Die Achse der Autokraten (eBook)

Spiegel-Bestseller
Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
208 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-30838-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Achse der Autokraten - Anne Applebaum
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Wie Xi Jinping, Putin, Chamenei & Co. sich Geld, Macht und Straffreiheit verschaffen und zugleich unsere Demokratie zerstören: Eine hochaktuelle Analyse der neuen autoritären Netzwerke

FRIEDENSPREIS DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS 2024 FÜR DAS GESAMTWERK VON ANNE APPLEBAUM
Autokratische Herrschaft besteht im 21. Jahrhundert nicht länger nur aus einem Tyrannen an der Spitze, der mit Gewalt sein Volk unterdrückt: Heute werden Autokratien durch ausgeklügelte Netzwerke geführt, es hat sich eine neue internationale autokratische Allianz gebildet, wie Bestsellerautorin Anne Applebaum in ihrem neuen Buch zeigt.
Von China bis Weißrussland, von Syrien bis Russland unterstützen sich Autokraten von heute gegenseitig mit Ressourcen und Equipment made in Iran, Myanmar oder Venezuela: von Propaganda-Trollfarmen und Bots über Investitionsmöglichkeiten für ihre korrupten Staatsunternehmen bis hin zum Austausch modernster Überwachungstechnologien.

Applebaum offenbart, wie die Diktatoren der Welt hinter den Kulissen zusammenarbeiten und sich mit aggressiven Taktiken gegenseitig Sicherheit und Straffreiheit verschaffen. Und sie macht deutlich, wie diese autokratische Allianz unsere Demokratie untergräbt.

Anne Elizabeth Applebaum, geboren 1964 in Washington, D. C., zählt zu den profiliertesten Kritiker*innen autoritärer Herrschaftssysteme und russischer Expansionspolitik. Die Historikerin und Journalistin begann ihre Karriere 1988 als Korrespondentin des »Economist« in Warschau, von wo sie über den Zusammenbruch des Kommunismus berichtete. Sie schrieb für viele renommierte Zeitungen und arbeitet seit 2019 als Kolumnistin für die Zeitschrift »The Atlantic« und als Senior Fellow an der Johns Hopkins School of Advanced International Studies. Applebaum gilt als große Expertin der osteuropäischen Geschichte und der autoritären Regime Osteuropas. Ihre Bücher »Der Gulag« (2003), »Der Eiserne Vorhang« (2012), »Roter Hunger« (2019) und die »Die Verlockung des Autoritären« (2021), in denen sie den Mechanismen autoritärer Machtsicherung nachspürt, wurden internationale Bestseller und mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Pulitzer-Preis 2004 und mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2024. 2024 erhielten Anne Applebaum und ihr Ehemann Rados?aw Sikorski gemeinsam den Europapreis für politische Kultur der Hans Ringier Stiftung. Applebaums neues Buch »Die Achse der Autokraten« erschien im Oktober 2024 beim Siedler Verlag. Für ihr Gesamtwerk wird Anne Applebaum mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2024 ausgezeichnet.

»Der Historikerin Anne Applebaum den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zuzusprechen, ist eine großartige, durchaus mutige Entscheidung. [...] Diese Autorin hat einen unvergleichlichen Sinn für die Selbstgefährdung der freiheitlichen Demokratie.« – ZEIT Online (25.06.2024)

»Seinen Friedenspreis vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in friedlichen wie in kriegerischen Zeiten. Doch kaum könnte die diesjährige Auszeichnung unmittelbarer auf das gegenwärtige Kriegsgeschehen stoßen als mit der Wahl von Anne Applebaum. [...] Ihr Werk erinnert daran, dass nur mit der Vergegenwärtigung der Geschichte ein wirklicher Friede möglich wird. Darin liegt Anne Applebaums bleibender Verdienst.« – Der Tagesspiegel (26.06.2024)

Einleitung
Die Achse der Autokraten


Jeder von uns hat ein Bild von einem autokratischen Staat im Kopf. An der Spitze steht der Schurke, ihm zur Seite Armee und Polizei, die den Bürgern mit Gewalt drohen. Es gibt böse Mittäter und womöglich einige mutige Dissidenten.

Das ist jedoch eine Karikatur, die mit der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts wenig zu tun hat. Autokratien werden nicht von einem einzigen Bösewicht kontrolliert, sondern von raffinierten Netzwerken mit kleptokratischen Strukturen, einem komplexen Sicherheitsapparat aus Armee, Paramilitärs und Polizei sowie technischen Experten, die für Überwachung, Propaganda und Desinformation zuständig sind. Die Mitglieder dieser Netzwerke stehen nicht nur innerhalb des Landes untereinander in Verbindung, sondern auch mit den Netzwerken anderer Autokratien und manchmal sogar mit denen demokratischer Staaten. Korrupte, vom Staat kontrollierte Unternehmen in einer Diktatur machen Geschäfte mit korrupten, vom Staat kontrollierten Unternehmen in anderen Diktaturen. Die Polizeikräfte eines Landes unterstützen die Polizeikräfte anderer Länder mit Ausrüstung und Ausbildung. Die Propagandisten teilen ihre Ressourcen untereinander – Trollfarmen und Medien, die die Lügen eines Diktators verbreiten, können auch die eines anderen verbreiten – und haben gemeinsame Themen: den Niedergang der Demokratie, die Stabilität der Autokratie und die bösen Vereinigten Staaten.

