Die unglaubliche Welt genialer Menschen mit Autismus -  Ulrich Merkl

Die unglaubliche Welt genialer Menschen mit Autismus (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Patmos Verlag
978-3-8436-1542-6 (ISBN)
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Warum wurde Beethoven als Landstreicher und Spion verhaftet? Warum nahm Kaiserin Sisi auf alle Reisen ihre Lieblingskuh mit? Warum war Karl Lagerfeld nie ohne Sonnenbrille zu sehen? Warum ist Greta Thunberg durch nichts auf der Welt von ihrer Klimaschutz-Mission abzubringen? All diese Persönlichkeiten haben eine Gemeinsamkeit: das Asperger-Syndrom. Sie gelten als eigenbrötlerisch, als skurrile, exzentrische oder menschenscheue Sonderlinge, doch ihr ungewöhnlicher Blick auf die Welt, ihre oft überdurchschnittliche Intelligenz und ihre erstaunlichen Talente und Spezialinteressen befähigen sie zu weltbewegenden Leistungen. Kurzweilig und kenntnisreich berichtet Ulrich Merkl aus dem Leben weltberühmter Persönlichkeiten, die gesichert oder mit großer Wahrscheinlichkeit vom Asperger-Syndrom, einer leichteren Form des Autismus, betroffen sind oder waren. Anhand verblüffender Anekdoten und nie gehörter Fakten entsteht ein umfassendes Bild autistischer Denk- und Lebensweisen, die das Schaffen vieler kreativer Genies entscheidend geprägt haben. Sein Buch ist ebenso eine Einladung, Autistinnen und Autisten nicht über ihre Schwächen zu definieren, sondern von ihren kreativen und außergewöhnlichen Lösungen zu lernen.

Dr. Ulrich Merkl, geboren 1965, studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Romanistik. Als freiberuflicher Autor und Lektor wohnt er mit seiner Frau in der Nähe von Leipzig. Er hat zehn Kinder: zwei aus Fleisch und Blut, acht aus Papier. Seit 2017 weiß er, dass er von Asperger-Autismus betroffen ist. Besuchen Sie den Autor auf seinem Blog ulrichmerkl.de.

WORUM GEHT ES IN DIESEM BUCH?


Als einmal ein Interviewer den Pop Art-Künstler Andy Warhol nach dessen Herkunft fragte, bekam er eine überraschende Antwort. »Ich stamme von einem anderen Planeten und weiß nicht, wie ich auf die Erde gelangt bin«1, meinte der Maler und Grafiker, von dem das Einwohnermeldeamt bis dahin immer gedacht hatte, er stammte aus Pittsburgh, Pennsylvania.

Warhol war nicht der einzige Prominente, den der Storch in der falschen Galaxie abgeliefert hatte. Viele bekannte Persönlichkeiten aller Zeiten und Länder behaupteten, nicht etwa von der Erde, sondern aus dem Weltall oder von einem fremden Planeten zu stammen:

Der Komponist Anton Bruckner, laut Taufbucheintrag geboren am 4.9.1824 im oberösterreichischen Ansfelden, beklagte sich mehr als einmal: »Ich weiß nicht, wie ich auf diesen miserablen Planeten gelangt bin.«2

Der Dramatiker Bernard Shaw, laut Wikipedia geboren am 26.7.1856 in Dublin, sprach von einer »Fremdheit, die mich mein Leben lang mehr zu einem Gast als zu einem Einwohner unseres Planeten gemacht hat.«3

Albert Einstein, nach Angaben seiner Eltern zur Welt gekommen am 14.3.1879 in der Bahnhofstraße B135 in Ulm, »stand der Gesellschaft gegenüber, als sei er auf einem anderen Planeten geboren.«4

Auch der Philosoph Ludwig Wittgenstein war »wie aus einer fremden Welt herabgeschneit«.5

Ebenso Bill Gates, der einem Journalisten zufolge »als Marsmensch« auf die Erde kam.6

Und Elon Musk war die Frage, ob er womöglich ein Alien sei, nur ein »Selbstverständlich!« wert.7

Wenn aber alle diese Personen nicht von der Erde stammten, woher kamen sie dann?

