Freudenberg -  Carsten Knop

Freudenberg (eBook)

Ein Start-up der Revolution

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
550 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-46038-3 (ISBN)
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Zum ersten Mal seit seiner Gründung vor 175 Jahren, mitten in der Revolution von 1848/49, hat das Familienunternehmen Freudenberg aus dem badischen Weinheim seine Unternehmensgeschichte vollständig quellenbasiert aufbereiten lassen. Entstanden ist ein Buch nicht nur für die Familie Freudenberg und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für historisch Interessierte, die einen »Wirtschaftsroman« aus dem wirklichen Leben lesen wollen. Wenn ein Unternehmen über alle Umbrüche hinweg - angefangen bei der Gründung des Kaiserreichs über den Ersten Weltkrieg, die Hyperinflation der 1920er Jahre, die Weltwirtschaftskrise, die Nazi-Diktatur, den Zweiten Weltkrieg, die Gründung der Bundesrepublik bis hin zu einer sich globalisierenden Welt, einer Pandemie und der Digitalisierung - prosperiert, wenn es allen Bedrohungen trotzt, wenn es dabei erfinderisch und sozial engagiert bleibt, dann ist das eine wirklich gute Geschichte. In diesem Buch beschreibt Carsten Knop nicht nur die Protagonisten, sondern auch, wie sich das Unternehmen immer wieder neu erfindet und bis heute erfolgreich bleibt.

Carsten Knop ist seit 2020 Herausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.), einer der drei auflagenstärksten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, die für ihre erstklassige Wirtschaftsredaktion bekannt ist. Anfang 2018 bis März 2020 war Carsten Knop Chefredakteur für die digitalen Produkte der F.A.Z. Davor war er Wirtschaftskorrespondent in New York und San Francisco, bevor er wieder zurück in Frankfurt Leiter der Unternehmensberichterstattung und später auch für Wirtschaftsnachrichten zuständig wurde.

Kapitel 1
Unternehmensgründung


Gründung inmitten einer Revolution


Es ist der 9. Februar 1849, ein Freitag. An diesem Tag gründen Carl Johann Freudenberg (1819–1898) und Heinrich Christian Heintze (1800–1862) eine neue Firma mit Sitz in Weinheim. Sie trägt den Namen »Heintze & Freudenberg«1. Ein solches Gründungsjahr muss man erst einmal in seinen Akten stehen haben: 1849. Und dann noch in Baden – ausgerechnet. Denn hier hatte die Revolution in Deutschland im Jahr zuvor ihren Ausgang genommen, und hier tobte noch im Sommer 1849 der Bürgerkrieg. In diesem revolutionären Baden, genauer in Mannheim, lebte Carl Johann Freudenberg mit seiner jungen Familie. In Mannheim herrschte Aufruhr, im wahrsten Sinne des Wortes: »[Hier fand im Februar 1848] eine erste, mehr als 2 500 Menschen zählende revolutionäre Volksversammlung statt, unzählige weitere sollten in den nächsten Tagen und Wochen im gesamten Deutschland folgen.«2 Gefordert wurden: Pressefreiheit, Bürgerwehren, Geschworenengerichte und im weiteren Verlauf der Revolution ein deutscher Nationalstaat mit einem frei gewählten Parlament. Die Revolutionäre teilten sich in Baden in zwei Lager: das liberal-konstitutionelle und das radikaldemokratische. In Baden gelang es den liberalen Kräften nicht, wie in Württemberg die Meinungsführerschaft zu erringen. Hier ging es fortan nicht mehr um einen Wandel innerhalb des bestehenden politischen Systems, sondern um einen radikalen Umbruch.3

Alles schien möglich in diesem Deutschland, das es zu der Zeit als einheitlichen Nationalstaat noch gar nicht gab. Das Land war ein Flickenteppich aus eigenständigen Territorien. Das Großherzogtum Baden war eines davon. Die Ordnung im Deutschen Bund4 und in Europa, die nach dem Ende der napoleonischen Zeit geherrscht hatte, geriet ins Wanken. Geschäftsleute, die in der Regel stabilen politischen Verhältnissen zugeneigt sind, blickten sorgenvoll auf die Ereignisse. Das gilt auch für die Gründer der heutigen Unternehmensgruppe Freudenberg, Heinrich Christian Heintze und Carl Johann Freudenberg, sowie ihre Angehörigen.

Hinzu kam: Mitten in der Revolution war dort in Mannheim am 28. November 1848 Carl Johann Freudenbergs Sohn Friedrich Carl geboren worden. Man stellte Weichen für die berufliche und die private Zukunft gleichermaßen, wollte Ruhe – und fand Aufruhr.5

Ein Geschäft, wenn auch gemeinsam mit einem Partner, übernehmen – in einer solchen Phase voller Ungewissheiten? Dazu gehören die passenden Charaktereigenschaften, aber eben auch die richtigen Begleiter, sowohl im Beruf als auch privat. Carl Johann Freudenberg hatte das Glück, diese Zutaten miteinander verbinden zu können. Aber dieses Glück war ihm nicht in die Wiege gelegt. Die Zeiten waren unruhig, die Menschen hatten viel weniger Geld, dafür aber mehr Kinder als heute. Sie starben früher; die Hinterbliebenen mussten immer wieder von vorne anfangen.

