Demokratie ohne Gesetze (eBook)
256 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3264-2 (ISBN)
C.L. Skach ist Professorin für politische und rechtliche Theorie an der Universität von Bologna. Zuvor war sie Professorin für Verfassungsrecht am King's College London, Professorin für Vergleichende Regierungslehre und Recht an der Universität Oxford und davor außerordentliche Professorin für Regierungslehre an der Harvard University, an der Harvard Law School war sie ebenfalls tätig. Sie ist zunehmend skeptisch in Bezug auf die Frage, was das Recht tun kann und sollte, um eine gute Regierungsführung und ganz allgemein ein gutes Leben für alle zu schaffen. Sie denkt, schreibt und spricht weiterhin über diese Themen und unterhält Verbindungen zu Oxford, Harvard und der Institution Quraysh (London, Doha, Jedda). Skach ist in der Nähe von Chicago geboren und aufgewachsen und hat in Evanston (Northwestern BA Honors), Sevilla, New York (Columbia University, MA, MPhil), Heidelberg (DAAD/Fulbright), Oxford (DPhil) und Santa Fe studiert. Sie hatte Gastaufenthalte und Stipendien in den USA, Deutschland, Spanien, Frankreich, Brasilien, Chile und Russland. In diesen und anderen Ländern, darunter Nicaragua, Argentinien und die Komoren, hat sie Feldforschung und Archivarbeit betrieben. Sie ist Autorin zahlreicher viel zitierter wissenschaftlicher Artikel, die in sieben Sprachen übersetzt wurden, und Verfasserin des Buches Borrowing Constitutional Designs (Princeton University Press, 2005), das im selben Jahr mit dem Georges Lavau-Preis der American Political Science Association ausgezeichnet wurde. Skach wurde auch für ihre Lehrtätigkeit in Harvard und Oxford ausgezeichnet und hat ihre Forschungsergebnisse in der ganzen Welt vorgestellt, wobei sie sich sowohl direkt als auch über Organisationen wie den Club of Madrid, den von Michail Gorbatschow gegründeten Pro-Demokratie-Club, an amtierende und ehemalige Regierungschefs wandte.
C.L. Skach ist Professorin für politische und rechtliche Theorie an der Universität von Bologna. Zuvor war sie Professorin für Verfassungsrecht am King's College London, Professorin für Vergleichende Regierungslehre und Recht an der Universität Oxford und davor außerordentliche Professorin für Regierungslehre an der Harvard University, an der Harvard Law School war sie ebenfalls tätig. Sie ist zunehmend skeptisch in Bezug auf die Frage, was das Recht tun kann und sollte, um eine gute Regierungsführung und ganz allgemein ein gutes Leben für alle zu schaffen. Sie denkt, schreibt und spricht weiterhin über diese Themen und unterhält Verbindungen zu Oxford, Harvard und der Institution Quraysh (London, Doha, Jedda). Skach ist in der Nähe von Chicago geboren und aufgewachsen und hat in Evanston (Northwestern BA Honors), Sevilla, New York (Columbia University, MA, MPhil), Heidelberg (DAAD/Fulbright), Oxford (DPhil) und Santa Fe studiert. Sie hatte Gastaufenthalte und Stipendien in den USA, Deutschland, Spanien, Frankreich, Brasilien, Chile und Russland. In diesen und anderen Ländern, darunter Nicaragua, Argentinien und die Komoren, hat sie Feldforschung und Archivarbeit betrieben. Sie ist Autorin zahlreicher viel zitierter wissenschaftlicher Artikel, die in sieben Sprachen übersetzt wurden, und Verfasserin des Buches Borrowing Constitutional Designs (Princeton University Press, 2005), das im selben Jahr mit dem Georges Lavau-Preis der American Political Science Association ausgezeichnet wurde. Skach wurde auch für ihre Lehrtätigkeit in Harvard und Oxford ausgezeichnet und hat ihre Forschungsergebnisse in der ganzen Welt vorgestellt, wobei sie sich sowohl direkt als auch über Organisationen wie den Club of Madrid, den von Michail Gorbatschow gegründeten Pro-Demokratie-Club, an amtierende und ehemalige Regierungschefs wandte.
Vorwort
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich endgültig meinen Glauben an formelle Regeln – an Gesetze – verlor. Damals lernte ich gerade, wie man mit einem gepanzerten SUV in voller Fahrt eine Kehrtwende macht, und war froh über jeden überstandenen Tag. Ich trainierte auf den Straßen Ammans, Sprengsätzen auszuweichen, und wurde immerhin so gut darin, dass ich abends rechtzeitig meine Unterkunft erreichte, um vor dem Schlafengehen noch zu duschen und ein Glas libanesischen Wein zu trinken.
