Erinnerung an aussterbende Handwerke und Berufe -  Walter W. Braun

Erinnerung an aussterbende Handwerke und Berufe (eBook)

Eine Gesellschaft im Wandel der Zeit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
302 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4571-2 (ISBN)
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Sie bearbeiteten Fisch-Hornplatten, unter anderem für die Korsetts der Damen, zündeten Straßenlaternen an, belustigten Fürsten oder schlugen Wolle. Viele einst mehr oder wenige einträgliche Berufe sind in den vergangenen Jahren und Jahrhunderten ausgestorben, wie der Haderlump, der alte Kleidung als Lumpen einsammelte. Es waren die Türmer, die nach Feuer- und Brandstellen Ausschau hielten, und wer braucht heute noch einen Kammerdiener? Oder kennen sie noch den Beruf des Rattenfängers, der Klageweiber, des Kaffeeriechers, des Abtrittanbieters. Da waren Wannenverleiher für die Reinlichkeit der Bevölkerung, die kein eigenes Bad hatten - und das war die Mehrheit. Es gab den Bremser bei der Eisenbahn und sogar einen Sandmann für die Hausfrau, die neben Seife und Soda damit die Böden schrubbte, und sogar ein Gasriecher ging seinem erbärmlichen Beruf nach. Das sind längst in der Vergangenheit versunkene Tätigkeiten. Eines haben sie aber alle gemeinsam, sie dienten zum eigenen Lebensunterhalt und die wenigsten Tätigkeiten waren auskömmlich; reich machten sie schon gar nicht. Alleine seit den Anfängen der Bundesrepublik ist die Zahl der Berufe um fast zwei Drittel gesunken. Altes Handwerk ist aber nie alt und stirbt auch nicht einfach so aus. Bei vielen werden die Kenntnisse und Fähigkeiten, die Grundlagen für das Wissen noch in Nischen bewahrt und an die nachkommenden Generationen weitergegeben. Es ändern sich eventuell nur die Verarbeitungsweisen, die Materialien und die angewandten Techniken, dabei entstehen durchaus auch neue Berufe.

Der Autor Walter W. Braun Jahrgang 1944, ist Kaufmann mit abgeschlossenem betriebswirtschaftlichem Studium. Bis zum Ruhestand war er als Handelsvertreter aktiv. Um dem Tag Sinn und Struktur zu geben, begann er Bücher zur eigenen Biografie oder Fiktionen zu unterschiedlichen Themen - teils mit realem Hintergrund - zu schreiben. Es ist ein Zeitvertreib und spannend, wie sich von einer Idee, der Bogen zwischen fiktiver Geschichte hin zur schlüssigen Story entwickelt. Wichtig ist es dem Autor, dem Leser ohne große Schnörkel, langatmige Umschreibungen und literatursprachlichen Raffinessen, spannende Unterhaltung zu bieten, oft gestützt mit seiner subjektiven Meinung. Er will durch seine Erzählungen zudem Hintergrundwissen vermitteln, Hinweise auf landschaftliche, historische und geschichtlich bedeutsam Besonderheiten geben und mit informativ bildhafter Darstellung an reale Plätze führen, wo sich die dargestellte Handlung abgespielt hatte. Wenn es den Leser anregt, sich selbst vom Handlungsort, den Schauplätzen, ein Bild zu machen, ist das von ihm gewünschte Ziel erreicht.

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Bleistiftmacher


Seit Jahrtausenden werden visuelle Botschaften mit der Hand vermittelt. Sie wurden in Stein geritzt oder mit Holzstiften in weichen Ton, mit bunten Steinen hinterlassen, mit farbigen Säften aufgetragen, tätowiert oder in anderer Weise hinterlassen. Irgendwann ist der findige Mensch auf das Blei gestoßen und konnte damit Zeichen malen. Schon in alter Zeit hatte man erkannt, wie wertvoll es ist, wenn man Botschaften dauerhaft vermitteln kann, denn Nachrichten hinterlassen oder sich einfach mit Worten auszudrücken, seine Meinung, seine Ansichten und Wünsche zu offenbaren, war in alter Zeit nur mündlich möglich.

„Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen“, ist ein altbekanntes Zitat von Johann Wolfgang von Goethe.

Bereits die alten Ägypter sollen im nächsten Schritt flüssiges Blei in Schilfrohre gegossen und damit Zeichen geschrieben haben. Das kann man sicher als Vorläufer eines Bleistifts bezeichnen. Dass Blei, das dem Stift den Namen gab, giftig war, wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings garantiert noch niemand.

