Kasachisches Tagebuch -  Gabriele Berghoff

Kasachisches Tagebuch (eBook)

Eine Bildungsreise der besonderen Art
eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
132 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2533-2 (ISBN)
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Wer aus Deutschland nach Kasachstan reist, tut dies selten aus touristischen Motiven. Manchmal geht es um familiäre Bindungen, manchmal ums Geschäft. Nichts davon trifft für die Autorin dieses Tagebuchs zu, die sich ganz im Osten des ihr unbekannten Lands als Seniorexpertin für Bildung und das Erlernen von Fremdsprachen einsetzen soll. In diesem Buch hält sie fest, was sie dabei von Tag zu Tag selber lernt über ein Land voller Widersprüche und Menschen, die zwischen Vergangenheit und Zukunft ihren Weg suchen.

Astana, die zweitkälteste Hauptstadt der Welt


Dienstag, 11.04.2023

Pünktlich um 05.50 Uhr landen wir in am Nursultan-Nasarbajev-Airport in Astana. An der Passkontrolle bin ich fasziniert von zwei bildschönen großen Hunden: Ein deutscher Schäferhund und ein anderes, dunkelbraunes Tier, dessen Rasse ich nicht identifizieren kann. Ganz diensteifrig beschnüffeln sie unser Handgepäck. Ob sie enttäuscht sind, dass nichts zu finden ist?

An der Gebäckausgabe laufen schon die Bänder und ich kann mir gleich meinen Koffer schnappen, der als allererster erscheint. So bin ich auch flugs draußen und entdecke gleich einen Jungen, der ein Schild mit meinem Namen hochhält. Ich schätze ihn auf etwa 15 Jahre, aber, wie sich herausstellt, ist er mein Taxifahrer. Eigentlich hätte mich Alessya, die Repräsentantin des SES in Kasachstan in Empfang nehmen sollen, aber sie ist gerade in Urlaub und hat deshalb meine Abholung per Taxi organisiert. Schnell wechsele ich noch 150 Euro in die Landeswährung Tenge um, dann geht es schon los. Der junge Mann erweist sich als sehr kommunikativ und erzählt mir in passablem Englisch, dass er vorhabe, Türkisch zu studieren. Vielleicht wolle er Lehrer oder Sozialarbeiter werden. Seine Muttersprache sei Kasachisch, aber natürlich spreche er auch fließend Russisch.

Unterwegs weist er auf diese und jene Sehenswürdigkeit hin und bietet mir zum Schluss eine Stadtführung für 6000 Tenge (ca. 12 Euro) pro Stunde an. So verabreden wir uns für zehn Uhr am Hotel für eine Rundfahrt von zwei Stunden.

Das Hotel Duman liegt am Rande des Stadtzentrums und ist ein imposantes Hochhaus, dessen Eingangsbereich nach oben über 18 Stockwerke offen ist. Vier gläserne Aufzüge sind ständig in Bewegung und führen zu den Zimmern, die von umlaufenden Galerien zu betreten sind. Mein Zimmer liegt im14. Stock und ist beachtlich groß. Vom Balkon aus hat man einen tollen Blick bis zum Khan Shatyr, dem von Norman Foster entworfenen größten Zelt der Welt mit transparentem Dach.

Zuerst aber lege ich mich aufs Bett, denn der Schlaf im Flugzeug war doch nicht so erholsam, und zu Hause ist es auch gerade erst drei Uhr nachts. Als ich zwei Stunden später aufwache, weiß ich zuerst nicht, wo ich bin. Selbst als ich das Zimmer wiedererkenne, muss ich noch länger darüber nachdenken, in welcher Stadt es sich befindet.

Nachdem ich einigermaßen wieder bei Besinnung bin, fahre ich in den 16. Stock, wo es einen Frühstücksraum gibt mit gelb-grünen Plüschsesseln an großen Tischen vor einer mit rotem Samt verkleideten Wand. An der Decke deuten gewebte Bänder die Dachkonstruktion einer traditionellen kasachischen Jurte an. Das Buffet bietet das Übliche: Kaffee und Tee, Saft, Wurst, Käse, Gurken, Tomaten, viel süßes Gebäck und natürlich auch Brot, das ich aber erst suchen muss. Offenbar gehört es nicht zu den Hauptbestandteilen des Frühstücks. An einer offenen Küche werden Eierspeisen frisch zubereitet, aber am besten ist der Tisch mit den Trockenfrüchten. Hier bekomme ich wieder die leckeren blauen Rosinen, die ich in Usbekistan so geliebt habe.

Pünktlich um zehn Uhr ist Alisher, so heißt der Taxifahrer, zur Stelle. Unser erstes Ziel ist der Bajterek-Turm, das Wahrzeichen der Stadt. In der Morgensonne wirkt das schlanke weiße Konstrukt vor strahlend blauem Himmel sehr filigran. Dass der Turm den Baum des Lebens symbolisieren soll, in den ein legendärer Vogel sein goldenes Ei gelegt hat, ist nachzuvollziehen. Unwissende kommen aber vielleicht eher auf die Idee, einen übergroßen Fußballpokal vor sich zu haben. Von langen Warteschlangen, die im Reiseführer beschrieben werden, ist keine Spur. So bin ich schnell oben in der goldenen Kuppel, von wo man tatsächlich einen herrlichen Rundblick hat. Der Turm steht in der Mitte des Boulevard Nurzhol, einer kilometerlangen Blickachse, die vom Khan Shatyr bis zum aktuellen Präsidentenpalast reicht, den der Taxifahrer “White House“ nennt. An den Rändern der überaus großzügigen Anlage stehen fantasievolle futuristische Bauten, die ein wenig an Dubai erinnern, darunter ein Hochhaus, das oben wie ein chinesischer Palast aussieht. Zwei goldene Zwillingstürme, die Bürobauten und Hotels beherbergen, fallen ebenfalls wegen ihrer extravaganten Form ins Auge. Schade, dass die Blumenbeete noch nicht bepflanzt und die Springbrunnen noch im Winterschlaf sind. So überwiegt farblich das Betongrau der Gebäude und Wege.