Der schwierige Teil meiner Aufgabe stand mir aber erst noch bevor. Es war der Herbst des Jahres 2008, und ich hatte gerade ein zweiwöchiges Überlebenstraining in der Wüste absolviert. Jordanische Soldaten und UN-Sicherheitskräfte hatten Terrorangriffe simuliert, um mich – unter anderem – auf die Ausarbeitung einer Verfassung vorzubereiten. Kurz vor Semesterbeginn war ich von London nach Amman geflogen. Ich hatte gerade eine Stelle als Professorin für Vergleichende Regierungslehre und Rechtswissenschaft in Oxford bekommen. Im nächsten Jahr würde ich zwischen Seminaren und Vorlesungen mehrmals den fünfstündigen Flug antreten, um danach voller Stolz meinen Studierenden von meinen Erfahrungen zu berichten.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Trainings gratulierte mir ein UN-Offizier mit amerikanischem Südstaatenakzent, während er mir einige Haare samt der Wurzel ausriss. Das war kein Initiationsritual. Es diente dazu, meine DNA sicherzustellen, falls mein Körper in einem nicht identifizierbaren Zustand gefunden würde.
Nun war ich bereit für meine Aufgabe als »Verfassungsexpertin«, wie ich genannt wurde. Ich war von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak eingeladen worden und reiste nach Bagdad. Dort sollte ich mit Irakern und Kurden in einer Kommission zur Reform der Verfassung zusammenarbeiten.
Das Flugzeug war an jenem Tag alles andere als voll. Aus meiner Gruppe hatten einige das Training nicht bestanden und waren heimgeschickt worden. Andere waren bereits früher abgereist. Das Überlebenstraining hatte schon ausgereicht, um sie zu traumatisieren, sie benötigten nun psychologische Betreuung. Mit mir saßen ehemalige Ratgeber der US-Regierung, Professoren und Experten aus dem Vereinigten Königreich, die in Schottland und Wales die Regionalisierung vorangetrieben hatten, und viele angehende und einige hochrangige UN-Beamte aus aller Welt in der alten Propellermaschine. Einige hatten ihre Familie für den hoch bezahlten Job in einem Kriegsgebiet zurückgelassen.
Mir ging es nicht ums Geld. Ich war begierig auf die vor mir liegende Erfahrung. Mein Honorar war ohnehin nicht hoch, ich hatte ja meinen festen Job und übte nur eine befristete Beratungstätigkeit aus. Aber als Verfassungsrechtlerin und Professorin war es ein beruflicher Höhepunkt für mich. Wie es einer meiner Studenten in Oxford ausdrückte: »Sie schreiben Verfassungen, etwas Bedeutungsvolleres könnten Sie nicht tun.« Verfassungen sind schließlich die wichtigsten Gesetze in einer Demokratie – in einem Land, das durch und für das Volk regiert wird. Sie legen die Rahmenbedingungen des politischen Geschehens fest, sie lassen uns wissen, ob ein Staat zentralistisch oder föderal strukturiert ist, ob er säkular oder an eine Religion gebunden ist. Sie beschreiben, wie unsere politische Führung gewählt wird, wie und wann wir sie durch eine andere ersetzen können, wer uns repräsentiert und Regierungsentscheidungen trifft. Und sie definieren nicht nur, was unsere Rechte als Individuen und als Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen sind, sondern auch, welche Rechte in unserem Land – basierend auf den Werten unserer Nation – Vorrang haben und wie unsere Regierung die Missachtung dieser Rechte zu verhindern hat. Deshalb werden Verfassungen oft auch als »ranghöchstes Gesetz« bezeichnet.
Es war nicht das erste Mal, dass ich ein anderes Land in Verfassungsfragen beriet. Ich hatte mich mit Begeisterung der Rechtswissenschaft verschrieben und schon zu Beginn meiner Karriere Arbeiten zu Verfassungsthemen veröffentlicht, zuerst als junge Doktorandin mit meinem wissenschaftlichen Betreuer an der Columbia University und später als Harvard-Professorin. Ich hatte mit ehemaligen Präsidenten und Premierministern gesprochen, die mir von ihren Erfahrungen berichteten, und reiste häufig, um mich mit Angehörigen von Verfassungsausschüssen und Verfassungsrichtern zu treffen. Diese gesellschaftliche Elite hatte mich auch oft in meinem Büro in Harvard besucht, wo wir uns über verfassungsrechtliche Probleme austauschten. Während meiner gesamten akademischen Laufbahn hatte ich Vorträge darüber gehalten, welche Verfassungen demokratische Prozesse begünstigen und welche nicht, und nun zog ich weiter nach Oxford, um dort dasselbe zu verkünden. Mich erwarteten weitere Einladungen, um zu beraten, zu lehren und vom Wert guter Gesetze zu predigen.