Die im Mittelalter von Gelehrten und Schreibern benutzten Silberoder Bleigriffel hatten mit giftigem Blei bestückte Spitzen, mit denen sich allerdings eher ritzen, denn schreiben ließ. Daher hat man sie etwas abwertend auch Reißblei oder Schreibblei genannt. Gesichert ist, dass seit fast 600 Jahren der Bleistift in der heutigen Form existiert und benutzt wird, doch erst viel später wurde die Bleistiftmacherkunst öffentlich erwähnt.

Ein neues Material kam erst ins Spiel, nachdem von Schafhirten in den englischen Wäldern von Borrowdale-Valley schwarze Brocken entdeckt wurden, mit denen sie malen und schreiben konnten. Zuerst benutzten die Schäfer dieses Material, um ihrer Schafe auf dem Rücken mit schwarzen Strichen zu markieren. Da diese Brocken aber schwer wie Blei waren, also ein hohes spezifisches Gewicht besaßen, hielt man sie für das Bleierz Galenit (auch Bleiglanz oder Bleiweiß genannt). Die damit hergestellten Schreibgeräte wurden als „Bleiweißstifte“ bezeichnet, bis sich schließlich das vereinfachte und gängige Wort „Bleistift“ einbürgert hat.

Erst 1779 konnte der Chemiker Carl Wilhelm Scheele beweisen, dass das vermutliche Bleierz eine eigenständige Substanz ist, bei der es sich um einen ungiftigen kristallinen Kohlenstoff handelt. Zehn Jahre später gab ihm der Mineraloge Abraham Gottlob Werner den Namen ‚Graphit‘, abgeleitet vom griechischen Wort γραφή (graphein / deutsch: schreiben). Die Bezeichnung Bleistift blieb jedoch weiterhin in Gebrauch und sorgt noch heute teils für Verwechslungen. 8)

Da der reine Graphit aus Borrowdale zumeist für militärische Zwecke eingesetzt wurde, zum Beispiel zur Herstellung von Schmelztiegeln für Kanonenkugeln, verhängte England zeitweise Exportverbote, woraufhin die Beschaffungskosten in die Höhe schossen. Bis dahin galt ausschließlich der Borrowdale-Graphit als rein genug zum Schreiben mit der Hand.

Danach war es ein Schweizer Gelehrter namens Konrad Gesner, der Mitte des 16. Jahrhunderts als Erster die Bleistifte beschrieben hat. Damals kamen neuartige „Bleistifte“ auf, die keine Mine mehr aus Blei hatten, sondern das erwähnte Graphit enthielten. Diese Graphitminen machten den Bleistift stabil und widerstandsfähig und, da Graphit nicht giftig ist, war das moderne Schreibgerät auch für die Kinderhand gut geeignet.

Der Bleistift gehörte danach - und das ist bis heute so - in jedes Federmäppchen. Dabei haben die Städte Nürnberg und Stein mit ihren Firmen für die Bleistiftherstellung Geschichte geschrieben. Der Grund lag darin, dass der Bedarf an Schreibgeräten stetig gewachsen ist und in immer größerem Maßstab hergestellt werden musste. Bis dahin war es aber noch ein längerer Weg. Der Ursprung für die Konzentration lag darin, dass man in Nürnberg mit Schreiben, Rechnen und Malen schon lange zu tun hatte. Dort wurde schon im Spätmittelalter Papier hergestellt. Die erste Nürnberger Papiermühle ging im Jahr 1390 in Betrieb und war die erste in Deutschland überhaupt. Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts gab es in Nürnberg eine Vielzahl von Verlagen. So folgte zwangsläufig, dass schon früh Bleistiftmacher angezogen wurden und sich so eine Bleistiftindustrie entwickeln konnte.

Die Vorreiter der Bleistiftfabrikation lagen allerdings in England. Bereits ab 1558 wurden in der nordenglischen Ortschaft Keswick Bleistifte angefertigt, was durch das 1564 im nahen Borrowdale entdeckte Graphitvorkommen noch maßgeblich weiterbefördert wurde. Der Hintergrund dazu wurde schon erwähnt. Somit kann man sagen, die Geschichte der Schreibgeräte hat sich über sehr lange Zeiträume hinweg kaum verändert.

