Deutschland im Bierzelt (eBook)

Die Leiden und Freuden der Oktoberfest-Kellnerinnen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
edition a (Verlag)
978-3-99001-737-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Deutschland im Bierzelt -  Stefanie Baumann,  Maria Linner
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»Wir wissen, wie sich die Deutschen benehmen, wenn sie zu viel trinken, wie sie tanzen, klatschen, lachen und flirten. Wie sie schwindeln, angeben und sich schämen. Wie sie ihre Partner behandeln, wie sie es mit dem Geldausgeben halten und wie sie glu?cklich sind oder grantig, weil sie gerade Hunger und Durst haben.« Wenn die Wiesn-Kellnerinnen Stefanie Baumann und Maria Linner einen Blick hinter die Kulissen des Oktoberfestes gewähren, zeigen sie mehr als die verru?ckten und witzigen Seiten des Spektakels. Liebevoll und heiter entblößen sie die deutsche Seele. Und bei dieser Gelegenheit auch gleich die aller anderen Gäste dieses einzigartigen Festes.

Stefanie Baumann, 48, kam in Altötting als Tochter eines Landwirten und Bu?rgermeisters zur Welt. Weil viele ihrer Tanten, Cousins und Cousinen am Oktoberfest arbeiteten, wurde sie ebenfalls Kellnerin. Seither serviert sie auf Bierfesten in ganz Bayern. Das Oktoberfest ist Jahr fu?r Jahr ihr Highlight. Maria Linner, 42, ist Wiesn-Kellnerin aus Altötting in Bayern und Mutter zweier Kinder. Linner stammt wie ihre Schwester Stefanie aus einer achtköpfigen Bauernfamilie. Sie studierte Geschichte und arbeitet heute als Servicekraft auf Volksfesten und in Lokalen.

Stefanie Baumann, 48, kam in Altötting als Tochter eines Landwirten und Bürgermeisters zur Welt. Weil viele ihrer Tanten, Cousins und Cousinen am Oktoberfest arbeiteten, wurde sie ebenfalls Kellnerin. Seither serviert sie auf Bierfesten in ganz Bayern. Das Oktoberfest ist Jahr für Jahr ihr Highlight. Maria Linner, 42, ist Wiesn-Kellnerin aus Altötting in Bayern und Mutter zweier Kinder. Linner stammt wie ihre Schwester Stefanie aus einer achtköpfigen Bauernfamilie. Sie studierte Geschichte und arbeitet heute als Servicekraft auf Volksfesten und in Lokalen.

Kapitel eins


Dabei sein ist alles


Was machen die da?

Ja, sind die denn verrückt geworden?

An meinen ersten Arbeitstag als Wiesn-Bedienung erinnere ich mich noch besonders gut, vielleicht, weil er für den ganzen Wahnsinn der Wiesn steht. Es war im September 2003, und ich arbeitete im Hacker. Das Zelt der traditionsreichen Münchner Brauerei Hacker-Pschorr zählt schon lange zu den großen Festzelten auf dem Oktoberfest. Etwa 6.800 Menschen haben darin Platz, und weitere 2.500 im dazugehörigen Biergarten. Jeden Tag füllt es sich als eines der ersten und bleibt dann bis zur Sperrstund’ durchgehend voll. »Himmel der Bayern« wird das Zelt genannt, weil sich die Gäste dort genau so wohlfühlen sollen.

Nur für die Bedienungen ist es nicht gerade der Himmel, denn es geht zu wie in einem Bienenstock. So war es auch an meinem allerersten Tag als topmotivierte, frischgebackene Wiesn-Kellnerin. Ich nahm Bestellungen auf, balancierte übervolle Tabletts auf meiner Schulter, ermahnte Gäste, die auf Tische klettern wollten (und es taten) und verteilte literweise Bier und kiloweise Schweinshaxen. Die Musik der Band dröhnte durchs Zelt, stolz präsentierten die Leute ihre Trachten. Alles ein lautes, buntes und zünftiges Fest der Lebensfreude. Und ich mittendrin. Ich fühlte mich stark, ich fühlte mich am richtigen Fleck zur richtigen Zeit, und ich sehe sie noch vor mir, die vier großen Männer, die das brechend volle Zelt betraten, um sich nach einem freien Platz umzusehen. Wie das meistens so ist im Hackerzelt, vor allem am Wochenende, hatten sie Pech: Alles besetzt. Ich hörte sie diskutieren, ihrem harten Akzent nach waren sie keine Bayern, sondern kamen aus dem hohen Norden. Sie beschlossen, nach draußen zu gehen und es sich im hinteren Teil des Biergartens gemütlich zu machen, wo es noch reichlich leere Bierbänke gab.

