Menschliche Sensibilität - Burkhard Liebsch

Menschliche Sensibilität

Inspiration und Überforderung
Buch
460 Seiten
2008
Velbrück (Verlag)
978-3-938808-53-5 (ISBN)
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Dieses Buch bietet eine sensible Phänomenologie menschlicher Sensibilität. Dabei geht es dem Autor vor allem um eine praktische Perspektive der Sensibilisierung für subtile Gewalt im ethischen Denken und im Übermaß der Herausforderung, 'menschlich' zu leben.Während man in der Anthropologie der Aufklärung noch Sensibilität und Menschlichkeit zusammendachte, nährt die Geschichte, auf die wir heute zurückblicken, gerade an diesem Zusammenhang tiefgreifende Zweifel. Kulminierte die europäische Geschichte nicht in einer radikalen Gewalt, die geradezu als Versuch der Liquidierung menschlicher Sensibilität verstanden werden kann? So gesehen ist von menschlicher Sensibilität heute nur im Lichte ihrer radikalen Infragestellung durch die europäische Gewaltgeschichte zu reden.

Burkhard Liebsch ist apl. Professor für Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum. Bei Velbrück Wissenschaft hat er zuletzt veröffentlicht: Gastlichkeit und Freiheit. Polemische Konturen europäischer Kultur (2005), Revisionen der Trauer. In philosophischen, geschichtlichen, psychoanalytischen und ästhetischen Perspektiven (2006), Subtile Gewalt. Spielräume sprachlicher Verletzbarkeit. Eine Einführung (2007).

VORWORTEINLEITUNGSpielräume menschlicher Sensibilität TEIL AMENSCHLICHE SENSIBILITÄT IM SINN FÜR UNGERECHTIGKEITKAPITEL IAußer-ordentliche SensibilitätZu Levinas' Frage: Ob uns 'die Moral zum Narren hält' - mit Blick auf Nietzsche1. Moral unter Verdacht2. Auf der Spur moralischer Sensibilität 3. Exkurs: Sensibilität im anthropologischen Diskurs der Moderne 4. Passive vs. moralische Sensibilität: Rousseau 5. 'Menschliche' Sensibilität: Levinas6. Eine gefährliche LeidenschaftKAPITEL IISensibilität zwischen Ethik und Politik1. Depolitisierte Sensibilität?2. Das Problem des Dritten 3. Sensibilität und kognitive Funktion 4. Plurale Gerechtigkeit 5. Urteilskraft und Horizonte der GerechtigkeitKAPITEL IIISinn für Ungerechtigkeit als Form menschlicher Sensibilität 1. Zur Gegenwart der Gerechtigkeit: Theorie und Erfahrung 2. Zweierlei 'Sinn': ein doppeltes Missverhältnis 3. Gerechtigkeitssinn bei Rawls 4. Verlangen nach Gerechtigkeit5. Moralische Sensibilität: Shklar vs. Rawls6. Kein sechster oder gemeinsamer Sinn 7. Ungerechtigkeit in der Gerechtigkeit? KAPITEL IVSinn für Ungerechtigkeit und Perspektiven institutionalisierter Gerechtigkeit im 'globalen' Horizont1. Zwischen Beschränkung und Überforderung 2. Im Horizont anonymer Anderer 3. Gerechtigkeit in statu nascendi 4. Perspektiven der Globalisierung 5. Rawls' begrenzte Gerechtigkeit 6. Dringlichkeit und ÜberforderungKAPITEL VSensibilität als Leidenschaft des Un-MöglichenAnti-politische Überlegungen mit Blick auf Kierkegaard und Derrida1. Möglichkeit und Wirklichkeit im Horizont der Neuzeit 2. Søren Kierkegaard: die Leidenschaft des Möglichen 3. Ethische Leidenschaft und deren Suspension 4. Jacques Derrida: die Herausforderung des Un-Möglichen 5. Opfer und absolute Verantwortung 6. Auf der Spur des schweigenden Sohnes 7. Das Politische im Zeichen des Un-Möglichen 8. Sensibilität und GastlichkeitTEIL BMENSCHLICHE SENSIBILITÄT IM KONTEXT:PÄDAGOGIK, POLITIK, RECHT, KULTUR UND GESCHICHTEKAPITEL VISensibilität, Fremdheit und pädagogische GerechtigkeitMit Blick auf Goldschmidt, Rousseau und Merleau-Ponty1. Gerechtigkeit - Kindheit - Fremdheit 2. Das Drama des Selbst: Georges-Arthur Goldschmidt3. Man kennt die Kindheit nicht: Rousseau4. Merleau-Ponty und das Selbst5. Ein skeptischer SchlussKAPITEL VIISensibilität und 'Politik der Differenz' Anerkennung, Differenz und Dissens1. Zur fragwürdigen Apologie der Differenz2. Differenz und Anerkennung3. Differenz und Dissens4. Dissens und Streit: Jacques Rancière5. Dissenssensible Politik?6. Zum Besten und zum Schlimmsten versammelt7. Dissens und AnerkennungKAPITEL VIIIRecht und Gastlichkeit im Geist menschlicher Sensibilität1. Recht und Dissens2. Entzauberte Verrechtlichung3. Radikale Demokratie: de-limitiert und unberechenbar4. Gastlichkeit und Feindschaft5. Unbedingter Friede?6. Der Anspruch eines unversöhnten GedächtnissesKAPITEL IXSensibilität im europäischen Horizont1. Selbsterschaffung im Zeichen moralischer Sensibilität? 2. Probleme nachträglicher Europäisierung: Paul Valéry 3. Europäische Selbst-Fremdheit 4. Jenseits von Schicksals- vs. Projektgemeinschaft 5. Geschichtliche Sensibilität 6. Für ein gastliches GedächtnisKAPITEL XSensibilität vs. Versöhnung. Ein europäisches Versprechen1. Un-Vergessliches und plastische Kraft 2. Ricoeurs Deutung der conditio historica3. Treue und Zeugnis 4. Sensibilisiert für Un-VergesslichesEPILOGSiglenLiteraturverzeichnisNachweiseNamenregisterSachregister

