Aus dem Leben eines Musikers (eBook)

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2015 | 1. Auflage
250 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560281-2 (ISBN)

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Aus dem Leben eines Musikers -  Fritz Busch
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Eine der schönsten Musiker-Autobiographien, geschrieben von einem der großen Dirigenten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Fritz Busch, geboren am 13. März 1890 in Siegen, erzählt in diesem in den vierziger Jahren entstandenen Buch, dessen scheinbar simpler Titel wohl nicht zufällig an Eichendorffs »Aus dem Leben eines Taugenichts« anklingt, schlicht und anschaulich, humorvoll und poetisch von seinem Lebensweg bis zu einer Wende: 1933 verläßt er freiwillig das nationalsozialistische Deutschland. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Fritz Busch wird am 13. März 1890 in Siegen geboren. Er studiert, eng verbunden mit dem ein Jahr jüngeren Bruder Adolf, überragendem Geiger und Kammermusiker, in Köln, begegnet Reger und anderen Meistern, wird, Urmusikant und Universalmusiker, selber sehr früh ein Meister, mit 21 Jahren Städtischer Musikdirektor in Aachen, mit 28 leitender Kapellmeister der Stuttgarter Oper. 1922-1933 prägt er als Sächsischer Generalmusikdirektor eine denkwürdige Ära der Dresdner Staatsoper. Mit seinem Künstlertum bewährt sich sein Charakter. Im Exil repräsentiert Fritz Busch nobel deutsche Musikkultur; lockende Angebote aus dem »Dritten Reich« lehnt er ab. Als Wanderer sucht er in Konzertinstituten und Opernhäusern Skandinaviens, Süd- und Nordamerikas Bleibendes hinzustellen. Mit Carl Ebert macht er die Festspiele in Glyndebourne zu einem Muster der Opernkunst. Am 14. September 1951 stirbt Fritz Busch in London.

Fritz Busch wird am 13. März 1890 in Siegen geboren. Er studiert, eng verbunden mit dem ein Jahr jüngeren Bruder Adolf, überragendem Geiger und Kammermusiker, in Köln, begegnet Reger und anderen Meistern, wird, Urmusikant und Universalmusiker, selber sehr früh ein Meister, mit 21 Jahren Städtischer Musikdirektor in Aachen, mit 28 leitender Kapellmeister der Stuttgarter Oper. 1922–1933 prägt er als Sächsischer Generalmusikdirektor eine denkwürdige Ära der Dresdner Staatsoper. Mit seinem Künstlertum bewährt sich sein Charakter. Im Exil repräsentiert Fritz Busch nobel deutsche Musikkultur; lockende Angebote aus dem »Dritten Reich« lehnt er ab. Als Wanderer sucht er in Konzertinstituten und Opernhäusern Skandinaviens, Süd- und Nordamerikas Bleibendes hinzustellen. Mit Carl Ebert macht er die Festspiele in Glyndebourne zu einem Muster der Opernkunst. Am 14. September 1951 stirbt Fritz Busch in London. J. Hellmut Freund, 1919 in Berlin geboren, konnte noch 1939 mit Eltern und Großeltern nach Uruguay auswandern. In Montevideo war er zunächst Privatlehrer, bald Zeitungs- und Rundfunkjournalist. 1960 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Lektor im S.Fischer Verlag – er blieb es bis zu seinem Tod im Februar 2004.

II Lehrjahre


Nicht zweimal wird die Jugend uns zuteil.

Die Kölner Jahre 1906 bis 1909 waren eine schöne Zeit. Nach meinen eigenen Erfahrungen glaube ich sagen zu können, daß für den Musikstudierenden der Besuch eines guten Konservatoriums jedem Einzelunterricht vorzuziehen ist. Der Verkehr mit gleichgestimmten jungen Menschen, die Vielfalt der Berührung mit den verschiedenartigsten Persönlichkeiten, die mannigfachen Anforderungen und Anregungen, die der Lehrplan mit sich bringt, erhöhen das Interesse von selbst. Sie begünstigen vor allem das kritische Vermögen.

