Richterdiktatur -  Rainer Abelunt

Richterdiktatur (eBook)

Das Ende von Demokratie und Rechtsstaat
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2024 | 1. Auflage
484 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-9040-8 (ISBN)
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Die Bundesrepublik Deutschland soll nach dem Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes ein Rechtsstaat sein. Viele glauben zu wissen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein vorbildlicher Rechtsstaat ist. Einige haben ernste Zweifel daran. Der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Köln Dr. Egon Schneider schrieb: "Ein Rechtsstaat, wie er den Verfassern des Grundgesetzes vorgeschwebt hat, den haben wir nicht, und wir entfernen uns ständig weiter von diesem Ideal." Der Autor dieses Buches, selbst Volljurist, hat sich auf die Suche nach dem Rechtsstaat begeben und hat ihn nicht gefunden. Die Frage, ob der Wille der Mütter und Väter des Grundgesetzes in der Gerichtspraxis verwirklicht ist, beantwortet er mit einem klaren Nein. Nach seiner Auffassung hat die Gerichtsbarkeit den vielleicht nie vollendeten Rechtsstaat über einen Richterstaat hin zu einer Richterdiktatur deformiert.

Rainer Abelunt ist Jahrgang 1965 und Volljurist. Erfahrungen in und mit der deutschen Gerichtsbarkeit hat er in vielfältiger Weise gesammelt. Diese Erfahrungen sind der Grund für seine Autorentätigkeit.

1. Rechtsstaat oder Richterdiktatur?


1

»Diktatur ist ein ernstes Wort. Wir haben Vorstellungen davon, was eine Diktatur ist. Schwere Tritte im Treppenhaus morgens um halb fünf. Verhaftungen. Vermisste. Willkür. Mit solchen Diktaturen kennen gerade wir Deutschen uns aus. . .. Aber das ist nur die Oberfläche. Das wahre Gesicht der Diktatur sieht heute anders aus. Die Demokratie stirbt nicht an einem Tag. Sie schafft sich langsam selber ab. Trump wurde gewählt. Orbán wurde gewählt. Erdogan auch. Das Muster ist ähnlich. Ein Populist lügt sich an die Macht. Er installiert seine Verbündeten an den Schaltstellen des Systems, vor allem in der Justiz, im Sicherheitsapparat. Und er neutralisiert die Medien. . .. Die Wahlen sind frei. Es wird niemand auf offener Straße erschossen. Und wer unzufrieden ist, darf jederzeit das Land verlassen. Aber die Justiz urteilt nicht mehr unabhängig. Die Medien berichten immer seltener aufrichtig. Öffentliche Aufträge werden nach politischer Freundschaft vergeben. Die Steuerbehörden prüfen gehäuft die Kritiker des Systems. Korruption wird zur Normalität. Die Regeln werden gebeugt, die Nachrichten werden manipuliert, und ein Teil der Elite wird in Mittäterschaft verstrickt«, so beschrieb der Journalist Jakob Augstein in seiner Kolumne auf der Internet-Seite von Spiegel-online den schleichenden Übergang von einer Demokratie zur Diktatur.4 Ist das in der Bundesrepublik Deutschland wirklich so viel anders?

2

»Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.«

3

So lautet gemäß §38 Absatz 1 des Deutschen Richtergesetzes(DRiG) der Eid, den ein Richter bei seinem Amtsantritt zu leisten hat. Das Dienen der Wahrheit und Gerechtigkeit scheint jedoch nur noch im Amtseid zu stehen, aber nicht mehr im Gerichtsalltag der deutschen Richter verwirklicht zu werden. »Die Wahrheit interessiert mich nicht«, bekannte denn auch ein Richter am Landgericht Chemnitz in einer mündlichen Verhandlung freimütig.5 Und eine Ausnahme scheint dieses Desinteresse an der Wahrheit nicht zu sein. So beklagte Horst Häuser, der damalige Vorsitzende der Neuen Richtervereinigung, im Jahre 19976: »Doch welcher Richter erinnert sich noch an den von ihm geleisteten Eid, ›nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen‹? In der Praxis geht es mehr um das Gesetz und die herrschende Meinung, um die Erledigung des Verfahrens und die Rechtstechnik beim Absetzen des Urteils.« »Wir schulden die Veränderung des bestehenden Justizsystems nicht nur unseren Träumen, sondern auch der Gesellschaft, den Bürgern, den Menschen. Die Justiz ist in den letzten hundert Jahren nicht gerade ein Hoffnungsträger der demokratischen Entwicklung in Deutschland gewesen«, war wohl deshalb Horst Häusers kritischer Aufruf an seine Richterkollegen anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Neuen Richtervereinigung im Jahre 1997.7

4

Der Widerspruch zwischen den Worten des Richtereides und der Gerichtsrealität, der hier offenbar wird, drängt geradezu die Frage auf, ob es noch mehr Widersprüche im deutschen Rechtswesen gibt, die viel grundlegenderer Natur sind, als ein im Gerichtsalltagverblasster Amtseid. Viele der in den Medien in den letzten Jahren bekannt gewordenen skandalösen Gerichtsverfahren haben bei vielen Bürgern, Journalisten und sogar vereinzelt bei Politikern Zweifel aufkommen lassen, ob die Bundesrepublik Deutschland wirklich ein Rechtsstaat ist. Sind diese Zweifel berechtigt? »Der Blick der deutschen Bevölkerung auf ihr Rechtssystem ist grundsätzlich ein positiver. Kontinuierliche Umfragen zeigen seit Jahren, dass die Deutschen ihrer Justiz vertrauen. . . . Es ist das blinde Vertrauen derer, die die Justiz nicht kennen«, meint der Kölner Strafverteidiger Ulrich Sommer.8