Genau in dem Moment, als sie bei mir vier Hendln und vier Maß Bier bestellten, begann es zu nieseln. Ich spreche so gut wie alle Gäste mit »du« an, das ist auf der Wiesn ganz normal. Denn die Stimmung ist gelöst und locker, wir glauben einander ja irgendwie zu kennen, es ist wie in einer großen Familie. Viele der Gäste aus Bayern, Mitteldeutschland, dem Norden und der ganzen Welt kommen Jahr für Jahr. Sie spüren, dass die Wiesn zu Deutschland gehört wie die Nationalhymne oder das Bundeswappen. Meiner Meinung nach wirkt die Wiesn ohnehin wie ein Virus: Sind wir einmal damit infiziert, werden wir es kaum noch los. Einmal Wiesn, immer Wiesn. Das gilt für die Gäste genauso wie für das Personal.

Jetzt musste ich erst mal dafür sorgen, dass auch meine norddeutschen Gäste gute Erinnerungen mit nach Hause nehmen konnten. Deshalb fragte ich die vier Männer im Nieselregen: »Seid ihr sicher, dass ihr hier sitzen wollt?« Und ich gab zu bedenken: »Wir haben hier zwar schon Schirme, aber die reichen nicht aus. Ihr werdet trotzdem nass werden!«

»Wir bleiben«, sagte einer mit kräftiger Stimme.

»Wie ihr wollt,« antwortete ich leicht verwundert. Vielleicht würde es ja ohnehin gleich wieder aufhören. Ich ging hinein, um die Biere zu holen und wie immer war dort die Hölle los. Das Zelt bebte, obwohl es gerade erst Mittag war. Dass ich an meinem Einstand gleich die schwerste Schicht mit den abgelegensten Tischen abgekriegt hatte, war kein Zufall: Wir Anfänger sollen Erfahrung sammeln und uns hocharbeiten. Erst, wer zeigt, was er kann, bekommt eine bessere Position.

Anfangs blieb mir also keine andere Wahl, als im entlegenen, hinteren Teil des Biergartens zu arbeiten. Dort saßen die Gäste verständlicherweise nicht besonders gern. Alle wollten lieber vorne sitzen, bei der Musik, im Mittelpunkt des Geschehens. Für uns Kellner bedeutet der hintere Teil des Biergartens weniger Gäste, und damit auch weniger Umsatz und weniger Trinkgeld. Noch dazu macht uns manchmal, wie auch an diesem Tag, das Wetter einen Strich durch die Rechnung, wenn Gäste vor dem Regen fliehen und wir wenig verdienen.

Aber diese vier Norddeutschen schien das schlechte Wetter nicht zu stören, sie blieben beharrlich sitzen. Dabei wurde der Regen immer stärker. Dicke Tropfen platschten in den weißen Schaum, als ich mit den Maßkrügen die zwanzig Meter zu ihrem Tisch lief. Es war ein Sauwetter! Wenig später brachte ich das Essen und traute meinen Augen kaum. Fast hätte ich laut gelacht. Die vier hatten sich einen Unterstand gebaut. Dafür hatten sie links und rechts von ihrem Platz Bänke aufeinandergestapelt. Zwei Tische hatten sie zu einem notdürftigen Dach umfunktioniert. Das wackelige Gebilde sah aus wie ein kleines Haus, das allerdings jeder etwas stärkere Windstoß zum Einsturz bringen würde. Gegen den Regen war das Ganze leider wirkungslos. Die Teller der Männer waren binnen Sekunden voll Wasser. Ihre Hendln schwammen regelrecht darin. Meine vier wackeren Norddeutschen schien auch das nicht zu stören, vielleicht waren sie das Essen auf hoher See gewohnt. Verwässertes Bier und eingeweichte Hendln, mich hätten sie damit jagen können.

Diese erste Episode als Oktoberfest-Kellnerin zeigte mir, welche Bedeutung die Wiesn für die Gäste hat. Die Sturheit der Norddeutschen rührte mich. Sie wollten halt unbedingt dabei sein, um jeden Preis. Und wer dabei sein will, ist zu vielem bereit. Wir Wiesn-Bedienungen können nicht nur davon ein Liedchen singen. Was abseits des Oktoberfests vollkommen verrückt wäre, fällt hier nicht einmal auf. Das ist der ganz normale Wiesn-Wahnsinn. Ganz Deutschland liebt ihn.

