Hausverstand -  Hans Peter Doskozil

Hausverstand (eBook)

Mein Leben, meine Politik
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
ecoWing (Verlag)
978-3-7110-5338-1 (ISBN)
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Stationen der Lebensgeschichte eines Sozialdemokraten, der polarisiert Hans Peter Doskozil ist ein Politiker aus Überzeugung. Der burgenländische Landeshauptmann hat sich ganz der Verbesserung der Lebensumstände in 'seinem' Bundesland verschrieben. Dass er dabei auch aneckt und selbst in der eigenen Partei nicht nur Unterstützer hat, gehört für ihn zum Geschäft. In diesem Buch zeichnet er seine Lebensgeschichte, verwoben mit seinem beruflichen Werdegang, auf höchst spannende Weise nach. Eine Zeitreise von der Kindheit in Kroisegg bis ins Jahr 2024. - Politische Werte im Sinne der Sozialdemokratie und was der Hausverstand damit zu tun hat - Biografie eines Politikers: Wie der streitbare Burgenländer mit Schicksalsschlägen und Niederlagen umgeht - Hans Peter Doskozils politische Heimat: Verbundenheit und Konflikte mit der SPÖ - Politik in Österreich: Was der Landeshauptmann in den nächsten Jahren für sein Burgenland plant - Eurofighter, Mindestlohn, Migration und Integration: Stationen einer politischen Karriere Mit Sach- und Hausverstand gegen Machtmissbrauch und Ungerechtigkeit Hans Peter Doskozil hat mit dem Kapitel Bundespolitik abgeschlossen und sich ganz dem Burgenland verschrieben. Was er hier bereits erreicht hat und was in den nächsten Jahren ansteht, verrät er in diesem biografischen Buch auf sehr persönliche Weise. Seine Politik, seine Überzeugungen und wie er gelernt hat, mit seiner Kehlkopferkrankung zu leben, erzählt er in dieser Lebensgeschichte, die vor allem eines zeigt: Dass der streitbare SPÖ-Politiker sich ganz in den Dienst seiner Heimat stellt - mit Hausverstand.

Mag. Hans Peter Doskozil, geboren 1970 im steirischen Vorau, wurde österreichweit bekannt, als er 2015 als Landespolizeidirektor des Burgenlands die schwierige Flüchtlingssituation an der Grenze in Nickelsdorf in kontrollierte Bahnen lenkte. Der ausgebildete Polizist und studierte Jurist wurde 2016 Bundesminister für Landesverteidigung und Sport. 2018 wurde er zum Parteivorsitzenden der SPÖ Burgenland gewählt, ein Jahr später trat er das Amt als Landeshauptmann des Burgenlands an, im Jänner 2020 holte er bei den Landtagswahlen für seine Partei die absolute Mehrheit. 

21. Juni 1970
Der Tag, als ich geboren wurde


Wenn ich an meine Kindheit denke, dann erinnere ich mich immer wieder an den Geruch von frisch gemähtem Gras. In meinem Heimatort Kroisegg, einem kleinen Grenzort an der burgenländisch-steirischen Grenze in der Nähe von Pinkafeld, gibt es einen Fußballplatz, wie in praktisch jeder Gemeinde. Er wurde vom Sportverein, ein wichtiger Teil der Dorfgemeinschaft, gepflegt. Dazu gehörte auch, regelmäßig das Gras zu mähen und den Abschnitt zu entsorgen. Wir fußballbegeisterten Buben waren fürs Rechen und Wegschaffen des frischen Grases zuständig. Es roch herrlich. Wann immer mir der Duft von frisch gemähtem Gras in die Nase steigt, muss ich an damals denken. An meine schöne, wohlbehütete Welt, in der ich aufwuchs.

Meine ersten fünf Lebensjahre verbrachte ich allerdings in der Siedlung Blumental unweit von Kroisegg. Wie Kroisegg war auch Blumental ein Grenzort zwischen den Bundesländern Burgenland und Steiermark. Staatsgrenze ist das natürlich keine, aber immerhin, es ist ein geteilter Ort. Zwei Häuser standen in der Steiermark, drei Häuser im Burgenland. Kein Wunder, dass mich das Bild der Grenze, die Grenze als Metapher, schon mein ganzes Leben beschäftigt. Danach zogen meine Eltern ins benachbarte Kroisegg. Meine Eltern arbeiteten hart und sparten, damit sie sich ein Einfamilienhaus bauen konnten – der Traum einer jeden Arbeiterfamilie in den 1970er-Jahren.

