Gute Bildung sieht anders aus (eBook)

Welche Schulen unsere Kinder jetzt brauchen
eBook Download: EPUB
2024
192 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-32011-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gute Bildung sieht anders aus - Harald Lesch, Klaus Zierer
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Wie Schulen aussehen, die unsere Kinder stark machen für eine fordernde Welt
Der Physiker und leidenschaftliche Wissenschaftsvermittler Harald Lesch bemüht sich seit vielen Jahren darum, aktuelles naturwissenschaftliches Wissen etwa zum Klimawandel besonders auch in Schulen zu tragen, weil er das Verständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge für gesellschaftlich wichtig hält. Dabei erlebt er oft frustrierte Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, die an den Verhältnissen und starren Lehrplänen scheitern. Klaus Zierer beobachtet die Krise der Schulen, die sich nicht nur in Pisa-Ergebnissen niederschlägt, von der anderen Seite: Der Erziehungswissenschaftler bildet den Nachwuchs für Schulen aus und mahnt Reformen an, regelmäßig mischt er sich in Bildungsdebatten ein. Gemeinsam haben sie aus ihren Erfahrungen heraus ein Manifest verfasst, in dem sie darlegen, wie die Schule aussehen sollte, die Kinder durch Bildung stark macht für ein gelingendes Leben in einer fordernden Welt. Ein Buch für Eltern, denen nicht egal ist, was ihre Kinder in der Schule lernen, und überhaupt für alle, die mit Schulen zu tun haben.

Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Ludwig-Maximilians-Universität München und einer der bekanntesten Naturwissenschaftler in Deutschland. Seit vielen Jahren vermittelt er einer breiten Öffentlichkeit spannendes populärwissenschaftliches Wissen. Durch die Sendereihe »alpha-Centauri« bekannt geworden, moderiert er heute u. a. »Leschs Kosmos« im ZDF. Er hat, allein oder mit Co-Autoren, eine Vielzahl erfolgreicher Bücher veröffentlicht, zuletzt »Was hat das Universum mit mir zu tun?«, »Wenn nicht jetzt, wann dann?« und »Denkt mit!«.

2  LEHRER – ANDERS!


Durchschnittlich wird jeder Mensch im Lauf seiner Schulzeit von etwa fünfzig Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. An wie viele Lehrer können Sie sich noch erinnern, wie viele davon waren gute Lehrerinnen und wie viele schlechte Lehrer? Vielleicht fallen einem auf die Schnelle noch zehn Lehrerinnen und Lehrer namentlich ein. Davon hat man drei, vier noch positiv in Erinnerung, den Rest wohl negativ.

Das Spannende an diesem Gedankenexperiment ist nicht, dass es gute und schlechte Lehrer gibt – in jeder Profession gibt es diese Gruppen. Interessanter ist vielmehr, dass der Großteil der Lehrerinnen und Lehrer, die uns unterrichtet haben, aus unserem Gedächtnis komplett verschwunden ist, wohingegen eine Handvoll auch Jahrzehnte später noch in Erinnerung bleibt. Wie schaffen es diese Lehrkräfte, zehn, zwanzig, dreißig Jahre, manche sogar ein Leben lang, im Gedächtnis von Schülerinnen und Schülern zu bleiben? Gerade bei den guten Lehrern weiß man den Namen noch, kann sich an einzelne Unterrichtsstunden erinnern, und selbst einzelne Worte, die ein solcher Lehrer an einen als Schüler gerichtet hat, sind noch präsent.

Einer von uns beiden bekam bei einem Wiedersehen mit einer Gruppe von ehemaligen Schülerinnen und Schülern zehn Jahre nach dem Abitur einen Zettel gezeigt, der kaum noch lesbar und mit vielen Löchern versehen war, die durch das Anstecken an eine Pinnwand entstanden sind. Darauf stand:[31] »Weiter so, Fabian! Du bist auf einem guten Weg!« Es handelte sich um einen Korrekturzettel, der in ein Heft geklebt worden war, um Fabian direkt anzusprechen – sicherlich nicht das beste Feedback aller Zeiten. Aber für Fabian war der Korrekturzettel dennoch eine Würdigung und Wertschätzung, die ihm noch Jahre später Kraft gibt – so sein Kommentar zu diesem Zettel.

Für den anderen von uns ist sein »alter Chemielehrer« immer Vorbild dafür gewesen, wie man junge Leute motivieren kann, wie aktuelle Themen im Unterricht unmittelbar besprochen und eingeordnet werden können und wie man auch mal »fünfe gerade« sein lassen kann. Dieser Lehrer war eine echte Quelle der Inspiration und Motivation, denn es ging in etlichen Unterrichtsstunden nicht um Chemie, sondern um Politik, Geschichte und Demokratie!