Im Fall von Freudenberg kulminiert alles in den Ereignissen der Revolution. Sie hat nicht nur in der europäischen Politik viel in Bewegung gebracht, sondern die Geschäfte in einer Art und Weise mitbeeinflusst, die es dem einstigen Lehrling Carl Johann Freudenberg ermöglichen sollte, Schritt für Schritt zum Mit- und später auch zum Alleineigentümer seines Unternehmens zu werden. Die Entwicklung zeigt, wie auch schlechte Nachrichten Anlass zu verheißungsvollen Neuanfängen werden können. Diese schlechte Nachricht war für Heintze & Sammet, dem Vorläuferunternehmen von Heintze & Freudenberg, von dem noch ausführlicher die Rede sein wird, der Zusammenbruch des Bankhauses, über das man sich finanzierte.6

Doch bleiben bis dahin noch immer viele Fragen offen: Warum ausgerechnet nimmt die eigentliche Unternehmensgeschichte in Weinheim ihren Ausgang, wenn doch die beruflichen Wurzeln von Carl Johann Freudenberg eigentlich in Mannheim lagen? Wie hat der junge Carl Johann Freudenberg seine Frau Sophie kennengelernt? Und: Was für ein Unternehmen war Heintze & Sammet genau? Warum ging es in der betroffenen Region so viel um Leder? Um diese Fragen beantworten zu können, ist es notwendig, die aufregenden Revolutionswirren noch einmal zu verlassen – und in der Zeit zurück zu springen, zur Vorgeschichte der soeben gegründeten Firma Heintze & Freudenberg.

Warum Weinheim?


Die Geschichte von Freudenberg ist eng mit der Stadt Weinheim und ihrer Tradition im Lederhandwerk verbunden, auch wenn der Anfang in Mannheim gemacht wurde. Denn es war ja ebendort, wo die Kaufleute Heinrich Christian Heintze und Johann Baptist Sammet (1798–1870) am 1. März 1823 ihre Lederhandlung mit Namen Heintze & Sammet gründeten.7 Diese wurde am 4. August 1823 offiziell in die Mannheimer Handlungs-Innung aufgenommen.8

Abb. 4Johann Baptist Sammet (ohne Jahr)

Die Lederfertigung wiederum hatte in der Industrialisierung die »Position einer Schlüsselindustrie« inne. Denn das Leder war in seiner Bedeutung als »Konstruktionsmaterial« dem Eisen vergleichbar. Leder war somit ein wichtiger Werkstoff, der sich wegen seiner besonderen Materialeigenschaften in vielen unterschiedlichen Bereichen einsetzen ließ. Die Gründe: Die gegerbte Haut war sehr elastisch, geschmeidig, wärmeisolierend, zäh und unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit, Hitze und Abrieb. Verarbeitet wurde es vor allem zu Kleidung, insbesondere zu Schuhen, aber auch als Sattlerleder, als Leder für Treibriemen, für Dichtungen und darüber hinaus auch als Buchbinder- und Geldbeutelleder.9

Heintze und Sammet gründeten also ihre Lederhandlung in einer Zeit, in der Leder und damit verbunden das Handwerk des Gerbens eine wichtige Rolle spielten. Die Anzahl an handwerklichen Betrieben in der ledererzeugenden Industrie stieg entsprechend bis 1850 in Deutschland deutlich an.10

Heintze & Sammet hatten vor allem mit der Hilfe ihres Handelsnetzes weit über die Grenzen des im Großherzogtum Baden liegenden Mannheim hinaus wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb stellte sich den Herren bald die Frage einer Expansion hin zur eigenen Lederfertigung. So sollte die Wertschöpfungskette tiefer werden, und man hätte so eine bessere Kontrolle über die eigenen Waren. Solchen Überlegungen folgten schnell Taten: In den charakteristischen Mannheimer Straßenquadraten bauten sie zunächst 1828, also schon fünf Jahre nach der Gründung, eine eigene kleine Stiefelschaftproduktion auf.11 Hierfür verwendeten sie aber weiterhin zugekauftes Leder. Der Wunsch, das Leder nicht nur selbst zu verarbeiten, sondern fortan auch selbst herzustellen, warf alsbald die Standortfrage auf. Denn was benötigt man für die Herstellung hochwertigen Leders? Das Know-how des Gerbers und die Rohstoffe: Tierfelle, fließendes Wasser von guter Qualität und Gerbstoffe – in diesem Falle Eichenrinde – in ausreichender, sprich großer Menge.12 All dies war in Mannheim nicht verfügbar. So gab es in Mannheim keine Lohmühle, die für die Verarbeitung der Baumrinde zu Gerbstoff notwendig gewesen wäre. Fließendes und sauberes Bachwasser war ebenfalls nicht verfügbar und der Betrieb einer Gerberei an den Mannheimer Flüssen Rhein oder Neckar aufgrund der Gefahr von Überschwemmungen nicht möglich. Zudem hätte die geruchsintensive Lederherstellung gegen die damals geltende Polizeiverordnung der Stadt Mannheim verstoßen, was eine Ansiedlung von Gerbereien in der Stadt ausschloss.13

Abb. 5Die Wasserwerkstatt in der Gerberei im Müllheimer Tal (Werk Müll), 1899

Deshalb suchten die Herren Heintze und Sammet einen Standort für ihre Gerberei außerhalb Mannheims. Diese Standortfrage musste aber noch weitere Faktoren berücksichtigen: Die Fertigung musste verkehrsgünstig zu Mannheim liegen und nach Möglichkeit innerhalb des Großherzogtums Baden, um für den Transport der produzierten Leder ins Handelshaus nach Mannheim...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-593-46038-6 / 3593460386
ISBN-13 978-3-593-46038-3 / 9783593460383
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