Friedensbewegungen in der Ökumene um die Zeit des ersten Weltkriegs -  Eberhard Bürger

Friedensbewegungen in der Ökumene um die Zeit des ersten Weltkriegs (eBook)

Ein Überblick

Peter Bürger (Herausgeber)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
148 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-8912-9 (ISBN)
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Der vorliegenden Band im "Regal zur Geschichte des Pazifismus" enthält eine Darstellung des evangelischen Theologen Dr. Eberhard Bürger zu "Friedensbewegungen in der Ökumene um die Zeit des ersten Weltkriegs". Beim Rückblick auf die Jahre 1914-1918 gibt es neben der großen Last der Geschichte und der Schuld, die zu bekennen ist, noch eine andere Seite, die hier ergänzt wird: "Kirche des Friedens" werden heißt auch, die Erfahrungen, Zeugnisse und Modelle der Geschichte wahrzunehmen und sich heute von ihnen für morgen inspirieren zu lassen. Die Überschrift "Befreit zum Widerstehen" trifft den Nerv dessen, was es zu überliefern und bedenken gilt: Vom Evangelium befreit zu werden aus der vermeintlichen Übermacht der zerstörerischen "Mächte und Gewalten" zu einem lebens- und friedensbejahenden Leben, auch zur Entlarvung der "Mächte und Gewalten" und zum Widerstand gegen sie. Dies kann sich freilich nur in kirchlichen Räumen ereignen, die unabhängig sind von staatlichen bzw. nationalen Komplexen. Der Begriff "Friedens-Bewegungen" zeigt an, dass es hier nicht nur um eine einheitliche Bewegung im soziologischen Sinne geht, sondern um eine Vielzahl von Strömungen, Gruppen, Einzelnen, um deren "Nein zum Krieg" und deren "Ja zum Frieden". Die Friedens-Bewegungen sind von Anfang an weltweit, also ökumenisch gewesen. Ökumenisch meint hier: international, konfessions- und religionsübergreifend, auch die oft mehrheitlich nichtreligiösen Bewegungen einbeziehend, in den Zielstellungen sich berührend. Dabei liegt der Schwerpunkt des Überblicks geografisch auf dem deutschsprachigen Raum - auf Deutschland, auf Österreich und der Schweiz. edition pace Regal zur Geschichte des Pazifismus 4 Herausgegeben von Peter Bürger

Dr. Eberhard Bürger, geboren 1949 in Sömmerda, aufgewachsen in Weimar. 1966-1969: Berufsausbildung mit Abitur als Facharbeiter für Fernmeldetechnik in Arnstadt/Thüringen. Entscheidung für "Bausoldat". 1969-1974: Studium der Evangelischen Theologie an der Universität in Jena. Seit 1972 verheiratet mit Barbara Bürger, Pfarrerin i.R. und Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation. Vier Kinder. - 1974 Vikariat in Erfurt und Forschungsstudium beim Bund Evangelischer Kirchen. 1976 Wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Praktische Theologie in Jena bei Professor Dr. Klaus-Peter Hertzsch. 1979 Promotion im Fachbereich Kirchengeschichte an der Universität Jena. Seit 1969: Friedensarbeit im Rahmen des Evangelischen Jungmännerwerkes Thüringen. 1979-1988: Gemeindepfarrer an der Michaelisgemeinde Zeitz, Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (KPS). 1988-1995 Gemeindepfarrer im Pfarrbereich Belgern/Elbe (KPS). 1990: Beitritt zum deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. 1995-2003: Als Provinzialpfarrer für missionarischen Gemeindeaufbau Leiter der landeskirchlichen Arbeitsstelle für Kirchliche Dienste (AKD) in Magdeburg (KPS). 2003-2012: Gemeindepfarrer im Pfarrbereich Arendsee/Altmark (KPS und seit 2009 zusammen mit Thüringen Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, EKM). 2009-2013: Mitarbeit im Vorstand des Versöhnungsbundes, davon ab 2011 als stellvertretender Vorsitzender, seit 2012 Mitarbeit außerdem in der landeskirchlichen und der örtlichen Friedensarbeit. Ab 2012 Pfarrer i.R. in Magdeburg.

