Gspusis, Gspür und wilde Gschichten -  Omar Khir Alanam

Gspusis, Gspür und wilde Gschichten (eBook)

Ein Syrer entdeckt das österreichische Liebesleben
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
edition a (Verlag)
978-3-99001-695-4 (ISBN)
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Menschen aus allen Ländern dieser Welt verbindet eine Sache: die Liebe. Aufgeklärt, modern und offen, so stellte sich Omar Khir Alanam das europäische Liebesleben vor. Bis er hierher kam. Voll Witz und Verständnis fu?r seine neuen Landsleute zeigt er, wie viel beide Welten in Sachen Liebe, Lust und Leidenschaft verbindet und unterscheidet. Von den Tiroler Dorfdiscos bis zu den Kellercafés in Damaskus. Vom One-Night-Stand bis zu »bis dass der Tod euch scheidet«. Mit viel Humor und Tiefsinnigkeit laden diese Geschichten zum Lachen, Staunen und Nachdenken ein.

Omar Khir Alanam, geboren 1991, verließ Syrien, weil er nicht als Soldat in Baschar al Assads Armee töten und sterben wollte. Nach zwei Jahren Flucht erreichte er Ende 2014 Österreich, wo er seitdem lebt. Er ist Bestseller-Autor, Kabarettist, Speaker und leitet Workshops, bei denen er Jugendlichen seine friedliche Vision näherbringt und ihnen Mut macht, an sich selbst zu glauben.

WAS IST LIEBE?


Wenn die Sonne des Tages aufgeht!

كل مابتشرق شمس النهار

Wael Kfoury

Wenn die Sonne aufgeht, spiegelt sie dich.

Die Nacht wird verrückt

und die Sterne werden eifersüchtig.

Sie wollen nur dich als Mond auf ihrem Himmel!

Du, mein Leben!

Geh auf und verwandle die Nacht in den Morgen.

Du, meine Liebe. Es gibt viele Monde.

Vor dir waren sie Monde.

Aber ihr Strahl verschwindet in deinem!

Du, die Königin aller Sterne!

Mein ganzes Leben liegt in deinen Händen!

Deine Stimme gleicht dem Flüstern einer Brise.

Und es liegt Zärtlichkeit in deinen Augen!

Ich werde deinen Namen singen.

Der Duft des Lebens! So wie im Märchen.

Aber echt bist du!

Der Morgen blickte dich an, nennt dich

seine beste Freundin.

Meine erste große Liebe war meine Musiklehrerin. Immer wenn ich sie sah, fühlte ich mich, als würde ich schmelzen. Vielleicht waren es meine Hormone oder meine Neugier, aber sie faszinierte mich. Sie war atemberaubend schön, so unglaublich strahlend, und ihre Stimme glich der eines Engels. Diese feuerroten Locken. Das Parfüm, das wie eine Umarmung in deine Seele eindringt und dich in einem Wirbel der Trance in den Himmel hebt. So ähnlich habe ich es ihr auch in einem Brief geschrieben, der dem oben angeführten Liedtext von Wael Kfoury in seiner Romantik und in seinem Kitsch in nichts nachstand. Ich war 14, die Musiklehrerin war 23, und sie machte uns Burschen verrückt. In meinem Brief offenbarte ich ihr meine Gefühle. Leider habe ich bis heute keine Antwort bekommen, doch ich gebe die Hoffnung nicht auf, denn wie wir wissen: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Tabu


Ein offener Umgang mit dem Thema der körperlichen Liebe existiert in meinem Geburtsland kaum. Unverheiratete Menschen dürfen und sollen sich nicht sexuell annähern. Rein körperliche Beziehungen sind gesellschaftlich verpönt und Liebe wird erst dann akzeptiert, wenn eine Verlobung oder eine Heirat im Raum steht.

Gleichzeitig bin ich mit Musik aufgewachsen, die unvergleichlich romantisch ist. Mit Liebesgedichten und Liedtexten, die schnulziger und kitschiger nicht sein könnten. Auch jene arabischen Männer, die eher nicht über ihre Gefühle sprechen, die Stärke verkörpern und keine Sensibilität zulassen wollen, wachsen mit Musik auf, die etwas völlig anderes zum Ausdruck bringt. Lieder, in denen über Schmerz und Leid, Liebe und die ganz großen Gefühle gesungen und fast schon geweint wird. Die Sänger dieser Lieder, die am ehesten mit den in Österreich bekannten Schlagern verglichen werden können, bekommen nicht ohne Grund Titel wie »Der König der Traurigkeit« verpasst. Du wirst später noch verstehen, warum gerade dieser Titel sehr treffend ist.

Ich wuchs jedenfalls mit Liedern und Gedichten auf, die ich als Araber niemals als kitschig, sondern als romantisch bezeichnen würde. Der Österreicher in mir sagt allerdings mittlerweile, dass vielleicht doch ein kleiner Hauch Kitsch drinsteckt.

Liebe war und ist in der arabischen Kultur omnipräsent.

Und auch wenn die Liebe in der Musik, in Gedichten, Büchern und auch in Filmen allgegenwärtig ist, so ist sie gleichzeitig ein Tabu. Die Liebe wird zwar in der Popkultur immer wieder dafür verwendet, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen, wenn es aber um die eigenen Gefühle geht, werden diese schnell verleugnet.

