Gutes tun (eBook)

Wie der ethische Kapitalismus die Demokratie retten kann | Über einen neuen Gesellschaftsvertrag jenseits von Profitgier
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2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3512-4 (ISBN)

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Gutes tun -  Markus Gabriel
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Wir können die Demokratie retten - wenn wir unsere Wirtschaft fundamental umstellen Lange war die herrschende Doktrin, ein auf reinem Gewinnstreben basierendes Wirtschaftssystem bringe die Menschheit stetig voran. Davon kann keine Rede mehr sein - vielmehr wissen wir längst, dass diese Form des Kapitalismus verantwortlich ist für soziale Ungleichheit, Klimakrise, Massenmigration, ja selbst für Kriege. Markus Gabriel macht deutlich, dass wir dem Schaffen des Guten einen neuen Wert verleihen müssen - in der Gesellschaft allgemein und in der Wirtschaft im Besonderen. Nur ein ethischer Kapitalismus, der finanziellen Profit grundsätzlich mit moralisch positiven Werten verknüpft, wird unsere Erde, unseren Wohlstand und auch unsere demokratischen Staatsformen sichern können. Wir haben eine Zukunft: mit einer Welt, in der die Schaffung von Gütern stets mit moralisch guten Ergebnissen einhergeht und in der wir nicht nur politischen Institutionen, sondern auch Wirtschaftsführern und technologischen Visionären vertrauen können, dass ihr grundlegendes Ziel darin besteht, die Dinge für alle zum Besseren zu verändern. 

Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Er ist Direktor des interdisziplinären Center for Science and Thought und regelmäßiger Gastprofessor an der Sorbonne (Paris 1) sowie der New School for Social Research in New York City.  

Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Er ist Direktor des interdisziplinären Center for Science and Thought und regelmäßiger Gastprofessor an der Sorbonne (Paris 1) sowie der New School for Social Research in New York City.  

Wir leben in einer Zeit beispielloser Krisen. Kaum ist die Covid-Pandemie überstanden, werden in etlichen Teilen der Welt neue Kriege entfacht. Dementsprechend setzen heute viele Staaten auf massive Militarisierung, was weitere Konflikte nach sich ziehen wird. Ein friedliches globales Miteinander scheint zunehmend unmöglich. Zugleich wächst sowohl auf nationaler Ebene als auch weltweit die wirtschaftliche Ungleichheit. Die Klimakrise schlägt sich in Extremwetterlagen und in einem rapiden Schwund intakter Ökosysteme nieder. All diese Faktoren führen zu massenhaften Migrationsbewegungen, und diese wiederum lösen politische Unruhen aus. Zugleich sind, dank wissenschaftlicher Durchbrüche, digitale Technologien in unseren Gesellschaften auf dem Vormarsch, allen voran die künstliche Intelligenz (KI). Sie schaffen keineswegs nur Wohlstand und neue Berufsfelder, nein, mit der Automatisierung gehen auch viele Arbeitsplätze verloren, und die immer höhere digitale Beschleunigung unseres Soziallebens durch Social Media trägt zur Verbreitung von Fake News, Propaganda, Meinungsschlachten und letztlich zur brandgefährlichen Polarisierung unserer Gesellschaft bei. Das Tempo des Wandels ist so hoch geworden, dass Medien, Politik und Zivilgesellschaft nicht mehr Schritt halten können mit den Veränderungen, die die Gesellschaft als ganze betreffen. Es fühlt sich an, als seien wir Schlafwandler auf dem Weg in eine globale Umwälzung, die in mancherlei Hinsicht – man denke nur an die Klimakrise oder die geopolitischen Spannungen – katastrophal enden kann.

