Deutsche Kolonisten in Dänemark und Russland -  Jakob Maul

Deutsche Kolonisten in Dänemark und Russland (eBook)

Schicksal, sozialpolitische Gründe und Folgen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
294 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1647-7 (ISBN)
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Nach einem schweren Anfang erlebten die deutschen Kolonien in Russland auch blühende Jahre, die leider nicht lange anhielten. Nachdem die deutschen Kolonisten ihre wirtschaftlichen und politischen Aufgaben erfüllt hatten, begannen antideutsche Ressentiments in der russischen Gesellschaft zu wachsen. Hinzu kam ein steigender Landmangel, der die Übersiedlung nach Sibirien und Zentralasien sowie gleichzeitig die Massenauswanderung aus Russland nach Nord- und Südamerika verursachte. Dieser 60-jährige Zeitraum und die Massenauswanderung der deutschen Bevölkerung zurück nach Deutschland nach dem Zusammenbruch der UdSSR sowie die politischen, ökonomischen und anderen globalen Ursachen für diese einzigartige und massenhafte Emigration werden in diesem Buch ausführlich untersucht und beschrieben. Am Ende des Buches präsentiert der Autor das Leben der deutschen Kolonisten und ihrer Nachkommen in Russland im Spiegel seiner eigenen Familiengeschichte, die 1760 mit der Auswanderung nach Dänemark aus der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt begann und insgesamt 233 Jahre im Ausland andauerte. In dieser Zeit gehörten die Mitglieder der Familie dem Heiligen Römischen Reich der Deutschen an, erlangten dann dänische, russische, sowjetische und kasachische Bürgerschaft, um nach der Rückkehr nach Vaterland die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Ein ähnliches Schicksal erlebten auch die meisten anderen Familien der deutschen Kolonisten.

Prof. Dr. Jakob Maul wurde in Kasachstan geboren, wohin seine Eltern während des Zweiten Weltkriegs aus einer früheren deutschen Kolonie im Wolgagebiet deportiert wurden. Seit 1993 lebt und arbeitet er in Deutschland.

Vorwort


Der Anstoß zum Schreiben dieses Buches war der Abschluss meiner langjährigen Suche nach meinen Vorfahren und insbesondere nach Informationen über die Kolonistenvergangenheit meiner Vorfahren in Dänemark vor ihrer Auswanderung nach Russland. Gleichzeitig konnte ich eine lange geplante Aktualisierung der Statistiken und des Textes meines vor sieben Jahren erschienenen Buches "Die deutschen Auswanderer im 18./19. Die Teile dieses Buches, die sich mit der Theorie des Problems und mit dem russischen Kolonisationsprojekt befassen, sind in überarbeiteter und zusammengefasster Form in das vorliegende Buch übernommen worden.

Die Informationen über die dänische Vergangenheit meiner Vorfahren als Kolonisten veranlassten mich, die Geschichte der deutschen Auswanderung nach Dänemark unter die Lupe zu nehmen. Es stellte sich schnell heraus, dass diese Ereignisse recht gut erforscht und in zwei grundlegenden Büchern ausführlich beschrieben sind. Das erste, ein Lebenswerk von Otto Clausen, heißt „Chronik der Heide- und Moorkolonisation im Herzogtum Schleswig (1760-1765)“ und beeindruckt den Leser auf Anhieb mit 895 fein gedruckten Seiten. Das Buch beschreibt detailliert die gesamte Geschichte und Auswanderung der deutschen Kolonisten nach Dänemark im 18. Jahrhundert. Das Ganze basiert auf jahrzehntelangen Recherchen von hunderten von Dokumenten aus allen verfügbaren Quellen, bekannten Veröffentlichungen und Forschungen zu diesem Thema.

