Lebe Deine Gaben -  Sonja Maier

Lebe Deine Gaben (eBook)

Wesensgemäße Kindererziehung und Bildung mit HARVEST-Education

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
232 Seiten
Weltbuch Verlag
978-3-907347-25-6 (ISBN)
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'Man sieht nur mit dem Herzen gut.' Dieser Satz, den Antoine de Saint-Exupéry seinen kleinen Prinzen vor nunmehr 80 Jahren sprechen ließ, hat Generationen von Menschen berührt und inspiriert. Sonja Maier erweckt in der von ihr entwickelten 'Harvest Education' das Prinzip, auf sein Herz zu hören, wieder zum Leben. Herzensbildung und Menschlichkeit stehen im Zentrum von 'Harvest Education', das nicht als pädagogische Gebrauchsanweisung, sondern als Lebenshaltung zu verstehen ist. In 'Lebe deine Gaben', dem ersten Buch einer mehrteiligen Reihe zum Thema 'Bildung zum Menschsein' teilt die Autorin mit ihrer Leserschaft ihre Überzeugungen, die sich in ihr im Laufe ihres langjährigen pädagogischen Handelns, getragen von einer tiefen Spiritualität, gefestigt haben. Der pädagogische Angelpunkt von 'Harvest Education' ist die Schulung des ganzheitlichen Menschen. Am Bild von 'Saat und Ernte' zeigt Sonja Maier auf, wie Kinder und Jugendliche, die in unserer leistungs- und logikorientierten Gesellschaft dem Lernen und ihrem eigenen Wesenskern entfremdet sind, wieder Zugang zu ihren eigenen Potentialen finden können. 'Lebe deine Gaben' richtet sich an Pädagogen und Eltern, aber auch an alle anderen Menschen, die Kinder und Jugendliche ein Stück auf ihrem Weg begleiten und Wege abseits vorgegebener Vorstellungen von Unterricht suchen. Dieses Buch wird für Sie eine Bereicherung sein und vielleicht sogar etwas bestätigen, was Sie in sich schon lange gespürt haben.

Sonja Maier, 1973 geboren, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. In ihrem langjährigen Wirken als Montessoripädagogin, Seelenbegleiterin und Autorin ist es ihre Intention, Impulsgeberin für eine Pädagogik der Zukunft zu sein. Als Mitbegründerin der Weinbergschule, der ersten alternativen Privatschule in Salzburg (Österreich), war sie 17 Jahre als deren Direktorin tätig.

Wach sein ist alles


Schon in der Bibel ermahnt uns Jesus, wach zu sein, nicht zu schlafen. Doch was könnte er damit gemeint haben? Sicherlich meinte er nicht, dem Körper keinen oder zu wenig Schlaf zukommen zu lassen. Er spricht hier von einer Wachheit in Seele und Geist. Diese Wachheit eröffnet uns eine umfangreichere, tiefgründigere Sicht der Dinge und lässt uns in Verbundenheit mit unserem Schöpfer leben. Wenn diese beiden Anteile unseres Menschseins lebendig – also wach – sind, dann vermögen wir ein erfülltes Leben zu führen.

Wie können wir unseren Kindern zu einer Wachheit in Seele und Geist verhelfen?

Die Bedeutung der Vorbildrolle von Eltern und Erwachsenen ist von größter Wichtigkeit. Eigentlich ist es wert, darüber ein Buch oder zumindest ein detailliertes Kapitel zu schreiben. In einem der Folgebücher über Harvest Education werde ich mit konkreten Ausführungen darauf zurückkommen. Es muss uns klar sein, dass wir als Erwachsene den ersten Schritt in Richtung der eigenen Wachheit zu unternehmen haben. Um zu erfassen, was wir für unsere Kinder tun können, müssen wir uns zuerst damit beschäftigen, was diese Wachheit im Kind verhindert und den Schlaf fördert.

Es ist ganz einfach: Die Erwachsenen dürfen den Kindern keine Schlafpillen verabreichen! Damit meine ich nicht pharmakologische Mittel, sondern ein Zuführen bestimmter Tätigkeiten und Umgangsformen, die bei längerer „Einverleibung“ die Seele und den Geist der Kinder in einen Schlafzustand versetzen. Eine dieser „Schlafpillen“ ist die Überbeschäftigung, über die ich schon im letzten Kapitel eingehend geschrieben habe.

