Kinder als Akteur*innen generationaler Raumaneignung -  Anneka Beck

Kinder als Akteur*innen generationaler Raumaneignung (eBook)

Eine qualitativ-rekonstruktive Analyse zur Weiterentwicklung von Ganztagsbildung aus sozialpädagogischer Perspektive

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
248 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8694-2 (ISBN)
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In Deutschland nimmt knapp die Hälfte aller Kinder im Grundschulalter an einem ganztägigen Angebot ihrer Schule teil, womit eine zunehmende Tendenz zur Pädagogisierung bzw. Institutionalisierung von Grundschulkindheit verbunden ist. Kindliche Perspektiven werden jedoch nur selten im Diskurs um die Ausgestaltung von Ganztagsschulen berücksichtigt. In der Studie wird das sozialräumlich-generationale Erleben von Kindern im Zuge ihres Ganztagsschulbesuchs mit einem qualitativ-rekonstruktiven Forschungszugang analysiert. Die Ergebnisse bieten die Grundlage für eine Neuakzentuierung von Ganztagsbildung.

Anneka Beck, Jg. 1983, M. Ed., lehrt an der Katholischen Hochschule NRW, Standort Münster im Lehrgebiet 'Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit'. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Inklusive und diversitätssensible Bildung, Ganztagsschulentwicklung, qualitative Sozial- und Kindheitsforschung.

1Einleitung


Der seit etwa 20 Jahren stattfindende Ausbau von Ganztagsschulen als eine zentrale bildungspolitische Maßnahme im Anschluss an den sogenannten PISA-Schock ermöglicht es inzwischen knapp der Hälfte aller Kinder im Grundschulalter in Deutschland, an einem ganztägigen Angebot an ihrer Schule teilzunehmen (KMK 2023). Auch wenn diese Angebote mit einer unterschiedlichen Intensität und in konzeptionell nicht verallgemeinerbarer Form organisiert sind, bedeuten sie doch eine zunehmende Tendenz zur Pädagogisierung bzw. Institutionalisierung von Grundschulkindheit (Andresen 2018; Kränzl-Nagl & Mierendorf 2007; BMFSFJ 2002).

Mit dem Ausbau von Ganztagsschulen werden sowohl bildungs- als auch sozial- und familienpolitische Implikationen verbunden. Im Vordergrund stehen dabei der Abbau von Bildungsbenachteiligung und damit verbunden die Ermöglichung von Bildungsgerechtigkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit der Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab dem Schuljahr 2026/2027 sollen diese Ziele zukünftig noch stärker fokussiert und mit dem schulischen Bildungs- und Betreuungsangebot mehr Familien als bisher erreicht werden (vgl. BMFSFJ 2021; Graßhoff und Sauerwein 2021). Dieser Erwartungshaltung liegt ein erweitertes Bildungsverständnis zugrunde, das sich nicht nur auf schulisch formalisierten Wissenserwerb bezieht. Daher erhält die Sozialpädagogik in Gestalt der Kinder- und Jugendhilfe im Zuge dessen einen neuen Stellenwert als Kooperationspartnerin von Schule, da sie mit einem erweiterten, lebensweltlich konzipierten Bildungsverständnis die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung in die Ganztagsschule einbringen kann (vgl. Maykus 2021: 67f.). Damit werden dann auch kindliche Bildungsprozesse über den Leistungs- und Kompetenzbegriff hinaus erfasst (vgl. Scherr 2020; Sauerwein et al. 2019). Der bisherige Einbezug der Kinder- und Jugendhilfe in die Ausgestaltung von Ganztagsschulen ist jedoch von einer heterogenen und uneinheitlichen Schwerpunktsetzung der sozialpädagogischen Angebote und Tätigkeitsfelder gekennzeichnet (vgl. Schröder 2020; BMFSFJ 2017: 359ff.; Böttcher und Maykus 2014). Dennoch lässt sich die Ganztagsschule als Ort sozialpädagogischen Handelns beschreiben, mit dem ein alltagsorientierter und subjektbezogener Zugang zu Bildungsprozessen von Kindern gelingen soll.

Indes lässt sich konstatieren, dass bislang lediglich ein Teil der Erwartungen an die Ganztagsschule erfüllt werden kann. So steht zwar mittlerweile eine Vielzahl an Ganztagsplätzen zur Verfügung, die Ermöglichung von Chancengerechtigkeit und der Ausgleich von Bildungsbenachteiligungen kann jedoch nicht festgestellt werden (vgl. StEG 2019; Sauerwein et al. 2019). Hinsichtlich des strukturell und konzeptionell stark divergierenden Angebotsspektrums (vgl. Braches-Chyrek 2020) kann zudem hinterfragt werden, inwiefern sozialpädagogische Handlungstheoreme wie die Lebensweltorientierung nach Thiersch (1992; 2015a) oder die Unterstützung von Bewältigungshandeln im Sinne Böhnischs (2018) in der Gestaltung des Ganztags berücksichtigt werden. Und damit einhergehend dann auch ein erweitertes Bildungsverständnis Einzug erhält, mit dem Kinder nicht nur als Schüler*innen adressiert, sondern auch in ihren individuellen Alltagsbezügen verortet werden. Angesichts der seit Jahren steigenden Anzahl der Schüler*innen, die an einem Ganztagsangebot ihrer Grundschule teilnehmen, und einer zu erwartenden Verstärkung dieser Tendenz durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, ist anzunehmen, dass kindliches Alltagserleben zukünftig zunehmend in ganztagsschulischen und somit pädagogisch-institutionalisierten Settings stattfinden wird. Gleichzeitig sind die Kinder im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen der Moderne damit konfrontiert, bildungsbiografische Prozesse und die damit verbundenen Herausforderungen im Zuge von Flexibilisierung und Institutionalisierung vermehrt selbstständig zu bewältigen. Sozialpädagogisches Handeln – so die Annahme dieser Studie – kann am Ort Ganztagsschule dazu beitragen, dass Kinder bei der Gestaltung individueller Bildungsbiografien sowie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung subjektorientiert begleitet werden.

