Frauen und Alkohol (eBook)

Wie sie trinken, warum sie trinken und was sie gewinnen, wenn sie damit aufhören
eBook Download: EPUB
2024
276 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-31768-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frauen und Alkohol - Nathalie Stüben, Falk Kiefer
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Sie trinken anders.
Alkohol zu trinken, ist für Frauen mittlerweile selbstverständlich. Sie tun es, um zu feiern, um dazuzugehören oder sich kultiviert zu fühlen. Aber auch, um Sorgen, Überforderung und Ängste zu bewältigen. Trinkmuster, die für ältere Generationen noch undenkbar gewesen wären, gehören heute zum Alltag und sind gesellschaftlich akzeptiert. Das hat fatale Folgen.

Die ehemals selbst betroffene Journalistin Nathalie Stüben und der renommierte Suchtmediziner Prof. Dr. Falk Kiefer erklären, warum Frauen Alkohol trinken, wie sie ihn trinken und wie sich das auf ihren Alltag, ihre Gesundheit, ihre Beziehungen und Ambitionen auswirken kann. Sie zeigen Möglichkeiten auf, damit aufzuhören. Und verdeutlichen, welch immense Freiheit es bedeutet, wieder selbst Regie im eigenen Leben zu führen.

Nathalie Stüben ist gelernte Journalistin und lebt seit 2016 nüchtern. Sie gilt als eine der Begründerinnen der deutschsprachigen Nüchternheitsbewegung - einer Gemeinschaft von Menschen, die ohne Alkohol leben und das feiern. Bekannt wurde sie durch ihren Podcast »Ohne Alkohol mit Nathalie«, in dem sie offen über Alkoholprobleme spricht. Mittlerweile erreicht sie mit ihren Social-Media-Kanälen, ihren Onlineprogrammen »Die ersten 30 Tage ohne Alkohol« und »Abstinenz stabilisieren« sowie ihren Medienauftritten ein Millionenpublikum.

2

Halbwissen und Verharmlosung

So wirken sich politische und kulturelle Rahmenbedingungen auf dein Leben aus

Ein bisschen Rauchen ist gesund. | Rauchen steht für Genuss und Lebensqualität. | Feiern ohne Rauchen? Das geht doch nicht. | Jugendliche sollten lernen, verantwortungsvoll zu rauchen. | Wenn jemand süchtig nach Zigaretten wird, liegt das nicht am Nikotin – da stecken ganz andere Probleme hinter.

Diese Sätze würden wir nie (wieder) über Zigaretten sagen, über Alkohol fallen sie noch immer, andauernd. Sie verdeutlichen die Auswirkungen einer industriefreundlichen und gesundheitsfeindlichen Alkoholpolitik. Zudem sind sie Spiegel der Tatsache, dass die Wissenschaft in puncto Kommunikation bei Weitem nicht so gut aufgestellt ist wie die Alkohollobby. Die investiert allein in Deutschland rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr, um für ihre Produkte zu werben, um sie in unseren Köpfen als gesund, unabkömmlich, gemeinschaftsstiftend und mehrwertig zu verankern. Stünden der Wissenschaft solche Summen zur Verfügung, um ihre Erkenntnisse zu verbreiten – das Land sähe anders aus.

Dann wäre klar, dass es sich bei Schnaps, Bier und Wein nicht um Genussmittel handelt, sondern um hochgiftige, abhängig machende Drogen. Dann wäre auch klar, dass wir nicht frei darüber entscheiden, wie und ob wir sie konsumieren, sondern dass politische Maßnahmen das Verhalten und den Konsum einer Bevölkerung steuern. Wie viel sie trinkt, hängt nicht von Individuen ab. Der Druck auf die Politik würde endlich wachsen, auch Alkoholika mit Gesetzen zu flankieren, die Menschen anders denken und handeln lassen. Noch ist das alles nicht klar, der Status quo ist ein anderer. Er sieht so düster aus, dass Deutschland in Bezug auf seine Alkoholpolitik international als Entwicklungsland gilt.