Man muss sich an dieser Stelle vor Augen führen, dass die guten Lehrerinnen und Lehrer nicht besser gestellt waren als alle anderen Lehrkräfte: Sie mussten dieselben »Chaoten« unterrichten, hatten unter derselben Bildungspolitik zu leiden, kämpften mit denselben technischen Herausforderungen, mussten sich mit denselben Eltern verständigen und hatten auch nicht mehr Zeit als alle anderen. Und dennoch schafften sie etwas, was den meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht gelungen ist: junge Menschen nachhaltig zu prägen. Was ist das Geheimnis ihres Erfolges?

Leider werden in der Bildungspolitik solche Fragen nicht diskutiert, schon gar nicht, wenn es um die Lehrerbildung geht. Auch hier dominiert wie nahezu in allen bildungspolitischen Feldern der Blick auf die Strukturen: mehr Personal, mehr Technik, mehr Geld. So wichtig Strukturen sind und so viel in diesem Bereich auch erreicht wurde, sie allein führen nicht dazu, dass sich gute Lehrer entwickeln können. Ganz im Gegenteil: Empirische Studien zeigen immer wieder, dass die Lehrerbildung im Durchschnitt nur einen geringen Effekt auf die Unterrichtsqualität hat. Offensichtlich bilden sich Lehrkräfte woanders mehr als in den dafür vorgesehenen Strukturen. Noch schlimmer: Seit Jahren steigt die Zahl derer, die eines Tages mit viel Enthusiasmus gestartet sind, dann aber doch vom Alltag überrollt werden. Die Burn-out-Quote unter Lehrerinnen und Lehrern ist hoch, und der einzige Ausweg, um den Herausforderungen des Schulalltags noch gewachsen zu bleiben, ist für viele die Teilzeit.[32] Nicht wenige kehren ihrem einstigen Wunschberuf nach ein paar Dienstjahren sogar ganz den Rücken.

Diese zunehmenden Herausforderungen haben durchaus einen gesamtgesellschaftlichen Ursprung: Die Erziehungskoalition aus Schulen, Vereinen und auch Kirchen, wie es sie früher einmal gab, bröckelt. Eltern kommen aus verschiedenen Gründen ihrem Erziehungsauftrag nicht mehr so nach, wie es früher noch der Fall war. Zudem leben Kinder und Jugendliche in einer Welt, die voller Ablenkungen ist und in der schulisches Lernen zum Nebenschauplatz wird. Die Bildungspolitik leistet häufig aber keinen Beitrag zur Lösung der skizzierten Herausforderungen, sondern verschärft sie: Eine Bildungspolitik, die vom Schulsystem ständig mehr fordert, ohne an anderer Stelle etwas herauszunehmen, läuft Gefahr, die Kollegien zu überlasten. Damit sinkt die Attraktivität des Lehrerberufs – leider auch noch, weil bis heute das Verdikt des damaligen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder nachhallt (obschon er es Jahre später zurückgenommen hat): »Lauter faule Säcke!«[33]

Auch die Lehrerbildung reiht sich hier ein: Sie gilt laut Forschungsergebnissen als einer der notleidendsten Bereiche der akademischen Bildung weltweit:[34] zu separiert in den Phasen, zu sehr auf Wettbewerb ausgerichtet in der Durchführung, zu einseitig in der Ausrichtung. Lehrerbildung heute erzeugt allem voran Einzelkämpfer, die viel Theorie gelernt haben, dies aber nicht in der Schulpraxis anwenden und umsetzen können. Noch dazu ist sie strukturell katastrophal aufgestellt. In Bayern sind Vorlesungen in den Erziehungswissenschaften mit tausend Studentinnen und Studenten keine Seltenheit. Zwar gilt auch hier, dass gute Strukturen allein noch zu keiner guten Hochschullehre führen, aber irgendwann sind jedem guten Unterricht Grenzen gesetzt. Aus Lagerhallen umfunktionierte Vorlesungssäle gehören dazu, weil hier die Akustik so miserabel ist, dass schon eine Grundvoraussetzung für Verstehen nicht gegeben ist: zuhören können. Was muss sich also ändern, damit mehr Lehrkräfte als bisher ihren Einfluss auf die Bildung von Kindern und Jugendlichen verbessern können?

