UND STATT ODER -  Hans Bürger

UND STATT ODER (eBook)

Ermunterung zu einer Debattenkultur in Grautönen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
144 Seiten
Braumüller Verlag
978-3-99100-393-9 (ISBN)
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Die Polarisierung in der Gesellschaft und auf Schwarz-Weiß-Denken reduzierte Debatten nehmen zu. Flüchtlingswellen, eine Pandemie, staatlich verordnete Corona-Maßnahmen, neue für undenkbar gehaltene Kriege - auch in Europa-, Teuerungswellen und neue Armut in manchen Bevölkerungsschichten, die heftige Diskussion über sexuelle Identitäten oder das ebenso intensive Aufeinanderprallen der Standpunkte beim Gendern, all das und noch viel mehr hat für diese Entwicklung gesorgt. Man fühlt Unbehaglichkeit, Debatten werden immer bedrohlicher geführt, heftige Anschuldigungen ersetzen den vernünftigen Austausch. Hinzu kommt, dass man für Andersdenkende immer weniger Tolerenz aufbringt. Dieser Essay soll eine Ermunterung sein, sich nach einem Jahrzehnt Unversöhnlichkeit eines kleinen Wörtchens mit größem, verbindendem Charakter zu besinnen, UND wäre so eine Möglichkeit. Statt des so ausweglosen Entweder-Oder.

Hans Bürger, geboren 1962 in Linz, absolvierte das Volkswirtschaftsstudium an der Johannes Kepler Universität in Linz. Erst Wirtschaftsjournalist, seit 1987 beim ORF. 1997 ORF-Korrespondent in Brüssel, seit 1998 Ressortleiter Innenpolitik & EU, stellvertretender Chefredakteur sowie innenpolitischer Hauptkommentator der österreichischen Hauptnachrichtensendung Zeit im Bild. Gastgeber der ORF-Pressestunde sowie fallweise Diskussionsleiter des Runden Tisches. Gemeinsam mit dem Ökonomen Kurt W. Rothschild verfasste er 2009 'Wie Wirtschaft die Welt bewegt'. Zuletzt erschienen: 'Der vergessene Mensch in der Wirtschaft' (2012) und 'Wir werden nie genug haben' (2016).

Hans Bürger, geboren 1962 in Linz, absolvierte das Volkswirtschaftsstudium an der Johannes Kepler Universität in Linz. Erst Wirtschaftsjournalist, seit 1987 beim ORF. 1997 ORF-Korrespondent in Brüssel, seit 1998 Ressortleiter Innenpolitik & EU, stellvertretender Chefredakteur sowie innenpolitischer Hauptkommentator der österreichischen Hauptnachrichtensendung Zeit im Bild. Gastgeber der ORF-Pressestunde sowie fallweise Diskussionsleiter des Runden Tisches. Gemeinsam mit dem Ökonomen Kurt W. Rothschild verfasste er 2009 "Wie Wirtschaft die Welt bewegt". Zuletzt erschienen: "Der vergessene Mensch in der Wirtschaft" (2012) und "Wir werden nie genug haben" (2016).

Ein Vorwort

oder von der morbiden Schönheit der
SPALTPILZE

UND!

Dieses kleine Wörtchen verbindet. Und lässt Raum. Es steht am „guten“ Ende des heute so viel diskutierten Schwarz-Weiß-Denkens, der Kompromisslosigkeit, des Entweder-oder. UND ist wie GRAU. Wie die „graue“ Mitte zwischen Schwarz und Weiß.

UND ist vielleicht auch zwischen links und rechts – geografisch zwischen Nord- und Südpol, also dort, wo sich das Sein ereignet. Und doch hat die Gesellschaft offenbar ihre Liebe zu den Polen entdeckt. In der Qualität ihrer Diskussionskultur.

Die Polarisierung schreitet voran, man fühlt Unbehaglichkeit, Debatten werden immer bedrohlicher geführt. Und das, was kaum für möglich gehalten worden war, in Wahlkämpfen wird gegen Vertreterinnen und Vertreter der Politik sogar Gewalt angewendet.

Doch was hat dazu geführt?

Auch die SPALTPILZE.

