Steine, über die wir stolpern -  Herbert Lattmann

Steine, über die wir stolpern (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-4349-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Deutschland trudelt ... Die Werte, an denen sich Staat und Gesellschaft orientieren können, sind ins Rutschen geraten. Die Probleme in zahlreichen Politikfelden nehmen immer weiter zu. Der Klimawandel, die Folgen der ungesteuerten Migration, der wirtschaftliche Abschwung, die Inflation, die ungedeckten Schecks im Sozialsystem, die erheblichen Lücken in der Infrastruktur, der Mangel an umweltverträglicher Energie, die ständig steigende Steuer- und Abgabenlast, die immer weiter ausufernde Bürokratie und das Erstarken radikalter Kräfte sind nur einige dieser Probleme, bei deren Lösung sich Staat und Gesellschaft schwertun. Herbert Lattmann nennt die größten Steine, über die wir stolpern.

- Jahrgang 1944 - Betriebswirt in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung - Mitglied des Deutschen Bundestages von 1982 - 1998 - dort Mitglied u.a. im Vermittlungsausschuss, - im Ausschuss für Wirtschaft - in der Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" - Mitglied im Wirtschaftsausschuss der "Nordatlantischen Versammlung (NAV)", heute "Parlamentarische Versammlung der NATO"

2. DIE VERANTWORTUNGSLÜCKE


»Ich nenne die Freiheit der Erwachsenen »Verantwortung«.

( Joachim Gauck, Focus 07/12)

2.1. DIE ENTMÜNDIGUNG
DES EINZELNEN – IM OSTEN
ERZWUNGEN, IM WESTEN
ERRUNGEN

Man hätte es vorhersehen können. Nicht, dass die deutsche Einheit so plötzlich kam – an sie hatten ohnehin längst nicht mehr alle geglaubt. Viele hielten sie sogar für überflüssig oder gefährlich. Nein, dass nach dem Abfeiern des historischen Großereignisses sich sehr schnell wieder Skepsis und Verdruss breitmachen würden, kann nicht eigentlich überraschen.

Vom Jubelfest zum Jammertal – so lässt sich der bisherige Ablauf des Einigungsprozesses umschreiben. Das hängt natürlich mit den objektiven Schwierigkeiten zusammen, aber ein gutes Stück auch mit dem unverwechselbaren deutschen Nationalcharakter. War gestern noch von der großen Herausforderung und der einmaligen Chance die Rede, so sind heute in vielen Lamentos, die ja auch aus den alten Bundesländern schon sattsam bekannten Krisenszenarien immer mehr in den Vordergrund getreten.

Und natürlich ist die Suche nach den Schuldigen in vollem Gang. Die wirklichen Verursacher des Desasters sind dabei überraschend schnell aus dem Blickwinkel geraten. Ihre Stelle in der öffentlichen Diskussion eingenommen haben inzwischen die Bundesregierung, die Unternehmer, die Gewerkschaften und immer wieder die – Ossis.

Auch bei seriösen Gesprächspartnern, die sich um die Einführung der Marktwirtschaft in den neuen Ländern große Verdienste erworben haben, hört man immer noch und immer wieder Klagen über Probleme hinsichtlich der Einstellung vieler Menschen in den neuen Bundesländern.

Sie seien darauf getrimmt, alles Heil von oben zu erwarten. Eigeninitiative und Eigenverantwortung für das eigene Schicksal seien ihnen fremd.

Diese Barriere in den Köpfen wird als beträchtliches Investitionshindernis bezeichnet.

In der ehemaligen DDR war die Obrigkeit allgegenwärtig. Für fast jeden Lebensbereich gab es Anweisungen von oben, denen man zu folgen hatte. Selbstverantwortetes Handeln war deshalb vielfach überflüssig, außerdem unerwünscht und deshalb nicht selten zum eigenen Schaden.

