150 Jahre BRENNTAG (eBook)

Von Berlin in die Welt
eBook Download: EPUB
2024
256 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-33136-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

150 Jahre BRENNTAG - Christopher Kopper, Stephanie Tilly
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Die erste wissenschaftliche Aufarbeitung der Brenntag-Unternehmensgeschichte
'Von Berlin in die Welt' - Die ungewöhnliche Geschichte von Brenntag, der heutigen Nummer eins im globalen Handel mit Chemikalien und Inhaltsstoffen, startet im Jahr 1874. Vom jüdischen Unternehmer Philipp Mühsam als Eiergroßhandel gegründet, entstand in wechselvollen 150 Jahren ein Weltkonzern. Prägend waren dabei vor allem die Übernahme und Umbenennung der Firma durch die Unternehmerfamilie Stinnes in Nazideutschland. Grundlegend für die Entwicklung und Aufstellung von Brenntag waren zudem die Chemisierung der Welt und die Internationalisierung des Geschäfts.

Gestützt auf vielfältige Quellen beschreiben die Autoren den Weg eines binnenmarktorientierten Familienunternehmens zum börsennotierten 'Global Player'. Die Unternehmensstudie bietet einen Blick in die kaum erforschte Geschichte der Chemiedistribution und ist ein Streifzug durch verschiedene Phasen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Christopher Kopper ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bielefeld.

Er hat zahlreiche Bücher über die Geschichte von Banken und Versicherungen und zur Verkehrsgeschichte verfasst. Er schrieb auch eine Biografie über Hjalmar Schacht und eine Geschichte des BDI.

1.

Einleitung


„Vom Eierhändler zum Weltmarktführer in der Chemiedistribution“ – hinter dieser Kurzform der Brenntag-Historie steht ein markanter und wechselvoller Entwicklungsprozess. Aus einem familiengeführten Handelsunternehmen mit einem lokalen Absatzmarkt wuchs im Zeitverlauf der Weltkonzern Brenntag heran. Dieser Kontrast zwischen seinem heutigen globalen Status und den Anfängen im örtlichen Eierhandel erscheint sehr bemerkenswert. Wie wurde Brenntag zu dem, was es heute ist? Die Fähigkeit zur Veränderung ist eine grundlegende und unabdingbare Voraussetzung für den Fortbestand eines Unternehmens. „Erfolg im Wandel“ – dieses Motto hatte das Unternehmen selbst anlässlich eines früheren Jubiläums formuliert.

Blickt man auf die Eigentümerstrukturen von Brenntag, so stehen Beständigkeit und Transformation nebeneinander: In der Brenntag-Historie gab es eine fast 60 Jahre lange Epoche als familiengeführtes Unternehmen mit weitgehend konstanten Inhaberstrukturen, aber auch Phasen, in denen die Eigentümer in rascher Folge wechselten. Zudem gehörte Brenntag einige Jahrzehnte zum Firmenkonglomerat der Unternehmerfamilie Stinnes und ist sowohl mit der Geschichte der Hugo Stinnes OHG als auch mit der Geschichte der Stinnes AG eng verbunden.

Was waren die wichtigsten Etappen und Wendepunkte auf dem firmengeschichtlichen Pfad? Dies soll im Folgenden nachgezeichnet werden. Dabei betritt das Buch in verschiedener Hinsicht Neuland. Während es eine umfangreiche geschichtswissenschaftliche Forschung über die deutsche Chemieindustrie gibt, blieb die Geschichte des Handels mit Chemikalien bisher unerforscht.

