Nichts wird von alleine gut (eBook)

Warum wir eine neue Definition von Hoffnung brauchen, um die Krisen der Zukunft zu meistern
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2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-32002-7 (ISBN)

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Die Hoffnung hat ein Problem. Gerade jetzt, wo wir sie am meisten brauchen, versagt sie. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass die Zukunft nicht besser werden wird als die Gegenwart. Das beweisen neuste Umfragen ganz klar: Über die Hälfte aller Jugendlichen weltweit ist inzwischen davon überzeugt, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist. Die Gegenwart scheint ausweglos. Inklusive Klimawandel, sozialer Ungerechtigkeit, Faschismus und Krieg. Diese Entwicklung ist unerträglich, denn für ein selbstbestimmtes und gelungenes Leben, ist Hoffnung eine unabdingbare Notwendigkeit. Aber damit wir wieder Hoffnung haben können, müssen wir zuerst verstehen, was Hoffnung überhaupt bedeutet und warum es so einfach ist, absolut falsch zu hoffen.

Christiane Stenger und Stephan Phin Spielhoff machen sich deshalb auf die Suche nach der Hoffnung, nach ihrem Ursprung, ihrem Werdegang und wollen wissen, wie konnten wir darauf hoffen, dass alles gut wird, und dann wurde nichts gut?! Die Hoffnung braucht ein Revival, denn sie ist viel mehr als reines Wunschdenken - sie ist unser einziges Werkzeug, mit dem wir schon jetzt für eine bessere Zukunft sorgen können und zwar für uns alle.

Christiane Stenger ist Politikwissenschaftlerin, Speakerin, Moderatorin. Als mehrfache Junioren-Gedächtnisweltmeisterin weiß sie nicht nur, wie man Wissen sammelt, sondern auch, wie man es im Kopf behält und kreativ damit umgeht. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter den Bestseller Lassen Sie Ihr Hirn nicht unbeaufsichtigt! Zusammen mit Samira El Ouassil sprach sie im Podcast ?Sag niemals Nietzsche? über Philosophie.

3. 
ein paar tausend jahre hoffnung – von hesiod bis kierkegaard


»I am half agony, half hope.«

– Jane Austen

Dass mit der Hoffnung etwas nicht stimmt, hätte allen Beteiligten eigentlich von Anfang an klar sein können. Wir denken an den Mythos der Pandora, der irgendwie, wenn wir uns richtig erinnern, so geht: Eine Frau (Pandora) wird von den Göttern erschaffen und zu den Menschen geschickt. Ihr wird eine Büchse gegeben, versehen mit der sehr eindeutigen Warnung, diese Büchse unter keinen Umständen jemals zu öffnen. Was Pandora natürlich nicht davon abhält, die Büchse zu öffnen, und heraus kommen sofort alle (ALLE!) Übel dieser Welt. Harte Arbeit, Tod, Depression, Krankheit – ein Who is Who der schlimmen Dinge. Aber, so will es der Mythos, noch bevor auch die Hoffnung aus der Büchse entwischen konnte, schließt Pandora den Deckel wieder, sodass die Hoffnung in der Büchse bleibt.

Hesiod schrieb diesen Mythos, der vorher nur mündlich weitergegeben wurde, Gebrüder-Grimm-Style um 700 v. Chr. das erste Mal auf:

»Aber das Weib [Pandora, Anm. d. Red.] hob jezo den mächtigen Deckel des Fasses
Rüttelte dann; daß den Menschen hervorging Jammer und Trübsal.
Dort die Hoffnung allein, in dem unzerbrechlichen Hause, Blieb inwendig dem Fasse zurück, tief unter der Mündung, Und nicht flog sie heraus: Denn zuvor schloß jene [wiederum Pandora, Anm. d. Red.] den Deckel.«[1]

Diese Geschichte ist inzwischen so tief verankert in der Psyche der Menschheit, dass wir uns kaum die Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wie kryptisch dieser Anfang ist. So wird es oft als positiv gedeutet, dass die Hoffnung noch in der Büchse ist, wobei bereits ein Philosoph wie Friedrich Nietzsche darauf hinweist, dass genau dieser Tatbestand zeigt, wie bösartig die Hoffnung an sich ist:

