Violence as Routine
Transformations of Local-Level Politics and the Disjunction between Centre and Periphery in KwaZulu-Natal (South Africa)
Seiten
2007
Köppe, R (Verlag)
978-3-89645-728-8 (ISBN)
Köppe, R (Verlag)
978-3-89645-728-8 (ISBN)
- Titel leider nicht mehr lieferbar
- Artikel merken
Das vorliegende Werk untersucht lokalpolitische Prozesse und gewaltsame Konflikte in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal. Seit den 1980er-Jahren sind hierbei schätzungsweise 20.000 Menschen ermordet und mehr als 500.000 zu Flüchtlingen geworden. Trotz der Behauptung regionaler und nationaler politischer Führer, dass die Gewalt zwischenzeitlich beigelegt und KwaZulu-Natal eine befriedete Provinz sei, starben auch nach der demokratischen Transformation 1994 eine beträchtliche Anzahl von Menschen in gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Der Autor stellt zwei Thesen auf: Zum einen ist der Gewaltkonflikt in der Post-Apartheid-Ära durch ein Auseinanderlaufen von Zentrum und lokaler Ebene gekennzeichnet, d.h. dass sich lokale Gewalt teils erheblich von Konflikten zwischen politischen Parteien (African National Congress versus Inkatha Freedom Party) auf der Provinzebene unterscheidet. Diese Disjunktion ist nicht gleichbedeutend mit einer Autonomie des Lokalen, vielmehr verweist sie auf einen wechselnden Prozess der Anbindung und Dezentralisierung zwischen nationaler/regionaler Ebene auf der einen und lokaler Ebene auf der anderen Seite. Lokale Dynamiken stellen nicht lediglich ein Spiegelbild politischer Prozesse im Zentrum dar: Letztere unterliegen lokalen Interpretationen und können den lokalen Interessen entsprechend modifiziert werden. Zum anderen geht die Disjunktion zwischen lokaler und nationaler/regionaler Ebene mit einer Eigendynamik des gewaltsamen Konflikts einher: Gewalttätiges Handeln bringt Institutionen und Machtbeziehungen hervor, die ihrerseits Gewalt reproduzieren. Die gegenwärtigen lokalpolitischen Prozesse in KwaZulu-Natal kennzeichnen demnach eine neue Form politischer Herrschaft, welche sich wesentlich vom im Zuge der politischen Transformation entworfenen demokratischen Modell unterscheidet.
In methodischer Hinsicht basiert das vorliegende Werk vornehmlich auf etwa 200 qualitativen Interviews. Diese wurden während einer einjährigen Feldforschung in KwaZulu-Natal mit aktiv an Gewalt beteiligten als auch von Gewalt betroffenen Menschen durchgeführt und darüber hinaus mit persönlichen Beobachtungen sowie verschiedenen schriftlichen Quellen (Zeitungsartikel, Gewaltbeobachtungs- und Polizeiberichte) verglichen.
Über den Autor:
Dr. Mario Krämer, der mit diesem Werk seine überarbeitete Dissertation vorlegt, ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie der Universität zu Köln tätig. 2019 schloss er seine Habilitation an der Universität zu Köln ab.
REZENSIONEN:
„Mit der ‚political rivalry thesis‘ wird das hohe Ausmaß an politischer Gewalt in der Provinz KwaZulu-Natal dadurch erklärt, dass sich die Rivalität zwischen den Eliten des African National Congress (ANC) und der Inkatha Freedom Party (IFP) bis in die Lokalpolitik fortsetzt. Der Autor hält diesen weitverbreiteten Erklärungsansatz für unvollständig und bevorzugt zwei alternative Argumente, um die Gewalt am Beispiel der Region Inchanga zu erklären. Dabei stützt er sich neben theoretischen Erkenntnissen der Gewaltforschung auf eigene empirische Untersuchungen aus der Zeit von April 2001 bis Januar 2002. Laut Krämer zeichnet sich seit Ende der Apartheid eine Trennung zwischen Zentrum und Peripherie ab (‚disjunction thesis‘). Diese Trennung manifestiert sich in zeitlicher sowie inhaltlicher Hinsicht. Zudem hat Gewalt infolge von Racheakten und transformierter Machtbeziehungen, etwa durch Klientelismus sowie Klüngelei, eine Eigendynamik entwickelt und als Routine Eingang in die Lokalpolitik gefunden. In seinem Ausblick bewertet Krämer die Möglichkeit, Gewalt durch lokale Institutionen oder staatliches Durchgreifen eindämmen zu können, tendenziell negativ. Er sieht die Gewalt in dem Wechselspiel von Eskalation und Rückgang als Normalität in der Provinz KwaZulu-Natal verankert.
