Wir alle sind Sternenstaub (eBook)

Gespräche mit Wissenschaftlern über die Rätsel unserer Existenz

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
272 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403202-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wir alle sind Sternenstaub -  Stefan Klein
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Brauchen wir einen Glauben? Sind Gene unser Schicksal? Woher kommt der Mensch? Für das ZEIT-Magazin führt Bestsellerautor Stefan Klein regelmäßig Gespräche mit weltweit führenden Wissenschaftlern zu den großen Themen, die uns alle bewegen: Liebe, Erinnerung, Gerechtigkeit, Empathie. Die durchweg spannenden und glänzend geführten Unterhaltungen versetzen uns an die vorderste Front der Forschung - und zeigen die derzeit klügsten Köpfe nicht zuletzt auch als Menschen mit den gleichen Fragen wie wir alle.

Stefan Klein, geboren 1965, studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg. Er wandte sich dem Schreiben zu, weil er »die Menschen begeistern wollte für eine Wirklichkeit, die aufregender ist als jeder Krimi«. Sein Buch »Die Glücksformel« stand über ein Jahr auf allen deutschen Bestsellerlisten und machte den Autor auch international bekannt. In den folgenden Jahren erschienen weitere hoch gelobte Bestseller: »Alles Zufall«, »Zeit«, »Da Vincis Vermächtnis« und »Der Sinn des Gebens«, das Wissenschaftsbuch des Jahres 2011 wurde. Zuletzt erschien »Träume: Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit«, ausgezeichnet mit dem Deutschen Lesepreis 2016, »Das All und das Nichts. Von der Schönheit des Universums« und »Wie wir die Welt verändern«. Stefan Klein lebt als freier Schriftsteller in Berlin.

Stefan Klein, geboren 1965, studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg. Er wandte sich dem Schreiben zu, weil er »die Menschen begeistern wollte für eine Wirklichkeit, die aufregender ist als jeder Krimi«. Sein Buch »Die Glücksformel« stand über ein Jahr auf allen deutschen Bestsellerlisten und machte den Autor auch international bekannt. In den folgenden Jahren erschienen weitere hoch gelobte Bestseller: »Alles Zufall«, »Zeit«, »Da Vincis Vermächtnis« und »Der Sinn des Gebens«, das Wissenschaftsbuch des Jahres 2011 wurde. Zuletzt erschien »Träume: Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit«, ausgezeichnet mit dem Deutschen Lesepreis 2016, »Das All und das Nichts. Von der Schönheit des Universums« und »Wie wir die Welt verändern«. Stefan Klein lebt als freier Schriftsteller in Berlin.

Vorwort


Vom Mut, ein Leben lang auf der Suche zu sein

Wissenschaft bestimmt wie nie zuvor unser Leben. Aber über die Menschen, die mit ihrer Forschung unsere Welt verändern, wissen wir wenig. Daran, dass sie persönlich nichts mitzuteilen hätten, kann es kaum liegen. Viele der Wissenschaftler, die ich für die Gespräche in diesem Buch traf, blicken auf erstaunliche Lebensgeschichten zurück. Sie haben ungewöhnliche Interessen und denken weit über den Horizont ihres Fachs hinaus. Kurz, sie sind als Menschen allemal so interessant wie die Schauspieler, Fußballer oder Politiker, von deren Befindlichkeiten wir bis ins Kleinste erfahren.

Wenn viele Zeitgenossen im Wissenschaftler noch immer den genialen, doch leider lebensuntüchtigen Einstein vermuten, der der Welt die Zunge herausstreckt, so liegt es zum einen an den Forschern selbst: Sie versuchen, sich als Person zu verleugnen. Wissenschaft will objektiv sein, der Mensch soll außen vor bleiben. In einer wissenschaftlichen Veröffentlichung das Wort »ich« zu gebrauchen, ist ein Sakrileg. Und weil Forscher natürlich nicht minder nach Anerkennung gieren als alle anderen Menschen auch, stricken sie mit an dem Mythos, der sie umgibt: Wenn man schon seine eigene Persönlichkeit nicht allzu sehr ausleben darf, so schmeichelt es zumindest der Eitelkeit, als ein Gelehrter zu gelten, der über den alltäglichen Dingen schwebt.

Dass Denken und Fühlen der Forscher der Öffentlichkeit fremd sind, hat aber noch einen zweiten, tieferen Grund: Unsere Gesellschaft sieht die Wissenschaft mit einem Tunnelblick. Zu Recht erscheint Forschung als eine Quelle ökonomischen Reichtums, hat sie uns doch wirksame Medikamente, Computer und Tausende andere Annehmlichkeiten beschert. Das Treiben der Forscher in ihren Labors ist offenbar nützlich, auch wenn man es nicht immer versteht. Aber mit dem, was uns wirklich bewegt, mit den existenziellen Fragen unseres Lebens, hat es in den Augen der meisten Menschen nichts zu tun.

