Wissenschaftliches Arbeiten und empirische Forschung im Studium Soziale Arbeit -

Wissenschaftliches Arbeiten und empirische Forschung im Studium Soziale Arbeit (eBook)

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2024 | 1. Auflage
222 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043029-7 (ISBN)
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Wissenschaftliches Arbeiten und empirisches Forschen sind für Studierende oft herausfordernd & schließlich werden sie meist erst im Studium mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen konfrontiert. Die Autorinnen und Autoren dieses Buches bieten Studierenden der Sozialen Arbeit Hilfestellungen, indem sie die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln, Gestaltung, Struktur und Durchführung von empirischen Forschungsprojekten erklären und zeigen, wie der Schreibprozess gelingt. Zudem wird im Buch die Perspektive der Lehrenden, also ihre Kriterien zur Bewertung studentischer Arbeiten, offengelegt. Auf diese Weise entsteht eine praxisnahe Handreichung für Studierende der Sozialen Arbeit, die eine wissenschaftliche (Abschluss-)Arbeit verfassen oder eigene empirische Forschungsprojekte durchführen.

Moussa Dieng ist Sozialarbeiter M.A., Interkultureller Trainer, Lehrbeauftragter und Doktorand der Universität Hamburg. Dr. Hartmut Reinke (Sozialarbeiter) hat die Professur für Sozialmanagement und Berufspädagogik an der FOM Hochschule in Bremen inne.

1 Um was es geht – eine kurze Einführung


Moussa Dieng & Hartmut Reinke

Als wir im Sommer 2022 den Call for Papers zu dem nun vorliegenden Buch veröffentlichten, begann eine Phase angenehmer Überraschungen. Bald 50 Beitragsideen und Vorschläge erreichten uns zu einer auf den ersten Blick doch eher spröde und sperrig wirkenden, aber auch herausfordernden Aufgabe – wie können wir Student:innen der Sozialen Arbeit mittels hilfreicher Texte bei der Gestaltung ihrer wissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten unterstützen? Die Qual der Wahl, vor die uns alle Autor:innen mit ihren Abstracts gestellt haben, war insofern eine schöne: Gemeinsam war allen Texten die Absicht, einen Beitrag in der Art zu leisten, wie man ihn zu eigenen Studienzeiten gern gelesen hätte. Wir wollten konkret sein, uns nicht im Abstrakten verlieren, sondern pragmatische Hilfe und anschauliche Beispiele zusammentragen. Ohne nun in Vollmundigkeit zu verfallen, sind wir der Ansicht, mit der vorliegenden Auswahl von 17 Beiträgen eine Komposition zusammengestellt zu haben, die diesem Wunsch entspricht und inhaltlich gerecht wird.

Wissenschaft ist nach unserem Verständnis ein Raum frei von Autorität; es zählen Evidenz und Argument, nicht die hierarchische Position oder Titel. In diesem Verständnis schwingt auch ein emanzipatorisches Element mit – wissenschaftliches Arbeiten ist ein Medium nicht nur der Epistemologie, sondern zugleich ein Prozess des persönlichen Reifens. Sich mit einem Thema in kritisch-analytischer Distanz zu befassen, einen Stoff zu durchdringen und das so Durchdrungene in eigenen, zu Papier gebrachten Gedankengängen anderen verfügbar zu machen, ist eine Leistung, deren Wirkkraft über Zeugnisnoten und Gutachten hinausreicht. Studieren und wissenschaftliches Auseinandersetzen sind auch Entwicklungskräfte des eigenen Urteilsvermögens. Ein Studium abzuschließen, mag für manche nur eine Frage des Prestige oder der Karriere sein – für viele andere ist es ein Erleben auch einer persönlichen Entwicklung, die über Fragen von Image- und Renommee weit hinausgeht, sofern sich ihnen diese Fragen denn tatsächlich stellten.

