Lucky Loser (eBook)
560 Seiten
Gutkind Verlag
978-3-98941-047-3 (ISBN)
Susanne Craig ist Journalistin bei der New York Times. Seit 2016 konzentriert sich ihre Bereichterstattung auf die persönlichen Finanzen von Donald J. Trump. Für ihre investigativen Recherchen über Trumps Erbe, seine Misserfolge und geheimen Steuererklärungen wurde sie mit dem Pulitzer-Preis und dem George-Polk-Preis ausgezeichnet. Craig kam 2010 zur Times und berichtete über die Wall Street, zuvor war sie u. a. Reporterin beim Wall Street Journal.
Einleitung
In der Woche vor den Präsidentschaftswahlen 2016 nahm Donald J. Trump eine Auszeit vom Wahlkampf, um an der feierlichen Eröffnung seines neuen Hotels teilzunehmen, das nur wenige Blocks vom Weißen Haus entfernt liegt. Donald, seine Frau Melania und seine vier erwachsenen Kinder posierten für die Fotografen im neuen Ballsaal, während sie mit großen Scheren ein langes rotes Band mit der Aufschrift »Trump« durchschnitten.
Don Jr., Ivanka und Eric, alle in den Dreißigern, hatten bereits Erfahrung im Durchschneiden von Bändern. Sie waren früh in die Firma ihres Vaters eingestiegen, als dieser mit The Apprentice zum Star wurde und mit seinem neuen Ruhm die Vergabe von Lizenzen zur Nutzung seines Namens zum Kerngeschäft des Unternehmens machte. Jahrelang reisten sie um die Welt und posierten mit Schaufel oder Schere neben Bauunternehmern, die für die Nutzung des Namens Trump zahlten. Die Trumps nannten diese Gebäude ihre »Jobs«. Die Hauptlast der Arbeit – die Entscheidungen zu treffen, die Bauarbeiten zu überwachen und das gesamte finanzielle Risiko zu tragen – überließen sie jedoch anderen Unternehmen.
Doch der Tag vor den Präsidentschaftswahlen war eine Rückkehr zu den Zeiten, als der Name Trump auf einem Gebäude noch bedeutete, dass es tatsächlich von Donald Trump gebaut worden war. Im Jahr 2012 hatten die Trumps den Zuschlag für die Anmietung und Renovierung des Old Post Office Pavillon erhalten, eines verschnörkelten historischen Gebäudes im neoromanischen Stil, dessen Uhrenturm die Skyline der Stadt prägt. Sie hatten sich verpflichtet, mindestens 200 Millionen Dollar zu investieren und eine jährliche Grundmiete von zunächst drei Millionen Dollar zu zahlen. Trumps Angebot war so hoch, dass es dem Beamten, der das Auswahlverfahren überwachte, buchstäblich die Sprache verschlug. Andere Bieter, meist große Hotelketten, protestierten, dass nur ein Narr glauben könne, damit jemals in die Gewinnzone zu kommen.1
Trump selbst räumte damals ein, er habe »zu viel für das Old Post Office bezahlt«.2 Nun aber stand er als republikanischer Präsidentschaftskandidat in seinem neuen Ballsaal und erklärte, die Arbeit seiner Familie an diesem Hotel sei nur das jüngste Beispiel dafür, dass er zum Präsidenten gewählt werden sollte.
»Der heutige Tag zeigt, was wir für dieses Land erreichen können«, sagte Trump während der Zeremonie. »Ich hatte großes Glück und ein großartiges Leben«, fügte er hinzu. »Jetzt möchte ich dem Land, das ich so sehr liebe und das so gut zu mir war, etwas zurückgeben.«3
Die Wahrheit ist, dass Trump so viel Geld in das Projekt gesteckt hat, dass der Hotelbetrieb niemals Gewinne abwerfen würde. Im Gegenteil: Trump musste Jahr für Jahr Millionen auf die Hotelkonten überweisen, um die Verluste auszugleichen. Das war zu diesem Zeitpunkt ein charakteristisches Merkmal seiner Karriere als Immobilienunternehmer, von dem die Öffentlichkeit allerdings nichts ahnte. Am Ende würde er zum Verkauf gezwungen sein, der vermeintliche Geldsegen blieb aus.