Da sich zurzeit viele Krisen unkontrollierbar verschlimmern, steht das Zivilisationsmodell der Moderne unter heftigem Druck. Diesem Modell liegt, knapp gesagt, die Vorstellung zugrunde, wir alle könnten ein immer besseres Leben führen, wenn wir technisch-wissenschaftlichen und ökonomischen Fortschritt verbinden: Man kombiniere wachsenden Wohlstand für möglichst viele Menschen mit einer liberalen, demokratischen Gesellschaft, und Friede und Glück werden einkehren. Unsere Gegenwart zeigt, dass dieses Versprechen gescheitert ist. Die Kollateralschäden und Unzulänglichkeiten des Modells überwiegen inzwischen seine Vorzüge. Der Klimawandel ist ein solcher Kollateralschaden ebenso wie die globale soziale Ungleichheit, die nicht durch globale Institutionen ausgeglichen wird, weshalb immer noch viel zu viele Menschen in extremer Armut leben. Daher suchen heute viele denkende, visionäre und politische Köpfe geradezu händeringend nach radikal neuen Visionen für eine geteilte menschliche Zukunft. Bisher fehlt die entscheidende Zutat, die eigentlich auch zum Projekt der Moderne gehört: der humane Fortschritt, der durch ethisches Denken und Handeln auf allen Ebenen der Gesellschaft erreicht wird.

In diesem Buch werde ich argumentieren, dass wir einen neuen Gesellschaftsvertrag brauchen, um die Probleme unserer Zeit zu bewältigen. Um das Zeitalter der Krisen, in dem wir derzeit leben, zu überwinden, brauchen wir nichts weniger als eine Neue Aufklärung. Diese Neue Aufklärung geht von dem Ansatz aus, dass wir – und zwar dringend – den moralischen, menschlichen Fortschritt mit unseren sozioökonomischen Mitteln zur Produktion von Waren und Dienstleistungen und damit von Wohlstand und Wohlfahrt neu koppeln müssen.

Das Geschäft der Wirtschaft ist es, Gutes zu tun


Dafür ist keine Revolution nötig, kein Systemwechsel. Gerade in liberalen Demokratien würde ein Umsturz die Dinge nur verschlimmern. Was wir brauchen, sind radikale Innovationen, die von einer neuen Vision des Guten geleitet werden, und zwar in allen Bereichen der Gesellschaft. Diese neue Vision des Guten muss gleichermaßen realistisch und utopisch sein: Sie muss sowohl auf unserer gegenwärtigen Praxis basieren als auch auf eine bessere Zukunft ausgerichtet sein. Wir müssen also über den gegenwärtigen Horizont der Möglichkeiten, der düster und trostlos erscheint, hinausblicken, um eine neue Ordnung zu schaffen, ohne dabei das Bewahrenswerte, Erarbeitete und Erreichte zu zerstören. Diese neue Ordnung muss das Gute von heute bewahren und es im Lichte der Idee des Fortschritts reformieren. Fortschritt bedeutet in diesem Zusammenhang positive soziale Veränderung, und positive soziale Veränderung kann nur erreicht werden, wenn wir eine Vision des Guten teilen, die für uns alle verbindlich ist. Eine solche Vision existiert derzeit nicht. Darum müssen wir sie schaffen, indem wir gemeinsam vorwärts denken.

In modernen Gesellschaften spielt die Wirtschaft eine entscheidende Rolle für die Herstellung von gesellschaftlicher Stabilität und der Bedingungen für ein gutes Leben. In diesem Buch werde ich argumentieren, dass die Neue Aufklärung, dir wir benötigen, nicht nur in unseren Köpfen und Herzen beginnt, sondern auch in der Wirtschaft umzusetzen ist. In diesem Zusammenhang wird es zur Aufgabe von Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle und -praktiken auf die Idee zu gründen, dass langfristiger, nachhaltiger und damit wahrer wirtschaftlicher Erfolg davon abhängt, Gutes zu tun. Entgegen dem berühmten Slogan des Nobelpreisträgers Milton Friedman, dass »das Geschäft des Geschäfts das Geschäft« (»the business of business is business«) sei, ist es an der Zeit, die Richtung zu ändern: Das Geschäft der Wirtschaft ist es, Gutes zu tun und davon zu profitieren.

Die Begründung dafür ist recht simpel. Stellen Sie sich zwei Firmen mit etwa gleich hohem Umsatz vor – nennen wir sie Gut und Böse. Die Geschäfte der Firma Böse verursachen schwere Umweltschäden, ihre Gesellschafter und Führungskräfte beuten die Beschäftigten aus und schaffen eine toxische Arbeitsatmosphäre. Auf den ersten Blick sind diese Geschäfte gleichwohl wirtschaftlich sehr erfolgreich, sie werfen hohe Gewinne ab.