1.
Die Anfänge des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen

Am 1. August 1914 wurde in Deutschland die Mobilmachung ausgerufen: Alle Züge waren für den Transport von Truppen und Kriegsgerät beschlagnahmt worden. Endlich begann das lange vorbereitete,5 von vielen freudig ersehnte Kriegsgeschehen und – was nur wenige geahnt haben – die sogenannte „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“! (Eine gemachte Katastrophe.) Mitten im Chaos dieses Tages reisten dennoch Teilnehmer einer Konferenz ins Inselhotel in Konstanz. 153 aus dreizehn Ländern hatten sich angemeldet, darunter 22 aus Deutschland.6 Nur 93 von ihnen erreichten die Tagung7, darunter drei aus Deutschland: der evangelische Pfarrer Friedrich Siegmund-Schultze8 als Organisator und Schriftführer, Pfarrer Ernst Böhme aus Kunitz bei Jena9 und der Konstanzer Stadtpfarrer Zandt. Friedrich Siegmund-Schultze hatte viele Einladungsschreiben an Einzelpersonen verschickt und vor allem von kirchenleitenden Amtsträgern entschiedene Absagen bekommen.10 Das Thema derTagung sowie die Tagesordnung fanden sich auf der großformatigen Einladung:

„Die Kirchen und Freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen“ – Konferenz in Konstanz vom 3. bis 4. August 1914. Das Ziel der Konferenz: ‚Durch Freundschaft der Kirchen müssen Gefühle von Misstrauen und Hass sowie Antipathie zwischen Völkern und Nationen überwunden werden‘.“11

Die Tagung hatte eine lange Vorgeschichte, die 1907 mit der 2. Haager Friedenskonferenz begonnen hatte: Ein „Aufruf der Kirchen für den Frieden“, verbunden mit der Einrichtung eines „Kirchlichen Komitees zur Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland“ führte in den Jahren danach zu „Friedensreisen“ von Geistlichen nach Deutschland und England. Bereits damals hatte Friedrich Siegmund-Schultze die federführenden Aufgaben übernommen. Die Freundschaftsarbeit wuchs in beiden Ländern. Sie wurde begleitet von den beiden Zeitschriften „The Peacemaker“ und „Die Eiche“.

Die Zeitschrift „Die Eiche“ gehört zu den Zeitschriften, die mich wirklich ins Staunen versetzt haben. Als Vierteljahresschrift 1913 begründet, knüpft ihr Name an die deutschen und englischen Traditionen an und verbindet nationales Selbstbewusstsein („Wir pflanzen einen deutschen Baum in deutscher Erde.“ „…auch in England ist die Eiche der Nationalbaum!“) mit dem Brauch der Friedenseiche, die zur Hoffnung auf Frieden immer wieder gepflanzt wurde: „Pflanzt Friedenseichen in allen deutschen Kirchen! Als 1908 die deutschen Kirchenmänner ihre Friedensfahrt nach England unternahmen, fanden sich Vertreter aller deutschen Kirchen und Richtungen zusammen. Im Jahre 1909 kamen im Zeichen der Eiche, die auf allen Programmen und Begrüßungen das Sinnbild war, die Vertreter der britischen Kirchen zu uns herüber… Pflanzt Friedenseichen für die Kirche Christi in aller Welt! Nehmt die Schlagbäume weg und legt Straßen an! Am Zoll sitzen und Einlaß verwehren ist leicht; Steinquader zum Straßenbau herbeizuschaffen ist schwer. Hört auf, Gräben zu ziehen, und baut Brücken! Dann werdet ihr euer Eisen nützlich anwenden. Wie lange noch wird das tatsächliche Verhalten der Kirchen ein Hohn sein auf das Bekenntnis zur Gemeinschaft der Heiligen! Die religionsfeindlichen Mächte haben sich längst international organisiert; die Kirchen Christi kommen in ihrer Zwietracht zu keinem Zusammenschluss … Pflanzt Friedenseichen! – Und wo läge die Friedensarbeit näher als zwischen den deutschen und den angelsächsischen Christen!“ Die Aufgaben der „Eiche“ beschreibt Friedrich Siegmund-Schultze so: „1. In dem Streit der Völker durch Weckung des christlichen Gewissens zum Frieden wirken. 2. Gegen Missverständnisse angehen, 3. Friedensarbeit bekannt machen, 4. Verständnis für die Eigenart des anderen wecken, informieren und das christliche Gemeinschaftsgefühl stärken, 5. Persönliche Kontakte anregen und vertiefen, 6. Verständnis für andere wecken und Zusammenarbeit der Christenheit in unserer Zeit.“ In Großbritannien wurde der „Peacemaker“ als Schwesterzeitschrift der „Eiche“ gegründet. Dort findet sich Weihnachten 1913 eine Botschaft an das deutsche Volk: „Die Weihnachtszeit 1913 findet uns näher beieinander als früher. Die Herzen unseres Volkes schlagen mit den Euren zusammen. Nicht mit Neid, sondern mit Freude sehen wir auf das, was Ihr mit Gottes Hilfe erreicht habt. Wir beten, die heilige Weihnachtszeit möge Eure Herzen mit der Freude des Friedefürsten erfüllen; das neue Jahr möge Euch Wachstum und Gedeihen in persönlichen, häuslichen, sozialen nationalen und internationalen Fragen bringen; und jedes folgende Jahr möge Zeugnis geben von einer wachsenden Geistesgemeinschaft und brüderlichen Zusammenarbeit unserer Völker, zur Ehre Gottes und zum Segen der Menschheit.“ – Über die Jahre hin erschienen in der Zeitschrift „Eiche“ Artikel zu England, den USA, Frankreich, Russland (also den Hauptfeinden Deutschlands), der Schweiz, den Niederlanden, zu den nordischen Ländern, Artikel zu Ereignissen wie Friedensaufrufe, der Praxis des Friedenssonntags seit 1912, zu Telegrammen vor und bei Kriegsbeginn, kirchlichen Stimmen zum Krieg (so auch Benedikt XV.), zur Lage der Gefangenen in Deutschland, zum Gebet füreinander zwischen den verfeindeten Völkern, zu Veröffentlichungen des englischen Versöhnungsbundes und der Tätigkeit der Quäker … Oft finden sich freie Absätze in den Artikeln, weil dort die Zensur zugeschlagen hatte. Doch manchmal sind die vollständigen Artikel dann noch gesondert an die betreffende Nummer der „Eiche“ angefügt worden. –Ab dem 5. Jahrgang ändert sich der Untertitel der „Eiche“: „Ein Organ für soziale und internationale Ethik“ und ab 1921 „Vierteljahresschrift für soziale und internationale Arbeitsgemeinschaft“. – Mit welcher Qualität, mit welchem Mut selbst durch die Zeit des Krieges 1914 – 1918 Freundschafts- und Versöhnungsarbeit geleistet worden ist, das bleibt ein wundervolles Zeugnis bis heute! Außerdem hat die „Eiche“ „die Entwicklung der drei Zweige der Ökumene auf dem Weg zur Einigung begleitet, den Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen von Konstanz 1914 bis Prag 1928, die Bewegung für Praktisches Christentum (Stockholm 1925) und die Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung (Lausanne 1927)“. Die „Eiche“ hat darüber hinaus die Entwicklung der christlichen Friedensbewegung von 1913-1933 dokumentiert.