Wer so denkt, übersieht allerdings, dass Wissenschaft ein Teil unserer Kultur ist – wie unsere Bücher, unsere Musik, unsere Filme. Seit ihren Anfängen hat sich die Naturwissenschaft mit den Rätseln unseres Daseins befasst. Und gerade in den letzten Jahren hat sie viele Einsichten gewonnen, die uns klarer sehen lassen, wer wir sind, woher wir kommen, und was es heißt, Mensch zu sein.

Für dieses Buch habe ich einige der Frauen und Männer getroffen, denen wir solche Erkenntnisse verdanken. Versammelt sind Gespräche, die ich (von zwei Ausnahmen abgesehen) in den Jahren 2007 bis 2009 mit Forschern aus Europa, den USA und Indien geführt habe und die in gekürzter Form zuerst im »ZEIT-Magazin« erschienen sind. Jeder der Gesprächspartner genießt Weltruf in seinem Fach, und jeder hat sich damit hervorgetan, seine Forschung in einen größeren Rahmen zu stellen. Unter ihnen sind ein Chemienobelpreisträger, der sich auch als Lyriker einen Namen gemacht hat; ein Kosmologe, der öffentlich Wetten über das Schicksal der Welt in den nächsten Jahrzehnten abschließt; ein Physiologe, der zugleich in den Urwäldern Papua-Neuguineas den Ursprung der Zivilisationen erforscht. Ich habe versucht, Forscher mit möglichst vielen verschiedenen Interessen zu Wort kommen zu lassen; mit einem Geographen und einer Anthropologin sind auch die Geistes- und Sozialwissenschaften vertreten. Im Übrigen ist die Auswahl hemmungslos subjektiv. Ich habe Menschen zu einem Gespräch gebeten, die ich kennenlernen wollte – weil mir ihre Beiträge oder auch das, was ich über ihre Persönlichkeit wusste, als außerordentlich erschienen.

Der Einwand, dass in diesem Band weiße Männer über Gebühr vertreten sind, trifft zu: Jeweils nur zwei meiner Gesprächspartner sind Frauen, und nur zwei stammen nicht aus Europa oder Amerika. Doch diese Mischung ist eine Momentaufnahme unserer Zeit. Ich suchte nach Wissenschaftlern mit einer umfassenden Lebensleistung und einem weiten Überblick, wie man sie gewöhnlich erst in der zweiten Hälfte einer Karriere erreicht. Unter den Forschern dieses Alters sind Frauen sowie Menschen aus Asien, Lateinamerika oder Afrika noch rar. Heute ist der Nachwuchs in den Labors zum Glück vielfältiger zusammengesetzt, und so würde denn auch die Mischung meiner Gegenüber in zwei Jahrzehnten anders aussehen.

Fast allen Gesprächspartnern begegnete ich zum ersten Mal. Meist verabredete ich mich zweimal mit ihnen an aufeinanderfolgenden Tagen, stets an einem Ort ihrer Wahl. Oft redeten wir in ihren Arbeitszimmern, manchmal auch auf langen Spaziergängen, in Restaurants, Museen oder in ihrem Sommerhaus. Das Einzige, was ich den Forschern schon im Voraus abverlangte, war Zeit. In der Regel dauerten unsere Unterhaltungen fünf Stunden, aus denen ich für dieses Buch die interessantesten Passagen herausdestillierte.

Ich verfolgte zwei einfache Ziele: Ich wollte erfahren, wer mein Gegenüber ist und was er tut. Eigentlich sind beides für mich nur zwei Umschreibungen einer einzigen Frage, denn an die Fiktion, dass ein Wissenschaftler bei der Arbeit seine Person außer Acht lassen kann, habe ich niemals geglaubt. Und dass die Lebensgeschichte eines Forschers und nicht zuletzt seine kulturellen Wurzeln seine Interessen bestimmen, erscheint fast trivial. Für die meisten Gesprächspartner aber war meine Herangehensweise höchst ungewohnt. Gemessen daran ließen sich erstaunlich viele auf meine persönlichen Fragen ein, nachdem wir etwas Zutrauen zueinander gefasst hatten. Litten sie selbst darunter, dass »ich als Individuum in der Forschung nicht zähle«, wie es die Neurowissenschaftlerin Hannah Monyer ausdrückte? Andere hatten ihre Mühe mit mir. Gelehrte von Weltruf und in den höchsten akademischen Ämtern, die andauernd Vorträge vor ihren Studenten und auf Fachkonferenzen halten, verloren plötzlich all ihre Beredsamkeit, als sie von sich selbst sprechen sollten. Dabei genossen sie ein wenig Selbstdarstellung durchaus. Nur taten sie es offensichtlich mit einem schlechten Gefühl – als hätte ich sie zu etwas Ungehörigem verleitet. Zu tief saß die Angst, sich mit einem unbedachten Satz eine Blöße zu geben.