Warum ist das so? Bedenken wir, dass alles, was uns widerfährt und womit wir uns beschäftigen, in der Seele wie in einem Computer verarbeitet wird. Die Daten, die wir in unseren Computer eingeben, werden verarbeitet, gespeichert und für uns jederzeit abrufbar gehalten.

Unser Input der „Dateneingabe“ wird den Output bestimmen.

Auch wenn hier ein sehr technisches Bild für die Darstellung und Wirkweise von Informationen auf die menschliche Seele Verwendung findet – es ist ein allgemeingültiges Gesetz, dem sich niemand entziehen kann. Je mehr Input wir in uns bzw. in unsere Kinder hineingeben, desto mehr Daten müssen verwaltet und sortiert werden. Gerade das Sortieren und Am-richtigen-Platz-Ablegen wird bei großen Datenvolumen für einen kleinen Prozessor zur Überforderung. Hast du schon einmal erlebt, wie sich dein Computer geplagt hat, weil seine Kapazität überstrapaziert wurde und er die Datenmengen nicht mehr verarbeiten konnte? Dasselbe Phänomen erleben gegenwärtig viele Kinder. Der Alltag unserer Kinder läuft in vielen Fällen ungefähr so ab: früh aufstehen, waschen. frühstücken, zur Schule oder in den Kindergarten gehen, lernen oder spielen, mittagessen, Hausübungen erledigen, fernsehen, am Computer sitzen und/oder einer Nachmittagsbeschäftigung nachgehen wie Ballett, Chor, Kinderturnen, Kinderschach u.v.m. Der Nachmittag ist vorbei, dann gibt es Abendessen, nochmals ein wenig fernsehen oder am Computer oder Handy sitzen oder noch einmal etwas lernen und dann ins Bett gehen. Ein derart erfüllter Tag mit so vielen Eindrücken will verarbeitet und die eingegangenen Informationen müssen sortiert werden. Wenn wir unsere Kinder mit vielen Beschäftigungen durchs Leben treiben, dann erziehen wir unsere Kinder dazu, sich an ein Hamsterrad an Beschäftigungen zu gewöhnen und sich damit zufriedenzugeben. Doch die Seele wünscht sich nach einem anstrengenden Vormittag im Kindergarten oder der Schule, in der sie stillhalten musste, eine Zeit der Muße. Das bedeutet ein Baumeln-Lassen der Seele, aufatmen können, Freiheit fühlen im Sein, in einer entspannten Umgebung auftanken können. Dafür sollten wir Erwachsenen unseren Kindern genügend Raum bieten. Was wir oft im geschäftigen Trubel unseres Alltagslebens vergessen, ist die Tatsache, dass es bei den Tätigkeiten und Kursangeboten unserer Kinder um viel mehr geht als nur darum eine gewisse Fertigkeit zu erlernen. Die Kinder haben sozialen Umgang miteinander und das Sammelsurium aus neuen Inhalten und Tätigkeiten in Verbindung mit dem Erleben der anderen Menschen auf der Beziehungsebene – all das braucht Zeit zur Verarbeitung. Wie oft treffen wir selbst auf Situationen, mit denen wir nicht gut umgehen können oder wo eine Begegnung mit einem Menschen schwierig verläuft. Wir Erwachsenen können schon auf eine Portion Lebenserfahrung zurückgreifen, die uns bei der Verarbeitung des Geschehenen hilft. Mobbing, Druck, Kritik, Erwartungshaltungen, sich mit anderen vergleichen, Streit, Versöhnung, gelobt werden, einen Fehler machen, lachen, weinen – all das kann sich für ein Kind innerhalb von 2 Stunden abspielen. Zur Verarbeitung braucht die Seele je nach Fitness und Verfassung ihr individuelles Zeitausmaß.

Betrachten wir die Situation der Kinder in einer ganz normalen Schule in Bezug auf die Tätigkeit der Seele und des Geistes. Der physische Körper des Kindes wird dazu genötigt viele Stunden lang stillzuhalten und das natürliche Bedürfnis nach Bewegung zu unterdrücken. An so vielen Dingen sind Kinder interessiert, doch all ihr Interesse haben sie in dieser Zeit zurückzusetzen. Seele und Geist begeben sich in Warteposition. Aber gerade durch die Bewegung können erlernte Dinge im Muskelgedächtnis abgespeichert, schwierigere Eindrücke durch eine Ableitung der Energien verarbeitet werden. Ein Kind hat das Bedürfnis mit seinem ganzen Körper zu lernen. Es will Eindrücke mit allen Sinnen gewinnen und sich daraus ein eigenes inneres Bild erschaffen. Die Hände möchten aktiv, der Geist kreativ sein und Ideen zu einer Umsetzung bringen.