Dazu ein kurzer Ausflug in die Biologie: „(Spalt-)­Pilze beeindrucken mich immer wieder auf überraschend neue Weise. Im vorliegenden Fall sprießt aus dem Stamm eines gesundheitlich bereits angeschlagenen Baums ein ganzes Bündel eines Pilzes hervor, das wie ein üppiger Blumenstrauß wirkt und den Ernst der Situation zu konterkarieren scheint. Im näheren Umfeld hat bereits die Trockenheit der letzten Jahre gewütet und einen Kahlschlag bewirkt. Der stehen gebliebene Baum war wohl so etwas wie die Hoffnung eines Neuanfangs. Nun zeigt sich mit aller Zwiespältigkeit der wuchernden Schönheit, dass auch für diesen Baum – trotz des Schmucks – die Zukunft fragwürdig geworden ist1, schreibt der deutsche Physiker, emeritierte Hochschullehrer und Fachdidaktiker Hans-Joachim Schlichting unter dem Titel „Morbide Schönheit“. Und weiter: „Vieles Schöne findet im Verborgenen statt und zeigt, dass es gar nicht als etwas Schönes gedacht war. Erst dadurch, dass ein Mensch es zu Gesicht bekommt, wird es zum Schönen …2 oder „… in der Natur als Pilz, der sich durch Spaltung verbreitet und den Rest der Welt in Ruhe lässt“3.

Jene Spaltpilze, um die es in diesem Essay gehen soll, werden jedoch weder im Verborgenen zum Schönen noch lassen sie den Rest der Welt in Ruhe. So, wie wir Spaltpilze heute verstehen, schicken sie sich eher immer mehr dazu an, ganze Gesellschaften zu zerstören.

Gemeint sind die Spaltpilze der Gesellschaft, wobei sie zum Gedeihen eine Lücke, ein gutes Wachstumsumfeld und möglichst viel Dunkelheit brauchen (ganz wie ihre biologischen Urahnen). Spaltpilze sind also lange Zeit im Verborgenen, wenn sie dann plötzlich sichtbar werden, ist es meist zu spät. Denn irgendwann ist es ein Spaltpilz zu viel.

Gesellschaftliche Spaltpilze können Politikerinnen oder Politiker sein, Manager, Interessensvertreterinnen, Superreiche, Unverschämte, Eitle im weiten Netz der süchtigen Sensationsempfänger, Künstlerinnen und Künstler, Personen aus der Wissenschaft und der Forschung, auch Ländervertreter mit schönen Stimmen in auffallenden Kostümen bei einem Eurovision Song Contest, Spitzensportlerinnen oder, um zumindest einen Namen zu nennen, Menschen wie Donald Trump.

Diktatoren und Kriegsherren wollen wir beiseitelassen. Auch mit europäischen oder gar deutschen und österreichischen Funktionsträgern in Parteien wollen wir so verfahren, weil es in diesem Essay nicht um Politik gehen soll. Eher um Soziologisches, vielleicht sogar Philosophisches.

Letztlich hat jede und jeder das Zeug zum Spaltpilz, wenn es ihr/ihm nur gelingt, Aufmerksamkeit zu erregen, ins Licht zu geraten, die Scheinwerfer für befristete Zeit geliehen – von den schrillen Medien dieser Zeit. Aber eigentlich soll sich dieses Büchlein gar nicht um die Spaltpilze selbst drehen. Vielmehr wollen wir die Reaktionen auf Spaltpilze der Gesellschaft in den Fokus nehmen. Warum schaffen es bestimmte Personen oder ganze Parteien und Interessensvertretungen immer heftigere Reaktionen in immer größeren Bevölkerungsgruppen auszulösen? In sozialen und unsozialen Netzwerken, in den klassischen elektronischen Medien, bei Großveranstaltungen, nach wie vor bei Stammtischen und – gerade rund um die Coronamaßnahmen – in Freundeskreisen und sogar innerhalb von Familien.

Es sind Risse entstanden. Große und kleine. In nicht wenigen Fällen unkittbar.

Spaltpilze haben diese Risse ausgelöst und zu dem geführt, worum es in diesem Essay gehen wird: um das Schwarz-Weiß-Denken. Um das Entweder-oder.

Dieses Schwarz-Weiß-Denken nimmt mit steigender Anzahl an „Spaltpilzen“ in der Gesellschaft zu. Die breite Mitte der Grautöne wird kleiner. In folgender, selbstverständlich nur beispielhafter, grafischer Darstellung habe ich versucht, die Grundthese dieses Buches zu veranschaulichen.

In der oberen Grafik hält die „graue Mitte“ der Gesellschaft (Grauzone), in der eine mehr oder weniger ausgeprägte Debattenkultur noch möglich ist, 70 Prozent, die Ränder – eben Schwarz oder Weiß – jeweils 15 Prozent. Der Anteil von sogenannten „Schwarz-Weiß“-Denkern beträgt also 30 Prozent.