Seine Kandidatur begründete Trump im Wahlkampf stets mit seinem triumphalen Aufstieg aus bescheidenen Verhältnissen. Gewöhnlich erwähnte er seinen Vater Fred C. Trump dabei, der im 20. Jahrhundert Zehntausende von profitablen Häusern und Wohnungen gebaut hatte, aber er stellte ihn immer als eine viel kleinere Persönlichkeit dar, als er selbst es war. Während Trumps erster Debatte mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton fügte diese in ihre Antwort auf eine Frage zur Wirtschaftspolitik leicht spöttisch die Bemerkung ein, Trump sei der Sprössling reicher Eltern.
»Donald hatte viel Glück im Leben, und das kommt ihm zugute«, sagte Clinton.
Auch andere Sticheleien Clintons ließ er nicht gerne auf sich sitzen, etwa die, dass er es keineswegs nur seiner Genialität zu verdanken habe, dass er so reich geworden sei, dass Golfplätze, Apartmenthäuser, Casinos, Hotels und Herrenhemden seinen Namen trügen.
»Mein Vater hat mir 1975 einen sehr kleinen Kredit gegeben, und ich habe damit ein Unternehmen aufgebaut, das viele, viele Milliarden Dollar wert ist und einige der größten Vermögenswerte der Welt besitzt«, sagte Trump. »Und ich sage das, weil das genau die Denkweise ist, die unser Land braucht.«
Trump hatte noch nie für ein öffentliches Amt kandidiert, auch wenn er schon mehrmals – 1988, 2000, 2003 und 2013 – öffentlich mit dem Gedanken gespielt und seine Chancen getestet hatte. Der Wahlkampf 2016 begann wie ein weiteres seiner verrückten Spiele, vielleicht zunächst nur, um Aufmerksamkeit zu erregen, die er dann zu Geld machen konnte.
Doch Trump wurde erst so spät Spitzenkandidat, dass er keine Zeit mehr hatte, sein eng verflochtenes Familienunternehmen zu durchleuchten. Die Chefs börsennotierter Unternehmen müssen sich alle 120 Tage einer gnadenlosen Bewertung unterziehen, nur Trump bewertete sich einfach selbst.
Wir machten uns auf die Suche nach der Wahrheit. Zuerst sammelten wir eine Menge öffentlich zugänglicher Dokumente wie Grundbucheinträge, Hypotheken, Gerichtsdokumente und Aussagen im Kongress, die sich auf seinen Vater Fred und dessen unternehmerische Karriere bezogen. Wir analysierten die Details der finanziellen Angaben, die seine Schwester als Bundesrichterin machen musste. Wir machten Personen ausfindig, die mit Fred Trump und Donald Trump zusammengearbeitet hatten.
Vor allem ein Gerichtsverfahren schien vielversprechend. Nach dem Tod von Donalds Bruder Fred hatten dessen erwachsene Kinder, Mary Trump und Fred Trump III, ihre Onkel und Tanten beschuldigt, sie zu Unrecht von Freds Erbe ausgeschlossen zu haben. Im Laufe des Rechtsstreits waren einige von Freds Finanzunterlagen an seine Kinder, Donalds Nichte und Neffen, übergeben worden.
Im Laufe unserer Recherchen konnten wir viele weitere Informanten über das Trump-Universum ausfindig machen, darunter viele, die wir nicht namentlich erwähnen können. Es gab viele geheime Treffen an abgelegenen Orten und Chats über Wegwerfhandys. Bei manchen dieser Treffen übergaben uns einige Quellen Dokumente über Donald Trumps persönliche und geschäftliche Steuererklärungen, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckten. Diese Dokumente und zahlreiche Interviews führten zu mehreren langen investigativen Artikeln in der Times.