Übrigens habe ich mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Ich bin die Steffi, Ihre Wiesn-Bedienung, die Maria ist meine Schwester, sie arbeitet auch am Oktoberfest. Gemeinsam haben wir dieses Buch für Sie und all unsere anderen Wiesn-Gäste geschrieben. Weil’s keine Besseren gibt.

Meine Familie, die Wiesn-Bande


Ich bin nicht allein auf dem Oktoberfest, und ich war auch nicht die erste Wiesn-Bedienung in meiner Familie. Schon meine Tanten Maria und Anita haben auf der Wiesn gearbeitet. Wir sind eine gar nicht mal so kleine Bande, und das schon seit langem. Das sage ich durchaus mit ein bisschen Stolz.

Als Kind habe ich meine Tanten bewundert. Sie waren selbstbewusste, »gstandne« und fleißige Frauen, die schon als Kinder auf Großvaters Bauernhof mit angepackt haben. Sie haben die Schweine und Hühner versorgt und den Stall ausgemistet. Außerdem waren sie gute Köchinnen. All das haben sie mit einer beeindruckenden Leichtigkeit erledigt, obwohl die Arbeit hart war, vor allem im Sommer, wenn es im Stall unerträglich heiß wurde. Davon können wir uns heute alle eine Scheibe abschneiden. Meine fünf Geschwister und mich hat das geprägt, auch wir haben immer mitgeholfen. Tante Anita lebt noch, sie ist über siebzig, Maria ist verstorben, sie wäre heute über neunzig.

Als ich am Oktoberfest anfing, war meine Tante Anita noch in Amt und Würden. Besonders gern erinnere ich mich an schöne gemeinsame Wiesn-Pausen. Seit jeher gibt es hinter den Kulissen Rückzugsorte fürs Personal. Eine Kantine zum Beispiel, wo wir einander treffen und plaudern. Wir kommen zusammen und erzählen von unseren bittersüßen Wiesn-Leiden.

Zum Beispiel, dass wir beim Servieren Biere umgeschüttet haben. Klingt harmlos, aber verschüttetes Bier muss man als Kellnerin selbst bezahlen und bei zweieinhalb turbulenten Wochen kann da schon was zusammenkommen, wenn man nicht höllisch aufpasst. Auch Stürze und Verletzungen gehören dazu. Ich bin in all den Jahren aber nur zweimal gestürzt. Bei einem dieser Stürze habe ich mich an den Scherben eines Maßkrugs geschnitten, habe es aber nicht einmal bemerkt. Vermutlich lag es am Adrenalin, das uns durch die raue Zeit trägt. Auf der Wiesn heißt es: »Zähne zam und weiter.« Für Selbstmitleid bleibt keine Zeit.

Zimperlich darfst nicht sein


Warum tun wir uns das trotzdem an?

In meinem Fall spielte sicher meine Tante Maria mit ihrer Wiesn-Schwärmerei eine entscheidende Rolle. »Steffi, es gibt nichts Schöneres als das Oktoberfest. Egal, ob gerade viel los ist oder wenig. Auf der Wiesn ist’s immer lustig. Da gibt es gutes Essen und gutes Bier.« Also kam es, wie es kommen musste. Die Töchter der beiden Tanten, jede hatte drei, fingen wie ihre Mütter auf der Wiesn an. Auch sie sind inzwischen schon im Ruhestand. Als Kind habe ich sie immer bewundert und ein bisschen beneidet, weil ich sah, was ihnen die Gäste so alles schenkten. Bunte Plüschtiere und große und kleine Lebkuchenherzen. Das alles wollte ich auch.

Meiner jüngeren Schwester Maria ging es genauso. Heute arbeiten wir im selben Team im Löwenbräu, am Balkon.

Dort fühle ich mich immer wie auf einer schillernden, bunten Party, die einem Jahrmarkt gleicht. Es ist, als würde man die Realität für ein paar Stunden verlassen und in eine...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2024
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Alkohol • Bayern • Bier • Brauch • Deutsch • Deutschland • Feier • Liebe • Menschen • München • Oktoberfest • Party • September • Sex • Spaß • Tradition • Westen • wiesn • Zelt
ISBN-10 3-99001-737-3 / 3990017373
ISBN-13 978-3-99001-737-1 / 9783990017371
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