Widersprüche erkennen, das Gesellschaftliche im Einzelnen sehen -

Widersprüche erkennen, das Gesellschaftliche im Einzelnen sehen (eBook)

Kritischer Kinder- und Jugendhilfe über Friedhelm Peters begegnen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
194 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8405-4 (ISBN)
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Im vorliegenden Band geht es um historische und aktuelle Denkansätze, die dazu beitragen, Kinder und Jugendliche nicht an die Systeme anzupassen, sondern die Jugendhilfesysteme und die Fachkräfte so zu verändern, dass sie Kinder und Jugendliche beim Erwachsenwerden individuell begleiten und unterstützen. Hierzu gibt es viele Berichte aus den ausgehenden 1960er bzw. beginnenden 70er Jahren, als z.B. Heimeinrichtungen entsprechend umgebaut wurden, aber auch Impulse aus aktuellen Zusammenhängen. Dieses Buch ist vor diesem Hintergrund Friedhelm Peters gewidmet und würdigt seine Impulse. Die Aufsätze versuchen unter Rückgriff auf historische und aktuelle Texte grundsätzliche Ideen, Konzepte und Haltungen herauszuarbeiten. Versammelt sind verschiedene Autor*innen, die Peters persönlich begleitet haben.

Christian Reutlinger, Prof. Dr., geb. 1971, Sozialgeograf und Erziehungswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik hat seit 2023 die Professur für Stadt und Gesundheit an den Instituten Soziale Arbeit und Gesundheit (ISAGE) und Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung (ISOS) der FHNW Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Muttenz inne. Stefan Lenz, Diplom-Sozialpädagoge (FH), ist seit 2001 hauptamtlicher geschäftsführender Vorsitzender des Postillion e.V., einem freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Rhein-Neckar-Kreis mit den Angeboten Kindertagesbetreuung, Mobile Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung (ambulant und stationär) sowie Schulsozialarbeit. Josef Koch, Pädagoge und Lehrer, ehemaliger Leiter des Bundesmodellprojektes INTEGRA zur Etablierung integrierter Hilfen, seit 2003 Geschäftsführer der 'Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen - IGfH', Frankfurt/M. Heike Graber, Diplom-Sozialarbeiterin (FH), von 1994 bis 1998 Studium an der EFH Darmstadt, im Anschluss im Strafvollzug sowie in der ambulanten und stationären Erziehungshilfe tätig und aktuell in Modellprojekten beim Postillion e.V.

Einleitung


Jugendhilfe als Reformprozess – Von der Abschaffung der geschlossenen Unterbringung zum erneuerten Gemeinwesenbezug


Die „Produktion abweichenden Verhaltens“ war der Titel eines der frühen Bücher von Friedhelm Peters aus dem Jahr 1981. Dieses Thema der Kritik der Produktion von Außenseiter*innen, Abweichler*innen oder – neuerdings – 'Systemsprenger*innen' durch Instanzen sozialer Hilfe und sozialer Kontrolle zieht sich durch sein berufliches Leben. Von Bielefeld über Hamburg, Erfurt und schließlich Dresden ist er sich stets selbst in dieser Perspektive treu geblieben. Es ging immer darum, Kinder und Jugendliche nicht an die Systeme anzupassen, sondern die Systeme und die Fachkräfte so zu verändern, dass sie Kinder und Jugendliche beim Erwachsenwerden begleiten und unterstützen. Hierzu gibt es viele Berichte aus den ausgehenden 60er bzw. beginnenden 70erJahren, als Heimeinrichtungen entsprechend umgebaut wurden.

Wo immer auch die alten Grundstrukturen der Heimerziehung zu finden sind, tritt Friedhelm Peters bis heute als Kritiker auf. Hierbei geht es in erster Linie darum, ein System zu erkennen, das Kinder und Jugendliche ausgrenzt. Friedhelm Peters ist zeitlebens als kritischer Geist hervorgetreten, auch über seine Pensionierung hinaus. Die Erkenntnisse, wie sich Kinder- und Jugendhilfe aus seiner Sicht am besten aufstellen muss, ziehen sich gewissermaßen wie ein roter Faden durch die verschiedenen Stationen seines Berufslebens und seiner Veröffentlichungen.

