Wie bedroht sind die Ozeane? (eBook)

Biologische und physikalische Aspekte
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400069-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie bedroht sind die Ozeane? -  Stefan Rahmstorf,  Katherine Richardson
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Die Meere sind eine Grundlage unseres Lebens -- sie regulieren unser Klima und sind ein wichtiger Nahrungslieferant. Doch wir zerstören sie durch globale Erwärmung, Überfischung und Verschmutzung. Das wird verheerende Folgen haben, wenn wir nicht rasch umdenken und handeln. Dieser Band zeigt Ansätze auf, wie wir unsere ozeanischen Ökosysteme wirkungsvoll schützen können.

Stefan Rahmstorf ist Professor für Physik der Ozeane in Potsdam und Leiter der Abteilung Klimasystem am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Schwerpunkt: Rolle der Meeresströmungen bei Klimaänderungen.

Stefan Rahmstorf ist Professor für Physik der Ozeane in Potsdam und Leiter der Abteilung Klimasystem am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Schwerpunkt: Rolle der Meeresströmungen bei Klimaänderungen. Katherine Richardson ist Professorin für Biologische Ozeanographie an der University of Aarhus (DK) und Vize-Präsidentin des Scientific Committee of the European Environment Agency. Klaus Wiegandt ist Stifter und Vorstand des »Forums für Verantwortung«. Im Fischer Taschenbuch Verlag hat er bereits zahlreiche Bücher zum Thema Nachhaltigkeit herausgegeben.

Die Meeresströmungen


Die Ozeane sind unablässig in Bewegung. Verursacht wird dies durch drei verschiedene Antriebskräfte.

Die erste sind die Gezeiten, also die Anziehungskräfte von Mond und Sonne. Sie bewirken Ebbe und Flut. Im Wesentlichen zieht der Mond eine große Menge Wasser an, sodass der Wasserspiegel an der Stelle steigt, über der der Mond am Himmel steht. Die Erde dreht sich unter diesem Flutberg. Weniger offensichtlich ist, warum die Flut an den meisten Stellen zweimal täglich kommt und nicht nur einmal. Der Grund ist eine zweite »Wasserbeule« auf der entgegengesetzten Seite der Erde, die von den Zentrifugalkräften bewirkt wird. Da sich die Erde »im freien Fall« durch das Gravitationsfeld des Mondes bewegt, sind Fliehkraft und Anziehung genau in der Erdmitte ausbalanciert. An der Oberfläche ist auf der dem Mond zugewandten Seite dessen Anziehungskraft stärker und hebt den Wasserstand an. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Mondanziehung schwächer, und das Wasser strebt vom Mond weg – was aus irdischer Sicht wiederum zu einer Anhebung des Wasserstands führt. Diese beiden »Beulen« bewirken, dass es zweimal täglich Flut gibt.

Die Überlagerung mit der ähnlichen, aber schwächeren Auswirkung der Sonnenanziehungskraft bewirkt den sogenannten Spring- und Nipptiden-Zyklus. Springtiden (die nicht mit Sturmfluten zu verwechseln sind) treten alle zwei Wochen auf, wenn Sonne und Mond in einer Linie stehen, sodass sich der durch sie bewirkte Tidenhub verstärkt, denn der Mond benötigt 29 Tage für eine Erdumrundung.

Dieses einfache Bild würde die Gleichgewichtstiden korrekt beschreiben, wenn unser Planet vollständig mit Wasser bedeckt wäre. Aber die Dinge liegen komplizierter, was zum einen an den Küstenlinien liegt und zum anderen an dem Umstand, dass so viel Wasser sich nicht schnell genug bewegen kann, um mit dem Mond darüber Schritt zu halten (wie aus der Luftfahrt bekannt ist, muss man mit Überschallgeschwindigkeit fliegen, um mit der Erdrotation Schritt zu halten). Die Ablenkung der Wasserbewegungen durch die Erdumdrehung (siehe unten) spielt auch noch eine Rolle. In Wahrheit kreisen die »Tidenbeulen« daher durch die großen Meeresbecken und interagieren mit den Küsten. An manchen Stellen führt die Form der Küste zu einer Resonanz, und das bewirkt einen besonders starken Tidenhub. Diese Orte sind besonders gut für Gezeitenkraftwerke geeignet. Die westkanadische Bay of Fundy ist berühmt für den höchsten Tidenhub der Welt, nämlich über 15 Meter am Kopf der Bucht.