Dass gerade die Gespräche mit Nobelpreisträgern zu denen gehörten, die in einer völlig entspannten Atmosphäre verliefen, ist sicher kein Zufall. Dabei war meine Nervosität besonders vor dem Treffen mit dem Physiker Steven Weinberg nicht gerade gering, hatte dieser beinahe legendäre Forscher mit seinen Aufsätzen und Büchern doch gut 20 Jahre meines eigenen Berufswegs begleitet. Auf der ganzen Welt gibt es wohl wenige Physiker meiner Generation, die Weinberg nicht als eine höchste Autorität verehren würden. So schoss ich auf meinem gemieteten Fahrrad kopflos über den Campus der Universität von Austin, Texas, und mehrmals an seinem Institut vorbei, bis ich ihm endlich gegenübersaß, verschwitzt und verspätet. Nach der Begrüßung gestand ich meine Befangenheit. Ich erzählte, wie sehr und wie früh seine Arbeiten mich beeinflusst hatten – und schämte mich gleich darauf für diese Worte, die er tausend Mal zuvor gehört haben musste. Doch Weinbergs Augen leuchteten auf: »Das freut mich.« Von da an war der Bann gebrochen. Selten habe ich einen Menschen mit weniger Allüren erlebt, und selten einen, der die eigenen Fehler, Versäumnisse und Zweifel so ehrlich eingestand. Wer alles erreicht hat, muss niemandem mehr etwas beweisen.

Respekt nötigte mir jeder meiner Gesprächspartner ab. Was mir Achtung einflößte, war allerdings weniger eine überragende Intelligenz, die Wissenschaftlern von Rang so oft nachgesagt wird. Gewiss hatte ich es mit Frauen und Männern von äußerst regem Verstand zu tun, doch ein unerreichbares Denkvermögen vermutete ich bei den wenigsten. »Nobelpreisträger sind auch nicht klüger als andere Menschen«, bemerkte in unserem Gespräch der Chemiker Roald Hoffmann, der selbst einer ist. Ich würde ergänzen: Und wenn sie doch Höhenflüge unternehmen, die anderen unmöglich sind, dann nicht, weil sie mit überlegenen Gehirnen auf die Welt kamen – sondern weil sie ihre grauen Zellen besser trainieren. Ihre Intelligenz war nicht immer schon da; sie muss sich auf einem Weg entwickelt haben, den alle meine Gesprächspartner verfolgten: Jeder von ihnen hatte sein Leben dem Ziel verschrieben, ein paar Mosaiksteine der Welt zu erkennen. Es war diese Fähigkeit zur Hingabe, die in jedem Gespräch aufschien, die ich bewunderte und die mich oft angerührt hat. Hingabe kann Menschen die höchsten Glücksmomente bescheren, doch sie fordert einen hohen Preis. Wie viel ihr Einsatz für die Spitzenforschung sie kostete, davon berichten allerdings nur die beiden Wissenschaftlerinnen in diesem Gesprächszyklus. Dass allein sie und nicht die Männer sich auf dieses Thema einließen, will mir ebenfalls kaum als ein Zufall erscheinen.

Während die Medien nur die Erfolgsmeldungen der Forschung verkünden, wissen die wenigsten Außenstehenden, mit wie unendlich viel mehr Misserfolgen, mit wie vielen Enttäuschungen jeder einzelne Triumph bezahlt ist. Denn die Rätsel der Natur sind wie ein Labyrinth: Die Lösung zeigt sich erst, wenn jeder Irrweg mindestens einmal ausprobiert ist. Und selbst wer, ohne es zu wissen, auf der richtigen Spur ist, muss sich Jahre, mitunter jahrzehntelang mit Kleinarbeit plagen, bis er ein wesentliches Problem gelöst hat. Nicht Intelligenz ist der wichtigste Charakterzug eines Wissenschaftlers, sondern Beharrlichkeit – eine an Sturheit grenzende Ausdauer, mit Rückschlägen, Selbstzweifeln und vor allem mit der Konkurrenz fertig zu werden. Der Genforscher Craig Venter schilderte seine Kollegen als vom Grundsatz »fressen oder gefressen werden« besessen, weil...

Erscheint lt. Verlag 6.6.2014
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Altruismus • Empathie • Empfindung • Hirn • Hunger • Jared Diamond • Leonardo da Vinci • Martin Rees • Molekül • Neurobiologie • Roald Hoffmann • Sachbuch • Schmerz • Sternenstaub • Universum • Wespe
ISBN-10 3-10-403202-5 / 3104032025
ISBN-13 978-3-10-403202-3 / 9783104032023
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