Für Nichtspezialisten außerhalb der Branche ist die Verteilung von chemischen Erzeugnissen im Markt ein wenig sichtbarer Prozess. Auch dies spiegelt sich in der Brenntag-Geschichte wider. Die Ausdehnung und weltweite Präsenz des Unternehmens korrespondieren nicht notwendigerweise mit einer ausgeprägten Bekanntheit der Firma im breiten Publikum. Bis heute erscheint Brenntag trotz seiner Platzierung im Aktienindex DAX und seiner Position als Weltmarktführer in der Chemiedistribution noch immer als ein hidden champion. Dies mag etwas damit zu tun haben, dass die Chemiedistribution ein Business-to-Business-Geschäft ist und damit viel weniger im Fokus der Öffentlichkeit steht als die Produktion von Chemikalien. Gleichwohl stellt sie ein wesentliches Verbindungsstück zwischen der produzierenden Chemie und großen Teilen der Industrie insgesamt dar. Auch die Aufgabenteilung innerhalb der Chemiewirtschaft war im Zeitverlauf von Umbrüchen geprägt, die sich in der Brenntag-Geschichte niederschlagen. Das Wachstum der Chemiemärkte und die Ausdifferenzierung der Produktvielfalt in der chemischen Industrie stärkten auch die Rolle der Chemikalienhändler innerhalb der Chemiewirtschaft. Wie sah dabei der spezifische Weg von Brenntag aus? Vieles spricht dafür, dass Brenntag mehrmals einen grundlegenden Transformationsprozess vollzog, um sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Dabei konnte es historisch gewachsene Ressourcen nutzen, brach aber auch Brücken in die Vergangenheit ab und beschritt ganz neue Wege.

Ein Schnelldurchlauf durch die 150-jährige Brenntag-Historie veranschaulicht, dass sie verschiedene Dimensionen des wirtschaftlichen Wandels abbildet. Vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs manifestiert das Brenntag-Geschäft die beginnende Chemisierung der Welt. In den 1920er und 1930er Jahren spiegelt sich der Beginn der Motorisierung in den Investitionen und im Absatz, bevor die Politik des nationalsozialistischen Regimes die jüdischen Eigentümer zum Verkauf zwang. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug sich der als „Wirtschaftswunder“ bezeichnete Boom der 1950er und 1960er Jahre im starken Wachstum des Chemikalienhandels und des Mineralölgeschäfts nieder. Brenntag veränderte allmählich sein Produktportfolio und fasste dabei in neuen Märkten Fuß. Zudem war seine Entwicklung über sechs Jahrzehnte eng mit dem Namen Stinnes verknüpft. Damit scheinen in einigen Abschnitten der Brenntag-Historie auch Aspekte der wechselvollen Geschichte verschiedener Gesellschaften der Unternehmerfamilie Stinnes auf, da etwa die Hugo Stinnes OHG und die Hugo Stinnes AG (später: Stinnes AG) die Brenntag-Geschäfte in einigen Phasen entscheidend prägten. Über die Entwicklung der Stinnes-Unternehmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts findet sich in der wirtschaftshistorischen Forschungsliteratur jedoch erstaunlich wenig, sodass hier in einigen Kapiteln auch dieser Kontext miterzählt wird – sofern es die Quellenlage erlaubt.

Die Geschichte von Brenntag ist auch eine Geschichte der Globalisierung. Sie zeigt, wie ein zunächst lokales, dann regionales, dann deutschlandweit agierendes Distributions- und Logistikunternehmen durch Nutzung der sich modernisierenden Fortbewegungs- und Transportmittel immer mehr neue Märkte erschloss und durch Gründung von ausländischen Tochtergesellschaften und zahlreiche Unternehmenskäufe seinen Markt von Deutschland über Europa bis in die ganze Welt ausdehnte. Aus einem familiengeführten Mittelständler mit einfachen und direkten Entscheidungswegen entwickelte sich ein Unternehmen mit einer komplexen Organisationsstruktur und einem internationalen Management. Entscheidungsprozesse basierten in zunehmendem Maße auf betriebswirtschaftlichem, technischem und naturwissenschaftlichem Wissen und immer weniger auf Erfahrungswissen.

Die Geschichte von Brenntag birgt auch eine politische Dimension. Während der deutschen Teilung war es als führendes Chemiehandelsunternehmen prädestiniert, im Geschäftsverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR eine starke Rolle zu spielen. Seit den 1960er Jahren war es auch in andere, streng vertrauliche Geschäfte zwischen Bundes- und DDR-Regierung involviert, die einem humanitären Zweck dienten: dem Freikauf von politischen Häftlingen aus den Gefängnissen der DDR. Dafür nutzte man Netzwerke und Verfahrenswege, die sich bereits zuvor in kirchlich initiierten Warentransfers etabliert hatten. Denn bereits in den 1950er Jahren gehörte Brenntag zum Kreis von einigen wenigen Vertrauensfirmen, die das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Warenlieferungen beauftragte, deren Gegenwerte den evangelischen Landeskirchen in der DDR zuflossen.