Allerdings treten Kinder im Diskurs um die Weiterentwicklung von Ganztagsgrundschulen kaum als Beteiligte in Erscheinung und ihre subjektiven Perspektiven werden bislang nur unzureichend in die Forschung einbezogen (vgl. Sauerwein & Graßhoff 2022: 213; BJK 2020: 25ff.). Fraglich ist demnach, wie sie selbst Prozesse von Pädagogisierung und Institutionalisierung wahrnehmen und welche Erfahrungen sie im Kontext des Ganztagsschulbesuchs hinsichtlich ihrer Alltagsgestaltung, ihrer sozialen Beziehungen und Interaktionen sowie ihres sozialräumlichen Erlebens machen. Die vorliegende Studie analysiert und systematisiert mit einem qualitativ-rekonstruktiven Forschungszugang solcherart Wahrnehmungen und Erfahrungen von Kindern, die eine offene Ganztagsgrundschule besuchen, hinsichtlich ihrer schulischen und außerschulischen Raumaneignung. Die forschungsleitende Frage lautet: Wie erleben Grundschulkinder ihre sozialen Räume? Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit ist es, den Diskurs zur Weiterentwicklung von Ganztagsschule aus sozialpädagogischer Perspektive mit einem dezidiert subjektbezogenen Fokus auf kindliches Erleben und Handeln zu fundieren. Auf diese Weise kann sie zu einer empirisch begründeten Neuakzentuierung von Ganztagsbildung und zur zukünftigen Gestaltung einer kindorientierten Ganztagsrundschule beitragen.

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Dissertationsschrift umfasst die Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsfeld, die theoretischen Bezugnahmen, den empirischen Forschungsprozess, die Darstellung der Ergebnisse in Form einer Theorieskizze sowie die Diskussion dieser und daraus abgeleiteter Implikationen. Auf diese Weise wird das Vorgehen nachvollziehbar und transparent dargelegt und stellt sich der wissenschaftlichen Kritik. Dabei gliedert sich die vorliegende Arbeit in insgesamt sieben Kapitel.

Mit dieser Einleitung als erstem Kapitel wird in die Forschungsarbeit eingeführt, das Erkenntnisinteresse begründet und die Gliederung erläutert. Da es sich bei der vorliegenden Forschung um eine rekonstruktiv-qualitative Forschung handelt (vgl. Kapitel 4), erfolgten Datenerhebung, Datenanalyse, Schreibarbeit und Theorieentwicklung in einem zirkulären Prozess. Dieser hatte eine produktive Modifizierung der Theoriebezüge zur Folge, die den Erkenntnisprozess begleitete. Der hier vorliegende Forschungsbericht systematisiert diesen Prozess und stellt den Ergebnissen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Handlungsfeld sowie mit den theoretischen Bezugnahmen voraus.

An die Einleitung schließt sich im zweiten Kapitel die Beschreibung des Untersuchungsfeldes Ganztagsschule als sozialpädagogischem Handlungsfeld an. Dazu wird zunächst die Relevanz für eine Studie in diesem Feld dargelegt (2.1). Daran anschließend werden sozialpädagogische Theoriediskurse zu Entwicklung und Bildung im Kindesalter zusammengeführt (2.2). Dabei wird unter Bezugnahme auf Winkler (2000; 2006), Thiersch (1992; 2015a) und Böhnisch (2018; 2023) Sozialpädagogik im Kindesalter als Spannungsfeld von kindlichem Eigenleben, Umwelteinflüssen und Erziehungstatsachen beschrieben. Es wird zudem dargelegt, inwiefern kindliches Bewältigungshandeln sozialräumlich-generational vermittelt stattfindet. Anschließend wird ein sozialpädagogisches Verständnis von Bildung auf der Basis verschiedener Theoriebezüge diskutiert und als räumlich gestalteter permanenter Synthese- und Figurationsprozess von Kindern begründet. Dieser stellt sich im Spannungsverhältnis von Eigenleben und Erziehungserleben und aufgrund der gesellschaftlichen Positionierung von Kindern als sozialräumlich-generational strukturiert dar. Es folgt eine Übersicht zu Forschungsbefunden zu Ganztagsschule aus Kindersicht, zu räumlichen Praktiken und Herstellungsprozessen von Kindern sowie zu Strategien von Kindern bezüglich der Bewältigung von an sie gestellten und generational vermittelten Erwartungen (2.3). Ausgehend vom Forschungsstand und den zuvor diskutierten Prämissen zur sozialpädagogischen Perspektive auf Entwicklung und Bildung im Kindesalter wird abschließend als vorläufige Annahme festgehalten, dass Kinder erstens einen eigenen Beitrag an bildungsbezogenen Konstruktionen und bildungsbiografischen Prozessen leisten und dabei zweitens eine...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8694-9 / 3779986949
ISBN-13 978-3-7799-8694-2 / 9783779986942
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