Am Kölner Konservatorium herrschte sehr viel Leben. Eine große Anzahl Ausländer, die der internationale Ruf dieses Instituts zum Studium angezogen hatte, befand sich unter den Mitschülern, viele Holländer, Engländer und Amerikaner; ja sogar ein baskischer Priester erschien eines Tages, um am Dirigierunterricht bei Steinbach teilzunehmen.

Obwohl ich immer wieder darauf drängte, wurde mir zunächst nicht erlaubt, die Dirigierstunden zu besuchen, da ich mit meinen sechzehn Jahren als zu jung dafür galt. Mit meinem Lehrer Boettcher ging ich beinahe jeden Abend in die Oper oder das Schauspiel; vorher oder nachher nahmen wir in seiner hübschen Junggesellenwohnung ein von ihm selbst bereitetes Mahl ein, das von seinen Verwandten auf dem Lande reichlich mit Naturalien versehen wurde. Boettcher erklärte, er würde für sich allein einen besseren Platz zu den Vorstellungen genommen haben, ziehe aber den billigeren in meiner Gesellschaft vor. Er war stolz auf seinen Schüler.

Um so härter mußte ihn daher ein Vorfall treffen, der nach etwa einjährigem Unterricht eintrat. In der Jahresprüfung spielte ich eine Beethovensche Sonate und erregte dabei das höchste Mißfallen Steinbachs, der an der Spitze des gesamten Lehrkörpers diese Prüfung abhielt. Eine gegenseitige Antipathie bestand zwischen ihm und meinem Lehrer. Boettcher kritisierte in seiner sarkastisch-ironischen Art, die schon an sich dem rauhen und heftigen Temperament des anderen entgegengesetzt war, Steinbachs fühlbare Bevorzugung der Brahmsschen Werke und brachte es nicht über sich, diese Kritik für sich zu behalten. Steinbach wußte nicht nur hiervon, sondern er bemerkte sehr wohl, daß Boettcher zwar über ein reichliches Allgemeinwissen auch in der Musik verfügte, letzten Endes aber kein großer Pädagoge und kein geborener Musiker war. Bei jener Prüfung brachte mich Steinbach, der sehr unangenehm werden konnte, so zur Verzweiflung, daß ich noch schlechter spielte, als ich es sonst getan haben würde. Noch jahrelang bekam ich Lampenfieber, wenn ich allein als Klaviersolist aufzutreten hatte, während ich beim Spielen mit Orchester oder bei Kammermusik nicht die geringsten Hemmungen verspürte.

Wie ich später bemerkte, wurde Steinbachs berechtigte, aber allzu rauhe Kritik von einer Absicht diktiert. Er hatte neben Carl Friedberg, der mit ungewöhnlichem Erfolg jene Meisterklasse leitete, in die ich zu meinem Schmerz bisher nicht gelangt war, einen zweiten Pädagogen verpflichtet: Professor Uzielli, einen Schüler Clara Schumanns, der seine Stellung in Frankfurt am Main unter der Bedingung aufgab, daß ihm in Köln ein möglichst gutes Schülermaterial zugewiesen würde. Steinbach erklärte mir am Tage nach der verunglückten Prüfung, daß es keinen Sinn für mich habe, bei Boettcher weiterzustudieren, und daß ich in Zukunft der Klasse von Professor Uzielli zugeteilt sei. Als ich abends in die Wohnung Boettchers kam, fand ich den Lehrer und Freund in verstörter Stimmung, bereit, irgend etwas Törichtes zu begehen, so groß waren Schmerz und Wut. Die Zeit heilte beides, ohne unsere fortdauernde Freundschaft zu trüben.

Der Unterricht bei Uzielli begann mit wochenlangen Fingerübungen zur Egalisierung der Skalentechnik, wodurch zum erstenmal in meinem Leben – gottlob noch nicht zu spät – ein wirklicher Pädagoge mir den Grund und Boden gab, auf dem ich später selbständig weiterbauen konnte. Bei ihm habe ich gelernt und in den nächsten zwei Jahren bis zu meinem Abgang vom Konservatorium so besessen gearbeitet, daß ich mir ein großes Repertoire aneignete und als guter Pianist gelten konnte.