Dieses Buch geht also einer Reihe von Fragen nach, muss aber auch einige Antworten schuldig bleiben. Für die Zeit bis 1945 sind die überlieferten Dokumente zum Teil nur spärlich. Während die Jahresabschlüsse lückenlos erhalten blieben, lassen sich wichtige Fragen zu strategischen Entscheidungen, zur operativen Geschäftspolitik und zur Organisation des Absatzes bloß ansatzweise und teilweise nur hypothetisch beantworten. Für die Zeit nach 1945 gilt dies in weiten Teilen ebenfalls, da Unterlagen aus dem Geschäftsgang von Brenntag weitgehend fehlen und die der Muttergesellschaft Ende der 1950er Jahre abbrechen. Zu Fragen, die die Innensicht im Zeitverlauf betreffen – beispielsweise das Personalwesen im wachsenden Unternehmen –, gibt es nur kursorische Hinweise.

Da bei Brenntag selbst nur wenige Akten überliefert sind, wurde seine Geschichte durch ein Dokumentenpuzzle aus Aktenbeständen in öffentlichen Archiven rekonstruiert. Als besonders hilfreich erwiesen sich die Bestände der Stinnes-Unternehmen im Archiv für Christlich-Demokratische Politik, die umfassende Einblicke in die Zeit von 1937 bis zum Ende der 1950er Jahre bieten. Das Bundesarchiv, das Archiv der Diakonie und das Stasi-Unterlagen-Archiv enthalten wichtige Akten zu speziellen Aspekten des Brenntag-Geschäfts. Wesentliche Informationen zur Geschäftsentwicklung wurden in verschiedensten Aktenbeständen zahlreicher anderer Archive und durch Recherchen in der zeitgenössischen Presse gesammelt. Als Beispiele seien das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, das Landesarchiv Berlin, das Archiv der Commerzbank AG, das Archiv der Deutschen Bahn AG, das Landeshauptarchiv Brandenburg, das Staatsarchiv Hamburg, das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv und die Archive verschiedener Unternehmen genannt. Zudem wurde die schriftliche Überlieferung durch Interviews mit einigen Zeitzeugen ergänzt.*

Auf welche Weise hat Brenntag die verschiedenen Herausforderungen in den 150 Jahren seines Bestehens bewältigt? In zwölf Kapiteln nimmt dieses Buch zentrale Phasen der unternehmenshistorischen Entwicklung in den Blick und zeichnet nach, wie Brenntag sein Geschäftsmodell formte und ein zunehmend globales Netzwerk aufbaute.

Im Zeitverlauf hat sich die Bezeichnung des Unternehmens mehrfach verändert. Phasenweise existierten die Brenntag AG und die Brenntag GmbH nebeneinander. Später bildete Brenntag einen Geschäftsbereich innerhalb der Stinnes AG, der wiederum verschiedene Brenntag-Teilgesellschaften umfasste. Die zeitgenössischen Bezeichnungen werden im Buch aufgegriffen, wenn eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Gleichwohl wird wie schon auf diesen Seiten auch im Folgenden häufig kurz von „Brenntag“ die Rede sein, sofern die Geschäfte des Unternehmens mit seinen verschiedenen Wurzeln oder Bereichen insgesamt gemeint sind. Dies gilt insbesondere für die Jahrzehnte nach 1965, da hier die wenigen Quellen – beispielsweise die Aufsichtsratsprotokolle – häufig nicht nach den einzelnen Gesellschaften differenzieren.

  1. *Für die Unterstützung bei unseren Forschungen möchten wir uns herzlich bedanken! Ohne die vielfältige Hilfe bei unseren Recherchen in den Archiven und anderen Forschungseinrichtungen, die Zeitzeugengespräche bei Brenntag und die versierten Vorstudien...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2024
Zusatzinfo mit über 50 Abbildungen, Grafiken und Tabellen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • 20. Jahrhundert • "Arisierung" • Automobilindustrie • Bauindustrie • Berlin • brenntag • Chemie • Chemikalien • deutsch-deutsche Geschichte • eBooks • Ende 19. Jahrhundert • Neuerscheinung • Nordrhein-Westfalen • Schmierstoffe • Tankstelle • Unternehmen im Nationalsozialismus • Unternehmensgeschichte • Weltmarktführer • Wirtschaft • Wirtschaftsgeschichte
ISBN-10 3-641-33136-6 / 3641331366
ISBN-13 978-3-641-33136-8 / 9783641331368
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