Das zweite Buch „Die Einwanderung deutscher Kolonisten nach Dänemark und ihre weitere Auswanderung nach Russland in den Jahren 1759-1766“ wurde von Dr. Alexander Eichhorn, einem deutschen Autor aus Kasachstan, und Dr. Jacob Eichhorn und Mary Eichhorn aus den USA herausgegeben. Das Buch, das in deutscher und englischer Sprache erschienen ist, stellt eine wichtige Neuerscheinung in der Literatur über die Geschichte der deutschen Kolonisten dar. Unter anderen wichtigen Informationen über die dänische Heidekolonisation sind die Transportlisten nach Jütland und dem Herzogtum Schleswig mit Tausenden von Namen der deutschen Kolonisten aufgeführt. Zum ersten Mal werden auch die Namen der Kolonisten veröffentlicht, die weiter nach Russland ausgewandert sind, was das Buch besonders bei den sogenannten Russlanddeutschen begehrt macht.

Alle anderen Veröffentlichungen, meist kleinere und im Internet, bauen in der einen oder anderen Weise auf den Informationen dieser beiden Bücher auf. Auch ich bin den oben genannten Autoren für ihre Forschungen und Veröffentlichungen dankbar, die ich bei der Beschreibung der Geschichte der deutschen Kolonisten in Dänemark immer wieder zitieren werde.

Damals war Deutschland noch kein einheitlicher Staat. Mehrere hundert selbständige Fürstentümer, die zwar ein zusammenhängendes Gebiet in Mitteleuropa einnahmen, aber nur lose miteinander verbunden waren, gehörten zum „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“. Der gerade zu Ende gegangene Siebenjährige Krieg und der zuvor in Europa gewütete Dreißigjährige Krieg hatten zu einer abrupten Verarmung der Menschen, zu einer Erschöpfung ihrer Lebenskräfte und zu einem Gefühl der Ausweg- und Perspektivlosigkeit in weiten Teilen der Bevölkerung geführt. Vor diesem Hintergrund bildete sich in Europa zunehmend ein stabiles Wanderungssystem mit festen Wanderungstraditionen der Bevölkerung heraus. Sie wanderten sowohl im eigenen Land als auch über die Landesgrenzen hinaus und legten auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben weite Strecken zurück.

In diesem Buch wird der lange und gefährliche Weg der deutschen Kolonisten ins ferne Dänemark und Russland beschrieben. Hunger, Kälte und zahlreiche Krankheiten prägten die Reise. Die Hartnäckigkeit und Besessenheit vieler tausend Menschen, die monate-, manchmal jahrelang unterwegs waren, dabei Kinder, Angehörige und Nahestehende verloren und doch das ersehnte Land erreichten, auf dem sie sich den Beginn eines neuen Lebens erträumten, löst schlichtweg Begeisterung aus. Das Buch untersucht und beschreibt die globalen Ursachen der Massenauswanderung der deutschen Kolonisten. Diese sind:

  • Die politische und wirtschaftliche Schwäche der zahlreichen, voneinander getrennten deutschen Staaten und Fürstentümer, die eine gemeinschaftlich organisierte Sicherung der Außengrenzen und einheitliche Auswanderungs- und Zollgesetze nicht ermöglichten.
  • Fehlen von Kolonialbesitz auf deutscher Seite, was die Möglichkeiten einschränkte, diesen für die Umsiedlung der eigenen „überschüssigen“ Bevölkerung zu nutzen.
  • Vergleichsweise später Beginn der industriellen Revolution im Land, wodurch die Option, der schnell wachsenden Landbevölkerung Arbeitsplätze in den verschiedenen Industriezweigen bereitzustellen, nicht gegeben war.

Dabei gehen wir davon aus, dass die von uns formulierten globalen Ursachen der Massenemigration das Wirken und die Bedeutung der Ursachen zweiten Grades, zu denen die verschiedenen politischen, religiösen, wirtschaftlichen und persönlichen Auswanderungsmotive gehören, wesentlich bestimmt haben.

Die Ansiedlung von Deutschen in Russland dauerte etwa 100 Jahre. In dieser Zeit entstanden deutsche Siedlungen in den wilden Steppen des Wolgagebietes, bei St. Petersburg und Woronesch, im Schwarzmeergebiet, in Bessarabien, am Don, im Nordkaukasus und im Kaukasusvorland, am Ural, in Sibirien, Kasachstan und Mittelasien. Die deutschen Siedlungen hießen damals Kolonien, ihre Bewohner Kolonisten. Durch ihren langen und unermüdlichen Einsatz verwandelten sie die einst öden Steppengebiete und wenig oder gar nicht erschlossenen Landstriche in wirtschaftlich entwickelte Regionen mit blühenden Siedlungen und trugen insgesamt wesentlich zur allgemeinen Entwicklung Russlands bei, das ihnen zur Heimat geworden war.

Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einhundert Jahre nach der Ankunft der ersten Kolonisten, zogen jedoch erstmals dunkle Gewitterwolken am Himmel der deutschen Bevölkerung auf. Das rasante Bevölkerungswachstum führte zu akutem Landmangel. Die Machthaber wollten nichts mehr davon wissen, dass sie die deutschen Kolonisten, die ihnen hunderte von Jahren treue und ergebene Untertanen gewesen waren, einst eingeladen hatten. Nun, da die deutschen Kolonisten die ihnen übertragene Aufgabe erfüllt und die einst öden Landstriche in blühende Ländereien verwandelt hatten, begannen die Machthaber und Teile der politischen Elite in ihren Gesellschaften antideutsche Ressentiments zu schüren. Gegenüber den deutschen Siedlern, deren wachsender Wohlstand und Erfolge in der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion im deutschen Einflussbereich Neid und wahllose Anklagen hervorriefen, setzte sich zunehmend eine ablehnende Haltung durch.

Im Zuge der Reformen Alexanders II. wurde den Deutschen 1871 ihr privilegierter Sonderstatus als Kolonisten entzogen und ab 1874 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Damit wurden die wichtigsten Privilegien aus der Zeit Katharinas II. aufgehoben, die sie ihren Vorfahren als dauerhaftes Geschenk gemacht hatte. Zudem hatten die nachfolgenden Zaren Pawel I., Alexander I. und Nikolaus I. diese Privilegien durch wiederholte Zarenerlasse bestätigt.

Es bedarf keines Beweises, dass es gerade diese Vergünstigungen und Privilegien der herrschenden Monarchen waren, die einst den Ausschlag für die Übersiedlung der deutschen Bauern nach Russland gegeben hatten. Das Buch schildert diese Zeit ausführlich und zeigt überzeugend, dass nicht alle Kolonisten bereit waren, den Verlust ihrer Privilegien einfach hinzunehmen, und viele von ihnen Russland den Rücken kehrten. Sie ließen nicht nur ihre zivilisierte Heimat und ihr Land zurück, sondern auch die Gräber ihrer Vorfahren, die ein Jahrhundert zuvor auf der Suche nach einem besseren Schicksal und einer neuen Heimat nach Russland gekommen waren.

Die Deutschen, die in Russland blieben und nun den russischen Bauern gleichgestellt waren, setzten ihre ehrliche Arbeit fort, trugen erfolgreich zur Entwicklung der Landwirtschaft, der Viehzucht, der industriellen Produktion, der Bildung und der Kultur bei und glaubten weiterhin an eine bessere Zukunft. Die dynamische und erfolgreiche Entwicklung der deutschen Kolonien als integraler Bestandteil der russischen Gesamtwirtschaft rief jedoch bei einem Teil der Gesellschaft eine tief verwurzelte ablehnende Haltung gegenüber den deutschen Kolonisten hervor. Die Tatsache, dass das vereinigte Deutschland 1871 auf der Weltbühne erschien, spielte dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, da Russland nun in Deutschland seinen politischen und wirtschaftlichen Hauptgegner in Europa sah.

Die nationalistische und chauvinistische Presse bemühte sich, den Neid auf die sichtbaren Erfolge der deutschen Minderheit zu schüren und Gründe für die Konfiszierung ihres umfangreichen Grundbesitzes und anderer Besitztümer zu finden. Die sich ständig verschärfenden antideutschen Ressentiments entluden sich zu Beginn und während des Ersten Weltkrieges in einer antideutschen Hysterie, in Pogromen und im Kampf der zaristischen Machthaber gegen den "deutschen Einfluss". In dieser Zeit setzte auch die...

Erscheint lt. Verlag 12.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-1647-4 / 3759716474
ISBN-13 978-3-7597-1647-7 / 9783759716477
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