Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit -  Michael Noack

Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit (eBook)

Einzelfall-, gruppen- und gemeinwesenbezogen intervenieren

(Autor)

Rudolf Bieker (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
394 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036895-8 (ISBN)
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In diesem Lehrbuch wird ein Phasenmodell für methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit entworfen, das die wichtigsten Konzepte, Methoden und Verfahren entlang von fünf Hilfeschritten aufbereitet: Situationserfassung, Situationsanalyse, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Interventionsevaluation. Dabei wird auch erörtert, für welche der drei zentralen sozialen Arbeitsformen - Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit - sich die jeweiligen Konzepte, Methoden und Verfahren eignen. Welche Konzepte, Methoden und Techniken in den einzelnen Hilfeschritten geeignet sind und wie sie sich in der Praxis anwenden lassen, wird anhand von Fallgeschichten verdeutlicht.

Professor Dr. Michael Noack lehrt Methoden der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit/Quartiermanagement am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

1 Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit


Soziale Arbeit ist ein spannender Beruf. Die Tätigkeiten sind sehr abwechslungsreich, es stehen über die Kinder- und Jugendhilfe bis zur Altenhilfe alle Altersgruppen im Fokus.

Je nach Arbeitsfeld wird vorwiegend individual-‍, gruppen- oder gemeinwesenbezogen gearbeitet. Wie sich noch zeigen wird, können diese drei Formen Sozialer Arbeit auch ineinanderfließen.

Doch was ist Soziale Arbeit? Wofür gibt es diesen Beruf?
Um zu klären, was Soziale Arbeit in wissenschaftlicher und berufspraktischer Hinsicht auszeichnet, lässt sich ihre gesellschaftliche Funktion reflektieren. Jeder Beruf ist darauf angelegt, eine spezielle Funktion für die Gesellschaft zu erfüllen (vgl. Heiner, 2018, S. 33).

1.1 Was ist Soziale Arbeit?


T Was Sie in diesem Kapitel lernen können

In diesem Kapitel geht es um die gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit.

Mit dem Begriff der Funktion wird eine klar umrissene Aufgabe innerhalb eines größeren Zusammenhangs beschrieben (vgl. Dudenredaktion, 2023a). Die Funktion Sozialer Arbeit lässt sich reflektieren, indem geklärt wird,

  • a)

    welche gesellschaftlichen Ziele mit Sozialer Arbeit verfolgt werden und

  • b)

    wie die Leistungen Sozialer Arbeit erbracht werden können, um diese Ziele zu erreichen.

Einen Hinweis auf die Ziele Sozialer Arbeit liefert die Definition Sozialer Arbeit von der International Federation of Social Workers (IFSW):

»Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein.« (DBSH, 2019)

In dieser Definition wird Soziale Arbeit als Profession und nicht als Beruf bezeichnet. Der Fachdiskurs zur Frage, ob Soziale Arbeit ein Beruf oder eine Profession ist, wird in diesem Buch nicht behandelt. Die Grundsatzdebatte kann an anderer Stelle nachgelesen werden (vgl. u. a. Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 28 ff.; von Spiegel, 2021, S. 38 ff.; Galuske, 2013, S. 123 ff.).

An dieser Stelle sind die drei Zielsetzungen in der Definition des IFSW interessant, weil sich mit ihnen die Funktion Sozialer Arbeit skizzieren lässt:

  • 1.

    Im ersten Satz werden gesellschaftliche Veränderungen und soziale Entwicklungen angesprochen. Die gesellschaftlichen Ziele, die Sozialer Arbeit zugrunde liegen, sind mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft. Unter anderem legen die Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes fest, dass Deutschland ein Sozialstaat ist. Sozialstaatlichkeit wird sozialpolitisch realisiert, indem u. a. die Grundversorgung der Menschen gesichert und sozialer Frieden gewahrt wird (vgl. Stimmer, 2020, S. 53). Soziale Arbeit weist als sozialstaatlich organisierte Hilfe eine »Abhängigkeit von staatlicher Steuerung und direkter Einbindung in bürokratische Organisationen« (Galukse, 2013, S. 47) auf. Sozialarbeitende sind in der Regel in Organisationen tätig, die durch die öffentliche Hand finanziert werden (vgl. Stimmer, 2020, S. 53 f.). Die Arbeit der dort tätigen Fachkräfte orientiert sich an sozialrechtlichen Vorgaben, die das Ergebnis sozialpolitischer Entscheidungen sind (vgl. ebd., S. 54). Diese Vorgaben sind in den Sozialgesetzbüchern (SGB) zusammengefasst und regeln u. a., was für Hilfeleistungen von welchen Organisationen in einem Arbeitsfeld erbracht werden. So heißt es bspw. in § 3 Abs. 2 SGB VIII: »Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht.« Sozialrechtliche Vorgaben werden von Organisationen häufig konkretisiert, indem sie Konzepte entwickeln, aus denen hervorgeht, wie sie die vorgesehenen Hilfeleistungen erbringen. Dazu als Beispiel ein Auszug aus dem Konzept des Amts für Jugend und Familie der Stadt Graz:

»Kinder, Jugendliche und Familien bekommen benötigte Hilfe möglichst auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt. Sie werden dazu aktiviert, ihre eigenen Potenziale und Fähigkeiten einzusetzen, um gemeinsam mit dem Jugendamt Lösungswege zu erarbeiten und auch umzusetzen. Gefördert werden die Selbsthilfekräfte unter Einbeziehung der Möglichkeiten des Lebens- und Wohnumfeldes der Menschen, durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Vereinen im Sozialraum.« (Stadt Graz, 2023)

  • 2.

