Als ich meine Sprache verlor ..... -  Margrit During

Als ich meine Sprache verlor ..... (eBook)

Diagnose: Aphasie und Sprechapraxie
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
334 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1696-5 (ISBN)
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Wie oft lernen wir vermeintliche Selbstverständiglichkeiten erst dann zu schätzen, wenn wir sie (fast) verloren haben. So ging es mir 2021 nach einem Schlaganfall. Ich möchte mit diesem Buch zeigen, dass es möglich ist mit Energie, Disziplin und viel Therapie die Sprache wieder zu erlernen. Nachdem ich meine eigene Geschichte erzählt habe, kommen zwei Logopädinnen zu Wort sowie neun Menschen, die ebenfalls eine Aphasie haben.

Dr. Margrit During, geboren 1953, Dipl. Sozialpädagogin, Dipl. Volkswirtin, Dipl. Sozialökonomin, Psychotherapeutin (HPG), bis zum Schaganfall Beraterin an der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Erzbistum Hamburg. Buchveröffentlichung 2001: Lebenlagen von betreuten Menschen

Im Krankenhaus
Die Einweisung

Dann ging es mit dem Rettungswagen los. Ich konnte nach rechts aus dem Wagen schauen. Ich weiß nicht, ob das Martinshorn an war. Aber ich konnte den Weg gut verfolgen: erst in den Lenzweg, dann in den Eidelstedter Weg, vorbei an der Wohnung meiner Freundin Ulrike, dann die Troplowitzstrasse weiter in die Martinistrasse vorbei an der Wohnung einer weiteren Freundin, Barbara, und links auf das Gelände des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf (UKE).

Die Fahrt ins Krankenhaus dauerte keine 10 Minuten und schon war ich in der Notaufnahme. Das Plastikbändchen, welches mir umgebunden wurde, gab als Aufnahmedatum 07.02.21 um 13.50 Uhr an. Zwischen Schlaganfall und Krankenhaus lagen fast 6 Stunden, eine lange Zeit. Schnell kümmerten sich mehrere Krankenpfleger um mich. Ich wurde zwischen verschiedenen Räumen hin- und hergeschoben. Wahrscheinlich war ich zwischendurch noch einmal ohne Bewusstsein. Ich habe nicht mitbekommen, wie sie mir die Schuhe und Jacke ausgezogen haben und auch die Ohrstecker wurden entfernt, ohne das ich das mitbekommen habe. Auch den PCR Testabstrich, der gemacht wurde, um eine Infektion mit SARS-CoV-2 abzuklären bzw. auszuschließen, habe ich nicht mitbekommen. Es wurde mir nur hinterher erzählt. Schließlich wurde ich von einer Liege auf dem Operationstisch gehoben. Die Pfleger fragten, ob sie mein T-Shirt zerschneiden dürften. Da stimmte ich natürlich zu. Dann wurde eine weiße Tuchwand zwischen Ober- und Unterkörper gestellt und dahinter hörte ich den Arzt. Ich hatte keine Angst und viel Vertrauen. Der Arzt ist mit einem Katheter von der Leiste bis hinauf in den Kopf gegangen. Er sprach die ganze Zeit mit mir. Ich erinnere nicht, was er sagte, aber es war beruhigend. Irgendwann sagte er: »jetzt tut es weh«. Und ein höllischer Schmerz zuckte durch meinen Kopf, vielleicht 2 Sekunden. Ich bin der Meinung, das wiederholte sich noch einmal. Bin mir aber nicht sicher. Dann war der Thrombus entfernt. Der Arzt sagte mir gleich nach dem Eingriff, dass am nächsten Tag die Therapien beginnen würden. Noch im Operationssaal wurden mir vom Krankenpfleger verschiedene Fragen gestellt, die ich alle nicht beantworten konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ich scheinbar desorientiert - nicht im eigentlichen Sinne, da ich wusste, wo ich war und auch die Fragen verstanden hatte, aber ich war unfähig, diese zu beantworten. Das lag nicht nur daran, dass ich nicht sprechen konnte. Irgendetwas war im Kopf nicht mehr in Ordnung.