Zeitungsartikel sind selten in der Lage, ein Leben, eine Familiengeschichte oder eine Karriere in der Breite darzustellen, und schon gar nicht ein so einzigartiges und folgenreiches Leben wie das von Donald Trump. Deshalb haben wir dieses Buch geschrieben. Drei Jahre haben wir daran gearbeitet. Aufbauend auf unserer bestehenden Recherche haben wir Hunderte neuer Interviews geführt und zusätzliche Dokumente beschafft, darunter vertrauliche Korrespondenz, interne Geschäftsunterlagen aus der TV-Realityshow The Apprentice und unveröffentlichte Memoiren.
Das Ergebnis bietet beispiellose Einblicke in den zentralen Faktor von Trumps Identität: sein Geld. Während wir den wahren Quellen seines Reichtums nachspürten und aufdeckten, wie er so viel davon verlieren konnte, kamen immer neue Details und noch wichtigere Erkenntnisse ans Licht. Zum ersten Mal ist es möglich, anhand von Finanzberichten und Vermögensdokumenten Klarheit in das von Donald Trump angerichtete Chaos von Unwahrheiten und Täuschungsmanövern zu bringen.
Aus unserer Arbeit kristallisiert sich ein wahrhaft amerikanisches Epos heraus, das sich vor dem Hintergrund weitreichender wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen abspielt, von denen Donald Trump vielleicht mehr als jeder andere profitiert hat.
Das Familienvermögen, das Fred Trump aus der Taufe hob, hatte seine Wurzeln in staatlichen Programmen zur Linderung der durch die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg verursachten sozialen Not und zur Unterstützung der aus dem Krieg heimkehrenden Veteranen. Donalds Vater erschlich sich aus diesen Programmen Millionen von Dollar, indem er bestehende Regeln unterlief. Als er erwischt wurde, machte er sich Sorgen um seinen Ruf. Er fürchtete, dass sein Ruf als ehrenwerter Geschäftsmann Schaden nehmen würde, wenn bekannt würde, wie er Millionen von Dollar ergaunert hatte.
Fred sieht in der öffentlichen Wahrnehmung seines Reichtums eine Gefahr für seinen Ruf als ehrenhafter Mann. Donald hingegen stellt seinen Reichtum als etwas dar, das seinen Ruf und sein Ansehen stützt und fördert.
Fred zieht es vor, seine Projekte erst dann anzukündigen, wenn alles unter Dach und Fach ist – Grundstückskauf, Finanzierung, Baugenehmigung – und er praktisch schon so weit ist, dass er mit dem Verkauf der Wohnungen oder Häuser beginnen kann. Donald dagegen verkündete seine Träume und Fantasien als Gewissheiten, bevor er überhaupt etwas geregelt hatte. Öffentliche Aufmerksamkeit um der öffentlichen Aufmerksamkeit willen.
Zwar wurde aus Donald Trumps Ankündigungen später allzu oft nichts. Aber dann hatte er längst seine Schlagzeilen, sonnte sich im Glanz der kostenlosen Publicity und vermittelte gleichzeitig den Eindruck, überall präsent zu sein.
Noch größere Unterschiede zwischen Vater und Sohn gab es in der konkreten Geschäftspraxis. Fred kalkulierte Ausgaben und Einnahmen seiner Projekte im Voraus auf den Dollar genau. Er hat sich nie geirrt. Im Gegensatz dazu entschied Donald sehr früh, dass jedes Projekt, das seinen Namen trug, genügend Einnahmen generieren würde, um die Ausgaben in jeder Höhe zu decken. Er irrte sich oft. Einige Fehler des Sohnes haben...
Erscheint lt. Verlag | 26.9.2024 |
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Übersetzer | Karlheinz Dürr, Lachmann Frank, Karin Schuler, Thomas Stauder |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
ISBN-10 | 3-98941-047-4 / 3989410474 |
ISBN-13 | 978-3-98941-047-3 / 9783989410473 |
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