Elon Musk und die Zerstörung von Twitter (eBook)
640 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01910-2 (ISBN)
Lese- und Medienproben
Kate Conger arbeitete für die SF Weekly, TechCrunch und Gizmodo und ist als Journalistin bei der New York Times auf Tech-Themen und die Berichterstattung zu Twitter spezialisiert. Sie hat viel diskutierte Artikel etwa über das Ende von jack Dorsey bei Twitter, und über Uber und Neuralink veröffentlicht sowie über Googles geheime Forschung an KI-getriebenen Kriegsdrohnen für das Militär.
Kate Conger arbeitete für die SF Weekly, TechCrunch und Gizmodo und ist als Journalistin bei der New York Times auf Tech-Themen und die Berichterstattung zu Twitter spezialisiert. Sie hat viel diskutierte Artikel etwa über das Ende von jack Dorsey bei Twitter, und über Uber und Neuralink veröffentlicht sowie über Googles geheime Forschung an KI-getriebenen Kriegsdrohnen für das Militär. Ryan Mac hat viele Artikel zu Twitter gemeinsam mit Kate Conger in der New York Times veröffentlicht. Er gilt als Insider im Silicon Valley und schrieb zuvor für BuzzFeed News und das Forbes Magazine, wo ihm aufsehenerregende Hintergrundartikel etwa zu GoPro, Minecraft, Craigslist oder Silk Road gelangen. Für seine Recherchen zu Facebook erhielt er den Mirror Award und den George Polk Award. Hans-Peter Remmler, Jahrgang 1957, übersetzt aus dem Englischen und Spanischen. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören Bill Gates, Ronan Farrow, Carol Leonnig, Maria Ressa und Bob Woodward. Karsten Petersen, Jahrgang 1957, studierte Elektrotechnik an der University of Delaware (USA). Er übersetzt in erster Linie Bücher aus den Bereichen Biografien und Sachbuch aus dem Englischen. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören Bill Gates, Frances Haugen, Ayaan Hirsi Ali, Parag Khanna, Adam Kucharski, Jaron Lanier, Dan McCrum und Adam Tooze. Marlene Fleißig, Jahrgang 1992, übersetzt Sachbücher aus dem Englischen und Spanischen. Zu den von ihr übersetzten Autor:innen gehören Sheera Frenkel, Carol Leonnig und Esther Paniagua. Oliver Lingner ist Übersetzer aus dem Englischen und hat etwa Annie Jacobsen, John Parker oder Michael Greger ins Deutsche übertragen.
Erster Akt
1 Zurück bei twttr
Endlich war Jack Dorseys Zeit gekommen. Am 11. Juni 2015 verfolgte er in der Cafeteria der Twitter-Zentrale in der Market Street in San Francisco gespannt, wie Dick Costolo, ein ehemaliger Unternehmer, der vier Jahre zuvor eingestellt worden war, um Twitter aus den Turbulenzen herauszuführen, auf der regelmäßigen Betriebsversammlung eine unerwartete Botschaft an Hunderte von Twitter-Mitarbeitern richtete: Costolo verkündete seinen Rücktritt als CEO. Seit Anfang des Jahres hatte er Freunden insgeheim anvertraut, mit seiner Rolle bei Twitter zu hadern und bereit zu sein, seinen Posten zu räumen. Und die Person, die ihn zumindest übergangsweise ersetzen sollte, war just der Mann, der neben ihm stand und mit dem alles begonnen hatte: @jack.
Dorsey hatte jahrelang strategisch die Fäden gezogen, um eine Rückkehr à la Steve Jobs in die Wege zu leiten. Er war 2008 kurzerhand als Twitter-Chef entlassen worden und hatte seitdem seinen Weg zurück an die Spitze geplant: Er schmiedete Allianzen mit Leuten aus dem Board und konstruierte für die Medien ein Narrativ, das ihn als einzigen Visionär hinter der Social-Media-Plattform darstellte. Sein Comeback sollte zu einem Triumphzug werden – endlich war die treibende kreative Kraft hinter den früheren Erfolgen von Twitter wieder an Bord –, genau wie es bei der Rückkehr von Jobs zu Apple der Fall gewesen war.
Für die Twitter-Belegschaft war Dorsey jemand, der quasi aus einem Winter in der Wildnis zurückkehrte. Er stand vor ihnen mit einem neuen Titel und einem abenteuerlichen braunen Vollbart, der sein kantiges Gesicht mit den eisblauen Augen umrahmte. Er hatte zwar jahrelang als Chef des Unternehmens fungiert und genoss den Ruf eines Mitgründers, aber nur wenige Mitarbeiter hatten ihn jemals persönlich zu Gesicht bekommen. Sie musterten das ehemalige Fotomodell und den Meditationsfan, den sie da vor sich hatten, und konnten nicht umhin, ihn mit einer gewissen Beklommenheit zu betrachten, als er mit seinem typischen, monotonen Vortragsstil über die Veränderung des Unternehmens sprach.