Interview: Sonja und Wiebke

Sonja: Als du auf dem Weg ins Krankenhaus warst, haben Wiebke und ich uns in der Wohnung umgeguckt, ob wir irgend einen Anhaltspunkt finden, wann der Schlaganfall vielleicht gewesen ist. Danach hatten die Sanitäter und die Ärzte, mit denen ich gleich nach deiner Ankunft im Krankenhaus telefonisch gesprochen hatte, gefragt. Davon hing die weitere Behandlung ab. Wir haben gesehen, dass eine Kaffeetasse am Bett stand. Daraus schlossen wir, dass du wach gewesen sein musst. Da war auch noch etwas Kaffee drin. Wir haben gesehen, dass eine Urinpfütze im Bad war, die haben wir noch weggemacht. Dann haben wir deinen Kalender durchforstet, was du für Termine da drin stehen hast und wir haben versucht, das zuzuordnen. Wiebke hat in der Beratungsstelle4 Bescheid gegeben. Ich glaube, du hattest eine Gabriele für Freitag notiert und wir haben überlegt, welche Freundin das denn sein könnte. Wir haben im Adressanhang deines Kalenders nach den Namen gesucht, um ihr Bescheid zu geben. Ansonsten haben wir erstmal ein paar Sachen eingepackt, damit du etwas im Krankenhaus hast. Dann habe ich an Volker eine WhatsApp Nachricht geschrieben.

Sonja an Volker 7.2. (14.06 Uhr):

»Hallo Volker, meine Mutter ist ins UKE gekommen. Wir haben ein paar Sachen eingepackt. Wir fahren ins UKE. «

Wiebke erinnert sich ebenfalls an die dramatische Situation:

Wiebke: Sonja und ich haben uns umgesehen: haben oben im Badezimmer ein bisschen was weggewischt und den Kaffeebecher gefunden. Du hattest das Bett gemacht und die Unterhose auf‘s Waschbecken gelegt. Wir sahen in deinem Kalender, dass du in der nächsten Woche Termine in der Beratungsstelle hattest. Deswegen habe ich da angerufen und auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass du ausfällst und deswegen hat Susanne aus der Beratungsstelle mich am nächsten Tag angerufen.

Es war klar, dass Sonja erst mal den Kontakt zum Krankenhaus hält, um zu erfahren, wie es dir geht. Ja gut, ich habe dann ..... auf der einen Seite war ich positiv gestimmt. Auf der anderen Seite hast du mir einen tierischen Schrecken eingejagt und die nächsten Tage, war ich fix und fertig. Ich war total fertig und auf der anderen Seite versuchte ich in so einen »mach-modus« einzusteigen, wie bei Bernd-Helge, unser 2014 verstorbener Bruder, um das auszuhalten.

Sonja: Volker ist nach Hamburg gekommen. Ja genau, wir hatten ja die Sachen gepackt und sind ins UKE gefahren, um die Tasche abzugeben und währenddessen habe ich mit Volker telefoniert, weil er gerade in Hamburg angekommen ist. Wir haben gesagt, dass wir die Tasche im UKE abgegeben haben und dass wir noch mal zurück zu ihm kommen, um ihm zu erzählen, was passiert ist. Für ihn war das ja auch ein großer Schreck. Wir haben uns große Sorgen gemacht. Du hättest ja noch sterben können - da wussten wir ja noch gar nichts. Volker wollte es mir überlassen, mit den Ärzten zu sprechen. Bin der Meinung, dass ich auf jeden Fall am Sonntag mit der Ärztin telefoniert habe und sie sagte mir, dass der Eingriff gut geklappt hat und sie hat auch gefragt, wann das denn wohl passiert ist? Und ich habe ihr auch erzählt, was Wiebke und ich gesehen haben im Haus. Weil wir ja nicht wussten, wann es passiert ist, haben sie den mechanischen Eingriff gemacht. Was ja auch gut geklappt hat. Sie sagte, dass auch dein Bein, als du angekommen bist, gelähmt war. Sie hat uns erzählt, wenn das Ereignis erst kurz her ist, kann man Medikamentenehmen, die den Thrombus auflösen und weil sie nicht wussten, wie lange das her ist, haben sie das Gerinnsel mechanisch entfernt. Die Ärztin hat mir versehentlich von einer anderen Patientin erzählt und ich dachte: nee das passt nicht. Die andere Patientin kam im Rollstuhl. Dann hat die Ärztin bemerkt, dass das ein Versehen war und sie hat sich auch entschuldigt und dann doch das Richtige erzählt.