Wissenschaftliches Arbeiten ist auch das Begegnen mit der Unvollkommenheit von Erklärungen und Erkenntnissen, ein Erfahren und Aushalten der Unsicherheit, die ein Wesenszug der Wissenschaft ist. Wirkungsgefüge, Kräfteverhältnisse und Dimensionen sind zu definieren, zu beschreiben und bei noch so sicherer Methodenanwendung, noch so solider Arbeit: Die Zukunft bleibt ungewiss, wir können sie mit den Mitteln der Wissenschaft nicht (und wenn überhaupt, dann nur sehr bedingt und unter Vorbehalt) vorhersagen und schon gar nicht vorherbestimmen. Es bleibt bei der sokratischen Erkenntnis des Wissens über das eigene Nicht-Wissen.

Gerade deshalb ist wissenschaftliches Arbeiten so reizvoll. Niemand, der es ernst meint mit Wissenschaft, wird Perfektion in der Zukunftsvorhersage erwarten oder Weltformeln der Erklärung von allem und wie es miteinander zusammenhängt. Gerade die Wissenschaft Soziale Arbeit schaut, in ihrem deskriptivem Wesen, auf die Umstände, die Bedingungen des konkreten Seins von Menschen, Gruppen und sozialen Konstellationen. Die rekonstruktive Arbeit mit Biografie, dem Geworden-Sein des:der anderen, das Erschließen fremder Relevanzstrukturen, das Verstehen-Wollen eines anderen Lebenswegs und seiner Entscheidungen: Wissenschaft steckt hier im Detail und ist ein feines, präzises, behutsames Handwerk und keine Frage der Gesinnung.

Der Begriff der »Wissenschaft« hat in den letzten Jahren einiges an Schlagwörtern zu verkraften gehabt – so ist z. B. das oft genutzte »Follow the Science« potentiell eine Einladung zu einem Missverständnis, wenn nicht zu einem Missbrauch. Wissenschaft setzt keine Normen, sie schafft Theorien der Erklärung, Ansätze zum Verstehen der Welt und ihrer Phänomene. Sie kann die Zukunft genauso wenig vorhersagen, wie sie für sich Absolutheit und Allgemeingültigkeit beanspruchen kann. Ein Wissenschaftsverständnis, das sich überlegen sieht und für unantastbar hält, erliegt einer Hybris, die wir ganz eindeutig weder teilen noch befürworten. Der Wissenschaft zu folgen – allein diese Idee birgt bereits eine gewisse Gefahr, wenn dieses Folgen bedeuten sollte, das eigene Denken, Empfinden und Beurteilen einzustellen bzw. die damit verbundenen Risiken des Irrens und Scheiterns mittels autoritätsgläubiger Berufung auf Wissenschaft und Expertentum umgehen zu wollen. Wissenschaft ist gerade nicht die Einladung zu blindem Vertrauen oder abnickender Gefolgschaft.

Wissenschaft ist, in unserem Verständnis, auch immer die Heimat der Skepsis, des Nachfragens, des im Diskurs seine Tragfähigkeit beweisenden Arguments – nicht der Institution, nicht der Autorität eines Amtes oder bestimmter Positionen. Vor allem jedoch ist Wissenschaft eine Aufforderung an das eigene Denken. »Follow the Scientific Thinking« – das passte schon deutlich besser. Wissenschaftlich zu denken – darin steckt die Haltung des Mutes zu offener Untersuchung, zu aufrichtiger Beobachtung, zu eigenständiger und mitunter auch origineller Erkenntnissuche und Erkenntnisvermittlung. Wissenschaft ist nicht die Wahrheit, sie ist, wenn sie ernsthaft betrieben wird, wahrhaftig, transparent, nachvollziehbar – und bedarf dann auch keiner an Standesdünkel erinnernden Fachsprache.

Das Gewinnen und Darstellen der Erkenntnisse und ebenso die Vermittlung der Wissen schaffenden Prozesse benötigen gutes Handwerk. Dieses gute Handwerk beginnt bei der Identifikation des eigenen Untersuchungsinteresses, zeigt sich in der Formulierung von Forschungsfragen, der begründeten Auswahl und korrekten Anwendung von Untersuchungsmethodik und schließlich im präzisen Schreiben zu all diesen Elementen selbst. Die Fähigkeit zu kritischer Reflexion, zu Irritation und Synthese – all das will geschrieben werden und geschrieben wirken.