Seit wenigen Jahren wissen wir es: Sie stammen vom Planeten Asperger.

Im Jahr 1944 beschrieb der österreichische Kinderarzt Hans Asperger (1906–1980) eine psychische Besonderheit: eine leichte Form von Autismus, die man heute »Asperger-Autismus«, »Asperger-Syndrom« oder »Hochfunktionaler Autismus« nennt.8Obwohl mindestens ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist, in Deutschland also 800.000 und weltweit achtzig Millionen Menschen9, ist Asperger-Autismus in der öffentlichen Wahrnehmung noch zu wenig bekannt oder wird oft falsch verstanden.

Noch weniger bekannt als das Phänomen selbst ist, dass auch viele bedeutende Künstler, Wissenschaftlerinnen, Politiker und andere Prominente von dieser Art der Gehirnprogrammierung betroffen sind oder gewesen sein müssen: Isaac Newton, Thomas Jefferson, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Kaiserin Elisabeth von Österreich (»Sisi«), Vincent van Gogh, Marie Curie, Albert Einstein, Franz Kafka, Alfred Hitchcock, Andy Warhol, Karl Lagerfeld, Bill Gates, Steve Jobs, Julian Assange, Elon Musk, Mark Zuckerberg, Greta Thunberg und viele andere, die uns in diesem Buch begegnen werden.

»Autismus«, abgeleitet vom griechischen Wort autós (›selbst‹), bedeutet »Selbstbezogenheit« oder »Selbstgenügsamkeit« oder »Ganz-bei-sichsein«. Gemeint ist ein auf sich selbst bezogenes Verhalten und die mangelnde Befähigung zu sozialer Interaktion.

Wer sich heute mit Autismus beschäftigt, muss mit vielen falschen Vorstellungen aufräumen, vor allem mit der, Autismus sei immer gleichbedeutend mit einer geistigen Behinderung. Die Wahrheit ist viel komplizierter: Kein Autist gleicht dem anderen und die Symptome innerhalb des weiten autistischen Spektrums könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Spannbreite reicht von Menschen mit schwerer geistiger Behinderung bis hin zu außerordentlich Begabten.10

Asperger-Autismus, mit dem sich dieses Buch befasst, ist eine leichte Form von Autismus am äußeren »hellen« Rand des autistischen Spektrums. Keine schwere Krankheit, keine schwere Behinderung im klassischen Sinn, sondern eine ungewöhnliche Art, zu denken, zu fühlen, zu leben11, immer einhergehend mit einer sozial-kommunikativen Störung, die gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen hat, oft aber auch mit außergewöhnlichen Talenten auf bestimmten Spezialgebieten.

Das Hauptproblem von Asperger-Autisten und -Autistinnen liegt darin, dass ihr Gehirn zwar nicht schlechter, aber anders funktioniert. Sie haben viele Talente, aber meist nicht diejenigen, die für das »echte« Leben entscheidend sind. Außerdem nehmen sie die Welt ganz anders wahr als »normale« Menschen und ihr Verhalten wirkt für Nicht-Autisten oft befremdlich. Von solchen autistischen Besonderheiten werden wir in diesem Buch immer wieder hören: zwanghafte Fixierung auf kuriose Spezialinteressen zum Beispiel, starres Festhalten an Routinen und Ritualen, rein logisch-rationales Denken, Fokussierung auf Details zulasten des Gesamtbildes, Egozentrik und Nonkonformität, Hypersensibilitäten und körperliche Schwächen. Aus diesen und vielen anderen Gründen ecken Autisten und Autistinnen überall an, gelten als eigensinnig, arrogant, kompliziert, verpeilt, weltfremd, als Sonderlinge, Exzentrikerinnen, Außenseiter, »wie von einer gläsernen Mauer umgeben«, eben wie von einem anderen Planeten.

