Survival of the Richest (eBook)

250 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78278-1 (ISBN)
Als Douglas Rushkoff eine Einladung in ein exklusives Wüstenresort erhält, nimmt er an, dass er dort über Zukunftstechnologien sprechen soll. Stattdessen sieht er sich Milliardären gegenüber, die ihn zu Luxusbunkern und Marskolonien befragen. Während die Welt mit der Klimakatastrophe und sozialen Krisen ringt, zerbrechen sich diese Männer den Kopf, wie sie im Fall eines Systemkollapses ihre Privatarmeen in Schach halten können.
Der Medientheoretiker Rushkoff verfolgt die Internetrevolution seit Jahrzehnten, ist Erfinder der Begriffe »viral gehen« und »Digital Natives«, bewegte sich lange im Kreis von Vordenkern und kreativen Zerstörern. In einer Zeit, in der Elon Musk und Peter Thiel sich immer stärker in die Politik einmischen, rekonstruiert er, wie aus der Aufbruchsstimmung der 1990er ein Programm aus Angst und Größenwahn werden konnte. Viele Tech-Unternehmer wollen uns Normalsterbliche einfach nur hinter sich lassen, werden aber als Visionäre gefeiert. Angesichts der Zerrüttungen, die ihre Geschäftsmodelle produzieren, müssen wir uns von ihrem Mindset befreien - denn mitnehmen werden sie uns auf ihrem Exodus sicher nicht.
Ein flammendes Plädoyer gegen Egomanie und für die Wiederentdeckung kooperativen Handelns
Douglas Rushkoff, geboren 1961, ist Professor für Medientheorie und digitale Wirtschaft am Queens College der City University New York. Er gilt als einer der Vordenker, aber auch schärfsten Kritiker digitaler Entwicklungen. Er verfasste zahlreiche Bücher und prägte die Begriffe »viral gehen« sowie »Digital Natives«.
25
1. Die Isolationsgleichung
Die Bunkerstrategien der Milliardäre
Als ich mich auf meinem Sitzplatz in dem Flugzeug niedergelassen hatte, das mich nach New York zurückbringen sollte, kreisten meine Gedanken nur noch um die Implikationen des Mindset. Wie war es entstanden? Wodurch war es hervorgerufen worden? Was besagte es? Wer waren seine wahren Gläubigen? Und was, wenn überhaupt, konnte man ihm entgegensetzen? Noch bevor die Maschine in New York landete, postete ich einen Text über mein sonderbares Erlebnis.1 Die Reaktionen überraschten mich.
Fast augenblicklich trafen erste Anfragen von Unternehmen ein, die Dienste für milliardenschwere Prepper anboten und hofften, ich würde sie in Kontakt mit den fünf Männern bringen, über die ich geschrieben hatte. Es meldete sich ein Immobilienmakler, der sich auf katastrophensichere Anwesen spezialisiert hatte. Ein weiteres Unternehmen nahm Kaufreservierungen für seine dritte unterirdische Wohnanlage entgegen, und eine Sicherheitsfirma bot verschiedene Formen von »Risikomanagement« an.