    Sozialarbeitende arbeiten mit eigensinnigen Menschen. Zum subjektiven Eigensinn gehören Vorstellungen über ein gutes Leben; er beeinflusst, was Menschen gerne tun, was ihnen Freude macht und welche Personen sie gern um sich haben oder hätten. Die persönlichen und eigensinnigen Lebensentwürfe der Menschen, die sie realisieren wollen, sind zentral für die Interventionsgestaltung.

  • 3.

    Die dritte Zielsetzung ergibt sich aus den Vorstellungen Sozialarbeitender über Soziale Arbeit. In Berufsverbänden wie der IFSW werden Ziele für Soziale Arbeit von Sozialarbeitenden entwickelt. Aus der Definition geht hervor, dass zur professionellen Eigenzielsetzung sowohl Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte als auch die theoriebasierte Arbeit gehören: Mit der Formulierung »dabei stützt sie sich auf Theorien ...« wird hervorgehoben, beim methodischen Handeln nicht willkürlich vorzugehen, sondern wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Welche Theorien und Konzepte bieten Orientierung?
An welchen Theorien und Konzepten sich Sozialarbeitende beim methodischen Handeln orientieren können, war und ist Thema vieler Fachdiskussionen. Taucht man in die Fachliteratur ein, ist eine enorme Vielfalt an theoretischen und konzeptionellen Perspektiven beobachtbar. Diese Vielfalt lässt sich hier nicht umfassend aufarbeiten, sie kann an anderer Stelle nachgelesen werden (bspw. bei Engelke, Borrmann, Spatscheck, 2018). Hier wollen wir uns damit begnügen, Perspektiven zu skizzieren, die im Fachdiskurs besonders häufig thematisiert werden:

  • Sozialarbeitende können Menschen dabei unterstützen, sich zu »empowern« (Herriger, 2019): Stärkung von individueller Eigenmacht und Autonomie sind für dieses Funktionsverständnis zentral. Menschen in prekären Lebenslagen sollen dabei unterstützt werden, ihr Leben (wieder) selbst in die Hand zu nehmen. Dafür werden ihre persönlichen Stärken und kollektive Ressourcen aufgegriffen.

  • Soziale Arbeit ist eine Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi, 2019): Die Basis der Menschenrechte ist die Menschenwürde. Staub-Bernasconi war die erste Sozialarbeitswissenschaftlerin, die die Menschenwürde als Anknüpfungspunkt für Soziale Arbeit hervorgehoben hat. Damit könne einerseits hinterfragt werden, inwiefern soziale Probleme zur Verletzung der Menschenwürde beitragen und somit den Menschenrechten entgegenstehen. Andererseits könne kritisch reflektiert werden, welche sozialarbeiterischen Handlungspraktiken nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind.

  • Soziale Arbeit zur stellvertretenden Inklusionsvermittlung, Exklusionsvermeidung und Exklusionsverwaltung: Für Bommes und Scheer (2000) vermitteln Sozialarbeitende zwischen individuellen Lebenslagen und gesellschaftlichen Funktionssystemen wie etwa dem Bildungssystem: »Die Soziale Arbeit heilt, therapiert, qualifiziert, erzieht usw. nicht abschließend und in erster Linie durch ihre Leistungen. Sie bemüht sich vielmehr um die Eröffnung von Zugängen sowie um die Ergänzung der Leistungen derjenigen Teilsysteme und Organisationen, die gesellschaftlich jeweils primär zuständig sind« (ebd., S. 77 f.). Unterstützen Sozialarbeitende junge Menschen erfolgreich im Bewerbungsprozess, wird ein Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet, was Bommes und Scheer Inklusionsvermittlung nennen. Wird ein junger Mensch in Ausbildungsschwierigkeiten bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten unterstützt und ein drohender Ausbildungsplatzverlust dadurch abgewendet, findet laut den Autoren eine Exklusionsvermeidung statt. Exklusionsverwaltung erfolgt bspw., wenn bei einer Massenentlassung viele Menschen arbeitslos werden, denen zunächst Arbeitslosengeld I oder II vermittelt wird.

  • Sozialraumorientierte Soziale Arbeit: Anders als es die Bezeichnung »Sozialraumorientierung« vermuten lässt, ist dieses Fachkonzept hochgradig personenbezogen. Im Mittelpunkt sozialraumorientierter Sozialer Arbeit...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-17-036895-8 / 3170368958
ISBN-13 978-3-17-036895-8 / 9783170368958
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