Die Firma Gut arbeitet nach herkömmlichen ökonomischen Begriffen, die Umweltzerstörung und die Ausbeutung von Mitarbeitern nur unangemessen in der Bilanz berücksichtigen, ebenso profitabel wie die Firma Böse. Doch dank ihres Geschäftsmodells und ihrer Betriebskultur hat sie gesunde, zufriedene Angestellte und trägt an den Orten, an denen sie aktiv ist, zur kulturellen und allgemeinen Vielfalt mit friedlich koexistierenden Lebensentwürfen bei. Überdies erzeugt sie umweltverträgliche Waren und Dienstleistungen und investiert einen bedeutenden Teil ihrer Gewinne in andere sozial ausgerichtete Unternehmen.

Ohne Wenn und Aber halten wir angesichts dieser Tatsachen sicher alle Gut für die bessere Firma als Böse, auch wenn beide gleich viel Profit abwerfen. Dieses schlichte Gedankenexperiment zeigt, dass wir Verhältnisse bevorzugen, in denen Gewinne erwirtschaftet werden, indem man gleichzeitig etwas Gutes tut und respektvoll miteinander umgeht. Ich werde im Folgenden immer wieder auf Kants Begriff des »höchsten Guts« zurückkommen, um dieses Argument auszuführen. Im Sinn des höchsten Guts ist es besser, wenn Menschen glücklich werden, weil sie es verdienen, als wenn Menschen glücklich werden, weil sie böse agieren. Hierbei handelt es sich um eine grundlegende menschliche Intuition, die über alle Zeiten hinweg und in allen Kulturen anzutreffen ist. Sie kann uns als Leitlinie dienen, um unsere Institutionen und Gesellschaften zu verbessern.

Colin Mayer, emeritierter Professor für Management an der Blavatnik School of Government und der Saïd Business School in Oxford, vertritt in seinem jüngsten Buch Capitalism and Crises die Ansicht, wir könnten den Kapitalismus auf der Basis eines solchen Prinzips (oder »Moralgesetzes«, wie er es nennt) reformieren. Der Kapitalismus versprach einst, dass Marktmechanismen uns helfen würden, Menschheitsprobleme zu lösen. Dementsprechend sollten wir im Licht unserer individuellen und kollektiven Moral, unserer ethischen Grundsätze beurteilen, ob der Kapitalismus funktioniert oder nicht.

Mein Buch ist von Mayers Argumentation inspiriert, und ich hatte in den vergangenen Jahren das Vergnügen, in einigen Projekten eng mit ihm zusammenzuarbeiten, um auf diese Weise Ökonomik und Philosophie ins Gespräch zu bringen. Mein Slogan Das Geschäft der Wirtschaft ist es, Gutes zu tun führt zum Vorschlag eines ethischen Kapitalismus. Dass es sich dabei nicht bloß um Wunschdenken handelt, lässt sich anhand ganz aktueller Beispiele verdeutlichen.

Der Fall der sozialen Netzwerke


Die Branche der sozialen Netzwerke scheint phänomenale Geschäftsmodelle vorzulegen. Facebook, Twitter (nun X), WhatsApp, Snapchat, TikTok und andere sind ökonomisch denkbar erfolgreich. Zugleich aber hat jedes dieser Netzwerke auf seine Weise zu einem massiven Demokratieabbau in der Welt beigetragen. Indirekt haben sie einige der jüngsten geopolitischen Konflikte mit verursacht, indem sie es ruchlosen staatlichen und privaten Akteuren ermöglichten, Verschwörungserzählungen und blanke Lügen zu verbreiten und Wahlen zu manipulieren. Dabei war ihr anfänglicher extremer ökonomischer Erfolg (maßgeblich der von Facebook) gerade ein Ergebnis ihrer ethischen Haltung: Sie versprachen, uns miteinander zu verbinden, uns mit Freundinnen und Freunden in weiter Ferne in Kontakt zu halten, Bilder und Informationen zu teilen...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte bessere • Ethik • Klimawandel • Moralphilosophie • Philosophie • Welt • Wirtschaft
ISBN-10 3-8437-3512-3 / 3843735123
ISBN-13 978-3-8437-3512-4 / 9783843735124
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