Die zweite Kraft, die das Wasser in Bewegung versetzt, ist der Wind. Aufgrund ihrer Reibungskraft auf dem Wasser verursachen Winde Oberflächenwellen und -strömungen. Während die Gezeitenströme viermal täglich ihre Richtung um 180 ° ändern und das Wasser daher nur »hin und her schwappen« lassen, können andere Strömungen das Wasser über weite Distanzen transportieren. Wie sich diese großen Strömungen bewegen, widerspricht der Vorstellungskraft der meisten Menschen. Das liegt daran, dass die Erde eine rotierende Kugel ist und Strömungen durch die Corioliskraft abgelenkt werden (Letztere ist genau genommen gar keine Kraft, sondern eine Illusion, die sich bei einem Betrachter auf einem rotierenden System einstellt). Ein stetiger Wind aus Ost beispielsweise bewegt Wasser auf der nördlichen Halbkugel insgesamt nach Norden (allgemein gesagt, in einem Winkel von 90 ° nach rechts von der Windrichtung) und auf der südlichen Hemisphäre nach Süden (um 90 ° nach links). Deshalb drücken die östlichen Passatwinde in den tropischen Breiten auf beiden Hemisphären Wasser vom Äquator weg. Dieses Wasser muss durch Wasser ersetzt werden, das in Äquatornähe aus der Tiefe aufsteigt – ein bedeutendes Meeresphänomen, das als »äquatoriales Aufsteigen« (upwelling) bekannt ist und das Oberflächenwasser im Äquatorbereich mit Nährstoffen versorgt.

Hauptkennzeichen der vom Wind getriebenen Meereszirkulation sind die großen Subtropenwirbel, die in jedem Meeresbecken etwa zwischen dem 15. und dem 50. Breitengrad auftreten. Sie sind so etwas wie gigantische Wasserräder, die sich horizontal in den obersten paar hundert Metern des Meeres drehen. Jeweils an ihren Westseiten transportieren diese Wirbel Wasser als schmale, schnelle Randströmung polwärts: der Golfstrom im Nordatlantik, der Kuroshio im Nordpazifik, der Brasilstrom im Südatlantik oder der Ostaustralstrom im Südpazifik. Der Rückstrom Richtung Äquator ist dagegen breit und träge, er verteilt sich über nahezu die gesamte Breite des jeweiligen Meeresbeckens. Für die Meereskunde war es ein entscheidender Durchbruch, als Henry Stommel in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts die theoretische Erklärung für diese »westliche Intensivierung« fand: Der Grund ist das Erhaltungsgesetz des Drehimpulses auf der rotierenden Erde.

Im Innern jedes Subtropenwirbels befindet sich eine riesige, nahezu gleichförmige Wassermasse, wo Oberflächenwasser zusammenströmt und langsam mehrere hundert Meter absinkt. Im Nordatlantik ist diese Wassermasse die Sargassosee mit ihren berühmten Anhäufungen dicker Tangwiesen, die Alexander von Humboldt in Ansichten der Natur (1807) so plastisch beschrieben hat. Nach Auswertung von Logbüchern seit Kolumbus’ Sichtungen der Tangwiesen war Humboldt vor allem fasziniert, dass das Seegras über Jahrhunderte am gleichen Ort zu finden war: »Solche Beweise der Beständigkeit großer Naturphänomene fesseln zwiefach die Aufmerksamkeit des Physikers, wenn wir dieselbe in dem allbewegten oceanischen Elemente wiederfinden« (Über die Steppen und Wüsten, Anmerkung 7).

Kommen wir nach den Gezeiten und dem Wind nun zur dritten Hauptkraftquelle der Meeresströmungen: dem »thermohalinen Antrieb«. Darunter versteht man den Wärme- und Süßwasseraustausch an der Meeresoberfläche, wodurch das Wasser wärmer oder kälter und salziger oder süßer wird. »Thermo« steht für die Temperaturänderung, »halin«, das vom griechischen Wort für Salz abgeleitet ist, für die Änderung der Salinität. Wie bereits erwähnt, beeinflussen Temperatur- und Salinitätsänderungen die Dichte des Wassers. Dichteunterschiede aber bewirken in Flüssigkeiten Druckunterschiede, und diese lösen natürlich Strömungen aus.