"Dieses Buch folgt der Spur einer Vermutung, die schon in der mittelalterlichen Philosophie geäußert wurde: dass
Sensibilität und Menschlichkeit unauflöslich miteinander verbunden sind. Dabei geht es nicht um ein biologisches Spezifikum der Gattung homo sapiens, sondern um eine ethische Herausforderung,die Menschen vom Anderen her als menschlich erscheinen lässt, insofern sie ihm sensibel zugewandt sind. Menschliche Sensibilität ist vom Anspruch des Anderen
her zu denken, ihm"unendlich"gerecht zu werden. Jeder kann in diesem Sinne der Andere sein. Auch"Menschen von der falschen Sorte"(Rorty) sind nicht von diesem Anspruch ausgenommen zu denken. So drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass menschliche Sensibilität genau das sein müsste, was die Menschen auch dann, wenn sie einander fremd sind, infolge ihrer unverfügbaren Ansprechbarkeit durch den Anderen verbindet. Darin läge ihre Verwandtschaft angesichts der Gewalt, die sie einander antun. Noch dem radikalen Feind gegenüber sollte sich eine außerordentliche menschliche Sensibilität
angesichts eines untilgbaren Anspruchs auf Gerechtigkeit bewähren können. Selbst ihm steht eine unendliche Gerechtigkeit zu. Aber das ist nicht zu beweisen und in keiner zeitgemäßen Theorie der Gerechtigkeit letztlich rational zu begründen. Die fragliche Verwandtschaft ist als menschliche Sensibilität allenfalls zu bezeugen. Eine absolute Überforderung durch Übersensibilisierung zeichnet sich ab, die in Desensibilisierung umschlagen kann und sogar ethische Gewalt heraufbeschwört. Deshalb wird die fragliche menschliche Sensibilität in diesem Buch von Anfang an im Zwielicht von außerordentlicher Inspiration angesichts des Anderen und geradezu maßloser Überforderung bedacht. Wie kann sie in bestimmten Lebensformen situiert, gleichwohl aber nicht durch ihre kontextuelle Beschränkung konterkariert gedacht
werden? Bedarf nicht die außerordentliche menschliche Sensibilität, die zunächst nur ein radikales Aufgeschlossensein
für den Anderen bedeutet, einer leibhaftigen Vernunft, die in sozialen und politischen Handlungsfeldern stets auf eine abwägende und kluge Urteilskraft angewiesen bleibt, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren? Bedarf sie darüber hinaus nicht einer Bestätigung im sozialen und politischen Selbstverständnis derer, die etwa in der Gastlichkeit ihrer Lebensformen diesem Aufgeschlossensein gerecht zu werden suchen? Ließe sich darauf ein Ethos gründen?
Menschliche, außerordentliche Sensibilität stellt sich als eine gefährliche Leidenschaft heraus, die jeden Kontext durchschlagen kann. Sie beschwört geradezu ethische Gewalt herauf, indem sie uns durch den Anspruch überfordert,
dem Anderen gerecht zu werden."

Erscheint lt. Verlag 31.10.2008
Sprache deutsch
Maße 140 x 222 mm
Gewicht 755 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Sozialwissenschaften
Schlagworte Ethik • Gerechtigkeit • Gewalt und Geschichte • HC/Philosophie • Phänomenologie • Praktische Philosophie • Sensibilität • Sozialphilosophie
ISBN-10 3-938808-53-5 / 3938808535
ISBN-13 978-3-938808-53-5 / 9783938808535
Zustand Neuware
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