In der unteren Grafik hat sich die Stimmungslage gedreht. Mehrere Ereignisse mit „Spaltpilz“-Charakter haben dazu geführt, dass mehr Menschen nur noch in schwarzen oder weißen Mustern denken. Kompromisse lehnen sie ab, die Welt – zu einem speziellen Thema – ist nur noch so oder eben nicht so. Jetzt haben die Schwarz-Weiß-­Denker die Mehrheit. 60 Prozent der Gesellschaft sind nicht mehr bereit, mit den Andersdenkenden zu kommunizieren, deren Argumente für sie uninteressant. Der jeweils eigene Standpunkt ist klar, eindeutig und unveränderbar. Dummes Gerede oder gar harte Kritik der anderen Seite am eigenen Standpunkt verhärtet diesen nur noch.

Die „graue Mitte“ der Gesellschaft, in der mithilfe der Vernunft Standpunkte zwar aneinanderprallen, aber zumindest diskutiert werden, schrumpft auf 40 Prozent und stellt gegenüber den Schwarz-Weiß-Denkenden nun die Minderheit.

Das sind vorerst frei erfundene Größen und Zahlen, sie sollen lediglich eine vorherrschende Tendenz veranschaulichen. Empirische Daten dazu finden sich in Kapitel 4.

Und irgendwann war es ein Spaltpilz zu viel. Wann war das? Was diesen Zeitpunkt betrifft, gehen die Meinungen und Ansichten auseinander. Dennoch soll hier folgende Behauptung aufgestellt werden.

Manche Aussagen zur Flüchtlingswelle in Europa ab 2015 haben den (Spaltpilz-)Anstoß für die erste deutliche Zunahme einer sich polarisierenden Gesellschaft und für das daraus ­folgende Entweder-oder beziehungsweise das Schwarz-Weiß-Denken gegeben. Alles Gesagte und Angedeutete rund um die COVID-19-Pandemie war dann wohl dieser eine Spaltpilz zu viel, der die Meinungsströme im Fass der möglichen Debattenkultur – also aus der Grauzone heraus – zum Überlaufen gebracht hat. In Richtung Schwarz oder Weiß. Ein Denken, auf das es sich so angenehm zurückziehen lässt.

Als Kevin Dutton, Psychologieprofessor an der Universität Oxford, 2012 sein Buch „Psychopathen – Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann“ veröffentlicht, ist die Aufregung groß. Er selbst habe, wie er in einem Interview verrät, erst später verstanden, dass er mit diesem Buch, das auf einer großen Umfrage in Großbritannien basiert, „die Kategorien in den Köpfen der Menschen durcheinandergebracht“4 habe. Denn die Menschen würden es bevorzugen, Dinge in kleine Boxen zu stecken und klare Grenzen zu ziehen. Hier die Guten, dort die Bösen – also auch die Psychopathen. Im selben Interview, das anlässlich des Erscheinens seines Buches „Schwarz. Weiß. Denken! – Warum wir ticken, wie wir ticken, und wie uns die Evolution manipulierbar macht“ (2021) geführt wurde, sagt er: „Wenn unsere prähistorischen Vorfahren ihres Wegs gingen und dabei plötzlich einen Ast sahen, der einer Schlange ähnelte, sprangen sie einfach weg. Warum? Weil es besser ist, falsch zu liegen und umsonst weggesprungen zu sein, als stehen zu bleiben und womöglich gebissen zu werden. Sie haben den Ast als Schlange stereotypisiert, ihn einer Kategorie zugeordnet. Das ist kein Problem, man kann die Gefühle des Asts nicht verletzen. Unsere Gehirne funktionieren allerdings immer noch so und diese Instant-Kategorisierung wird zu einem echten Problem, wenn wir sie auf unsere Mitmenschen anwenden.“5

In diesem Essay soll aufgezeigt werden, warum trotz aller Bemühungen, die Debattenkultur in der modernen Gesellschaft auszuweiten und gleichzeitig qualitativ zu verbessern, diese „Kultur“ irgendwann an ihre Grenzen gestoßen ist. So wie der „gute Mensch“ mit seiner Haupteigenschaft der großen Toleranz gegenüber Andersdenkenden...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2024
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Grau • Grautöne • lagerbildung • Multikulturelle Gesellschaft • Schwarz • Toleranz • weiß
ISBN-10 3-99100-393-7 / 3991003937
ISBN-13 978-3-99100-393-9 / 9783991003939
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