Elterliche »Fürsorge«


»Die anderen Kinder werden deine Seele verderben«, sagte meine Mutter zu mir, nicht wissend, dass meine Seele ihrem Verständnis nach längst verdorben war. Jeden Sommer kam die Schwester unserer Nachbarin auf Besuch. Wir Burschen waren damals 15 oder 16 Jahre alt, und alle wussten: Sobald die Ferien beginnen, kommt die schöne Nachbarsschwester. Sie saß immer auf dem Balkon, las ein Buch oder trank einen Tee. Die Nachbarsburschen standen unter diesem Balkon, auf der Gasse, sie spielten Fußball oder andere Spiele und versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Jeder wollte mit ihr in Kontakt treten. Wir schrieben Sprüche auf kleine Zettel und warfen sie den Balkon hinauf. Doch meine Mutter wollte mich nicht daran teilhaben lassen. Sie wollte nicht, dass ich mit den schlimmen Kindern spiele, dass ich die Nachbarsschwester mit verliebten Augen ansehe, sie wollte nicht, dass meine Seele verdirbt. Generell war meine Mutter stets sehr um meine Reinheit bemüht. Ich sollte mich an die Regeln halten, gehorsam sein, um später ins Paradies kommen zu können. Meine Neugierde und mein Talent dafür, immer wieder in skurrilen Situationen zu landen, bereiteten ihr stets Sorgen. Einmal meinte sie sogar, sie würde mich am liebsten in ihren Bauch zurückschieben, um auf mich aufpassen zu können. Meine Mutter und ich haben sehr verschiedene Auffassungen von Liebe. Wir gestalten und praktizieren unsere Leben ganz unterschiedlich und auch wenn ich mittlerweile ihre Welt nicht mehr ganz verstehe, liebe ich sie von ganzem Herzen. Bestimmt habe ich auch vieles von ihr und ihrer Art der Liebe mitgenommen. Wahrscheinlich ist die Liebe das, was uns unterscheidet, aber gleichzeitig auch das, was uns verbindet. Trotz der großen Unterschiede ist sie glücklich mit ihrem Leben und ich mit meinem. Beruhigend ist nur, dass sie kein Deutsch versteht und dieses Buch nicht lesen kann. Was würde sie wohl dazu sagen? Bestimmt würde sie meinen: »Mein Sohn ist verdorben.«

Die Definition des Undefinierbaren


Wenn mich Menschen fragen, was Liebe für mich ist, dann fällt es mir oft schwer, eine konkrete oder für mein Gegenüber zufriedenstellende Antwort zu liefern. Über die Liebe wird schon seit jeher geschrieben, erzählt und philosophiert. Im Deutschen ist das Wort »Liebe« auf die althochdeutschen Begriffe liubī (9. Jahrhundert) und lioba (11. Jahrhundert) zurückzuführen. Es stand für Wohlgefallen, für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung. Der antike griechische Philosoph Platon nahm sich der Sache noch früher an und beschrieb sie wie folgt:

»Liebe ist eine schwere Geisteskrankheit«

- Platon (427–348 v. Chr., griechischer Philosoph, Schüler des Sokrates)

Ich musste schmunzeln, als ich Platons Definition der Liebe las. Er beschreibt die Liebe in weiteren Überlieferungen auch noch etwas romantischer, spricht, wenn er über die Liebe philosophiert, auch von Selbsterkennung, Schönheit und davon, dass selbst ein Mensch ohne Muse dank der Liebe zum Dichter wird. Als selbsternannter Liebesdichter, der schon seine Musiklehrerin mit tragischen Liebesbekundungen beglückte, kann ich dem alten Philosophen hier nur zustimmen.

Ich finde, Liebe ist schwer definierbar. Sie hat, im Gegensatz zu den meisten anderen Worten, keine genaue Definition. Liebe hat nämlich viel mit Gespür zu tun, sie ist ein Gefühl. Was ich für Liebe halte, ist für dich vielleicht keine. Was ich selbst vor einiger Zeit für Liebe hielt, bezeichne ich nun vielleicht anders. Denn selbst das eigene Verständnis der Liebe entwickelt sich immer weiter, oder nicht?

Als Jugendlicher, verliebt in meine Lehrerin, fühlte ich mich, als würde ich schmelzen. Das war eher eine hormonelle Liebe, keine reife, reflektierte und tiefe Liebe für einen Menschen in seiner völligen Ganzheit. Der Blickwinkel auf die Liebe verändert sich im Laufe jedes Lebens. Erfahrungen, Niederlagen, Verletzungen, persönliche Weiterentwicklung, all das formt uns und unseren Zugang zu unseren Gefühlen.

Je älter du bist, desto schwieriger wird es, dich zu verlieben.

Im Arabischen heißt es, du solltest lieber so früh wie möglich heiraten, denn je älter du bist, vor allem, wenn du über dreißig Jahre alt bist, desto schwieriger wird es, dich zu verlieben und einen potenziellen Ehepartner zu finden. Ich stimme dem nicht unbedingt zu, aber ich gestehe, dass ich mit dem Alter zumindest kritischer und reflektierter geworden bin und mich vermutlich nicht mehr Hals über Kopf in die Nachbarsschwester oder die Lehrerin verlieben würde.

Liebe kennt viele Formen


Wenn ich mich mit der Definition von Liebe auseinandersetze, hinterfrage ich auch gerne mein generelles Verständnis dieses Gefühls.

Verstehe ich Liebe, oder verstehe ich nur die Liebe, die ich kenne?

Bevor mein Sohn zur Welt kam, hatte ich beispielsweise keine Ahnung davon, wie sich väterliche Liebe anfühlt. Ich wusste auch nicht, wie es sich anfühlt, die Liebe des eigenen Kindes zu erfahren. Ihm direkt in die Augen zu sehen, ihn ins Bett zu bringen. Wie es ist, wenn der erste Mensch, den er gezeichnet hat, du bist. Wenn du beim Geschichtenerzählen vor dem Schlafengehen schon...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-99001-695-4 / 3990016954
ISBN-13 978-3-99001-695-4 / 9783990016954
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