Ich komme also aus einfachen Verhältnissen. Meine Oma, eine resolute Frau, betrieb in der Nachkriegszeit eine kleine Landwirtschaft in Blumental, drei Hektar Grund gehörten zum Hof. Ihr Mann, mein Opa, ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Ich kenne von ihm kein Foto, auf dem er lächelt. Er war zum Glück kein überzeugter Nazi, sondern einer, der nicht aus konnte. Mein Vater war das einzige Kind, seine Schwester starb, als sie ein paar Tage alt war. Mann im Krieg verloren, Tochter verloren, alleinerziehend: Meine Oma hatte das Schicksal vieler Kriegswitwen nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich allein um ihre Familien kümmern mussten. Mein Vater wuchs also ohne Vater auf. Ein älterer Freund in der Nachbarschaft, ein Russe namens Ivan, der als Koch in einem sowjetischen Stützpunkt arbeitete, war da sicher kein Ersatz. Meine Oma hat von diesen harten Jahren nie erzählen wollen, aber mein Vater, Johann Doskozil, Jahrgang 1938, hat paradoxerweise gute Erinnerungen an seine frühen Jugendjahre. Ivan arbeitete als Koch und nahm ihn mit zum Einkaufen nach Pinkafeld oder auf die Jagd, ließ ihn seine Waffe tragen, und vor allem gab er ihm auch immer etwas zum Essen mit nach Hause. Mein Vater gehörte damals nicht zu den vielen Pendlern, er blieb zu Hause. Zuerst wurde er Fahrschullehrer in Pinkafeld. Später wechselte er zur BEWAG, der Burgenländischen Elektrizitätswirtschafts Aktiengesellschaft, heute kurz »Burgenland Energie« genannt. Dort gehörte er zum Instandsetzungstrupp, der Transformator-Stationen und Leitungen wartete. Er war immer sehr stolz darauf, für dieses Unternehmen zu arbeiten.

Meine Familie mütterlicherseits stammt aus Dreihütten in der burgenländischen Gemeinde Bernstein, hart an der Grenze zu Niederösterreich. Die Familie meiner Mutter war eher christlich-sozial, wählte also Schwarz. Mein Großvater mütterlicherseits war sogar ÖVP-Bürgermeister in Dreihütten. Sie waren außerdem Protestanten und recht liberal gesinnt. Väterlicherseits war die Familie katholisch, sogar sehr katholisch, und sozialdemokratisch. Meine Mutter, Herta Doskozil, 1948 geboren, entsprach ganz dem Idealbild einer Bürgermeistertochter: sehr korrekt und tüchtig. Sie arbeitete vor meiner Geburt einige Jahre in einer Fabrik in Willersdorf. Nach meiner Geburt blieb sie zu Hause und kümmerte sich um die wachsende Familie. 1977 kam meine Schwester Birgit auf die Welt, im Jahr 1984 mein Bruder Klaus.

Wenn man so will, hat sich die ganze Vielfalt des Burgenlands in meiner Familie im Kleinen widergespiegelt. Das kleine östlichste Bundesland tickt in vielerlei Hinsicht anders. Um das zu verstehen, lohnt ein Blick in die Geschichte. Die Randlage im Osten, die besonderen klimatischen Bedingungen bieten eine einzigartige Kombination. Bergland trifft auf Tiefebene. Der Neusiedler See positioniert sich als trennendes Element. Demgemäß ist die Wirtschaft vollkommen anders strukturiert. Vor allem die Landwirtschaft. Monokulturen auf adeligem Großgrundbesitz, bearbeitet von vielen Tagelöhnern ohne eigenen Besitz an Grund und Boden, versorgten den Wiener Hof. Die besitzlosen Tagelöhner hatten eine vollkommen andere Beziehung zu ihrer Arbeit und zum Boden, den sie bearbeiteten, als etwa die besitzenden Bauern in anderen Bundesländern. Dort entwickelte sich über Generationen ein inniges Verhältnis zu »ihrer« Scholle und ein dementsprechendes Selbstbewusstsein. Die besondere burgenländische Ausgangssituation bietet die Grundlage für eine lockere Selbstverständlichkeit im alltäglichen Umgang mit anderen Sprachen, eine gegisse Toleranz das fahrende Volk betreffend, ein unaufgeregteres Nebeneinander verschiedener Kulturen. Wenn niemandem etwas gehört, sind alle ein wenig gleicher.