Dazu müssen sich die Schurken nicht wie in einem James-Bond-Film in einer geheimen Zentrale treffen. Unser Konflikt mit ihnen ist auch kein Systemwettstreit mit klaren Fronten und kein »Kalter Krieg 2.0«. Die modernen Autokraten bezeichnen sich als Kommunisten, Monarchisten, Nationalisten und Theokraten. Ihre Regimes haben ganz eigene historische Wurzeln, Ziele und Stile. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen dem Kommunismus Chinas, dem Nationalismus Russlands, dem bolivarischen Sozialismus Venezuelas, der Dschutsche-Ideologie Nordkoreas und der radikalen Schia der Islamischen Republik Iran. Sie alle unterscheiden sich von Autokratien wie den arabischen Monarchien oder Vietnam, die weniger daran interessiert sind, die demokratische Welt zu untergraben; und sie unterscheiden sich von softeren Autokratien und hybriden, bisweilen auch »nichtfreiheitlich« genannten Demokratien wie der Türkei, Singapur, Indien, den Philippinen oder Ungarn, die je nach Anlass mit der demokratischen Welt auf einer Linie liegen oder nicht. Im Gegensatz zu früheren militärischen und politischen Bündnissen tritt diese Gruppe nicht als Block auf, sondern eher wie eine Kooperation von Unternehmen. Den Zusammenhalt liefert keine gemeinsame Ideologie, sondern nur die skrupellose Entschlossenheit, mit der sie sich selbst bereichern und ihre Macht erhalten. Deshalb spreche ich von der Achse der Autokraten.

Den autokratischen Führern[1] von Russland, China, dem Iran, Nordkorea, Venezuela, Nicaragua, Angola, Myanmar, Kuba, Syrien, Simbabwe, Mali, Belarus, Sudan, Aserbaidschan und gut drei Dutzend anderen Ländern[2] gemeinsam ist das Ziel, die Bürger ihres Landes von allen Entscheidungen auszuschließen, ihnen die politische Stimme zu verwehren, Transparenz und Rechenschaft in jeder Form zu verweigern und ihre Kritiker im In- und Ausland zu verfolgen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist ihre brutale und pragmatische Einstellung zu Reichtum. Im Gegensatz zu faschistischen und kommunistischen Führern der Vergangenheit, die Parteiapparate in ihrem Rücken wussten und ihren Reichtum nicht zur Schau stellten, leben die Führer der Achse der Autokraten oft in luxuriösen Villen und betätigen sich als Unternehmer. Ihre Bande untereinander und mit ihren Freunden in der demokratischen Welt sind keine Ideale, sondern Geschäftsbeziehungen, die der Aufweichung internationaler Sanktionen, dem Austausch von Überwachungstechnologie und der gegenseitigen Bereicherung dienen.

Außerdem unterstützt die Achse der Autokraten ihre Mitglieder beim Machterhalt. Die verhasste Regierung von Alexander Lukaschenko in Belarus[3] wurde wiederholt von internationalen Organisationen wie der Europäischen Union oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kritisiert und wird von ihren europäischen Nachbarn gemieden. Viele Güter aus Belarus können nicht in die Vereinigten Staaten oder die Europäische Union exportiert werden, und die nationale Fluggesellschaft Belavia erhält in Europa keine Landeerlaubnis. Doch in der Praxis ist Belarus keineswegs isoliert. Mehr als zwei Dutzend chinesische Unternehmen haben im Land investiert und sogar einen chinesisch-belarussischen Industriepark nach einem Vorbild in Suzhou errichtet.[4] Der Iran und Belarus haben 2023 den diplomatischen Austausch auf höchster Ebene aufgenommen.[5] Kubanische Vertreter haben vor den Vereinten Nationen ihre Solidarität mit Lukaschenko bekundet. Vor allem Russland bietet Märkte, grenzüberschreitende Investitionen, politische Rückendeckung und wahrscheinlich auch polizeiliche und militärische Unterstützung. Als sich belarussische Journalisten 2020 weigerten, ein gefälschtes Wahlergebnis zu verbreiten, entsandte Russland Journalisten, um sie zu ersetzen.[6] Im Gegenzug gestattete die belarussische Regierung Russland die Stationierung von Truppen und Waffen sowie die Verwendung dieser Stützpunkte im Krieg gegen die Ukraine.