»Für immer hat der Mensch nun das Glücksfaß im Hause und meint Wunder, was für einen Schatz er in ihm habe; es steht ihm zu Diensten, er greift darnach: wenn es ihn gelüstet; denn er weiß nicht, daß jenes Faß, welches Pandora brachte, das Faß der Übel war, und hält das zurückgebliebene Übel für das größte Glücksgut – es ist die Hoffnung. Zeus wollte nämlich, daß der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: Sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.«[2]

Die Gemengelage rund um die Hoffnung ist also von Anfang an, nun ja, unübersichtlich, widersprüchlich und geprägt von Fehlern und Ungereimtheiten. So war es überhaupt keine Büchse, die Pandora mitbrachte. Hesiod benutzte das Wort Pithos, was ein Tongefäß ist (in dem Zitat wird es, wie wir gemerkt haben, mit Fass übersetzt), indem normalerweise Lebensmittel aufbewahrt wurden. Erst der Universalgelehrte Desiderius Erasmus von Rotterdam machte in seiner Sprichwörtersammlung Adagiorum Chiliades Tres 1508 aus dem griechischen Pithos, ob absichtlich oder nicht lässt sich inzwischen nicht mehr nachvollziehen, ein lateinisches Pyxis – eine Büchse.[3] Selbst das Wort, das Hesiod für die Hoffnung verwendet, Elpis (ἐλπίς), muss nicht unbedingt Hoffnung im heutigen Sinne bedeuten. Es kann auch einfach als Erwartung übersetzt werden oder sogar als die Erwartung von schlechten Dingen.

Und natürlich wird dieses Chaos nicht weniger chaotisch dadurch, dass es sich um eine griechische Mythe handelt, in der viele Götter ihre Finger mit im Spiel haben. Pandora war, das geht gern unter, die allererste menschliche Frau. Geschaffen auf Befehl des Göttervaters Zeus, aus reiner Bosheit und Rachsucht, weil der Titan Prometheus das Feuer von den Göttern gestohlen hatte, um es den Menschen zu geben. Die Menschen, zu diesem Zeitpunkt alles Männer, lebten durch dieses Diebesgut ein fulminantes und glückliches Leben – wir erinnern uns, es gab damals keine Übel in der Welt. Und dieser Sachverhalt war natürlich inakzeptabel und musste geändert werden. Deshalb wurde Pandora – gleich Frankensteins Braut quasi – auf dem Reißbrett designt und danach zusammengeschustert, um das Übel zu den Menschen (sprich den Männern) zu bringen. Fun Fact, selbst die Warnung, die Büchse niemals zu öffnen, findet sich im Text von Hesiod nicht. Vielmehr existierte damals ein generelles Mindset unter den Menschen, dass man die Geschenke von Zeus nicht annehmen sollte. Wenn das Geschenk jedoch die allererste Frau ist, nun ja … Und der Rest ist, wie gern gesagt wird, Herstory.

Natürlich sind alte griechische Mythen keine Tatsachenberichte, aber dennoch informativ, weil schon von Anfang an niemand so recht wusste, was diese Hoffnung denn jetzt eigentlich genau ist. Sie bewegt sich seitdem zwischen zwei Polen, das schlimmste Übel unter allen und die einzige Rettung, die wir uns überhaupt versprechen können. Etwas, an dem wir uns niemals festhalten sollten, und etwas, das wir genauso wenig jemals verlieren dürfen.

Aber Pandora lehrt uns dennoch etwas: Die Hoffnung gehört, wie selbstverständlich, von Anfang an zum Menschsein dazu. Und genauso kommt auch kein Übel ohne die Hoffnung aus. Sie ist neben Leid und Tod vielleicht eine der wenigen absoluten Lebenserfahrungen, die wir alle machen werden. Weil wir alle nicht anders können, als uns zu fragen, was kommen wird, und dabei das sehnliche Bedürfnis haben, dass das, was kommt, gut sein wird.

Griechische Hoffnung


Es ist abstrus, dass die westliche Philosophiegeschichte die Hoffnung nach diesem widersprüchlichen und mysteriösen Fehlstart links liegen lässt. Es ist schon fast ein Klischee, dass heutzutage alle, die sich mit der Hoffnung befassen wollen, feststellen, wie dünn die Faktenlage ist.

