Nimm deine Karriere in die Hand (eBook)
270 Seiten
Remote Verlag
978-1-960004-65-9 (ISBN)
Dr. Sung Han, Dr. Sabrina Han und Carena Scheunemann möchten gemeinsam mit 25 anderen Autoren des Alumni e. V. der Stiftung der Deutschen Wirtschaft junge Menschen dafür begeistern, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Sie sind gern von Menschen umgeben, denen unternehmerische Werte wie Eigeninitiative, Kreativität und Risikobereitschaft wichtig sind.
Dr. Sung Han, Dr. Sabrina Han und Carena Scheunemann möchten gemeinsam mit 25 anderen Autoren des Alumni e. V. der Stiftung der Deutschen Wirtschaft junge Menschen dafür begeistern, ihr Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen. Sie sind gern von Menschen umgeben, denen unternehmerische Werte wie Eigeninitiative, Kreativität und Risikobereitschaft wichtig sind.
Irina ist Kulturwissenschaftlerin mit einer Leidenschaft für Naturerfahrungen und Reflexionen über die Herausforderungen dieser Welt.
2. MUT ZUR IDENTITÄT
Irina Vogelsang
DAS MIGRANTENKIND IN MIR
Heute musste ich wieder über meine Identität nachdenken. Beim Joggen hörte ich den Aussiedler-Podcast »Steppenkinder«. Er berührte meine nach Zugehörigkeit suchende Seele. All diese Biografien, die meiner so stark gleichen und doch so anders sind! Dabei hatte ich für einige Zeit mit meiner wirren Identität Frieden geschlossen. Ich hatte eine vorläufige Ordnung in mir gefunden, zumindest eine alltagstaugliche. Plötzlich war dieses Gefühl wieder da: ein Verlorensein in einer diffusen Trauer.
Nie werde ich nach meinen Heimaten gefragt, immer nur nach der einen Heimat. Ich antworte dann meistens: »Meine Heimat ist meine Großmutter.« Nicht umsonst heißt es, das Erzählen und das Erinnern würden dazu beitragen, dass Menschen ihre eigene Lebensgeschichte verstehen und Sinn daraus schöpfen. Sie können dadurch ihr Selbstkonzept — also wie sie sich selbst sehen — verstehen und formen. Meine Großmutter erzählt von ihrem langen Kampf um Anerkennung als Deutschstämmige in der ehemaligen Sowjetunion. Ihre Vorfahren wanderten von Deutschland in das zaristische Russland aus. Auf Familienfeiern erzählen Omas Lieder in den Sprachen Deutsch, Ukrainisch und Russisch von unerfüllter Liebe, Armut, Verschleppungen, Kinderarbeit und Deportation aus der ukrainischen Donezk-Region nach Kasachstan unmittelbar nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Irgendwann – als es für sie als Deutsche erlaubt war – migrierte sie mit ihrer Familie weiter nach Tadschikistan, wo schließlich ich auf die Welt kam. Aufgrund solcher »Leidensgeschichten« ließ Deutschland die Russlanddeutschen zurückkehren. Sie durften nach dem Mauerfall in ihre »historische Heimat« einreisen und dort ein neues Leben aufbauen. So auch ich als »Mitgebrachte« – mit einem mehrjährigen Umweg über Russland. Ich lebe also heute ihretwegen in Europa. Sie ist meine Heimat, ihre Geschichten nähren meine Identität. Und weil diese personifizierte Heimat sich dem Lebensende naht, holt mich die Angst ein, die vertrauten Geschichten und die dadurch entstandene sichere Welt in mir könnten verschwinden. Heimatverlust droht.
LEBEN ZWISCHEN DEN KULTUREN
Viele Menschen haben eine Migrationsgeschichte, sind zwischen mehreren Kulturen aufgewachsen. Vielleicht musstest auch du mehrfach im Leben geliebte Menschen, Bräuche, Düfte oder Landschaften verlassen. Dieses Gefühl der Nichtzugehörigkeit kann als Bereicherung und als Ballast empfunden werden. Intuitiv wissen wir, dass jede gemachte Lebenserfahrung uns nie verlässt. Es bleibt also nur ein Weg: daran zu wachsen. Die Geschichte meiner Großmutter ist eine sehr schmerzhafte und das ständige Zusammensetzen von Gegensätzen kostet manchmal sehr viel Kraft. Ich muss mir also dringend die Frage beantworten, warum es sich trotzdem lohnt, ständig auf der Suche nach Zugehörigkeit zu bleiben.
