzuwahl, so daß sich die patrizischen Kreise der beiden ersten Bänke die Ämter gleichsam vererbten, zumal ein Aufrücken aus der Handwerkerbank nicht möglich war. Die Handwerkerräte ihrerseits wurden von den übrigen Ratsherren gewählt, und folglich hatten nur genehme Personen eine Chance. Von irgendeiner Mitwirkung der Bürgerschaft bei den städtischen Geschicken konnte also keine Rede sein. Nur die Bürgeroffiziere der 14 Quartiere, in die die Stadt eingeteilt war, durften Beschwerden beim Rat vorbringen. Als Fragwürdigkeiten auch in der Verwaltung der Stadt, die dem Rat oblag, zu offenkundig wurden, blieb den Bürgeroffizieren keine andere Möglichkeit, als sich an den Kaiser zu wenden. Nach langen Untersuchungen kam es in den Jahren 1725 bis 1732 zu kaiserlichen Resolutionen und Ordnungen, die die bisherige Verfassung der Stadt änderten und bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit in Kraft blieben. Jetzt hieß es: Rat und Bürgerschaft vereint, „keines von ihnen allein macht den unmittelbaren Reichsstand aus“. Das bedeutete, daß die Wahlen ebenso der Aufsicht durch einen Ausschuß der Bürgerschaft unterstellt wurden wie die gesamte übrige Tätigkeit des Rats.

 

Viel war damit nicht erreicht worden. Denn Vormacht und beherrschender Einfluß der patrizischen Geschlechter waren kaum geschwächt worden. Seit dem Mittelalter hatten sich solche Familien zu geschlossenen Gesellschaften verbunden, von denen nur das Haus Alt-Limpurg und das Haus Frauenstein überdauerten. Immer waren es insgesamt 20 Plätze, die diese beiden Geschlechter von den Sitzen der beiden ersten Bänke innehatten. Die übrigen fielen vornehmlich an „Graduierte“: Doktoren und Lizentiaten der Jurisprudenz und Medizin. Dagegen saßen auf der Handwerkerbank 14 Mitglieder aus den ratsfähigen Zünften, je 2 Metzger, Schmiede, Bäcker und Schuhmacher, je ein Gärtner, Kürschner, Gerber, Fischer und zwei Vertreter aller sonstigen Handwerke. Alljährlich wurden zwei Bürgermeister bestimmt, einer aus den Schöffen, einer aus der zweiten Bank. Etwas hervorgehoben war der Schultheiß: im Ratssaal des Römers stand ihm ein besonderer Platz zu, an einem eigenen Tisch und etwas höher als die anderen Ratsmitglieder. Er leitete das Schöffengericht, das „Reichsgericht zu Frankfurt“, das in allen Zivilsachen entschied und auch die Oberinstanz für alle umliegenden Gerichte war. Als Vertreter des Kaisers war er der vornehmste Beamte der Stadt.

Man kann ermessen, was es bedeutete, ins Schultheißenamt der Stadt Frankfurt berufen zu werden. Johann Wolfgang Textor, Goethes Großvater mütterlicherseits, wurde diese Auszeichnung 1747 zuteil, obwohl er weder aus einer vornehmen noch besonders reichen Familie stammte. Eine solche Karriere war im damaligen Frankfurt möglich, wenn man durch fachliche Leistung und überzeugende Arbeit im Rat das Vertrauen der beiden ersten Ratsbänke hatte gewinnen können.

So sah die Ordnung der Stadt aus, in der Goethe geboren wurde. Sein Großoheim, Johann Michael von Loen, hat in einem Briefessay 1741 Frankfurt humorvoll...

Erscheint lt. Verlag 15.7.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Biographie • Charlotte von Stein • Christiane Vulpius • Dichtung • Feier • Frankfurt • Gottfried Herder • Harzreise • Ilmenau • Italien • Johann Wolfgang Goethe • Künstlerexistenz • Leipzig • Sachbuch • Schweiz • Sesenheimer Lieder • Weimar • Wertherzeit
ISBN-10 3-10-560508-8 / 3105605088
ISBN-13 978-3-10-560508-0 / 9783105605080
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