So bemerkte Ernst Bloch in seinem mehrbändigen Opus Magnum Das Prinzip Hoffnung, dass die Hoffnung in der Philosophie »unerforscht wie die Arktis« sei.[4] Damit ist eine Leerstelle gemeint, die sich von den alten Griechen fast bis ins 20. Jahrhundert zieht. Dabei lädt der holprige und mysteriöse Start der Hoffnung, wie schon bemerkt, eigentlich perfekt dazu ein, sich Fragen zu stellen. Es ist eine Origin-Story mit viel Spekulationsspielraum.

Natürlich haben Aristoteles, Platon & Co. das Wort Hoffnung benutzt oder haben sogar ein paar Bemerkungen dazu gemacht, aber dadurch entsteht selten ein komplexes und nachvollziehbares Verständnis für dieses Phänomen. Falls die Hoffnung überhaupt erwähnt wird, passiert es beiläufig. Daran ändert sich mit der Zeit wenig. Cicero zitiert einfach ein Sprichwort: »So lange ich atme, hoffe ich«[5], später rät Boethius uns dazu, die Hoffnung zu verbannen, wenn wir die Wahrheit sehen wollen.[6] Und so geht es mit der Hoffnung weiter, die Philosophinnen widmen dem Ganzen ein paar Sätze, wenn überhaupt. Dabei wird schnell klar, dass Hoffnung nirgends so richtig hineinpassen will und immer eher etwas dazwischen ist. Es hat halt irgendetwas mit dem Begehren zu tun oder einer Art grundloser Erwartungshaltung, dass schon alles klappen wird, weshalb es für Aristoteles, um noch einmal einen Blick zurückzuwerfen, vor allem ein Zeitvertreib für Besoffene ist, weil die im Rausch ihre Chancen falsch berechnen.[7]

Wie kann es sein, dass eines der fundamentalen menschlichen Vermögen derart vage bleiben konnte – ohne klare Umrisse oder Funktion? Ein erster Gedanke führt uns zu der Theorie, dass es einfach niemals notwendig schien, genau zu wissen, worüber wir reden, wenn wir von der Hoffnung reden. Hoffnung war da, wie die Luft zum Atmen, und niemand musste sich Sorgen machen, dass es irgendwann einmal zu Komplikationen kommen könnte, weil die Hoffnung wegen der Unmöglichkeit einer besseren Zukunft zu verschwinden droht. Durchaus möglich, dass wir nie genug über die Hoffnung nachgedacht haben, weil es nicht nötig war. So dümpelte die Hoffnung Jahrhunderte dahin.

Christliche Hoffnung


Wirklich relevant wird die Hoffnung in der westlichen Kulturgeschichte erst durch das Christentum, das aus der Hoffnung, neben Liebe und Glauben, eine Must-Have-Tugend macht, ohne die man niemals wirklich eine gute Christin sein kann. »Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen«[8], steht in der Bibel. Dadurch findet sich die Hoffnung als zentraler Aspekt des Glaubens deshalb immer mal wieder hier und da in den verschiedenen Passagen wieder. Dieses Sammelsurium liefert dann eine klare Idee der Hoffnung, die nicht auf dieses Leben gerichtet ist, sondern auf das Jenseits. Wir hoffen auf das Leben nach dem Tod, wo wir hoffentlich in den Himmel kommen, weil wir so gut an Jesus Christus, den Erlöser, geglaubt haben. Dadurch bekommt die Hoffnung plötzlich einen göttlichen und durchaus übernatürlichen Vibe. Es heißt nicht mehr: Ich hoffe auf ein gutes Leben, sondern ich hoffe auf ein gutes Leben nach dem Leben. Dies ist, zum ersten Mal, eine relativ präzise Definition der Hoffnung. Eine sauber abgesteckte Parzelle mit klarer Aufgabe. Die Hoffnung wird eine Stütze im harten Leben, weil wir hoffen, dass es nach diesem Leben besser wird. Diese Hoffnung ist also komplett eingebunden in den Glauben, denn nur durch Gott ist hoffen überhaupt möglich, und nur durch ihn kann das, auf das wir hoffen, auch in Erfüllung gehen. Und wer nicht auf das Paradies hofft, hat von Anfang an falsch...

Erscheint lt. Verlag 27.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
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ISBN-10 3-641-32002-X / 364132002X
ISBN-13 978-3-641-32002-7 / 9783641320027
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