Das zeigt sich zum Beispiel, wenn wir uns die Preise für alkoholische Getränke anschauen. Sie sind im Verhältnis zum Einkommen in den letzten zwei Jahrzehnten immer günstiger geworden. Die Steuern mögen in anderen Ländern niedriger sein, aber im Verhältnis zu dem, was wir in Deutschland durchschnittlich verdienen, ist Alkohol hierzulande so billig wie nirgendwo sonst in Europa. Für 0,5 Liter Bier zahlst du aktuell 5 Cent Alkoholsteuer. Ein Liter Bier kostet im Schnitt 34,4 Prozent weniger als in anderen EU-Ländern, der Durchschnittspreis für Schnaps liegt hierzulande 36,8 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Am heftigsten aber profitieren Winzerinnen und Winzer von unserer laxen Alkoholsteuerpolitik. Für Wein zahlst du nämlich 0 Cent Alkoholsteuer. 0 Cent? Zero? Ja, offiziell gibt es in Deutschland fünf Alkoholsteuern, eigentlich aber nur vier, weil die Weinsteuer bei 0 Euro liegt und daher de facto keine Steuer ist. Wein ist dadurch im Schnitt ganze 47,6 Prozent billiger als in anderen EU-Ländern. All das zeigen Berechnungen des Leipziger Epidemiologen Jakob Manthey und Kolleg:innen. Sie schlussfolgern in ihrem Artikel »Besteuerung von Alkohol in Deutschland«:

»Vor diesem Hintergrund erstaunt nicht, dass sich Deutschland in den letzten Jahren zu einem der Länder in Europa – und global – mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum und hoher Krankheitslast entwickelt hat.«

Helga, 81 | Stille Generation | Es tut mir leid, Frau von Skopnik

Die kalten Finger sausen routiniert über ihre Brüste, kneten, krabbeln, rasten. Die Augen ihrer Ärztin verengen sich einen Millimeter. Sie trägt noch immer ihr Pokerface, aber Helga erkennt die Sorge darin.

»Ist das der Knoten, den Sie unter der Dusche selbst ertastet haben, Frau von Skopnik?«

»Ja.«

Er fiel ihr beim Einseifen auf, durch Zufall. Sie dachte sich nicht viel dabei. Es fühlte sich an wie eine Tiefkühlerbse, wird schon nichts sein, immerhin lebt sie gesund. Irgendwann hat sie es Heidemarie gegenüber dann aber doch mal beiläufig erwähnt. Und die hat sie dazu verdonnert, es untersuchen zu lassen.

Die Finger krabbeln weiter Richtung Achsel, kneten, tasten, rasten, fühlen konzentrierter. Nun flackern die Augen kurz.

»Da sind noch zwei weitere Verhärtungen, die liegen tiefer.«

Die Augen der Ärztin passen nicht zu Helgas Gefühl. Sie gucken viel zu besorgt.

»Was bedeutet das?«, fragt Helga.

»Das lassen wir jetzt abklären, Frau von Skopnik.«

Die Helferinnen schieben Helga von Apparat zu Apparat, quetschen routiniert die eine Brust ins Röntgengerät, dann die andere, sagen freundliche Dinge, die nicht mehr bei ihr ankommen. Auch das kalte Gel vom Ultraschall nimmt sie kaum wahr, sogar die langen Nadeln nicht, mit denen sie in ihre Knoten stechen, um Gewebe zu entnehmen, das sie später unter dem Mikroskop untersuchen.

Ein paar Tage später sitzt Helga wieder vor der Ärztin.

»Es handelt sich bei allen drei Knoten um Karzinome, Frau von Skopnik.«

Aha, aha, also tatsächlich Krebs, denkt Helga, aber die Bedeutung dieser Aussage kommt noch nicht bei ihr an. Was heißt das? Chemotherapie? Heutzutage ist so etwas doch heilbar, oder nicht?

Die Ärztin spricht ruhig und bestimmt weiter. »Karzinome sind leider immer bösartig, was bedeutet, dass wir alle drei operativ entfernen müssen, bevor sich die Krebszellen weiter vermehren.«

Operation also, denkt Helga, ohne etwas zu fühlen.

Die Ärztin räuspert sich. »Es tut mir sehr leid, aber so, wie es bei Ihnen aussieht, werden wir die linke Brust nicht erhalten können. Der Krebs hat schon zu weit gestreut.«

In Helgas Kopf fängt es an zu rauschen, im Hintergrund ein leises Piepen.

»Ihre Brustwarze werden wir nicht retten können, aber auch da gibt es Möglichkeiten.«

Es kommt ihr vor, als würde die Ärztin über jemand anderen reden. Aha, aha, die Brustwarze.

»Vor der OP müssen wir eine Chemotherapie machen, damit sich die Knoten nicht noch weiter vergrößern.«

Deshalb macht man also eine Chemotherapie.

»Nächste Woche geht es damit los. Es sind starke Medikamente, die die Zellteilung unterbinden. Leider auch die Zellteilung der guten Zellen. Ihnen wird übel werden, Sie bekommen Durchfall, Ihre Gelenke und Muskeln werden schmerzen, Hände und Fußsohlen hingegen werden Sie weniger spüren, weil sie taub werden können. Die Haare fallen Ihnen wahrscheinlich aus. Gibt es jemanden, der Sie begleiten kann?«

Nächste Woche, aha, so schnell geht das dann.