Das Lernen mit allen Sinnen
befähigt die Kinder zu AKTIVEM SCHÖPFERTUM
.

Nun könnte jemand entgegnen: „Aber durch das Stillsitzen schulen sich die Kinder in Disziplin, und heutzutage herrscht sowieso eine unglaubliche Disziplinlosigkeit.“

Es ist allgemein bekannt, dass unsere Art des Schulunterrichts zur Zeit Maria Theresias seinen Anfang nahm. Die Herrscherin hatte die segensreiche Eingebung, allen Kindern den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Dadurch konnten viele Menschen eine Veränderung ihrer Lebensqualität zum Positiven erfahren. Zur gleichen Zeit wurden dadurch jene Qualitäten heranerzogen, die für die Festigung und Stärkung ihres Großreiches benötigt wurden. In Kriegszeiten waren disziplinierte Soldaten gefragt, die stillhalten, gehorchen, Befehle ausführen konnten. Im Grunde genommen sind das gute Qualitäten, es sind Tugenden. Doch wenn sie durch Machteinfluss dazu missbraucht werden, einem selbstsüchtigen Ziel zu dienen, dann kann die Seele diese Qualitäten nicht in dem Umfang für sich selbst nutzen, wie es eigentlich von unserem Schöpfer gedacht wurde. Bei genauerer Betrachtung, läuft es in unseren Schulen in der Essenz auch heute noch so ab wie vor 250 Jahren. Die Oberfläche sieht schon ganz nett aus, doch in der Tiefe hat sich nicht viel verändert. Disziplin ist an und für sich gut, wenn sie auf Selbstdisziplin fußt. Dann liegt dem ein Wertefundament zugrunde, das ein Verständnis der Notwendigkeit gewisser Dinge innehat. Diszipliniertes Verhalten muss sodann nicht durch einen Zwang von außen erwirkt werden, sondern wird aus einem inneren Bedürfnis und Verstehen heraus gelebt. Der Selbstdisziplin hat Harvest Education eine eigene Kultivierungsphase zugeschrieben, die zur Heranreifung des Menschen dazugehört.

Wie erlebt das Kind an einem „normalen“ Schultag seine Einheit von Körper, Seele und Geist? Hm. Stillsitzen, Monologen lauschen, Anweisungen ausführen, auf Fragen antworten – eine für Seele und Geist wenig herausfordernde, nicht gerade „prickelnde“, für das kindliche Leben oftmals reizlose Aufgabe. Also schalten diese beiden Teile des Betriebssystems um auf einen niederen Aktivitätsmodus oder gehen womöglich ganz Offline. Doch wie wird dann ein harmonisches Zusammenarbeiten aller Wesensanteile angeleitet und von den äußeren Sinnen aufgenommene Informationen verarbeitet, wenn diese beiden so essentiellen Teile unseres Menschseins ihre Aktivität drosseln? All unsere Inspirationen, unsere Visionen fürs Leben, das Interesse und die Neugier am Leben, das alles wird aus Seele und Geist geboren.

Seele und Geist sind Teil der Orchesterleitung
unserer Sinfonie des Lebens
.

Für das Einnehmen einer zweiten „Schlafpille“ für Kinder tragen Eltern die Verantwortung. Wenn das Kind zuhause ist und sich am Nachmittag aus Langeweile vor den Fernseher oder den Computer setzen darf, hört der in der Schule eingeleitete Schlaf der Seele und des Geistes zuhause nicht auf. Die vielen Eindrücke der im Fernsehen oder im Internet gewonnenen Bilder – eine Flut an Inputs – rufen eine Überforderung der inneren Welt des Kindes hervor. Der angeborene Überlebenstrieb ermöglicht es wohl, sich an unvorteilhafte Gegebenheiten anzupassen. Der Mensch gewöhnt sich an...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-907347-25-0 / 3907347250
ISBN-13 978-3-907347-25-6 / 9783907347256
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