Die für mich interessanteste Mitteilung stammte jedoch von einem ehemaligen Leiter der Amerikanischen Handelskammer in Lettland. J. C. Cole war Zeuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion gewesen und hatte gesehen, wie schwierig es war, praktisch aus dem Nichts eine funktionierende Gesellschaft aufzubauen. Er hatte auch Gebäude an die Botschaften der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vermietet und kannte sich mit Sicherheitssys26temen und Evakuierungsplänen aus. »Sie haben in ein Wespennest gestochen«, schrieb er in seiner ersten E-Mail. »Ihre Beschreibung scheint mir durchaus zutreffend: Die Reichen, die sich in ihren Bunkern verstecken, werden ein Problem mit ihren Sicherheitsteams haben … Meiner Meinung nach ist Ihr Ratschlag richtig, dass man ›diese Leute auch jetzt sehr gut behandeln‹ sollte, aber das Konzept kann erweitert werden, und in meinen Augen gibt es ein besseres System, das sehr viel bessere Resultate liefern würde.«
Er legte die Fakten dar. Er war überzeugt, dass das »Ereignis« – ein Grauer Schwan oder eine vorhersehbare Katastrophe, die durch einen feindlichen Angriff, durch Mutter Natur oder einfach durch Zufall ausgelöst werden könnte – unvermeidlich sei. Er hatte eine SWOT-Analyse vorgenommen, das heißt Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken untersucht, und war zu dem Schluss gelangt, dass man zur Vorbereitung auf ein Unglück dieselben Maßnahmen ergreifen müsse wie zu seiner Verhinderung. »Zufällig stelle ich gerade mehrere Safe Haven Farms in der Umgebung von New York fertig«, schrieb er. »Diese sind dafür ausgelegt, ein ›Ereignis‹ möglichst gut zu bewältigen und der Gesellschaft als quasiökologische Farmen zu dienen. Sie sind drei Fahrtstunden von der Stadt entfernt, das heißt so nah, dass man es im Notfall bis dorthin schafft.«
Das klang sehr verlockend. Hier hatte ich es mit einem Prepper zu tun, der mit Sicherheitsfragen vertraut war, praktische Erfahrung besaß und sich mit nachhaltiger Lebensmittelversorgung auskannte. Er war überzeugt, wir könnten die bevorstehende Katastrophe am besten bewältigen, indem wir sofort begannen, unsere Mitmenschen, die Wirtschaft und den Planeten anders zu behandeln. Er hielt es je27doch auch für nötig, ein Netz geheimer, vollkommen autarker landwirtschaftlicher Gemeinden für Millionäre zu errichten, die von schwerbewaffneten Navy SEALs beschützt werden sollten.
J. C. baut gegenwärtig zwei Farmen auf, die Teil seines Projekts »Safe Haven« sind. Sein Vorzeigemodell, die Farm 1 außerhalb von Princeton, »funktioniert gut, solange die Polizei funktioniert«. Die zweite Farm, die irgendwo in den dicht bewaldeten Pocono Mountains in Pennsylvania versteckt ist, muss ein Geheimnis bleiben. »Je weniger Leute die Standorte kennen, desto besser«, erklärte mir J. C. und fügte einen Link zu der Folge der Serie Twilight Zone hinzu, in der verängstigte Nachbarn angesichts eines drohenden Atomkriegs den Schutzbunker einer Familie stürmen. »Der größte Vorzug von Safe Haven ist die Betriebssicherheit, beim Militär OpSec genannt. Falls/Wenn die Lieferkette gestört wird, kommen die Menschen nicht mehr an Lebensmittel heran. Die Corona-Pandemie war ein Weckruf: Die Leute begannen, um Toilettenpapier zu kämpfen. Wenn die Nahrung knapp wird, wird es übel werden. Jene, die intelligent genug sind, zu investieren, achten deshalb auf Geheimhaltung.«
J. C. bot an, nach New York zu kommen, um mir sein Projekt zu erklären, aber ich wollte die Anlage mit eigenen Augen sehen. Er war gerne bereit, sie mir zu zeigen, und lud mich ein, ihn in New Jersey zu besuchen. »Ziehen Sie Stiefel an«, sagte er. »Der Boden ist noch morastig.« Dann fragte er. »Schießen Sie?«
Die Farm umfasste einen Reiterhof und eine Gefechtstrainingsanlage. Außerdem wurden dort Ziegen und Hühner gehalten. J. C. brachte mir bei, mit einer Glock auf 28Pappsilhouetten von Bösen Jungs zu schießen, während er darüber schimpfte, dass Senatorin Dianne Feinstein willkürlich die Zahl der Patronen in einem Magazin für das Pistolenmodell beschränkt habe. J. C. konnte man nichts erzählen. Ich stellte ihm Fragen zu verschiedenen hypothetischen Kampfsituationen: Wie verteidigt man sich gegen eine gewalttätige Bande, die versucht, die Farm zu stürmen? »Man verteidigt sich überhaupt nicht«, antwortete er. »Beim Prepping geht es darum, mit heiler Haut davonzukommen.«
Natürlich lagen die Dinge etwas anders, wenn man eine Anlage besaß wie die, die J. C. baute. »Deine Familie kannst du nur in einer Gruppe schützen«, erklärte er. Genau darum geht es in seinem Projekt: Es soll ein Team gebildet werden, das in der Lage ist, ein Jahr oder länger an einem Ort auszuharren und sich gegen den Ansturm von Menschen zu verteidigen, die unvorbereitet von einer Katastrophe getroffen worden sind. »Das Sondereinsatzkommando einer städtischen Polizeieinheit hat uns besucht. Sie haben uns versichert, dass sie beim ersten Anzeichen von Gefahr hier sein werden.« J. C. hofft auch, junge Landwirte in den Methoden der nachhaltigen Landwirtschaft zu schulen und für jeden Standort wenigstens einen Arzt und einen Zahnarzt anzuwerben.