Natürlich erzeugen die Verhältnisse – und mögen sie auch noch so schlecht sein – bestimmte Gewohnheiten und wirkt sich eine über Jahrzehnte eingeübte Weisungsabhängigkeit mentalitätsprägend aus.

Und natürlich ist es schwierig, den völligen Austausch vieler vorher gültiger Normen gegen neue, unbekannte und auch nicht immer gleich einsehbare Regeln zu verkraften.

Die Leistungshemmnisse in diesem Bereich liegen also durchaus auf der Hand.

Nur – Freunde im Westen – Vorsicht! Grund zur Überheblichkeit, wie sie manche Wessis unseren Landsleuten gegenüber immer noch an den Tag legen, gibt es dennoch nicht.

Dass wir unser System besser beherrscht haben als jene, die es erst mühsam lernen mussten, ist keine Leistung, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit.

Im Übrigen zeigt die Analyse der altbundesrepublikanischen Wirklichkeit, dass auch wir – und zwar im Gegensatz zu unseren östlichen Landsleuten sogar ganz freiwillig – eigenverantwortliches Handeln nicht überall so schätzen, wie es unseren in Sonntagsreden bemühten Grundsätzen eigentlich entspräche.

Im Gegenteil – der Ruf nach dem Staat ist auch bei uns laut, und dies keineswegs nur dort, wo er zwangsläufig allein zum Handeln in der Lage ist – nämlich in der Bestimmung der Spielregeln, das heißt, in der Festlegung der Rahmenbedingungen.

Nein, auch Wünsche und Probleme aus ganz persönlichen Bereichen werden zunehmend an öffentliche Adressen gerichtet.

Nun ist nicht zu bestreiten, dass bei einer Vielzahl von Problemen, materieller wie auch immaterieller Art, mancher Mitbürger mit einer Lösung überfordert wäre. Für diesen Fall wurde das überzeugende Prinzip der Subsidiarität entwickelt, nach dem auf eine größere Einheit verlagert wird, was vom Einzelnen oder auch von der kleinen Gruppe nicht geleistet werden kann – aber eben nur dies.

Doch wie sieht die Wirklichkeit aus?

Fragt wirklich jeder, ob das, was er der Gemeinschaft oder dem Staat zumutet, nicht auch gut von ihm selbst erledigt werden könnte?

Werden dem Staat wirklich nur dort Leistungen abverlangt, wo es keine andere und vor allem keine bessere Alternative gibt?

Oder ist es nicht zunehmend so, dass öffentliche Hände als Heinzelmännchen der Neuzeit empfunden werden, die selbst dort, wo nur einige wenige tatsächlich oder vermeintlich nicht leistungsfähig sind, einfach den ganzen Laden zu übernehmen haben?

Eine freiheitliche Demokratie ist ohne ein Höchstmaß an individueller Verantwortung des Einzelnen für sich selbst, aber darüber hinaus auch für die Gesellschaft insgesamt, auf Dauer nicht funktionsfähig. Das heißt im Klartext, jeder hat seine persönlichen Belange so gut wie irgend möglich selbst zu regeln und auch die Konsequenzen seines Handelns zu tragen.

In der Realität nehmen allerdings die Versuche, Dinge auf andere abzuschieben, die man gut selbst leisten könnte, flächendeckend zu, die Bereitschaft, für das eigene Schicksal und für das eigene Handeln geradezustehen, nimmt demgegenüber ab.

Ja, es droht sogar das Bewusstsein dafür verloren zu gehen, dass das eigene Wohlergehen in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zuallererst von den Segnungen irgendeiner höheren Instanz, sondern ganz wesentlich vom eigenen Tun abhängt.

Dieses Ausweichen vor der eigenen Verantwortung hat zwangsläufig auch eine geminderte Bereitschaft zur Übernahme öffentlicher Verantwortung im Gefolge.