Die wichtigste Eigenschaft des thermohalinen Antriebs ist, dass er bestimmt, wo Wasser von der Oberfläche in die Tiefsee absinken kann: nämlich nur dort, wo die Dichte am höchsten ist. Nur in drei Bereichen des Weltmeers wird eine Oberflächendichte von fast 1028 kg / m 3 erreicht: im Nordatlantik (vor allem in der Labradorsee und im Europäischen Nordmeer), um die Antarktis herum (im Ross- und Weddellmeer) und im Mittelmeer. In den beiden ersteren Bereichen sind die niedrigen Temperaturen für die hohe Dichte verantwortlich, im Mittelmeer ist es, bei relativ hohen Temperaturen, die hohe Salinität. Da es nur durch die flache Straße von Gibraltar mit dem Atlantik verbunden ist, hat das Mittelmeer wenig Einfluss auf das Weltmeer. Die beiden genannten Polarregionen wirken sich hingegen tiefgreifend auf das gesamte Ozeansystem aus.

Hier sinkt Wasser ab – ein Prozess, der als »Tiefenwasserbildung« bezeichnet wird –, um sich dann in der Tiefe rund um die Welt zu verbreiten. Die Tiefen- und Bodenwasser der Weltmeere stammen von hier. Rückflüsse nahe der Oberfläche bringen Wasser zu diesen »Abflusslöchern«, wo sie das abgesunkene Wasser ersetzen. Das Ergebnis ist eine gewaltige Umwälzbewegung der Meere (Abb. III im Farbteil), die eine Stärke von rund 30 Sv hat. (Sv ist die Abkürzung für Sverdrup, eine alte Maßeinheit für die Strömung, benannt nach dem schwedischen Meeresforscher Harald Ulrik Sverdrup. 1 Sv = 1 Million Kubikmeter pro Sekunde.)

Die wichtigsten Oberflächenströme der Weltmeere. Hell hervorgehoben sind die großen Subtropenwirbel, die sich in allen großen Meeresbecken finden.

Wenn die Tiefsee mit diesem Wasser von hoher Dichte angefüllt ist, kann natürlich kein Wasser mit geringerer Dichte aus anderen Bereichen mehr absinken – solche Wassermassen müssen oben auf dem dichteren Wasser schwimmen. Aufmerksame Leser dürften hier ein Paradoxon entdecken: Wieso kann überhaupt weiterhin Wasser absinken, wenn der Ozean einmal mit Wasser höchster Dichte gefüllt ist? Warum kommt die große Umwälzung des Meeres nicht einfach zum Erliegen? Der Hauptgrund ist, dass die Turbulenzen im Ozean langsam Wärme von den warmen Oberflächenschichten in die Tiefe hinuntermischen und so im Lauf der Zeit dort die Dichte verringern. Dieser beständige Verlust an Dichte ermöglicht den fortgesetzten Austausch von Tiefenwasser durch »junges« Wasser aus den Polargebieten.

Im 19. Jahrhundert debattierten Wissenschaftler ausgiebig darüber, was die wesentlichen Meeresströmungen wie den Golfstrom bewirkt: Wind oder thermohaline Kräfte? Wurden diese Meeresbewegungen vom Wind angetrieben, oder handelte es sich um »Konvektionströme«, wie man damals sagte?

In gewisser Hinsicht ist diese Frage auch heute noch nicht völlig beantwortet. Wir wissen jetzt, dass viele Strömungen, darunter der Golfstrom, auf eine Mischung aus beiden Antriebskräften zurückzuführen sind: Sowohl die Wind- als auch die thermohalinen Kräfte spielen eine entscheidende Rolle, aber es ist schwierig, den jeweiligen Anteil zu bestimmen.

Der Golfstrom ist die westliche Randströmung des Subtropenwirbels im Nordatlantik, und weiter oben wurde sie als vom Wind verursacht dargestellt. Aber hinzu kommt eine nach...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Zusatzinfo Tafelteil mit 4 Seiten
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Natur / Ökologie
Naturwissenschaften Biologie Ökologie / Naturschutz
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Artenvielfalt • Atlantik • Carbonatpumpe • Erwärmung • Fischfang • Golfstrom • Kohlenstoff • Meeresleben • Meeresspiegel • Meerestemperatur • Nährstoffanreicherung • Nordatlantik • Nordsee • Oberflächenwasser • Phytoplankton • Sachbuch • Stickstoff • Stoffkreislauf • Versauerung
ISBN-10 3-10-400069-7 / 3104000697
ISBN-13 978-3-10-400069-5 / 9783104000695
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