Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit -  Gaby Reinhard

Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit (eBook)

Ein Arbeits- und Materialbuch für Studium, Lehre und Praxis
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
199 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044035-7 (ISBN)
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Das Buch zeigt eine Alternative zum diagnostischen Vorgehen in der Hilfe- und Teilhabeplanung auf und schließt damit eine Lücke unter den Publikationen zum Fachkonzept Sozialraumorientierung. Der Lebensentwurf und die Willensenergie, also die Interessen und Vorstellungen der Menschen von einem gelingenden Alltag, sind Ausgangspunkte passgenauer Unterstützungssettings, die sich so an der lebensweltlichen Logik der leistungsberechtigten Menschen orientieren. Erstmalig werden dabei die sechs Elemente einer sozialraumorientierten Hilfe- und Teilhabeplanung verständlich und mit umfassenden Arbeitsmaterialien vorgestellt. Weitere Beiträge beleuchten die Kompatibilität des Fachkonzepts Sozialraumorientierung mit dem Kinder- und Jugendschutzansatz Signs of Safety und dem Beratungsansatz Motivational Interviewing.

Dr. Gaby Reinhard ist Professorin für Methoden der Sozialen Arbeit an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf und arbeitet am Institut für Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISAB e.V.).

Endnoten


1Wenn in diesem Buch von Familien gesprochen wird, sind damit vielfältige Eltern-Kind-Gemeinschaften gemeint wie etwa gemischtgeschlechtliche, gleichgeschlechtliche oder queere Ehepaare/Lebensgemeinschaften, Alleinerziehende mit sowohl leiblichen Kindern als auch Stief-‍, Pflege- oder Adoptivkindern.

2Dies Gesprächssequenz vor der Tür ist in Kapitel 5 dieses Buches nachzulesen (▸ Kap. 5).

3Am 10. 06. 2021 ist das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist ein Artikelgesetz und umfasst mehr als eine Reform des SGB VIII. Änderungen gibt es etwa auch im KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz), im SGB IX, im FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Einer von fünf neuen Regelungsbereichen ist die verstärkte Prävention vor Ort. In diesem Zusammenhang taucht der Begriff »sozialraumorientiert« mehrfach im Gesetz auf, ist jedoch in seiner Bedeutung nicht an das Fachkonzept Sozialraumorientierung angelehnt, sondern bezieht sich insbesondere auf die Entwicklung von Infrastruktur im Sozialraum, um niedrigschwellige Zugänge zu ermöglichen. Ambulante Hilfen sollen ohne Antragstellung ebenso zur Verfügung gestellt werden wie Hilfen für Kinder in Notsituationen. Ein weiterer Regelungsbereich ist die Bereitstellung von Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderungen – die sog. »inklusive oder große Lösung«, die stufenweise bis 2028 realisiert werden soll. Über den bereits bestehenden § 35a SGB VIII hinaus, der die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohenden) seelischen Behinderungen regelt, sollen die Leistungen der Eingliederungshilfe auf die Kinder- und Jugendhilfe übergehen, »nachdem zuvor die Einzelheiten über den leistungsberechtigten Personenkreis, Art und Umfang der Hilfen, die Kostenbeteiligung und das Verfahren durch ein Bundesgesetz auf der Grundlage einer prospektiven Gesetzesevaluation bestimmt worden sind« (Trenczek et al. 2024, S. 497). Mit der Reform des SGB IX ist der Jugendhilfeträger bereits seit 2021 in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit (drohenden) seelischen Behinderungen selbst Rehabilitationsträger. Vor diesem Hintergrund wird in diesem Beitrag von Beratung sowie Hilfe- und Teilhabeplanung in der Kinder- und Jugendhilfe gesprochen.

4Nuss (2022) kritisiert, dass in vielen Beiträgen zum Fachkonzept Sozialraumorientierung »nach wie vor von ›Betroffene‹ oder ›Klientin‹ gesprochen wird, was die Opfer- und Abhängigkeitsrollen der Menschen, mit denen gearbeitet wird, manifestiert« (S. 241). Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag die Begriffe Mensch oder Person genutzt und Abstand genommen von Ausdrücken wie Betroffene, Klient*innen oder Adressat*innen. Bei Institutionen wird das generische Maskulinum verwendet.

5Parallel zur Entstehung dieses Buches greifen Stefan Godehardt-Bestmann und Wolfgang Hinte (i. E.) fachwissenschaftliche und praxisrelevante Diskurs zur Sozialraumorientierung auf und entwickeln das Fachkonzept zu einer Handlungstheorie der Sozialer Arbeit weiter. Neben der handlungstheoretischen Grundlegung der Herausgeber werden die Relevanz der erziehungskritischen Wurzeln (Wolfgang Hinte und Felix Nuss) und die Orientierung am Willen der Menschen (Felix Nuss) fundiert, Theorien zu Sozialen Räumen und Netzwerken weiterentwickelt (Michael Noack) sowie ein organisationstheoretisches Modell zur Implementierung sozialraumorientierter Fachstandards in institutionelles Handeln entworfen (Stefan Godehardt-Bestmann).

6Eine zentrale These des Soziologen Hartmut Rosa lautet, »dass es im Leben auf die Qualität der Weltbeziehung ankommt, d. h. auf die Art und Weise, in der wir als Subjekte Welt erfahren und in der wir zur Welt Stellung nehmen: auf die Qualität der Weltaneignung« (Rosa 2016, S. 19). Er nutzt den relationalen »Resonanzbegriff als Metapher zur Beschreibung von Beziehungsqualitäten [...]« (S. 281). Denn: »Resonanz ist kein Gefühlszustand, sondern ein Beziehungsmodus« (S. 288).

7Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich im Zuge der Industrialisierung die ersten Settlements, d. h. Siedlungen des Bildungsbürgertums mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der Armutsbevölkerung kennenzulernen und gemeinsam mit den Bewohner*innen für eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu sorgen.

8Die Lebenswelt bezeichnet die vom Individuum begriffene und gedeutete, ihm subjektiv sinnvoll erscheinende Wirklichkeit (vgl. Habermas 1981b, Husserl 2012). Eine lebensweltliche Sichtweise auf die eigene Lebenssituation ist demzufolge eine subjektive Interpretationsleistung eines jeden Menschen.

9Seit 2013 heißt die Autorin Gaby Grimm mit Nachnamen Reinhard.

10Wendt hat in Anlehnung an die Feldtheorie Kurt Lewins (1963) und an das Programm der ökologischen Sozialforschung von Urie Bronfenbrenner (1976) die ökosoziale Handlungstheorie entwickelt (Wendt 1990), die er bereits im Vorwort zur Publikation von Ebbe/Friese (1989) skizziert hat. Das Gemeinwesen ist für Wendt die zentrale Bezugsgröße – auch bei der Weiterentwicklung der Einzelfallhilfe als Casemanagement, d. h. als Unterstützungsmanagement im Gemeinwesen (Wendt 2018).

11Nach Hinte (2016) ist »Soziale Arbeit ein ganz normaler Beruf, für den gilt, was in der jeweiligen Arbeitsplatzbeschreibung seitens des Arbeitgebers steht« (S. 36), und Lambers (2023) führt unter anderem mit Verweis auf Bommes und Scherr zur Gegenstandsbestimmung Sozialer Arbeit auf: »Soziale Arbeit agiert auf der Basis gesellschaftlicher und damit nicht autonom professionell etablierter Kriterien der Unterscheidung von Hilfebedürftigkeit« (S. 266).

12Weiter heißt es im Zitat: »Sei es, weil er als Fachkraft tatsächlich über keinen Kompetenzvorsprung verfügt, oder sei es, weil er es für ethisch nicht gerechtfertigt hält, seine Erkenntnisse und seine Machtposition auch dafür zu nutzen, gegen den Willen der KlientInnen in dessen (horribile dictu) ›wohlverstandenem Interesse‹ zu handeln. (Jetzt wäre eigentlich noch ein Exkurs zur advokatorischen Ethik fällig! Aber dazu vielleicht ein andermal.)« (Kunstreich et al. 2003, S. 23, Antwort von Maja Heiner an Timm Kunstreich).

13»In Anschluss an Hannah Arendt gehen wir jedoch davon aus, dass Macht keine Eigenschaft, sondern die Fähigkeit ist, mit anderen zusammen etwas zu ›machen‹ (1990). Gewalt entsteht aus der Ohnmacht, mit andern nichts bewegen oder andere nicht bewegen zu können« (Kunstreich et al. 2004, S. 33).

14Wenn in diesem Beitrag von ganzheitlicher Wahrnehmung oder ganzheitlicher Sicht gesprochen wird, bezieht sich der Begriff der Ganzheitlichkeit auf das der Gestaltpsychologie innewohnende Verständnis, sich der Ganzheitlichkeit von Zusammenhängen bewusst zu sein und dennoch zu wissen, dass es nicht möglich ist, das Ganze aufgrund der subjektiven Wirklichkeitskonstruktion zu erfassen (vgl. u. a. Metzger 1986, Walter 1985).

15»Adressaten – auch wenn sie in schwierigen Situationen sind – sind Experten ihrer Lebenswelt. Ihre Fähigkeiten, Netzwerke, aber auch ihr Widerstand und ihre Eigenwilligkeit sind Dreh- u. Angelpunkt von Lösungswegen, die dem Selbsthilfe- und Selbstaktualisierungspotential der Menschen Respekt zollen« (Früchtel et al. 2013, S. 44 f; vgl. dazu auch Straßburger/Rieger 2019 zur partizipativen Wende in der Sozialen Arbeit und auch Kunstreich et al. 2003).

16Nach Kuhlmann (2004) hat die Debatte um und die Umsetzung der Gemeinwesenarbeit in den 1960er und 1970er Jahren zu einer Polarisierung innerhalb der Sozialen Arbeit beigetragen: »Soziale Arbeit löste sich auf in Sozialpolitik und provozierte als Gegenbewegung deren Therapeutisierung, die wiederum soziale Probleme zu Unrecht auf psychische Ursachen reduzierte« (S. 22 f).

17Maßgeblich sind hier auch Erkenntnisse der sozialökologischen Sozialisationstheorien, die sich mit der wechselseitigen Beziehung zwischen Mensch und Umwelt auseinandersetzen (v. a. Bronfenbrenner 1976). Nach Bronfenbrenner muss Persönlichkeitsentwicklung immer im Zusammenhang mit dem Umweltkontext betrachtet werden. Bronfenbrenner entwickelt ein Modell der schichtweisen Erschließung von unmittelbaren zu den entferntesten Lebensbereichen im Sozialisationsprozess, dabei betont er, dass die von der Person wahrgenommenen Eigenschaften der Umwelt entscheidend für die persönliche Entwicklung ist. Er unterscheidet Mikrosysteme, Mesosystem, Exosystem, Makrosystem und Chronosysteme. Dieses typologische Modell ist von Baacke (1984) insbesondere für die Kinder- und Jugendsozialarbeit zum »Zonenmodell« weiterentwickelt worden. Zu diesen Zonen – verstanden als Handlungs- und Erfahrungsräume – zählen das ökologische Zentrum (v. a. Familie und unmittelbare Bezugspersonen), der ökologische Nahraum (erste...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-17-044035-7 / 3170440357
ISBN-13 978-3-17-044035-7 / 9783170440357
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