Wir mussten die Schießübung beenden, weil eine junge Springreiterin mit ihrem Training beginnen wollte. Auf dem Rückweg zum Hauptgebäude erklärte mir J. C. die »mehrschichtigen Sicherheitsmaßnahmen«, die er bei der Errichtung von Botschaftsanlagen angewandt hatte: ein Zaun um das gesamte Gelände, »Zutritt verboten«-Schilder, Wachhunde, Überwachungskameras … all diese Abschreckungs29maßnahmen sollten eine gewaltsame Auseinandersetzung verhindern. Sein Blick wanderte nachdenklich über die Zufahrt. »Um ehrlich zu sein, bewaffnete Banden machen mir weniger Sorge als eine Frau mit einem Baby auf dem Arm, die an der Einfahrt steht und um etwas zu essen bittet.« Er seufzte. »Ich möchte nicht in dieses moralische Dilemma geraten.«
Deshalb will J. C. nicht einfach ein paar isolierte, militärisch gesicherte Rückzugsorte für Millionäre schaffen, sondern Prototypen für nachhaltige Farmen entwickeln, die von anderen kopiert werden können, um die regionale Lebensmittelsicherheit in den Vereinigten Staaten wiederherzustellen. Das von den Agrokonzernen bevorzugte System der »Just-in-time«-Lieferung macht einen Großteil des Landes anfällig für kleinere Krisen wie Stromausfälle oder Verkehrsunterbrechungen. Die Zentralisierung der industriellen Landwirtschaft hat dazu geführt, dass die meisten Farmen von denselben langen Lieferketten abhängen wie die Konsumenten in den Städten. »In den meisten Legebatterien können nicht einmal Hühner gezüchtet werden«, erklärte mir J. C., als er mir die Hühnerställe auf seiner Farm zeigte. »Sie müssen die Küken kaufen. Ich habe Hähne.«
J. C. ist kein idealistischer Umweltschützer. Wenn er von Hillary Clinton spricht, bezeichnet er sie als »sie«, und er veröffentlicht im Internet Texte über die Machenschaften des »tiefen Staates« und die kommenden Ölkriege.2 Aber sein Geschäftsmodell beruht auf demselben Gemeinschaftsgeist, den ich den Milliardären nahezubringen versuchte: Um zu verhindern, dass die hungrigen Massen die Tore durchbrechen, sorgt man am besten im Jetzt für Ernährungssicherheit für alle. So erhalten die Investoren von...
Erscheint lt. Verlag | 23.2.2025 |
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Übersetzer | Stephan Gebauer |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | aktuelles Buch • Apokalypse • Bücher Neuerscheinung • Donald Trump • Dystopie • edition suhrkamp Sonderdruck • Eliten • Elon Musk • ES Sonderdruck • ESSonderdruck • Joe Rogan • Kapitalismus • Krise • Marc Andreessen • Mark Zuckerberg • Milliardäre • Neoliberalismus • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Oligarchie • Peter Thiel • Silicon Valley • Survival of the Richest: Escape Fantasies of the Tech Billionaires deutsch • Tech-Bros • Tech Elite • Welt |
ISBN-10 | 3-518-78278-9 / 3518782789 |
ISBN-13 | 978-3-518-78278-1 / 9783518782781 |
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