Nach meinem Übergang zu Uzielli war Steinbach zufrieden und übertrieb durch zuviel Lob bei der nächsten Prüfung nach der anderen Seite. Seine freundliche Laune benutzend, bat ich ihn daraufhin erneut, mich in die Dirigierklasse aufzunehmen, was er nach einem gut verlaufenen Partiturspiel schließlich zusagte.

Wir waren etwa achtzehn Dirigierschüler. Immer spielten zwei von ihnen nach Partituren an zwei Flügeln, während der angehende Kapellmeister als dritter dazu dirigierte. Abgesehen von kurzen Bemerkungen über den Stil, Phrasierung oder Tempo des Werkes, erhielten wir in dirigiertechnischer Beziehung kaum Hinweise oder Ratschläge. Wie die Zukunft ergab, ist, mit Ausnahme von Hans Knappertsbusch, keiner von meinen dirigierenden Kameraden ein über dem Durchschnitt stehender Kapellmeister geworden. Doch war dieses Versagen Mangel an Talent und nicht Schuld des Lehrers.

Dirigieren ist die Kunst, die man am wenigsten erlernen kann, und das Wort vom »geborenen Dirigenten« hat gewiß seine Berechtigung. Zu viele außermusikalische Eigenschaften sind neben dem ursprünglichen Talent, das selbstverständlich die entscheidende Grundlage bildet, erforderlich, um aus einem Musiker einen großen Dirigenten zu machen. Es gibt hervorragende Musiker, die vor dem Orchester vollkommen versagen, und recht mäßige, die als Dirigenten überdurchschnittliche Wirkungen hervorbringen. Es ist deshalb begreiflich, daß Kritik und Publikum sich über den wahren Wert eines Dirigenten viel häufiger täuschen, als es bei der Beurteilung eines Sängers oder Instrumentalisten geschieht. Dieses Thema ist jedoch, wie Fontane sagt, »ein weites Feld«.

Wenn ich nun auch an dem Dirigierunterricht Steinbachs teilnehmen durfte, so erlaubte mir der Allgewaltige, den wir ebensosehr verehrten wie fürchteten, doch nicht, praktisch einmal meine Befähigung vor dem Orchester zu beweisen. Er meinte, mit meinen siebzehn Jahren sei dies immer noch zu früh, und trotz der auffälligen Sympathie, die er mir bei den verschiedensten Gelegenheiten bewies, war gegen diese Entscheidung nicht anzukommen. Die Sympathie für mich rührte daher, daß ich immer zu finden war, wo sich ein Orchester versammelte oder wo sonstwie in interessanter Weise Musik gemacht wurde. Wenn es in den Gürzenich-Konzerten oder im Schülerorchester an der Besetzung eines Instruments fehlte, das ich beherrschte, so war ich als Ersatz zur Stelle. Um Werke in der Oper oder im Konzertsaal kennenzulernen, die mich besonders interessierten, drängte ich mich in das Orchester und ersetzte, heimlich oder mit Zustimmung der betreffenden Kapellmeister, den einen oder anderen vom Dienst ermüdeten oder verhinderten Musiker, der mir gerne seinen Platz überließ.

Die Programme Steinbachs bevorzugten hauptsächlich klassische und romantische Musik. Vor allem wurden, wie schon erwähnt, die Werke von Brahms regelmäßig aufgeführt. Steinbach war aber auch ein hervorragender Beethoven-Dirigent, und ich habe zum Beispiel niemals das Adagio der Neunten Sinfonie so selbstverständlich im Tempo, so warm und klangschön, so richtig phrasiert, mit einem Wort: so überzeugend gehört wie von ihm. Obgleich Steinbach ein ausgesprochener Konzertdirigent war, der über verhältnismäßig geringe Opernerfahrung schon allein in technischer Beziehung verfügte, besaß er doch ein elementares dramatisches Temperament. Selbst Boettcher, der Wagnerianer, der alle damals bedeutenden Operndirigenten kannte und die Vorstellungen in Bayreuth regelmäßig besuchte, gab zu, daß unter anderem die Darstellung des Trauermarsches aus der »Götterdämmerung« durch Steinbach zu seinen größten Erlebnissen gehörte.