Normalerweise sollte jeder, der nach Wahrnehmung der Verantwortung für die eigenen Interessen noch Kapazitäten frei hat, diese der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, als Beitrag zur Lösung der im Rahmen der Subsidiarität übertragenen Aufgaben. Da diese Allgemeinheit aber immer mehr nicht nur die Belange derer zu bewältigen hat, die nicht können, sondern zunehmend auch die jener, die nicht wollen, nimmt die Bereitschaft, sich dafür zu engagieren, aus verständlichen Gründen ab. Wer will schon gern Lasten tragen, nur weil andere dazu keine Lust haben?

Zu wenige begreifen bei diesem Spiel, dass der Staat ja lediglich die Summe seiner Einzelbürger sein kann.

»Wir sind das Volk,« haben die Demonstranten 1989 auf den Straßen der ehemaligen DDR gerufen, weil sie ihren Ausschluss von der Verantwortung nicht länger hinnehmen wollten.

»Ich bin ich,« lautet demgegenüber bei uns im Westen das Motto. »Der Staat soll mir möglichst viele Vorteile verschaffen und ansonsten will ich mit ihm nichts zu tun haben.«

Die berühmte Kennedy-Forderung, nach der jeder nicht in erster Linie fragen soll, was der Staat für ihn, sondern stattdessen, was er für den Staat tun kann, wird bei uns geradezu lustvoll in ihr Gegenteil verkehrt, was auf Dauer nicht ohne schwere Folgen sowohl für die moralische Qualität als auch für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens bleiben kann.

Der staatlichen Reglementierung des Ostens haben wir im Westen zu wenig die Kraft der Freiheit und zu viel die freiwillige Sozialisierung vieler Lebensbereiche gegenübergestellt.

Während unsere ostdeutschen Landsleute zur Enthaltsamkeit bei der Eigenverantwortung gezwungen wurden, haben wir sie uns auf breiter Front und demokratisch legitimiert selbst verordnet.

Derartige Selbstentmündigung ist keinesfalls besser, aber ein beträchtliches Stück dümmer als die staatlich befohlene.

Der Ruf nach staatlicher Hilfe ist ja nichts weiter als die Delegation eigener Verantwortung auf andere. Da, wo er nicht im eigenen Unvermögen, sondern in fehlender Bereitschaft oder Einsicht begründet liegt, ist er eine Flucht aus der eigenen Verantwortung und ein Missbrauch der Gemeinschaft.

Zwischen dem, was die Existenz vieler einzelner Menschen, Gruppen oder Institutionen ausmacht, und dem, was sie davon in eigener Verantwortung tragen und entscheiden, klafft eine beachtliche Lücke – eine Verantwortungslücke, Tendenz zunehmend.

Beispiele dafür gibt es viele.

2.2. DIE WIRTSCHAFT UND IHRE SCHRANKEN

Die Wirtschaft ist eine Art Maschinenraum für Staat und Gesellschaft. Wenn sie läuft, läuft vieles andere auch. Gerät sie ins Stocken, spürt man die Auswirkungen in nahezu allen Bereichen des Gemeinwesens.

Und es kann keinen Zweifel geben – unsere Wirtschaft macht derzeit eine besonders schwierige Phase durch. Der Krieg in der Ukraine, die unter anderem dadurch verursachten Probleme bei der Energieversorgung, die Klimakrise mit ihren gewaltigen Herausforderungen, die großen Mängel in der Infrastruktur, der Mangel an Arbeitskräften, die Inflation, die die Vermögen mindert und die Reallöhne absenkt, und...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7583-4349-6 / 3758343496
ISBN-13 978-3-7583-4349-0 / 9783758343490
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 469 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Mein Leben in der Politik

von Wolfgang Schäuble

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
29,99
Mit „Green Growth“ gegen den Klimawandel und für die …

von Hans-Jörg Naumer

eBook Download (2023)
Springer Fachmedien Wiesbaden (Verlag)
9,99