Gerade das Schreiben ist, so wissen wir aus der Erfahrung sowohl aus eigenem Studium als auch aus der Lehre, für viele eine belastende Anforderung. Ganz unterschiedliche Ängste spielen mit hinein, wenn wissenschaftlich geschrieben und das Geschriebene anderen Menschen gezeigt werden soll. Da ist bei manchen die Sorge des Selbstzweifels, bei einigen kommt noch die Angst vor einer Blamage hinzu, wieder andere haben generell Angst vor Prüfungen und nicht selten kommen alle Momente auch zusammen vor. Wie können wir diese Ängste etwas abbauen?

Ein Studium ist, neben der Vermittlung von Fachlichkeit, auch ein Prozess persönlicher Reife und der Bildung einer eigenen wissenschaftlich untermauerten Haltung.

Hinweise und Erläuterungen zu wissenschaftlichem Arbeiten, so verstehen wir es, sollen vertraut machen mit den methodischen Ansätzen, den Regeln, Konventionen und Maßstäben der Scientific Community, um damit eigenständig in aller Kunst des freien Denkens umgehen zu können. Es geht nicht um Unterwerfung oder ein ›Hineinzwängen‹ in Bestehendes, es geht vielmehr darum, dabei behilflich zu sein, den eigenen Untersuchungsinteressen und Motivationen, die zum Studium und zur Auseinandersetzung mit thematischen Komplexen überhaupt erst führten, in einer wissenschaftlich prüfbaren Form nachgehen und Zugang zu Diskursen erlangen zu können. So gesehen, ist das Erlangen eines akademischen Reifegrades um wissenschaftliche Methodiken, Fragestellungen, Zitationsweisen, Schreibstile und Abstraktionen auch der Nachweis einer persönlichen Entwicklung.

Die im Vergleich mit ihren Bezugswissenschaften junge Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist zudem als Handlungswissenschaft gefordert, ihre Gegenstände in der aktuellen Lebenswirklichkeit ebenso zu verorten wie die von ihr beschriebenen theoretischen Annahmen. Soziale Arbeit findet als Wissenschaft nicht im luftleeren Raum außerhalb der Schwerkraft statt, sondern hat immer Bezug zu nehmen zu Welt und Wirklichkeit, zu konkreten Bewältigungsanforderungen und Problemlagen. Beides, sowohl das noch junge Alter der Wissenschaft Soziale Arbeit als auch ihre Praxisnähe, erfordert wissenschaftliches Rüstzeug und Selbstbewusstsein, um in den wissenschaftlichen Diskursen versiert teilhaben und mitgestalten zu können.

Ein Beispiel für die Wirkkräfte der Kommunikation und des lebendigen, aktiven Austausches über Gepflogenheiten und Ansichten zeigt die in der Scientific Community qualitativer Forschung selbst durchaus kontrovers geführte Diskussion um die Frage nach dem »Sprechenden Ich« in wissenschaftlichen Texten. In einer von der FU Berlin (Institut für Qualitative Sozialforschung) initiierten offenen Mailingliste stellt Reinke, Mitherausgeber dieses Bandes, im Rahmen seiner Dissertation im Mai 2017 folgende offene Frage an die Leser:innen der Liste (aus Datenschutzgründen pseudonymisiert).

Hallo liebe ListenleserInnen, eine kurze Frage, die mich bewegt:

Ich bin ext. Doktorand (Berufspädagogik) und arbeite in Anlehnung an die reflexive GTM nach Breuer. Allein, ich komme mir ab und an doch etwas einsam vor mit meinem mitunter persönlich-subjektiv gehaltenen Schriftsprach-Duktus und frage an dieser Stelle in die Runde: Wie etabliert ist aus Sicht der hier Mitlesenden die 1. Person Singular als Autorenperspektive, wenn über qualitative Forschung zu...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-17-043029-7 / 3170430297
ISBN-13 978-3-17-043029-7 / 9783170430297
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