Über Militarismus und Pazifismus -  Ludwig Quidde

Über Militarismus und Pazifismus (eBook)

Vier friedensbewegte Texte aus den Jahren 1893-1926

Peter Bürger (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
184 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-7154-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
2,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der linksliberale Erzdemokrat Ludwig Quidde (1858-1941) war ab dem Ersten Weltkrieg 15 Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft und erhielt 1927 den Friedensnobelpreis. Er schrieb schon 1893 die heute leider wieder hochaktuelle Warnung: "Jede Stärkung des Militarismus kommt schließlich reaktionären Bestrebungen zugute, und will man einer freieren Auffassung im Staatswesen die Bahn öffnen, so muss man entschlossen den Militarismus angreifen; denn in ihm steckt der Kern und der Halt des im Grunde doch noch immer halbdespotischen Systems. ... Mit dem brutalen Übermute des Siegers wird der Militarismus unserem Kulturleben, der bürgerlichen Gesellschaft und der Freiheit den Fuß auf den Nacken setzen und wird unser wirtschaftliches Leben für seine Zwecke ausnützen." Die Schulen in Deutschland waren in einem erbärmlichen Zustand. Überall im zivilen Bereich wurde gespart. Doch wenn es um Ausgaben für die Massenmordtechnologien des Militärs ging, konnte das Geld von den Regierenden stets ohne Begrenzung umgeleitet werden. Die hier vorgelegte Sammlung enthält vier Schriften Quiddes über Kriegsideologie und Pazifismus: "Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich" (1893); "Caligula" (Skandal-Satire, 1894); "Geschichte des Pazifismus" (Überblick, 1922); "Im Kampf gegen Cäsarismus und Byzantinismus im Kaiserlichen Deutschland" (Erinnerungen, 1926). Ein Band der edition pace, herausgegeben von Peter Bürger

Ludwig Quidde (geb. 1858, gest. 1941), aufgewachsen in einer freiheitlichen Bremer Kaufmannsfamilie, war Historiker, Politiker und Friedensaktivist. Schon 1893 wandte sich der linksliberale Erzdemokrat in einer Anklageschrift gegen den deutschen Militarismus, der - zulasten der zivilen, sozialen und kulturellen Bereiche - überall die Vorherrschaft ausübte: "Es mag sein, dass mir diese Dinge schlimmer als anderen erscheinen, weil ich in besonders menschenwürdigen Verhältnissen aufgewachsen bin; aber wenn ich höre, was die Schule an Zwang dem Schüler und dem Elternhause zu bieten wagt, so bin ich starr vor Verwunderung, wie viel man sich gefallen lässt." Nach dem Ersten Weltkrieg war Quidde 15 Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft, zu deren bürgerlichem Flügel er gehörte, und erhielt 1927 den Friedensnobelpreis.

Vorbemerkungen zu dieser Edition

„Jede Stärkung des Militarismus kommt schließlich reaktionären Bestrebungen zugute, und will man einer freieren Auffassung im Staatswesen die Bahn öffnen, so muss man entschlossen den Militarismus angreifen; denn in ihm steckt der Kern und der Halt des im Grunde doch noch immer halbdespotischen Systems. … Mit dem brutalen Übermute des Siegers wird der Militarismus unserem Kulturleben, der bürgerlichen Gesellschaft und der Freiheit den Fuß auf den Nacken setzen und wird unser wirtschaftliches Leben für seine Zwecke ausnützen.“ (LUDWIG QUIDDE: Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich, 1893)

Unter „linksliberal“ wird heute gemeinhin ein politisches Spektrum bezeichnet, in dem es eine große Zahl von Anhängern der militärischen Heilslehre gibt und aus dem erschreckende Beiträge zur rasanten Militarisierung des öffentlichen Lebens kommen. Umso dringender ist es, an einen friedensbewegten bürgerlichen Erzdemokraten wie den aus einer wohlhabenden Bremer Kaufmannsfamilie stammenden Ludwig Quidde (1858-1941) zu erinnern. Er ist mit gleicher Leidenschaft als „1848er“ und Friedensarbeiter hervorgetreten. Sein Motiv war für beide ‚Betätigungsfelder‘ nur eines, denn nichts bedroht jede freiheitliche Entwicklung der Menschenwelt so sehr wie der „Schwertglaube“, der in unseren Tagen nun wieder auf allen Kanälen gepredigt wird. – Liberale wie diese beeindruckende politische Persönlichkeit braucht jede Gesellschaft, während jene, die unter gleichem ‚Label‘ die Demokratisierung des Wirtschaftslebens verhindern, die Interessen der Rüstungsindustrien durchsetzen und unentwegt der Kriegsertüchtigung das Wort reden, uns in autoritäre Verhältnisse hineintreiben – in Wirklichkeit also Antiliberale heißen müssen.