Trotzdem sind Menschen mit Asperger-Autismus etwas völlig anderes als ›Rain Man‹. Der Protagonist des gleichnamigen Films ist für die meisten Menschen noch immer die einzige Assoziation zum Thema Autismus, obwohl nur etwa ein Drittel aller Betroffenen an diesem äußersten »dunklen« Ende des Spektrums liegt, wo sich Autismus als schwere geistige Behinderung manifestiert. Mit der leichteren Art von Autismus, die in diesem Buch besprochen wird und von der etwa zwei Drittel aller Autisten betroffen sind, hat Rain Man nichts zu tun.12

Die Fokussierung dieses Buches auf berühmte Persönlichkeiten unter Asperger-Verdacht oder mit einer Asperger-Diagnose könnte den Eindruck entstehen lassen, dass diese Art der Gehirnprogrammierung immer automatisch mit Hochbegabung oder Genialität oder beruflichem Erfolg einhergeht. Das wäre genauso einseitig und falsch wie die Tendenz der Filmindustrie, Menschen mit Autismus als »gestört« oder »leidend« darzustellen.13 Wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Die meisten Asperger-Autisten erbringen keine revolutionären Leistungen und gewinnen keine Nobelpreise. Sie sind unauffällige, introvertierte Einzelgänger, oft überdurchschnittlich intelligent, oft hochbegabt, aber meist vom Berufs- und Sozialleben ausgeschlossen, immer aufgrund ihrer sozialen und kommunikativen Defizite, zusätzlich häufig auch noch aufgrund von Begleiterkrankungen wie Angststörungen, Zwangsstörungen, Sozialphobie, Depressionen, Störungen des Immunsystems.14

Unumstritten ist aber auch, dass viele autistische Züge dem wissenschaftlichen oder künstlerischen Erfolg dienlich sein können. So hatten die in diesem Buch vorgestellten prominenten Personen das Glück, meist nicht von schweren Begleiterkrankungen betroffen zu sein und im Randbereich des autistischen Spektrums zu liegen, wo sich die Störung nicht als schwere Behinderung, sondern als Anderssein manifestiert. Die enormen kreativen Leistungen dieser Menschen basierten auf einer Kombination typisch autistischer Stärken, dazu gehören zum Beispiel Zähigkeit, Askese und Perfektionismus, fehlender Respekt vor Autoritäten und gesellschaftlichen Normen, überdurchschnittliche Fähigkeiten im logischen und sprachlichen Bereich, ein Blick für versteckte Systeme und Muster.

Von den skurrilen, traurigen und großartigen Lebenswegen, die sich aus dieser ungewöhnlichen Art der Gehirnstrukturierung ergeben haben, handelt dieses Buch.

Der Verdacht, dass manche bekannte Persönlichkeiten von einer leichten Form von Autismus betroffen gewesen sein könnten, ist nicht neu. Wer die Autismus-Literatur durcharbeitet, stößt immer wieder auf Sätze wie »Angeblich war auch Ludwig van Beethoven von Autismus betroffen«, oder »Auch Albert Einstein soll auf dem autistischen Spektrum gelegen haben«. Dass es in dieser Frage bis heute keine klare Antwort gibt, liegt daran, dass jeder Forscher- und Autorengruppe ein Teil des Gesamtbildes fehlt:

Die Menschen mit Autismus beschreiben in ihren Autobiografien immer nur ihre eigenen Erfahrungen. Nicht ohne Grund bedeutet Autismus »Selbstbezogenheit«.

Die Verfasser historischer Biografien, die eigentlich dankbar wären für jede neue Facette ihrer Hauptfigur, wissen nichts von Autismus.

Und die Psychotherapeutinnen und Psychologen befassen sich nicht mit historischen Persönlichkeiten, weil sie Ferndiagnosen skeptisch gegenüberstehen. Sie halten es für unseriös, einen Menschen zu diagnostizieren, dem sie nie persönlich begegnet sind.

Alle forschen und publizieren aneinander vorbei.

Dass bei Beethoven und Einstein zu Lebzeiten nie Autismus diagnostiziert wurde, liegt auf der Hand, weil damals weder das Wort noch das Konzept »Autismus« existierten. Niemand achtete auf die Symptome, weil sie unbekannt waren. Zweihundert Jahre später geboren, müsste Beethoven heute aber – auf der Basis all der zufällig überlieferten Indizien – zwingend die Diagnose »Asperger-Autismus in geradezu lehrbuchartiger Ausprägung« bekommen. Auch...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-8436-1542-X / 384361542X
ISBN-13 978-3-8436-1542-6 / 9783843615426
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