Der Irak war zweifellos meine bisher gefährlichste und anspruchsvollste Mission. Iraker und Kurden, die unter der Schutzherrschaft der UN standen, hatten mich eingeladen. Sie wollten meine Hilfe dabei, ein Rechtssystem einzuführen, das eine gerechte Verteilung der Erlöse aus den riesigen Öl- und Gasvorkommen förderte, die sich nur in bestimmten Teilen des Landes befanden, von denen jedoch alle profitieren sollten. Ein solcher Finanzausgleich war mir aus den USA, Kanada und Brasilien bekannt – föderale Länder, in denen die politische Macht verfassungsmäßig zwischen Regionen (oder Staaten) aufgeteilt ist. Die Zentralregierung hatte die Kontrolle über manche Politikbereiche, aber nicht alle.
Der Irak war ein komplexes Land, und die irakische Bevölkerung bildete ein kompliziertes Gemisch aus verschiedenen Ethnien, Religionen und Sprachen. Erschwerend kam hinzu, dass sich die meisten Bodenschätze auf kurdischem Gebiet befanden. Wenn diese Völker in einem gemeinsamen Staat leben wollten, ob zentralistisch oder föderal, dann mussten sie ihre Ressourcen miteinander teilen. Doch das war in der Theorie einfacher als in der Praxis.
Die Iraker wogen die Vorzüge eines bestimmten föderalen Systems ab, das ihr Land zusammenhalten sollte. Ich und einige andere waren der Ansicht, dass es zur Entspannung der politischen Lage und zu einer Verringerung kurdischer Unabhängigkeitsbestrebungen beitragen würde, wenn der restliche Irak den Kurden in bestimmten politischen Bereichen, einschließlich der Sprache, Autonomie zugestehen würde, und die Kurden sich im Gegenzug dazu bereit erklärten, einen angemessenen Anteil ihres durch Öl und Gas gewonnenen Vermögens mit dem Rest des Landes zu teilen. Keine andere Region im Irak würde eine derartige Autonomie gegenüber Bagdad genießen. Beispiele aus anderen Ländern zeigten jedoch, dass keine andere Region das überhaupt nötig haben würde.1
Dieses Arrangement, das asymmetrischer Föderalismus genannt wird, schien in Ländern wie Spanien gut zu funktionieren, wo gewaltbereite Unabhängigkeitsbewegungen in der Bevölkerung an Anziehungskraft verloren, nachdem die spanische Zentralregierung den Basken und Katalanen mehr Kontrolle über ihre Regionen gewährt hatte. Das kastilische Spanisch wurde den dortigen Bevölkerungen nicht mehr als Amtssprache aufgezwungen, sodass baskische und katalanische Kinder jetzt in den Sprachen ihrer Regionen unterrichtet werden konnten und die alten Basken und Katalanen Straßenschilder in ihren Muttersprachen lesen konnten. So spürten die Menschen, dass ihre Kultur und ihre Geschichte respektiert wurden. Wir glaubten, dass sie das davon abhielt, Politiker in Madrid in die Luft zu sprengen. Wir glaubten, dass das Spanien zusammenhielt.2
Während ich Notizen für das erste Treffen anfertigte und Zahlen auf einer PowerPoint-Folie anordnete, geriet unser Flugzeug in Turbulenzen. Also packte ich meinen Laptop weg und schloss die Augen. Ich versuchte mir auszumalen, was mich im Irak erwartete. Ehemalige Kollegen, die dort gewesen waren, hatten mir von ihren Erfahrungen berichtet. Die Details, mit denen sie ihre Erzählungen ausschmückten, hatten meinen Neid geweckt. Nur sehr wenige von uns waren jemals in einem Kriegsgebiet tätig gewesen und hatten dort Gesetze, geschweige denn Verfassungen ausgearbeitet. Schon allein die Vorstellung, an einer Verfassungsgebung mitzuwirken, war aufregend. Wenn das, was ich zu sagen hatte, Anklang fand, würde ich vielleicht dabei mithelfen, dieses ranghöchste Gesetz zu schreiben.
Doch in Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung.
Ich wusste nicht, dass ich schon in wenigen Wochen in die Lobby des Hotel Meridien in Amman zurückkehren würde, die ich nur wenige Tage zuvor verlassen hatte. Dieses Mal war ich jedoch zerkratzt, schmutzig und roch nach Fäkalien. Das war das Ergebnis meines Versuchs, in Bagdad bei der Ausarbeitung einer Verfassung zu helfen. Und es war erst der Anfang.
Jener schreckliche Morgen ist mir noch genau in Erinnerung. Ein lautes Donnern riss mich aus dem Schlaf, kurz darauf bebte die Erde. Unser Lager in der Internationalen Zone war von einer S-24-Rakete getroffen worden, die für unsere Nachbarn in der US-Botschaft bestimmt gewesen war. Sie hatte ihr Ziel verfehlt und uns schwer getroffen. Mein Überlebensinstinkt setzte ein, und das zweiwöchige...
Erscheint lt. Verlag | 17.10.2024 |
---|---|
Übersetzer | Oliver Lingner |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Bürger • Demokratie • Gesellschaft • Kooperation • Kritik • Moral • Normen • System • Verfassung • Zusammenhalt |
ISBN-10 | 3-8437-3264-7 / 3843732647 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3264-2 / 9783843732642 |
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