»Frau von Skopnik?«

Das Rauschen wird lauter, das Piepen kreischt jetzt.

»Frau von Skopnik?«

»Sie meinen mich?«, fragt Helga.

»Kann Sie jemand begleiten?«

Helga fasst sich unter die Achseln, aber sie spürt nichts. Es muss um jemand anderen gehen.

»Frau von Skopnik, hören Sie mich?«

Schlagartig kehrt Helga zurück in den Raum, das Rauschen im Kopf verstummt, nur das Piepen ist noch da.

»Der Hund ist zu Hause. Jemand muss nach dem Hund sehen.«

»Vielleicht kann Ihre Freundin Sie unterstützen.«

»Ja, ich frag sie mal.«

Helga verlässt das Behandlungszimmer und sieht, wie Heidemarie aufspringt mit ihren zackigen Bewegungen, die immer voranzupreschen scheinen.

»Und, Helgalein?«

Dann bricht die Dunkelheit herein, begleitet von einer tobenden, klebrigen, stinkenden Angst. Helgas Knie versagen, sie fällt in Heidemaries Arme. Der Schock verwandelt sich in Schluchzen. Kaum haben die Laute ihren Mund verlassen, überrollt sie schon die nächste Welle. Sie will so viel sagen, wie leid es ihr tut, hier in aller Öffentlichkeit zu weinen, dass sie nicht versteht, was gerade passiert, wieso ausgerechnet sie? Was für einen Streich spielt ihr das Schicksal? Sie hat doch nie geraucht! Sich immer bewegt! Sie ist doch ein Wunder!

»Aber ich bin doch ein …«

»Schhhh. Schhhh. Ruhig, Helgalein. Ich bin da. Ich bin da. Ich bin da.«

Helgas Schreie werden zum Wimmern. Sie jault leise. Der Hund!

»Was ist mit Lexa? Heidemarie, was wird denn nun aus Lexa?«

»Lexa wird dein Hund bleiben. Ich kümmere mich um sie, solange du dich um dich kümmern musst.«

Und wie immer hält sie Wort. Als Helga nach der ersten Chemo ins Bad tappt, um sich zu übergeben, entdeckt sie beim Händewaschen vier neue Tuben Feuchtigkeitscreme und Lippenpflegestifte im Badezimmerschrank. Als Lexa apathisch wird und nur noch dasitzt, mit ihrem Kopf auf Helgas Fuß und ihren besorgten Augen, die zu ihr raufschauen, schenkt Heidemarie ihr ein Gummihuhn. Als Helga die letzten Haare ausfallen, zückt Heidemarie eine Perücke aus der Handtasche. Und als sie schließlich ihre Brust verliert und Helga ihr mit Tränen in den Augen die waagerechte Narbe zeigt, verzieht ihre Freundin keine Miene. Sie verkündet schlicht: »Du bist eine Frau, Helga. Daran kann keine Narbe dieser Welt etwas ändern.«

Danach trinken die beiden ein kleines Bier. Nichts wissen sie über den Zusammenhang zwischen diesen kleinen Gläsern und den Wunden, die sie schlagen. Und damit sind sie nicht allein.

Ein bisschen Trinken ist gesund. | Trinken steht für Genuss und Lebensqualität. | Feiern ohne Trinken? Das geht doch nicht. | Jugendliche sollten lernen, verantwortungsvoll zu trinken. | Wenn jemand alkoholsüchtig wird, liegt das nicht am Alkohol – da stecken ganz andere Probleme hinter.

Liest sich ganz anders als beim Rauchen, oder? Deutlich weniger sperrig, vielleicht bleibst du sogar an keinem einzigen dieser Sätze hängen. Auch das ist ein Spiegel....

Erscheint lt. Verlag 25.12.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Alkoholabhängigkeit • alkoholfrei • Alkoholismus • Alkoholproblem • Alkoholsucht • Allen Carr • Catherine Gray • Drogen • Druck • dry January • eBooks • Entzug • Fasten • felix hutt • Funktionales Trinken • Gesundheit • Jenny Elvers • mia gatow • Mimi Fiedler • Muriel Baumeister • Neuerscheinung • Nüchtern • nüchtern auf einem alkoholisierten planeten • Ohne Alkohol mit Nathalie • people pleasing • prof. dr. falk kiefer • rausch und klarheit • sternhagelnüchtern • Stress • Suchtforschung • Trinken • Trinkerbelle • trocken werden • vom unerwarteten vergnügen nüchtern zu sein
ISBN-10 3-641-31768-1 / 3641317681
ISBN-13 978-3-641-31768-3 / 9783641317683
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