»IDENTITÄT« – WAS IST DAS?
Vereinfacht gesagt gilt Identität in der Psychologie als die wahrgenommene innere Einheitlichkeit einer Person.4 Es sind also die Antworten auf Fragen wie: »Wer bin ich?«, »Wie passe ich in die Gesellschaft?« und »Wer will ich sein?«. Grundsätzlich sind Identitätskrisen, begriffen als zeitlich begrenzte unsichere Selbstbilder, ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Entwicklung, gerade im Jugendalter. Das betont beispielsweise der in der Identitätsforschung bedeutende Psychoanalytiker Erik Erikson5. Die Bewältigung dieser Krisen sorgt im besten Fall für inneres Wachstum und führt zu einem gesunden Selbstkonzept.
Es scheint jedoch, dass das Bedürfnis, einen Platz in dieser Welt zu finden, zu einem weitverbreiteten Phänomen geworden ist. Diese Suche beschäftigt nicht nur Jugendliche oder Menschen mit Migrationserfahrungen, sondern betrifft eine Vielzahl von Menschen. Der Soziologe Ulrich Beck6,7 beschreibt diese Entwicklung eindrücklich. Er erforscht sie als Teil eines «Pluralisierungsphänomens», also eines Phänomens der Vielfalt in einer zunehmend globalisierten Welt, in der Prozesse der Individualisierung zunehmen. Diese Dynamik ist zentral für die Zeitdiagnose. Durch den Anstieg individueller Freiheiten und die Erosion traditioneller Bindungen entsteht eine größere Unsicherheit. Menschen können ihr Leben nicht mehr wie selbstverständlich auf traditionellen Wertesystemen aufbauen und sind zunehmend gezwungen, selbst Entscheidungen zu treffen. Diese zunehmende Freiheit bringt jedoch auch die Verpflichtung mit sich, die eigene Identität aktiv zu konstruieren, oft losgelöst von familiären und kulturellen Wertesystemen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass heute Fragen der Identität in den Medien, in der Politik, in der Wirtschaft, in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sowie im individuellen Leben der Menschen weltweit eine enorme Präsenz haben.
DEINE IDENTITÄT – DEINE PATCHWORK-DECKE
Es gibt eine Vielzahl von Identitäts-Konzepten, die sich teilweise widersprechen oder ergänzen. Einige betonen die positiven Aspekte der oben beschriebenen Diversifizierung und Dezentrierung des Subjekts, die Vielfalt und Loslösung von einem festen Zentrum der Person. Andere weisen auf deren potenziell zerstörende Komponenten wie »Identitätsstress« hin. Ich habe mich hier für eine mutmachende Idee zur Identität entschieden, formuliert von dem Sozialpsychologen Heiner Keupp8.
Stell dir deine Identität als eine Patchwork-Decke vor. Sie besteht aus verschiedenen kulturellen, sozialen, ethnischen und persönlichen Elementen. Deine Identitätsdecke ist also weder statisch noch vorbestimmt. Sie ist ein mehrdimensionales, fragmentiertes und lebendiges Kunstwerk, das sich im Laufe des Lebens weiterentwickelt und verändert.