Dieses Buch anlässlich des 75. Geburtstags von Friedhelm Peters ist kein biografisches Werk. Es geht vielmehr darum, seine grundsätzlichen Ideen, Konzepte und Haltungen herauszuarbeiten und anhand von originalen Texten und verschiedenen Autor*innen, die ihn persönlich begleitet haben, zu Papier zu bringen. Dennoch sollen hier in aller Kürze zunächst wichtige Stationen seines Lebensweges skizziert werden, die Bezugspunkte für die Beiträge dieses Buches darstellen.

Kurzer Abriss biografischer Stationen


Friedhelm Peters wurde am 02.12.1948 in Paderborn geboren und ging in Bad Driburg zur Schule. In Detmold und Bielefeld studierte er zunächst (1969-1972) Soziale Arbeit, in einem Aufbaustudium an der Uni Bielefeld (1972-1975) dann Soziologie und Erziehungswissenschaften. Er arbeitete anschließend als pädagogischer Mitarbeiter im selbstverwalteten Arbeiterjugendzentrum (AJZ) in Bielefeld und als wissenschaftlicher Assistent an der Fakultät für Pädagogik der Uni Bielefeld. 1979 promovierte er an der Uni Bielefeld zum Dr. phil.

Nach Arbeiten an verschiedenen Hochschulen kam er nach Hamburg (1984-1991). Als wissenschaftlicher Angestellter und Grundsatzreferent für öffentliche Erziehung im Amt für Jugend und später als stellvertretender Leiter des Landesbetriebs Erziehung und Bildung (LEB) mit seinen ca. 1.000 Mitarbeiter*innen und etwa gleichviel Betreuten und Auszubildenden engagierte er sich für den Umbau der Heimerziehung im Stadtstaat, wozu er u.a., um diesen Umbauprozess zu unterstützen, einen bislang immer noch einmaligen Kontaktstudiengang ‚Jugendwohnungen' und den Einstieg in eine ‚Sabatical-Regelung' im öffentlichen Dienst (!) initiierte (vgl. dazu die Bände ‚Jenseits von Familie und Anstalt', 1991, und 'Professionalität im Alltag', 1993 − beide KT-Verlag).

1991 erhielt er eine Professur für Sozialarbeit/Sozialpädagogik an der FH Erfurt. Nach seiner Pensionierung 2014 hatte Friedhelm Peters dann noch eine Vertretungsprofessur an der Ev. Fachhochschule Dresden bis 2022 innegehabt und seit dem Sommersemester 2018 eine Honorarprofessur an der Fakultät für Erziehungswissenschaften an der Universität Primorska, Koper in Slowenien, wo er auch an der Beratung und Evaluation eines Umbauprojekts in der Kinder- und Jugendhilfe in Maribor und Planina beteiligt war.

Von seinen vielen außerberuflichen Aktivitäten seien hier nur einige benannt. Von 1989 bis 2017 war er Mitglied des Vorstands der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) – seit 1991 ihr stellvertretender Vorsitzender. Er ist Mitinitiator der Zeitschrift ‚Forum Erziehungshilfen', deren Redaktion er bis heute angehört.

Kinder- und Jugendhilfe im Dienst von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien


Der Bundesgesetzgeber kann Gesetze erlassen, die eine bestimmte Idee der Kinder- und Jugendhilfe darstellen. Zudem kann er dies mit Rechtsansprüchen hinterlegen, sodass lokal Konzepte und Verträge entstehen können, um das Ganze umzusetzen. So wird im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und der kommunalen Selbstverwaltung Kinder- und Jugendhilfe gestaltet. Die qualitative Umsetzung dieser Konzepte hängt jedoch stark von den jeweils handelnden, verantwortlichen Personen ab. Denn sie sind es letztlich, die Gesetze oder Rechtsansprüche mit Leben erfüllen.