Als Hans-Ulrich Wehler 1977 die vier auch in unserer kleinen Edition enthaltenen Texte in einem Auswahlband mit dem Titel „Caligula“ darbot, schrieb er einleitend über den Verfasser: „Ludwig Quidde, seit Jahrzehnten in Vergessenheit geraten, ‚war ein geradezu klassischer Außenseiter: Demokrat und Republikaner schon im Kaiserreich‘, in seiner Fachwissenschaft, der Geschichte, ‚nach glänzendem Start und einer kurzen Periode intensiver und erfolgreicher Wirksamkeit nur noch wenig und auch dann nur am Rande tätig‘. Dafür wurde er aber in den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ‚die bekannteste Persönlichkeit in der deutschen Friedensbewegung‘, zwar ‚nie‘ in Deutschland geehrt, jedoch 1927, ein Jahr nach Stresemann, der zweite deutsche Friedensnobelpreisträger von hohem internationalem Ansehen. Die neuere deutsche Geschichte ist nicht reich an eigenständigen Charakteren wie Quidde: Ein unabhängiges politisches Urteil verband sich bei ihm mit rastloser Aktivität, fachwissenschaftlicher Scharfsinn und Erfolg mit publizistischen Fähigkeiten, Organisationstalent mit rhetorischer Begabung. Vor allem aber behielt Quidde als ein ‚außerordentlich integrer Mann‘ den Kopf über dem Nebel verhüllender Phrasen, wenn er die Schwächen wilhelminischer Innenpolitik furchtlos kritisierte oder eine rechtlich verankerte internationale Friedensordnung mit Leidenschaft forderte. Es wirft daher ein scharfes Schlaglicht auf die politischen Möglichkeiten in der Bundesrepublik, dass zwar Kriegsschiffe auf den Namen von Offizieren, die Hitler bereitwillig bis zum Ende gedient haben, getauft werden konnten, jedoch ein Repräsentant des besseren Deutschland wie Quidde bis heute nicht durch einen Preis oder eine Stiftung wenigstens postum geehrt und den Schatten der Vergangenheit entrissen worden ist. Auch 1972, als mit Brandt ein dritter deutscher Politiker den Friedensnobelpreis erhielt, ist diese Chance vertan worden.“1

Schon 1881 war Quidde als junger Historiker mit einer weitsichtigen Broschüre „Die Antisemitenagitation und die Deutsche Studentenschaft“ an die Öffentlichkeit treten. Der erste – schon von Wehler ausgewählte – Text im vorliegenden Band ist die Anklageschrift „Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich“ aus dem Jahr 1893, zunächst ohne Verfassernamen veröffentlicht (→I). Zentral ist der bereits in den oben vorangestellten Zitaten deutlich werdende Gegensatz von Freiheit und Soldatenreligion: „Die Liberalen, die dem Militarismus vorsichtig ausweichen und ihn ängstlich hätscheln, in der Hoffnung, die Träger dieses Militarismus dadurch zugänglicher zu machen für die doch so bescheidenen und einleuchtenden liberalen Forderungen, sind noch immer die Gefoppten gewesen.“ Quidde beklagt unter anderem die elende Lage des Schulwesens und zeigt unter Heranziehung einer zeitgenössischen Publikation auf, „wie Interesse und Geld nur für militärische Zwecke vorhanden sind und wie erschreckend gering das Maß von Anforderungen geworden ist, das die zivilen Interessen noch zu machen wagen. … ‚Das ist in Wahrheit der Druck der Militärlast, dass die militärischen Interessen bei uns angefangen haben alle Kulturinteressen zu absorbieren‘.“ Der Verfasser ist Zeitzeuge eines Phänomens, das sich in wandelnder Gestalt zu allen Zeiten wiederholen kann – so heute.