Die Konstanzer Konferenz 1914 wurde möglich durch zwei besondere Umstände:

Der Kaiser hatte alle internationalen Konferenzen untersagt, mit Ausnahme dieser einen.12 Daran hatte wohl auch Großherzogin Luise von Baden ihren Anteil. Und: Die Finanzierung der Tagung war möglich, weil der US-Friedensaktivist Andrew Carnegie einen Fonds zur Förderung internationaler Friedensarbeit eingerichtet hatte und Geld zur Verfügung stellte.13

Nach den Vorgesprächen am 8./9. Mai 1914 in London und der Entscheidung für Konstanz als Tagungsort erfolgte ab Mitte Mai der Versand der Einladungen. Am 1. August 1914 um 22.30 Uhr tagte das provisorische internationale Komitee, um zu entscheiden, dass die Tagung nicht sofort nach London verlegt, sondern so weit wie möglich in Konstanz abgehalten wird.

Friedrich Siegmund-Schultze schreibt zur Tagung selbst: „Da die Delegierten zu sehr verschiedenen Zeiten eintrafen, war es schwierig, das Programm, wie es eigentlich beabsichtigt war, durchzuführen. Nachdem bis zum Abend des 2. August verschiedentlich hin und her beraten worden war, was sich aus den schwierigen Verhältnissen, vor allem infolge des Ausbleibens der wichtigsten ausländischen Delegierten ergab, wurde durch die Ankunft von Mr. Baker, Mr. Dickinson und Mr. Lynch am Abend des zweiten Tages der Mobilmachung die Frage dahin entschieden, daß die Konferenz gemäss dem geplanten Programm durchgeführt werden sollte.“14 Am 2. August 10.30 Uhr wurde die Konferenz mit einer Gebetsversammlung eröffnet. Doch bereits am Abend des 2. August verfügten die Konstanzer Behörden das Ende der Konferenz, weil die ausländischen Teilnehmer sonst interniert werden würden. Da wurde allen klar: Der Krieg beginnt wirklich. Wir kommen zu spät, um ihn zu verhindern. Wir sind zu wenige. Wir haben keine Macht. – Was haben sie angesichts dieser tiefen Ohnmachtserfahrung getan?

Sie haben gebetet. Sie haben sich mit kurzen Betrachtungen besonnen. Ein Referat hat ihnen neu in den Blick gebracht, worin sie vom Friedenswirken Jesu Christi den Kern ihres Anliegens sahen.15 Mehr noch: Sie fassten Beschlüsse.

„Zweck des Weltbundes war laut Satzung die Versöhnungs- und...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-8912-9 / 3759789129
ISBN-13 978-3-7597-8912-9 / 9783759789129
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