(Eva Range in „Zeitschrift für Politikwissenschaft“ 4/2007, 1383)
‚Ein geglücktes Beispiel wie Anthropologie sozialwissenschaftliche Theorie voranbringen kann; […]‘
(Christiane Hentschel in „Comparativ“ 18/6, 2008, 100-102)
„It is a widely held misconception that violence in KwaZulu-Natal, one of the centres of bloody fights in the run-up to South Africa’s first democratic, majority elections in April 1994, has subsided swiftly after that epochal event. Related to this is another misconception, namely the framing of the carnage in terms of the confrontation between the African National Congress, now the ruling party of the country, on the one hand and the Zulu centred Inkatha Freedom Party on the other. The common view thus is of an ethnic clash couched in party politics. Mario Krämer’s social anthropological study of a community in the peri-urban precincts of Durban does not leave much of such commonly held views. In this, he can build on a certain amount of studies on Zulu anthropology as well as on more recent studies about the violence that drew a lot of media attention as long as the transition of South Africa to majority rule still seemed in jeopardy. However, Krämer’s detailed, locally focused study, which has been defended as a PhD dissertation at Bonn University, bears out once again the vital importance of paying attention to specific cases, delving into and reconstructing their dynamics. From his interview, archival and local newspaper material and also based on perceptive observation over roughly a year in 2001-2, Krämer can reconstruct different phases of the violence. [...]
Significantly, such violence calls into action today the higher echelons on a provincial level of the parties who claim the allegiance of one or the other side involved. However, as Krämer shows, such interventions are ineffective at best, in particular since the dynamic of violence also feeds on the distance from the power centres and the chances this offers to strongmen to assert themselves and their agendas. Such dynamics as well as the spread of insecurity and above all a pervasive quest for revenge among warring sections have sent violence in In changa into a spiralling process of growing intensity several times. Unsurprisingly, the conclusions Krämer draws on the possibilities of resolving situations such as prevail in Inchanga are anything but optimistic. Rather, he concurs with Peter Waldmann in pointing to the far greater difficulties of creating lasting peace than prolonging war or generalised violence. A reconstruction of violent processes and their insertion into daily life as is presented here, can at least help us better to understand such dynamics.“
(Reinhart Kößler in „Sociologus“ 2008, 103-105)
Der Autor stellt zwei Thesen auf: Zum einen ist der Gewaltkonflikt in der Post-Apartheid-Ära durch ein Auseinanderlaufen von Zentrum und lokaler Ebene gekennzeichnet, d.h. dass sich lokale Gewalt teils erheblich von Konflikten zwischen politischen Parteien (African National Congress versus Inkatha Freedom Party) auf der Provinzebene unterscheidet. Diese Disjunktion ist nicht gleichbedeutend mit einer Autonomie des Lokalen, vielmehr verweist sie auf einen wechselnden Prozess der Anbindung und Dezentralisierung zwischen nationaler/regionaler Ebene auf der einen und lokaler Ebene auf der anderen Seite. Lokale Dynamiken stellen nicht lediglich ein Spiegelbild politischer Prozesse im Zentrum dar: Letztere unterliegen lokalen Interpretationen und können den lokalen Interessen entsprechend modifiziert werden. Zum anderen geht die Disjunktion zwischen lokaler und nationaler/regionaler Ebene mit einer Eigendynamik des gewaltsamen Konflikts einher: Gewalttätiges Handeln bringt Institutionen und Machtbeziehungen hervor, die ihrerseits Gewalt reproduzieren. Die gegenwärtigen lokalpolitischen Prozesse in KwaZulu-Natal kennzeichnen demnach eine neue Form politischer Herrschaft, welche sich wesentlich vom im Zuge der politischen Transformation entworfenen demokratischen Modell unterscheidet.
In methodischer Hinsicht basiert das vorliegende Werk vornehmlich auf etwa 200 qualitativen Interviews. Diese wurden während einer einjährigen Feldforschung in KwaZulu-Natal mit aktiv an Gewalt beteiligten als auch von Gewalt betroffenen Menschen durchgeführt und darüber hinaus mit persönlichen Beobachtungen sowie verschiedenen schriftlichen Quellen (Zeitungsartikel, Gewaltbeobachtungs- und Polizeiberichte) verglichen.
Über den Autor:
Dr. Mario Krämer, der mit diesem Werk seine überarbeitete Dissertation vorlegt, ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie der Universität zu Köln tätig. 2019 schloss er seine Habilitation an der Universität zu Köln ab.