Unter dem Titel „Caligula“ folgt ein Meisterwerk der Satire (→II), das Quidde wider Anraten der Freunde 1894 unter seinem wahren Namen und im Inland zur Drucklegung brachte. Im Tarngewand einer wissenschaftlichen ‚Altertumsstudie‘ wird hier der oberste Hohenzollernherrscher einer speziellen Betrachtung unterzogen, was nicht lange unbemerkt blieb. Besser konnte später auch ein Bertolt Brecht nicht vormachen, wie man erprobt, ‚die Wahrheit zu sagen‘. Es handelt sich beim „Caligula“ um eine herausragende Skandalschrift des deutschen Kaiserreichs, die in kurzer Zeit – nicht zuletzt dank der Ränkespiele reaktionärer Presseerzeugnisse – dreißig Auflagen erreichte. Das freie Wort beendete jedoch die wissenschaftliche „Karriere“ des Verfassers und führte zu großer Feindseligkeit auf der rechten Seite. In seinen 1926 vorgelegten Erinnerungen „Im Kampf gegen Cäsarismus und Byzantinismus im Kaiserlichen Deutschland“ erhellt Quidde die Entstehung und Wirkungsgeschichte des ‚Caligula‘ sowie die gegen ihn – stellvertretend für die gesamte demokratische Sache – gerichteten Repressionen (→IV).

Immer noch lesenswert ist der als vierter Text nachfolgend dargebotene Überblick „Geschichte des Pazifismus“ (→III), erstmals veröffentlicht 1922 im Handbuch „Die Friedensbewegung“.

Wichtige Seiten der Biographie und des Schaffens von Ludwig Quidde werden in der vorliegenden Publikation nicht beleuchtet. Quidde war ab dem Ersten Weltkrieg fünfzehn Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft, zu deren ‚bürgerlich-gemäßigtem Flügel‘ er zählte. Er beteiligte sich an der öffentlichen Aufklärung zur geheimen – alsbald Hitler dienlichen – Aufrüstung in der Weimarer ‚Republik ohne Republikaner‘ und musste direkt ab Anfang 1933 – wie so viele pazifistische Persönlichkeiten nach der Machtübertragung an die Faschisten – dauerhaft im Ausland leben. Im Schweizer Exil entstand 1934-1940 die Studie „Der deutsche Pazifismus während des Weltkrieges 1914–1918“, die Karl Holl und Helmut Donat dann vor über vier Jahrzehnten aus dem Nachlass herausgegeben haben.2 Wichtige andere Texte der Exilzeit sind 2008 als Sammlung ediert worden.3

Zeitlebens war Quidde dankbar für das Privileg, „in besonders menschenwürdigen Verhältnissen“ (→S. 52) aufgewachsen zu sein, in welchen das Eigene, die Achtung des Anderen und der freie Sinn gedeihen konnten – nicht aber Obrigkeitsgehorsam.4 Leidenschaft für wirkliche Demokratie, die niemals mit militäraffinen Weltbildern einhergehen kann, braucht Vorbilder. An den Friedensaktivisten Ludwig Quidde zu erinnern, das birgt eine Er-Mutigung sondergleichen – wider die traurige Stimmungslage der Gegenwart.

Das hier vorgelegte Bändchen ist Teil eines ‚Regals zur Geschichte des Pazifismus‘, herausgegeben in Kooperation mit dem Alois Stoff Bildungswerk der DFG-VK NRW. Als Erstauflage erscheint die im Internet kostenfrei abrufbare Digitalfassung; es folgt jedoch wie bei allen Teilen auch eine nichtkommerziell kalkulierte Taschenbuchausgabe der edition pace.

Düsseldorf, im März 2024 Peter Bürger

1 Ludwig QUIDDE: Caligula. Schriften Über Militarismus und Pazifismus. Mit einer Einleitung herausgegeben von Hans-Ulrich Wehler. Frankfurt a. M.: Syndikat 1977, S. 7 (hier unter Fortlassung der Fußnoten).

2 Ludwig QUIDDE: Der deutsche Pazifismus während des Weltkrieges 1914-1918. Aus dem Nachlaß Ludwigs Quiddes, herausgegeben von Karl Holl unter Mitwirkung von Helmut Donat. Boppard am Rhein: Boldt 1979. – Es wäre sehr zu...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-7154-8 / 3759771548
ISBN-13 978-3-7597-7154-4 / 9783759771544
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mein Leben in der Politik

von Wolfgang Schäuble

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
29,99
Mit „Green Growth“ gegen den Klimawandel und für die …

von Hans-Jörg Naumer

eBook Download (2023)
Springer Fachmedien Wiesbaden (Verlag)
9,99