Vor diesem Hintergrund ist das Berufsleben von Friedhelm Peters zu betrachten. Es wird bis heute von der Motivation geprägt, Kinder- und Jugendhilfe so zu gestalten, dass sie ein Gewinn für Kinder, Jugendliche und deren Familien ist. Dieses Buch möchte anhand von Friedhelm Peters Berufspraxis und anhand seiner Texte dazu animieren, an seinen Ideen für eine parteiliche Kinder- und Jugendhilfe, die diesen Namen auch verdient, weiterzuarbeiten.

In den Jahren 1984 bis 1991 war Friedhelm Peters wissenschaftlicher Angestellter im Amt für Jugend der freien Hansestadt Hamburg. In dieser Zeit konnte er sich daher nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch mit dem Thema Heimerziehung beschäftigen, da es ihm möglich war, die konkrete Praxis vor Ort mitzugestalten.

Dabei hat er Spuren hinterlassen, denen im Kapitel 1 „Verortungen“ nachgegangen wird.

Auf der Suche nach Alternativen zur geschlossenen Unterbringung straffälliger Jugendlicher in Hamburg hatte sich die Situation ergeben, dass im 'Johannes-Petersen-Heim' (JPH) zahlreiche Jugendliche aufgenommen worden waren, für die damals (wie heute wieder) 'GU' vorgesehen gewesen wäre, hätte es sie zu dem Zeitpunkt (noch) gegeben. Den für die Arbeit mit den Jugendlichen engen Rahmen eines relativ normalen Heims sprengten die Kolleg*innen auf – damals – spektakuläre Weise. Christiane Mettlau beschreibt ein reisepädagogisches Projekt, die „Reisende Schule des Johannes-Petersen-Heimes (JPH)“, die seinerzeit konzipiert und von Friedhelm Peters als zuständigem Referenten in der Behörde verantwortet wurde. Christiane Mettlau greift dabei auf fünf, mit einem Grimme-Preis 'geadelte' Filme von Gisela Tuchtenhagen zurück, die damals dieses Projekt dokumentierte, und beschreibt den rahmenden Bezugspunkt des Projekts durch Makarenkos Pädagogik als Kollektiverziehung. In diesem Rahmen wird ein „Neuanfang von Erziehung“ vor allem als Überwindung von Vorbehalten gegenüber Jugendlichen und ihren biografischen Belastungen und auf das Herstellen einer neuen offenen Situation hingewiesen.

Charlotte Köttgen – selbst als Kinder- und Jugendpsychiaterin in der Umstrukturierung der Hamburger Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie äußerst engagiert beteiligt – schreibt in einem sehr persönlichen Bericht, wie die „Auflösung aller geschlossenen Heime in Hamburg“ zwischen 1980 und 1989 durchgesetzt wurde – und wie diese grundlegenden und eigentlich wegweisenden Reformen schließlich wieder zurückgedrängt wurden. Sie unterstreicht, dass die Evaluation dieses Prozesses gezeigt hatte, dass schon an den sich rückentwickelnden Zahlen ablesbar war, „dass der Verzicht auf Gewalt und Strafen sich sogar auf angrenzende – tendenziell repressive – Bereiche wie Jugendpsychiatrie und Strafvollzug ausdehnte“. Es waren betroffene Jugendliche und Mitarbeiter*innen in Heimen, die den Reformdruck entfalteten, und ein Sozialsenator – Jan Ehlers –, der sich hinter sie stellte. Jan Ehlers schied 1990 krankheitsbedingt aus. Das war die Zäsur für ein Rollback...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8405-9 / 3779984059
ISBN-13 978-3-7799-8405-4 / 9783779984054
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