REZENSIONEN:
„Mit der ‚political rivalry thesis‘ wird das hohe Ausmaß an politischer Gewalt in der Provinz KwaZulu-Natal dadurch erklärt, dass sich die Rivalität zwischen den Eliten des African National Congress (ANC) und der Inkatha Freedom Party (IFP) bis in die Lokalpolitik fortsetzt. Der Autor hält diesen weitverbreiteten Erklärungsansatz für unvollständig und bevorzugt zwei alternative Argumente, um die Gewalt am Beispiel der Region Inchanga zu erklären. Dabei stützt er sich neben theoretischen Erkenntnissen der Gewaltforschung auf eigene empirische Untersuchungen aus der Zeit von April 2001 bis Januar 2002. Laut Krämer zeichnet sich seit Ende der Apartheid eine Trennung zwischen Zentrum und Peripherie ab (‚disjunction thesis‘). Diese Trennung manifestiert sich in zeitlicher sowie inhaltlicher Hinsicht. Zudem hat Gewalt infolge von Racheakten und transformierter Machtbeziehungen, etwa durch Klientelismus sowie Klüngelei, eine Eigendynamik entwickelt und als Routine Eingang in die Lokalpolitik gefunden. In seinem Ausblick bewertet Krämer die Möglichkeit, Gewalt durch lokale Institutionen oder staatliches Durchgreifen eindämmen zu können, tendenziell negativ. Er sieht die Gewalt in dem Wechselspiel von Eskalation und Rückgang als Normalität in der Provinz KwaZulu-Natal verankert.
(Eva Range in „Zeitschrift für Politikwissenschaft“ 4/2007, 1383)
‚Ein geglücktes Beispiel wie Anthropologie sozialwissenschaftliche Theorie voranbringen kann; […]‘
(Christiane Hentschel in „Comparativ“ 18/6, 2008, 100-102)
„It is a widely held misconception that violence in KwaZulu-Natal, one of the centres of bloody fights in the run-up to South Africa’s first democratic, majority elections in April 1994, has subsided swiftly after that epochal event. Related to this is another misconception, namely the framing of the carnage in terms of the confrontation between the African National Congress, now the ruling party of the country, on the one hand and the Zulu centred Inkatha Freedom Party on the other. The common view thus is of an ethnic clash couched in party politics. Mario Krämer’s social anthropological study of a community in the peri-urban precincts of Durban does not leave much of such commonly held views. In this, he can build on a certain amount of studies on Zulu anthropology as well as on more recent studies about the violence that drew a lot of media attention as long as the transition of South Africa to majority rule still seemed in jeopardy. However, Krämer’s detailed, locally focused study, which has been defended as a PhD dissertation at Bonn University, bears out once again the vital importance of paying attention to specific cases, delving into and reconstructing their dynamics. From his interview, archival and local newspaper material and also based on perceptive observation over roughly a year in 2001-2, Krämer can reconstruct different phases of the violence. [...]
Significantly, such violence calls into action today the higher echelons on a provincial level of the parties who claim the allegiance of one or the other side involved. However, as Krämer shows, such interventions are ineffective at best, in particular since the dynamic of violence also feeds on the distance from the power centres and the chances this offers to strongmen to assert themselves and their agendas. Such dynamics as well as the spread of insecurity and above all a pervasive quest for revenge among warring sections have sent violence in In changa into a spiralling process of growing intensity several times. Unsurprisingly, the conclusions Krämer draws on the possibilities of resolving situations such as prevail in Inchanga are anything but optimistic. Rather, he concurs with Peter Waldmann in pointing to the far greater difficulties of creating lasting peace than prolonging war or generalised violence. A reconstruction of violent processes and their insertion into daily life as is presented here, can at least help us better to understand such dynamics.“
(Reinhart Kößler in „Sociologus“ 2008, 103-105)
Erscheint lt. Verlag | 16.4.2007 |
---|---|
Reihe/Serie | Siegener Beiträge zur Soziologie ; 8 |
Mitarbeit |
Herausgeber (Serie): Trutz von Trotha, Rainer Geißler |
Zusatzinfo | 1 Farbkarte, 10 s/w-Fotos, 2 Grafiken, 12 Tabellen, Anhang |
Verlagsort | Köln |
Sprache | englisch |
Maße | 160 x 240 mm |
Gewicht | 680 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Ethnologie |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Schlagworte | Empirische Studie • Ethnologie • Flucht • Gewaltforschung • Häuptlingstum • Konfliktforschung • Mediation • Soziologie • Südafrika |
ISBN-10 | 3-89645-728-4 / 3896457284 |
ISBN-13 | 978-3-89645-728-8 / 9783896457288 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Mehr entdecken
aus dem Bereich
aus dem Bereich
Wert, Tausch und menschliches Handeln
Buch | Softcover (2023)
diaphanes (Verlag)
28,00 €
Buch | Softcover (2024)
Königshausen u. Neumann (Verlag)
28,00 €
On the Possibility of Life in Capitalist Ruins
Buch | Softcover (2021)
Princeton University Press (Verlag)
19,90 €