So wie ein Schneidermeister sorgfältig und mit Liebe zum Detail seine Decke näht, fügst auch du neue Erfahrungen und Zugehörigkeiten zu deinem Selbstbild hinzu. Es geht darum, widersprüchliche Teile in das Ganze zu integrieren und als Teil davon anzunehmen. Das dynamische Zusammenspiel der Identitätsflicken ergibt ein einzigartiges und facettenreiches Identitätsmuster. Neue Heimaten sind wie frische Stoffstücke, die deine Patchwork-Decke ergänzen und dein Selbstbild mitformen. Heimat kann sowohl physische als auch emotionale, soziale, kulturelle, spirituelle und sogar virtuelle Dimensionen umfassen. Es muss also nicht nur ein geografischer Ort sein. Vielmehr ist sie ein Geflecht aus dir wichtigen Beziehungen, Erinnerungen, Gefühlen und kulturellen Verbindungen, die alle zusammen das Gefühl von Heimat ausmachen. Dieses Gefühl kann sich im Laufe des Lebens mit deiner Identitätsdecke wandeln. Diese Decke ist kein isoliertes Phänomen, sondern in Kontexte eingebunden. Deine Innenwelt und deine Außenwelt befinden sich in einer permanenten Passungsarbeit.9
So wie ein Schneider darauf achtet, dass die Stoffstücke harmonisch zusammenpassen, sorgst du dafür, dass die verschiedenen Aspekte deiner Identität gut integriert sind und ein stimmiges Ganzes ergeben. Sind die einzelnen Flicken der Identitätsdecke passend und gut miteinander verbunden, ist es möglich, das nächste Stück hinzuzufügen. Das macht dich handlungsfähig. Die Suche nach einer kohärenten Lebensgeschichte, die auch die verschiedenen Aspekte deiner Heimat umfasst, ist grundlegend für die menschliche Natur und spielt eine wichtige Rolle bei der psychologischen Entwicklung und dem Wohlbefinden.10 Die Stimmigkeit oder Sinnhaftigkeit wird allerdings individuell sehr unterschiedlich empfunden. Die eine Person nimmt sich als ein klassisch gewebtes Patchwork-Kunstwerk an. Die andere ist als »Crazy Quilt«, also eine völlig wirre, vielfältige und kleinteilige Patchwork-Decke glücklich. Und zwischen beiden gibt es eine gigantische Spannbreite.
IDENTITÄTSARBEIT: TRAU DICH, WURZELN UND FLÜGEL ZU HABEN
Die Identitätskonstruktion liegt nicht immer in der Hand der einzelnen Individuen. Gesellschaftliche Aspekte wie Machtverhältnisse und Ressourcenverteilung spielen eine bedeutende Rolle. Sie nehmen uns manchmal gar den Mut zur Verantwortung für uns selbst. Gerade deshalb wirkt das Konzept der Patchwork-Identität sehr motivierend. Es zeigt, dass wir unsere Identität flexibel anpassen können. Du kannst mitbestimmen, welche deiner Identitätsmerkmale du betonen und an welchen du weiterarbeiten möchtest. Du kannst situativ bestimmte Identitätsmerkmale als Strategie nutzen. Zudem bist du fähig, eine unglaubliche Vielfalt in dir zu vereinen, ohne daran zu zerbrechen.
Dafür musst du die Muster, Farben und Materialien deiner Identitätsdecke kennen, mit ihnen einverstanden sein und eine ihnen entsprechende Rolle in der Welt finden. Deine Identität wird zu deinem Motor, wenn du den Mut aufbringst, aktiv an deiner Identitätsdecke zu weben, sie zu formen und zu pflegen. So, wie es verschiedene Identitätsmuster gibt, gibt es auch unterschiedliche »Webtechniken« der Identitätskonstruktion. Jeder Mensch arbeitet auf seine Weise und zumeist unbewusst an sich selbst. Meine persönlich erprobten Wege der Identitäts- bzw. Biografiearbeit will ich hier für dich kurz zusammenfassen. Vielleicht helfen sie dir, dich bewusst auf deine Identitätsdecke einzulassen und das schöpferische Potenzial bei ihrem Entwurf und der Umsetzung zu entdecken.
PRAKTISCHE WEGE DER IDENTITÄTSARBEIT
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Erscheint lt. Verlag | 30.9.2024 |
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Verlagsort | Tallinn |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Pädagogik | |
Schlagworte | Arbeit • Erfolg • Job • Karriere • Motivation • Mut • Selbstvertrauen • Ziele • Zukunft |
ISBN-10 | 1-960004-65-4 / 1960004654 |
ISBN-13 | 978-1-960004-65-9 / 9781960004659 |
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Größe: 19,7 MB
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