In den Annalen der Stadt Nürnberg wurde 1662 ein „Bleyweiß-stefftmacher namens Friedrich Staedtler erwähnt und 1760 begann Caspar Faber in Stein bei Nürnberg mit der Herstellung von Bleistiften. Eberhard Faber, ein Urenkel von Caspar Faber, wanderte aus und ließ sich 1849 in New York nieder. Im Jahr 1861, als der Kriegstarif in Kraft trat, gründete er eine eigene Bleistiftfabrik in New York City und wurde mit vier weiteren Niederlassungen zum Pionier der Bleistiftindustrie in den USA. Die Löhne waren im Vergleich zu denen in Deutschland sehr hoch, und Eberhard Faber erkannte die Notwendigkeit, arbeitssparende Maschinen zu schaffen, um den reinen Handbetrieb zu überwinden. Danach wurden automatische Maschinen erfunden, welche die Methoden der Bleistiftherstellung stark vereinfacht und das Produkt verbessert haben. Heute liefern amerikanische Hersteller 90 Prozent des heimischen Bedarfs und sie sind weitgehend auch im Wettbewerb auf den Weltmärkten vertreten.

„Auch wenn unbekannt ist, wer der erste deutsche Bleistiftmacher war, ist zumindest Friedrich Staedtler der Erste, mit dem sich die Nürnberger Behörden 1662 befassen musste. Seitdem entwickelte sich in der Gegend um Nürnberg das Handwerk der Pleyweisser, als freie Kunst holzverarbeitender Handwerker wie Schreiner und Weißmacher, das war das Verarbeiten von weißem Holz wie Birke oder Ahorn. Der Bleiweißschneider ist hervorgegangen aus den Schrötern, die Kreide, Rötel und dann auch Graphit zersägt haben. Später kamen die Bleiweißgießer dazu, die das minderwertigere kontinentale Graphit aus Italien oder Böhmen vor der Verarbeitung aufarbeiteten. Da das zerstoßene, gereinigte und später wieder verschmolzene Graphit recht spröde war, schob man die Minen zuerst in eine Halterung aus Rohr oder Metall. Erst später hat man den Graphitstift mit Holz ummantelt und eingeleimt. In den 1660er Jahren entwickelte sich die Spezialisierung auf Bleistifte zum Handwerk, das ab 1708 als Fachrichtung des Schreinerhandwerks und ab 1731 als selbständiges „Geschworenes Handwerk“ anerkannt wurde. Die Bayerische Regierung erteilte dem Grafen Kronsfeld 1766 die Konzession zur Errichtung einer Bleistiftfabrik in Zeltenbach.

Im Jahr 1790 vermischte der Wiener Joseph Hardtmuth erstmals Graphitstaub mit Ton und Wasser und brannte die Masse in einem Ofen. Je nach Menge des Tons konnte er damit den Härtegrad festlegen. Joseph Hardtmuth begründete später das österreichische Unternehmen Koh-i-Noor Hardtmuth (persisch für „Berg von Licht“, nach dem berühmten Koh-i-Noor-Diamanten). Sein Enkel Friedrich von Hardtmuth verfeinerte die bahnbrechende Erfindung und schuf 1889 den Koh-i-noor-Stift, bei dem der Käufer aus 17 Härtegraden wählen kann.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fertigte und verkaufte Friedrich Staedtler holzgefasste Bleistifte. Die Besonderheit, er stellte sowohl die Mine als auch ihre Ummantelung her. Damit stieß er das eigenständige Bleistiftmacherhandwerk in Nürnberg an, Anfang des 19. Jahrhunderts eine aufkommende Industrie, die von der bayerischen Regierung in besonderen Schutz genommen wurde. Dann entdeckte der Franzose Nicolas-Jacques Conté 1795 ein Verfahren, mit dem auch unreiner Graphit aus deutschen und österreichischen Bergwerken verwendet werden konnte. Er pulverisierte das abgebaute Material und schlämmte dann den Graphit aus. Später entdeckte er, unabhängig von Hardtmuth, auch die Härtegrade. Hardtmuth und Conté gelten damit als die Begründer für den Erfolg des modernen Bleistifts. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war diese Fertigungsweise weit verbreitet und führte in Nürnberg und Umgebung zur Gründung der Unternehmen Faber-Castell (handwerkliche Herstellung seit 1761), Lyra, Staedtler und Schwan-Stabilo. 9)

Bleistift, Quelle: Wikipedia

In einem anderen Bericht lesen wir ergänzend dazu: „Wir können uns heutzutage kaum eine Vorstellung machen, dass man Jahrtausende lang dieses Schreibmittel entbehrte.“ So beschrieb Bleistiftfabrikant Johann Faber 1898 die Bedeutung des Bleistiftes.

Handgefertigte Stifte wurden noch nicht vom Bleistiftmacher allein hergestellt. Dabei waren auch ein Schreiner für die Holzfassung und der...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-4571-7 / 3759745717
ISBN-13 978-3-7597-4571-2 / 9783759745712
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