Wir hatten erst Kontakt zum Krankenhaus, als die Operation schon durch war. Also die Info, dass wir nicht wussten, wie lange das her ist, haben wir nur den Rettungssanitätern gegeben.

Wiebke: Als schon klar war, wir haben dich nicht verloren und du bist auf dem Wege der Besserung, war es trotzdem wie so ein Schuss vor dem Bug - keine schöne Zeit. Vor allem hat das noch mal die Endlichkeit klargemacht, mein Worst Case sozusagen. Das hat mir noch mal klar gemacht, was irgendwann kommen wird, dass du irgendwann stirbst. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß, dass du vor mir sterben wirst und davor habe ich Angst, aber so ist das Leben. Und dann habe ich Sonja und Volker angeboten, dass ich die Kommunikation mit dem Krankenhaus übernehme, weil ich gedacht habe, auch wenn ich keine Schlaganfall-Fachfrau bin, könnte ich mich relativ schnell schlau machen. Hatte auch gedacht, dass als Ursache Vorhofflimmern infrage kam, was sich dann auch bewahrheitet hat. War insoweit froh, dass ich helfen konnte und die Kommunikation zu Sonja und Volker aufrecht hielt.5

Sonja: In den folgenden Tagen habe ich mich mit Wiebke im Kontakt mit den Ärzten abgelöst. Vor allen Dingen hat Wiebke mit den Fachärzten gesprochen und wir haben uns ausgetauscht und versucht, Volker auf dem Laufenden zu halten. Auf alle Fälle haben wir das, was zu tun war, unter uns dreien aufgeteilt. Und ich habe Volker gesagt, versuch wenigstens mit deiner Freundin Susi darüber zu sprechen, damit er nicht ganz alleine davor steht. Das wollte er aber zuerst nicht, ich weiß nicht, ob er dann nach zwei Tagen erst mit Susi gesprochen hat. Auf jeden Fall habe ich versucht, ihn zu drängen, dass er etwas macht, damit er nicht die ganze Zeit alleine ist. Und weil er eh nichts machen konnte, ist er erstmal wieder nach Bennin gefahren.

Dann hieß es ja, du brauchst deine PIN für das Handy. Wir haben Volker gefragt, wie die wäre, aber das wusste Volker nicht.

Interview: Volker

Als ich in Hamburg ankam, waren Sonja und Alex hier und du warst schon weg. Sie haben mir alles erzählt. Und dann war es so, sagte Sonja, dass du jetzt im Krankenhaus bist und wir abwarten müssen, was jetzt passiert. Und sie hatte schon, worüber ich ganz dankbar war, einen großen Teil der Organisation übernommen. Sie hatte Sachen für dich zusammengepackt, was du im Krankenhaus brauchen würdest. Das wäre mir viel schwerer gefallen und ich hätte auch gar nicht gewusst, was du so brauchen könntest. Ich weiß gar nicht, was ich noch erzählen sollte. Das meiste habe ich schon verdrängt. Du musst schon fragen, was du wissen willst.

ICH: Warst du aufgeregt, als du nach Hamburg gefahren bist?

VOLKER: aufgeregt ist nicht das richtige Wort. Beunruhigt andererseits auch wieder nicht. Es ist ja, wie es ist. Das einzige ist, man weiß ja nicht: Schlaganfall kann ja von bis...

Erscheint lt. Verlag 14.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-1696-2 / 3759716962
ISBN-13 978-3-7597-1696-5 / 9783759716965
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