Auch Venezuela ist theoretisch international isoliert. In Reaktion auf die Brutalität, den Drogenschmuggel und die Verstrickung des Regimes in die internationale Kriminalität haben die Vereinigten Staaten, Kanada und die Europäische Union seit 2008 ihre Sanktionen verschärft. Doch die Regierung von Nicolás Maduro erhält Kredite von Russland,[7] das auch in die venezolanische Ölindustrie investiert, genau wie der Iran. Ein belarussisches Unternehmen lässt Traktoren in Venezuela montieren,[8] und die Türkei ermöglicht dem Land seinen unzulässigen Goldhandel.[9] Kuba hat seit Langem Sicherheitsberater entsandt und unterstützt die Regierung mit Militärtechnologie. Bei der Niederschlagung der Demonstrationen der Jahre 2014 und 2017 in Caracas, in deren Verlauf mehr als siebzig Menschen getötet wurden, kamen Wasserwerfer, Tränengas und Polizeischilde aus chinesischer Produktion zum Einsatz.[10] Auch bei der Überwachung der Bevölkerung greift China dem Regime unter die Arme.[11] Dank des internationalen Drogenhandels sind Regierungsmitglieder und ihre Angehörigen und Gefolgsleute bestens mit Versace und Chanel versorgt.

Die Diktatoren von Belarus und Venezuela sind in ihrer Heimat verhasst.[12] Freie Wahlen würden sie verlieren, wenn es solche Wahlen denn gäbe.[13] In beiden Ländern gibt es eine starke Opposition mit charismatischen Anführern und einer leidenschaftlichen Basis, die ihre Mitbürger inspirieren, Risiken auf sich zu nehmen, für eine Wende zu kämpfen und auf die Straße zu gehen. Im August 2020 demonstrierten in Belarus mehr als eine Million Menschen (bei einer Bevölkerung von zehn Millionen) gegen den Wahlbetrug. Auch in Venezuela gingen Hunderttausende auf die Straßen.

Wenn ihre Gegner nur das korrupte und bankrotte Regime Venezuelas oder das feige und brutale Regime in Belarus gewesen wären, dann wären diese Proteste vielleicht erfolgreich verlaufen. Doch ihre Gegner waren nicht nur die Autokraten im eigenen Land, sondern die Autokraten in aller Welt, die in zahlreichen Ländern Staatsbetriebe unterhalten, über die sie Investitionen in Milliardenhöhe tätigen können. Ihre Gegner waren Regimes, die Überwachungstechnologie in China und Bots in Russland kaufen. Vor allem aber kämpften sie gegen Führer, denen die Befindlichkeiten und Ansichten ihrer Landsleute und der internationalen Gemeinschaft gleichgültig sein können. Die Achse der Autokraten versorgt ihre Mitglieder nämlich nicht nur mit Geld und Waffen, sondern sie bietet ihnen etwas weniger Greifbares: Straflosigkeit.

Das unter den hartgesottenen Autokraten verbreitete Bewusstsein, dass ihnen die Welt nichts anhaben kann – das Bewusstsein, dass andere Länder keine Rolle spielen und sie sich nie der öffentlichen Meinung stellen müssen –, ist relativ neu. Selbst der Führung der Sowjetunion, der mächtigsten Autokratie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war sehr an der internationalen Wahrnehmung gelegen. Energisch behauptete sie die Überlegenheit ihres politischen Systems und widersprach jeglicher Kritik daran. Zumindest nach außen hin bekannte sie sich zu den nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichneten Abkommen und Übereinkünften zu Menschenrechten, Krieg und Rechtsstaatlichkeit. Als der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow 1960 in seiner berühmten Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit dem Schuh auf das Pult einschlug, tat er das deshalb, weil der philippinische Gesandte erklärt hatte, den von der Sowjetunion kontrollierten Ländern Europas würden die »bürgerlichen und politischen Rechte« vorenthalten und sie seien »von der Sowjetunion geschluckt« worden. Chruschtschow fühlte sich genötigt, dem zu widersprechen.[14] Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts verhüllten die meisten Diktaturen ihre wahren Absichten mit ausgeklügelten und sorgfältig manipulierten demokratischen Darbietungen.[15]

Inzwischen ist es den Mitgliedern der...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2024
Übersetzer Jürgen Neubauer
Sprache deutsch
Original-Titel Autocracy, Inc.
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Afghanistan • Alexander Lukaschenko • Autokraten • Autokratie • Baschar al-Assad • Catherine Belton • China • Daniel Ziblatt • Demokratiegefährdung • Despot • Despoten • die verlockung des autoritären • Diktator • Diktatur • eBooks • Hongkong • Machterhalt • Myanmar • Netzwerke • Neuerscheinung • Nicolás Maduro • Putins Netz • roter hunger • Russland • Steven Levitsky • Straffreiheit • Taliban • Tyrannei • Venezuela • wie demokratien sterben • Wladimir Putin
ISBN-10 3-641-30838-0 / 3641308380
ISBN-13 978-3-641-30838-4 / 9783641308384
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