Twitter brauchte diesen Wandel schnell, denn das Unternehmen steckte im Schlamassel. Es gab kaum Produktinnovationen, kein Wachstum bei den Nutzerzahlen – die wichtigste Kennzahl, an der jedes bedeutende Social-Media-Unternehmen gemessen wird – und ein immer mehr um sich greifendes Gefühl, dass das ganze Unternehmen zum Scheitern verurteilt sei. Die Geschichte der Dysfunktionalität und des Verrats unter den Gründern des Unternehmens sowie das ständige Stühlerücken in der Führungsetage trugen ihren Teil zu dem Eindruck bei, Twitter würde einfach nicht vom Fleck kommen. Einige der frühen Fehltritte waren auf Dorseys Konto gegangen, und das Chaos wurde zu einem akzeptierten Teil der Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter fragten sich deshalb nicht ohne Grund: War Jack wirklich die Lösung? Konnte er das Unternehmen wieder in die Spur bringen? Oder würde er es ein weiteres Mal in den Sand setzen?
Dorsey, geboren 1976, wuchs in St. Louis als ältester von drei Söhnen einer liberalen Mutter und eines konservativen Vaters auf. Schon als Teenager entwickelte er Interesse am Innenleben von Versanddienstleistern – ein frühes Anzeichen dafür, dass es ihn zum Aufbau komplexer Systeme für den Informationstransfer hinziehen könnte. Er ging in Missouri und New York aufs College, brach das Studium aber vorzeitig ab. Dorsey zog 1999 in die Bay Area – kurz bevor die Dotcom-Blase platzte.[2]
Das waren aufregende Zeiten in der Technologiebranche. Die Visionäre und Pioniere des Internets und des Personal Computers hatten sich von einem Ethos der Offenheit und der Zusammenarbeit leiten lassen, das sich auf einen lockeren, anarchischen Konsens in Verbindung mit jeder Menge technischem Know-how stützte. Diese demokratische Kultur gefiel Dorsey, einem Punk-Fan, der früher einmal blaue Haare hatte. Nach seiner Ankunft in der Bay Area zog er in die Sunshine Biscuit Factory, ein Lagerhaus im düsteren Osten von Oakland, bekannt als Heimstätte für Künstler und Veranstalter von Underground-Konzerten. Er tüftelte an Online-Programmen zur Disposition von Taxis, Fahrradkurieren oder sogar Rettungsdiensten.
Anders als viele der verlotterten Programmierer, die auf der Suche nach Millionengehältern ins Silicon Valley strömten, hatte Dorsey eine Ader für Ästhetik – seine eigene und die der Produkte um ihn herum. Er spielte sogar mit dem Gedanken, der Tech-Branche den Rücken zu kehren und Modedesigner zu werden. Er veränderte gerne sein Aussehen, piercte sich die Nase oder benutzte Kastilienseife, um seine Haarpracht in Dreadlocks zu verwandeln. Seine Wandlungsfähigkeit im Erscheinungsbild wie bei den Interessen zog sich durch sein ganzes Leben, sodass sich einige Menschen in seinem Umfeld fragten, ob er einfach nur nach der richtigen Nische für sich suchte.
«Das Nasen-Piercing habe ich mir nur aus einem Impuls heraus machen lassen, ich dachte, das sieht echt cool aus», erzählte Dorsey später in 60 Minutes. «Es ging dabei nicht um ein bestimmtes Statement oder so etwas.»
Nach einigen freiberuflichen Programmierjobs in der Bay Area, darunter die Entwicklung eines Abfertigungsdienstes für die Fähren zur Insel Alcatraz in San Francisco,[3] landete Dorsey 2005 bei Odeo, einem Podcasting-Start-up, das der Webunternehmer Ev Williams in San Francisco aufbaute. Williams hatte zwei Jahre zuvor mit dem Verkauf seiner Publishing-Plattform Blogger an Google ein Vermögen verdient, und Odeo war sein nächstes Projekt. Mit Blogger konnte Williams stolz darauf verweisen, das Publizieren für die breite Masse zugänglich gemacht zu haben – damit konnte jeder seine eigenen Inhalte mit einem einzigen Klick online stellen. Er scheute die Moderation von Inhalten, weil er sie für eine unmögliche Aufgabe hielt, und ließ die meisten Beiträge auf seiner Plattform einfach stehen.