1.1. Rechtsstaat


5

Der Begriff »Rechtsstaat« wird im Grundgesetz (GG) nur einmal erwähnt, und zwar in Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes: »Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen eines republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen.« Diese Formulierung zeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes ein Rechtsstaat sein soll. Der Begriff »Rechtsstaat« wird im Grundgesetz aber nirgends definiert. Rechtswissenschaftler verstehen unter einem Rechtsstaat einen Staat, der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtet ist.9 Ist die Bundesrepublik Deutschland ein Staat, der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtet ist?

6

Ein Staat ist vereinfachend ausgedrückt, eine auf ein räumliches Gebiet bezogene bestimmte Gruppe von Menschen, die sich eine gemeinsame Ordnung für das Zusammenleben gegeben und Einrichtungen für die Aufrechterhaltung dieser Ordnung geschaffen hat. Recht ist die Summe der geltenden Regeln, die diese gemeinsame Ordnung festlegen. Ein Rechtsstaat wird durch drei wesentliche Merkmale charakterisiert: Erstens durch das Ziel mit Hilfe von Recht Gerechtigkeit herzustellen, zweitens durch die Bindung der drei Staatsgewalten10 an das Recht und drittens durch die Möglichkeit der Bürger staatliche Maßnahmen und Verhaltensweisen der Mitbürger durch unabhängige Gerichte auf ihre Übereinstimmung mit dem Recht überprüfen lassen zu können. Was die einzelnen geltenden Regeln sind, wird in einer parlamentarischen Demokratie durch den vom Volk in Wahlen bestimmten Gesetzgeber, d.h. das Parlament, in Form von Gesetzen festgelegt.

1.2. Gerechtigkeit


7

»Zum Richter gehen heißt aber so viel, als zur Gerechtigkeit gehen, da der Richter gleichsam die lebendige Gerechtigkeit sein soll«, sagte der griechische Philosoph und Universalgelehrte Aristoteles.11 Dass ein Richter die lebendige Gerechtigkeit sein soll, besagt aber noch nicht, dass er auch tatsächlich die lebendige Gerechtigkeit ist. Der Begriff der Gerechtigkeit tritt in der Aussage Aristoteles in zwei Bedeutungen auf, zum einen als Tugend des Einzelnen, des einzelnen Richters, und als Regelungsprinzip des Staates, den der Richter vertritt. Dementsprechend ist ein wesentliches Merkmal eines Rechtsstaates, dass die Staatsgewalten auf die Idee der Gerechtigkeit verpflichtet sind. In modernen Staaten sind die drei grundlegenden Staatsgewalten, d.h. Staatsfunktionen, nämlich 1) Gesetzgebung(Legislative), 2) Regierung mit Verwaltung(Exekutive) und 3) Rechtsprechung(Judikative) auf verschiedene staatliche Stellen verteilt. Dieses nennt man Gewaltenteilung. Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland liegt auf Bundesebene die Gesetzgebung beim Deutschen Bundestag, die Regierung mit Verwaltung bei dem Bundeskabinett und den Bundesministerien und die Rechtsprechung bei den Richtern.

8

»Die juristische Literatur aller Epochen fließt über vor Beiträgen zum Thema Gerechtigkeit. Die Zahl der interdisziplinären Theorien ist kaum übersehbar, von Sokrates über Platon, Aristoteles, Augustinus, Thomas v. Aquin, Grotius, Pufendorf , Kant und Hegel bis Habermas, Rawls, Dworkin und vielen anderen.«12 Unter Gerechtigkeit wird allgemein und verkürzt gesprochen das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens verstanden.13 »Schon Platon hat allerdings in seiner ›Politeia‹ massive Zweifel an der eindeutigen Erkennbarkeit der Gerechtigkeit geäußert.«14 Was Gerechtigkeit im tatsächlichen Zusammenleben der Menschen untereinander im jeweiligen Einzellfall bedeutet, lässt sich aufgrund der Vielfalt menschlichen Verhaltens und der Vielfalt des menschlichen Zusammenlebens kaum in einer einzigen allgemeinen Formulierung festlegen. Für die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb in Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes eine allgemein formulierte Verpflichtung der Staatsgewalten auf die Idee der Gerechtigkeit enthalten, die die Gerechtigkeit durch einen nicht weniger unbestimmten Begriff, nämlich die Würde des Menschen, ersetzt. Wird jeder Mensch gemäß der universellen Würde des Menschen behandelt, so ist diese Behandlung sicherlich auch gerecht. Deshalb ist die Würde des Menschen der zentrale Begriff und das Leitbild des Grundgesetzes. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes lautet:

9

»Die Würde des...

Erscheint lt. Verlag 18.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-9040-2 / 3759790402
ISBN-13 978-3-7597-9040-8 / 9783759790408
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