Weniger Lernbegleiter oder Wissensvermittlerinnen, mehr Bildungsagenten


Die Debatte darüber, welche Rolle Lehrerinnen und Lehrer einnehmen sollen, ist alt. Sie erhitzt die Gemüter aber immer wieder: Soll die Lehrerin sich eher zurücknehmen und die Schülerinnen und Schüler machen lassen? Wer diese Auffassung vertritt, spricht häufig von Lehrern als Coach, als Lernbegleiter oder als Lernberaterin. Oder soll die Lehrerin das Zepter in die Hand nehmen? Das klassische Bild eines Lehrers, der vor der Klasse steht, vorträgt und entscheidet, wird mit dieser Rolle verbunden.

Wie so oft in der Pädagogik liegt die Wahrheit zwischen den Extremen, oder sie verbindet die Extreme, wie im vorliegenden Fall. Um das zu verstehen, muss man empirische Erkenntnisse in die Argumentation miteinbeziehen.

Beginnen wir mit der Rolle des Lehrers als Lernbegleiters: In einem solchen Unterricht ist das Ziel des Lehrers, den Schülern Zeiten und Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sie selbstständig und eigenverantwortlich agieren können. Schülerinnen und Schüler entscheiden, was sie wann, wo, wie und mit wem lernen. Auch die Frage, warum sie lernen, sollen sie selbst beantworten. Die Folge daraus ist eine Lernumgebung, die viele Möglichkeiten eröffnet, aber nichts vorschreibt. Die Schüler sind gefordert, selbst das Richtige auszuwählen und den Lernprozess zu steuern. Keine Frage: Das klingt verführerisch und ist der Traum einer jeden Lehrkraft. Leider zeigen empirische Studien, dass der Wunsch hier der Vater des Gedankens ist. Denn die Wirklichkeit sieht anders aus.[35]

David Dunning und Justin Kruger haben in mehreren Studien entdeckt, dass einerseits Unwissenheit häufig dazu führt, die eigene Fähigkeiten zu überschätzen, und andererseits eine hohe Fachkompetenz zur Folge hat, vorsichtiger zu sein und sich zu unterschätzen.[36] Diese Ergebnisse wurden beim Schachspielen und beim Autofahren ebenso festgestellt wie beim schulischen Lernen.

In Lernumgebungen, in denen Schülerinnen und Schüler entscheiden, wann sie was mit wem und warum lernen, hat das zur Folge, dass schwächere Schüler sich oft zu schwierige Aufgaben vornehmen und stärkere Schülerinnen eher zu leichte Aufgaben bearbeiten. In beiden Fällen ist der Lernerfolg reduziert, weil die Schülerinnen und Schüler aufgrund der zu schweren oder zu leichten Aufgaben nicht adäquat herausgefordert sind. Im schlimmsten Fall treten sie, egal ob leistungsschwach oder leistungsstark, nicht nur auf der Stelle, sondern machen sogar Rückschritte. Aus diesem Grund wird der Dunning-Kruger-Effekt auch pointiert als Dumm-und-dümmer-Effekt bezeichnet, wenn es um die Inkompetentesten geht, oder gegenteilig als Hochstapler-Syndrom, wenn von der Selbsteinschätzung der Kompetentesten die Rede ist.[37]

In der Geistesgeschichte hat diese Einsicht eine lange Tradition. Allbekannt sind die geläufigen Worte von Sokrates: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.«[38] Und Bertrand Russell schreibt in The Triumph of Stupidity: »Der Hauptgrund für die Schwierigkeiten liegt darin, dass in der modernen Welt die Dummen vollkommen sicher sind, während die Intelligenten voller Zweifel sind.«[39]

Die Folgen aus pädagogischer Sicht liegen auf der Hand: So wünschenswert es ist, dass Menschen sich selbst Ziele setzen, nach Wegen suchen, um diese Ziele zu erreichen, eigenaktiv vorgehen und selbstständig sind, so hat das alles doch seine Grenzen. Die Freiheit des Menschen, zu lernen...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Bildungsideal • Bildungsverlierer • Bildungsversagen • Bildungsziele • die entdeckung der milchstraße • eBooks • Eltern Ratgeber • eltern schule • Epochenunterricht • Erlebnispädagogik • Erziehung • Experimentalphysik • Fächerübergreifender Unterricht • Gerald Hüther • gute Lehrer • Gute Lehrerin • kinder schule • klimakoffer • Lehrpläne • MINT-Fächer • Montessori-Schule • Neuerscheinung • Pädagogik • physik im unterricht • PISA-Studie • Privatschule • Ratgeber Schule • Schulangst • staatliche Schulen • über dem orinoco • überforderte Lehrer • Unterrichtsmaterialien • Waldorfschule
ISBN-10 3-641-32011-9 / 3641320119
ISBN-13 978-3-641-32011-9 / 9783641320119
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