Der 28-jährige Dorsey schickte Williams seinen Lebenslauf und bekam ein Angebot für eine Stelle als freiberuflicher Programmierer bei Odeo, wo er sich schnell mit den anderen Cyberpunks der Belegschaft anfreundete.[4] Aber selbst in dieser exotischen Truppe stach Dorsey noch heraus. Er war ein ausgesprochen stiller Typ – Online-Chats waren ihm lieber als das persönliche Gespräch. Er hielt sich gerne im Hintergrund, wenn die Gruppe an Projekten arbeitete oder etwas trinken ging. Und obwohl er für den renommierten Blogger-Gründer arbeitete, führte Dorsey sein eigenes Tagebuch auf einer konkurrierenden Blogging-Plattform, LiveJournal.
Für die Anfangszeiten des Social Web war Dorsey ein produktiver Poster. Seine Persönlichkeit kam in seinen LiveJournal-Beiträgen durchaus zum Vorschein, aber er hatte das Gefühl, da würde irgendetwas fehlen. Auf beiden Plattformen brauchte es für den Nutzer ein gewisses Maß an Vorarbeit, um einen Beitrag zu verfassen – Sätze und Absätze eines Blogs zusammenstellen, Bilder von der Digitalkamera hochladen und bearbeiten –, bevor er ihn ins Netz stellen konnte. Es musste etwas Schnelleres, Spontaneres geben, wo man mühelos und ohne groß nachzudenken posten und teilen konnte.
«In Echtzeit, Up-to-date, von unterwegs», meinte Dorsey. Was ihm vorschwebte, war den Status-Updates des Instant-Messaging-Dienstes von AOL nachempfunden, bei denen die Nutzer Nachrichten darüber veröffentlichten, was sie gerade taten, woran sie dachten, oder auch kryptische Liedtexte, die ihre Stimmung ausdrückten.
Im Juli 2000 hatte er seine Idee mit blauem Kugelschreiber in einem Notizbuch skizziert und sie My.Stat.Us getauft, wobei er den Produktnamen mit schnörkeligen Kringeln verzierte.[5] In der Skizze war Dorseys Status «beim Lesen», es gab aber auch Optionen wie «im Bett» und «unterwegs in den Park». Damals ging Dorsey oft in den South Park in San Francisco, eine kleine Grünfläche im Stadtteil South of Market, eingebettet zwischen Bürohäusern der Tech-Firmen und Apartmenthäusern.
Er behielt seine Idee im Hinterkopf, während Odeo mehr schlecht als recht vorankam. Das Start-up hatte Mühe, Nutzer hinzuzugewinnen, und als Apple 2005 Podcasts in iTunes aufnahm, sah Odeo erst recht kein Land mehr. Dorsey erkannte die Chance und begann, Williams und anderen Führungskräften bei Odeo sein Konzept der Statusaktualisierung vorzustellen. Einer von ihnen, Noah Glass, fand, das Pingen einer Statusaktualisierung habe etwas von einem «Zwitschern» («twitch»). Er stöberte im Wörterbuch nach Begriffen, die mit tw- anfingen, und stieß irgendwann auf das Wort «twitter» für aufgeregtes Zschirpen eines Vogels.[6] «Twitter» hatte irgendwie etwas Atemloses, Faszinierendes. Die Odeo-Bosse kürzten es ab zu «Twttr» – das lag im Trend der frühen Nullerjahre, als verstärkt vokallose Start-up-Namen aufkamen, und es passte auch gut zu den in Textnachrichten verwendeten Kurzcodes, sodass die Nutzer Status-Updates mit dem Handy verschicken konnten. (Das dazugehörige englische Verb «to tweet» kam im Jahr 2007 auf – enthusiastische externe Softwareentwickler hatten nach einem Begriff gesucht, der beschreibt, was sie da gerade taten, wenn sie einen Post veröffentlichten.)
Im März 2006 war eine frühe Version des Dienstes startklar. «Richte gerade mein twttr ein», schrieb Dorsey. Es war der weltweit erste offizielle...
Erscheint lt. Verlag | 15.10.2024 |
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Übersetzer | Hans-Peter Remmler, Karsten Petersen, Marlene Fleißig, Oliver Lingner |
Zusatzinfo | 8 S. 4-farb. Tafeln |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Aktien • Börse • Bots • Character Limit • Demokratie • Digitalis • Elon Musk • Facebook • Fake News • Handy • Hashtag • Internet • Jack Dorsey • Libertarismus • Medienmacht • Meinungsfreiheit • Populismus • Pressefreiheit • Shitstorm • Social Media • Soziale Medien • Soziale Netzwerke • Trump • Twitter • Twitter Übernahme • Unternehmensgeschichte • USA • Wall Street • Wirtschaft • X |
ISBN-10 | 3-644-01910-X / 364401910X |
ISBN-13 | 978-3-644-01910-2 / 9783644019102 |
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