Den Abschluß der Gürzenich-Konzerte bildete, wie in vielen Städten Deutschlands, in der Osterzeit Bachs »Matthäus-Passion«, die nur mitunter durch die weniger populäre »Johannes-Passion« oder die h-Moll-Messe ersetzt wurde. Zur Verstärkung des ständigen Orchesters wurden wir Konservatoristen in dieser Zeit ausgiebig herangezogen. Dem durchschnittlichen Orchestermusiker erscheint das viele Pausieren oder das Spielen der sich wiederholenden zahlreichen Choräle in diesen Werken langweilig; er exekutiert lieber die schwierigsten Straussschen Passagen. Während des Spiels flüsterte mir einmal ein Pultnachbar den alten Musikerwitz zu: »Weißt du, Busch, das mag dem heiligen Matthäus seine Passion sein – meine ist es nicht!« Die meine war es und blieb es.

Ich lernte die Sprache des Orchesters und die Psychologie der Musiker von Grund auf kennen. Kein noch so intensives Studium in den vier Wänden, an einer Musikhochschule oder Universität kann diese lebendige Erziehung ersetzen. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, aus Hans Richter, Nikisch, Toscanini und anderen die großen Dirigenten zu machen, die vom Orchester selbst, dem wahrhaft sachverständigen Beurteiler, verehrt und geliebt wurden und immer wieder geliebt, mitunter auch gefürchtet werden. Die Leiden und Freuden, die Schwächen und die Vorzüge des Musikers müssen dem Dirigenten vertraut sein. Es ist bedeutungslos, mit welchem Akzent er die Orchestersprache spricht; die Gradlinigkeit Richters, die einschmeichelnde, charmante Art Nikischs, die vor den gewagtesten allgemeinen und persönlichen Aggressivitäten nicht haltmachende Besessenheit Toscaninis führen gleichermaßen zu ungewöhnlichen Leistungen, wenn der Dirigent, wie diese Meister, die Sprache des Orchesters spricht.

An der Oper in Köln wirkte Otto Lohse als ein sehr suggestiver...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2015
Nachwort Joachim Hellmut Freund
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Aachen • Alfred Reucker • Anheimeln • Autobiographie • Badeort • Bajonett • Bayreuth • Berlin • Brief • Busch • coda • Dresden • Eigenart • Einschlag • Einzelunterricht • Erschütterung • Freistelle • Fritz Busch • Geige • Geigenbau • Generalmusigdiregder • Hermann Göring • Hofkonzert • Hofoper • Kampf • Klavier • Klavierunterricht • Konflikt • Konservatorium • Krise • Leutnant • Meistersinger • Militär • Ministerialrat • Mitleidenschaft • Mucks • Nationalsozialismus • Neunzehnhundertvierziger • Oberstleutnant • Operntermin • Orchester • Orchesterzusammensetzung • Parteikampf • Rentenmark • Restaurant • Richard Strauss • Rücktritt • Sanatorium • Sandsteinbarock • Sauberkeit • schaffung • Siegfried Wagner • Sinfoniekonzert • Sparmaßnahme • Staatskapelle • Stuttgart • Tagespolitik • Tanzmusik • Tapisserieladen • Tenorhorn • Tournee • Trauermarsch • Unglück • Unruhen • Unterhaltung • Unwahrheit • Verbrechen • Volkskonzert • Wanderung • Wiedereinsetzung • Wiedereröffnung • Yehudi Menuhin
ISBN-10 3-10-560281-X / 310560281X
ISBN-13 978-3-10-560281-2 / 9783105602812
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