Auf die Möglichkeit, meine Hand in den goldenen Handabdruck des omnipräsenten Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajev zu legen, was andere Besucher eher amüsiert als ehrfürchtig tun, verzichte ich großzügig.

Auf Alishers besondere Empfehlung geht es dann zur Großen Moschee, der größten in Zentralasien, deren Kuppel sogar die größte der Welt sein soll. Das imposante weiße Gebäude mit fünf hohen Minaretten liegt auf einem weitläufigen Areal mit Bänken und fein ziselierten schattenspendenden Konstruktionen aus weißem Metall. Alisher scheint auf diese Sehenswürdigkeit besonders stolz zu sein, verschweigt aber nicht, dass man in Kasachstan durchaus kritisch fragt, ob die riesigen Summen, die für dieses Prestigeobjekt ausgegeben wurden, nicht anderweitig dringender benötigt worden wären.

Leider geht es nicht über die riesige Freitreppe und das große hölzerne Eingangstor in die Moschee, sondern ganz profan durch eine geräumige Tiefgarage, an deren Eingang sich noch ein Haufen schmutziger Schneereste auftürmt. Durch mehrere marmorverkleidete Räume und Gänge kommen wir dann in einen Garderobenraum, wo die Schuhe in Regalen abgestellt werden und für Frauen lange blaue Gewänder bereit liegen. So vorbereitet, betreten Alisher und ich den riesigen Gebetsraum. Angeblich können hier 35 000 Menschen gleichzeitig beten, darunter 5000 Frauen auf der Empore. Heute sitzen aber sowohl Männer als auch Frauen, sogar ganze Familien auf dem großgemusterten blau-weißen Teppich, teils ins Gebet, teils in die Bewunderung des Raumes vertieft. Der handgeknüpfte Teppich soll der größte der Welt sein, was man in Abu Dhabi allerdings auch vom dortigen sagt. Auch alles andere ist blau-weiß, mit gelegentlichen goldenen Verzierungen: Auf dem blau-goldenen Mosaik der gläsernen Stirnwand leuchten in weiß die 99 Namen Allahs. Im Zentrum wirkt der goldene Mihrab fast klein. Der riesige Kronleuchter sieht aus wie eine aus hellblauen gläsernen Blättern zusammengesetzte Blüte. Alles sehr stimmig.

Beim Verlassen des Gebetsraums geht Alisher zu einem Opferstock, um ein Almosen zu hinterlassen. Ich mache es ihm nach.

Unser nächster Stopp ist am Gelände der Expo 2017. Dort befindet sich in einer riesigen achtstöckigen Kugel mit 80 Metern Durchmesser das Nur Alem Future Energy Museum, auch “The Sphere“ genannt. Leider hat es heute geschlossen, aber es reicht mir auch, staunend außen unter der Kugel zu stehen, in der sich die Skyline von Astana eindrucksvoll spiegelt. Lange können wir uns hier aber nicht aufhalten, denn auf dem leicht erhöhten, exponierten Gelände bläst ein sehr unangenehmer kalter Wind. Alisher nimmt das zum Anlass mir zu erklären, dass Astana nach Ulan Bator die zweitkälteste Hauptstadt der Welt sei. Das will ich gern glauben.

Dann geht die Fahrt gleich an zwei Präsidentenpalästen vorbei, und ich erfahre, dass der „alte“ Präsident sich einen supermodernen Glaspalast hat errichten lassen, weil es ihm wichtig gewesen sei, aus seinem Büro den Himmel zu sehen. Der neue Präsident residiert dagegen in einem eher klassizistischen, aber nicht weniger protzigen Gebäude, das zufällig oder absichtlich Ähnlichkeiten mit dem Weißen Haus in Washington aufweist. Desweiteren werden mir Theater, Konzerthallen, Universitätsgebäude und sogar ein Triumphbogen gezeigt, ein Bauwerk imposanter als das andere.

Die letzte Station ist dann das Nationalmuseum, auch dies ein riesiger futuristischer Bau, der in merkwürdigem Kontrast steht zu seinem Vorplatz, auf dem ein Brunnen mit überlebensgroßen Bronzestatuen kasachischer Reiterfürsten an die glorreiche Vergangenheit des Landes erinnert. Hier wird mich Alisher in zweieinhalb Stunden wieder abholen und zum Hotel fahren. So unsere Verabredung.

Innen beeindruckt mich gleich eine über mehrere Stockwerke reichende riesige Halle mit einer glänzenden blauen Glaswand, vor der Rolltreppen in die oberen Etagen führen. Über allem schwebt eine goldene Erdkugel mit einem gewaltigen Adler, dem kasachischen Wappentier.

Die Ausstellung der alten und neuen Geschichte des Landes ist sehr ansprechend, und mir wird bewusst, dass es in diesem Land schon im Altertum eine hochstehende Kultur gab, von der kunstvoller Goldschmuck für Menschen und Pferde Zeugnis ablegen. Besonders informativ ist der Saal mit einer Nachbildung des Hügelgrabs, in dem 1969 der „goldene Mann“ gefunden wurde. Eine Figur des Skyten-Prinzen aus dem 4. oder 3. Jahrhundert v.Chr. bildet mit seinem prächtigen goldbesetzen Gewand und dem...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-2533-3 / 3759725333
ISBN-13 978-3-7597-2533-2 / 9783759725332
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