Während der Weltkriege und in der Nachkriegszeit war ganz Österreich schwer gebeutelt. Aber im Burgenland waren durch ebendiese Randlage der Krieg, die Kriegsgefahr und dann der Eiserne Vorhang immer ein Stück näher als anderswo. Nach 1945 kam eine intensive Aufbauphase. Ich erinnere mich an die Erzählungen meines Vaters, die von einer Art unbewusstem Verständnis von Toleranz und vom Miteinander-Leben und -Arbeiten berichteten. Wer in der Besatzungszeit zwischen 1945 und 1955 hier war und versucht hat, sich etwas aufzubauen, konnte und wollte sich nicht damit aufhalten, ob nun einer Jude ist oder Roma, ob Kroate oder Ungar. Es ist ums nackte Überleben gegangen. Und zwar nicht nur wirtschaftlich. Es war auch notwendig, mit den russischen Besatzungssoldaten wie dem schon erwähnten Koch Ivan auf sozialer Ebene zurechtzukommen. Wenn der allgemeine Druck so groß ist, dann schweißt das jene, die ihn gemeinsam erleiden, zusammen. Wenn man aufeinander aufpassen muss und einander unterstützt, egal, ob wie damals mit Lebensmitteln oder Hilfeleistungen, entsteht ein Miteinander, das man Kameradschaft oder Solidarität nennen kann. Als das Haus meiner Großeltern väterlicherseits nach Kampfhandlungen getroffen gurde und abbrannte, gurde es mithilfe aller wieder aufgebaut. Da gab es keine Neidgenossen, sondern nur eine Nachbarschaft, in der alle dieselbe Ausgangslage hatten. Und die war für alle gleich schlecht.

Wenn verschiedene Kulturen zusammenleben, spielt auch Religion stets eine wichtige Rolle. Obwohl das Burgenland historisch stets eine Anlaufstelle für religiös Verfolgte war, gab es noch vor wenigen Jahrzehnten gewisse Bruchlinien. Von meinen Eltern weiß ich, dass eine Verständigung zwischen den Menschen verschiedener Religionen in ihrer Jugend gar nicht selbstverständlich war. Als es etwa darum ging, die Hochzeitszeremonie meiner Eltern zu organisieren, wurde noch heftig diskutiert, ob der katholische Pfarrer ein Paar trauen darf, dessen eine Hälfte der evangelischen, die andere der katholischen Glaubensgemeinschaft angehört. Solche Diskussionen gehören zum Glück der Vergangenheit an.

Meine Heimat, Kroisegg, war vorwiegend katholisch. Die Evangelischen waren mit drei Mitgliedern in der Minderheit. Von den dreien war eine meine Mutter. Der Austausch zwischen Kulturen und Glaubensgemeinschaften ist mir persönlich aufgrund meiner eigenen Herkunft ein Anliegen, nicht minder als Politiker. So sehe ich das jüdische Erbe des Burgenlands auch als wichtigen Bestandteil der Geschichte der gesamten Region. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung die Synagoge Kobersdorf gekauft und renoviert. Sie fungiert heute als Ort des Dialogs, für Veranstaltungen und interreligiöse Begegnungen. Auch die Synagoge in unmittelbarer Nähe zur Burg Schlaining, die auch das international bekannte Friedenszentrum beherbergt, wurde im Auftrag der Landesregierung renoviert.

Als Kind ist man in erster Linie den Einflüssen der unmittelbaren Umgebung ausgesetzt. In meinem Fall als Kind am Land waren das das Elternhaus und die Schule. Ich selbst habe mich hauptsächlich für Sport interessiert. In der Schule war Politik überhaupt kein Thema, im Elternhaus hingegen schon.

Meine Großmutter starb, als ich zehn Jahre alt war, trotzdem habe ich sehr starke Erinnerungen an sie. Sie war liebevoll und mir zugewandt, ein Ausgleich zu meinen sehr beschäftigten, weil hart arbeitenden Eltern. Als sie starb, war sie erst 69 Jahre alt, aber in ihren letzten zehn Lebensjahren schon stark vom Rheuma gezeichnet. Sie konnte das Haus nicht mehr verlassen und war dadurch für mich im Haus sehr präsent. Oft lief Heinz Conrads, der Lieblingsmoderator meiner Oma, im Schwarz-Weiß-Fernsehen. Sie war sehr gläubig. Eines der Dinge, die ich von ihr aufgehoben habe, ist ein Gebetbuch, das sie mir geschenkt hat. Es ist komplett zerfleddert, gespickt mit kleinen Kärtchen von Wallfahrtsorten. Für sie waren diese Bildchen das, was für mich Fußballbegeisterten die Panini-Sammlung war. Sie bewahrte es in einer kleinen grünen selbstbemalten Schatulle auf. Auch die habe ich noch. Beim Rosenkranzbeten nachmittags durfte ich sie nicht stören. Sie betete jeden Tag für gut eine Dreiviertelstunde. In der Volksschule erklärte ich dem Religionslehrer, unserem Pfarrer, dass ich gern sein Nachfolger werden will. So stark hat die christliche Erziehung meiner Oma mich damals geprägt.

Der sonntägliche Kirchgang war aus ihrer Sicht natürlich Pflicht. Sie konnte nicht mehr gehen, aber ich musste sonntags...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7110-5338-6 / 3711053386
ISBN-13 978-3-7110-5338-1 / 9783711053381
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