20 Jahre »Mein Block« -

20 Jahre »Mein Block« (eBook)

Interdisziplinäre Perspektiven auf ein popkulturelles Ereignis
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
295 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-7999-9 (ISBN)
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Sidos »Mein Block« ist reißerische Sozialreportage, Pride-Song für die räumlich segregierte Unterklasse, Räuberpistole und Gesellschaftskritik in einem. Zudem stellt er eine Zäsur für den deutschsprachigen Rap und Pop im Ganzen dar. Der Band leistet eine dichte Beschreibung dieses popkulturellen Ereignisses unter Aspekten sozialer Ungleichheit, politischer Bildung und multimodaler Ästhetik und bezieht Perspektiven aus Soziologie, Medien- und Literaturwissenschaft, Jugendarbeit und Didaktik, Stadt- und Architekturforschung ebenso ein wie die von Journalismus, Zeitzeugen und Szeneakteur*innen.

Raja Möller ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Neuere deutsche Literatur und Literaturdidaktik (Gymnasium) an der Philipps-Universität Marburg. Martin Seeliger, PD Dr., leitet die Abteilung »Wandel der Arbeitsgesellschaft« am Institut für Arbeit und Wirtschaft in Bremen. Fabian Wolbring hat die Professur für Neuere deutsche Literatur und Literaturdidaktik (Gymnasium) an der Philipps-Universität Marburg inne und ist Direktor im Zentrum für Lehrerbildung Marburg.

Einleitung


Raja Möller, Martin Seeliger, Fabian Wolbring

Fragt man Aficionados nach einem für das Genre deutschen Gangsta- oder Straßenrap besonders charakteristischen Song, werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit Sidos Mein Block anführen und auch in der HipHop-Forschung ist Sidos Durchbruchs-Hit eine zentrale Referenz (z. B. Gruber 2017, Güler Saied 2012, Breitenwischer 2021, Janitzki 2012, Szillus 2012, Ebersbach 2006 usw.).

Prägnant und ausdrucksstark wie kaum ein anderer Text beschreibt Mein Block die (vermeintliche) Lebensrealität in einer Hochhaussiedlung des Märkischen Viertels im Norden von Berlin. Indem er Stigmatisierungsdiskurse über das Leben in sogenannten Problemstadtteilen mit romantisch-sehnsüchtigen Projektionen über Sexualität, Drogenkonsum, Schwarzmarkthandel (Falschgeld, zehn Teile und ein Bootleg von Eißfeldt sind dort gleichermaßen, wenn auch in verschiedenen Stockwerken erhältlich), aber auch die Tristesse und Verrohung der Umgebung beschreibt, gibt Sido einen Einblick in die lokalen Verhältnisse genauso wie in sein Seelenleben – und/oder partizipiert in hochgradig artifiziellen medialen Performances mit vorgeblich dokumentatorischem Authentizitätsanspruch. Dabei erleben wir nicht zuletzt eine vom kalkulierten Tabubruch und trashigen RTL2-Charme getragene Pop-Inszenierung, die in der deutschen Kulturgeschichte sowohl kommerziell als auch aufmerksamkeitsökonomisch ihresgleichen sucht; die Genrestandards, Klischees und Pop-Referenzen samplet, aufruft und wiederholt; gleichzeitig aber auch vieles ganz neu und bahnbrechend anders macht. Mein Block ist reißerische Sozialreportage, Pride-Song für die räumlich segregierte Unterklasse, Räuberpistole, Pop-Hit, Kunstwerk und Gesellschaftskritik in einem.

Der vorliegende Band soll durch die Kombination unterschiedlicher Beiträge eine dichte Beschreibung von Mein Block, seinen kulturellen, politischen und ökonomischen Implikationen, Voraussetzungen und Folgen sowie seiner Bedeutung für die Entwicklung von Pop und HipHop im Allgemeinen und Straßen-/Gangsta-Rap im Besonderen leisten.

Dazu nähern wir uns dem Phänomen Mein Block, indem wir zunächst den Song als Kern des Erfolges in den Fokus nehmen, dann den Blick sukzessive weiten, um die mediale Inszenierung und Aufladung nachzuvollziehen, schließlich in einer weiteren Öffnung die historischen Vorbedingungen und Nachwirkungen sowie die sozioökonomischen Rahmenbedingungen zu erfassen, die Mein Block zu einem Stück Zeitgeschichte, Gesellschaftsdiagnose und popkulturelle Blaupause werden lassen. Zuletzt schauen wir auf aktuelle Transferpotenziale für Schule und Jugendarbeit.

Die Beiträge sind entsprechend in vier Abschnitte gegliedert: Song, Inszenierung, Kontext und Transfer.

I.Song


Mein Block ist ein Hit – „Deutschraps erster Blockbuster“ (Lukic 2017). In einem Genre, das knallt und starke Unmittelbarkeit evoziert, gelingt ihm ein noch radikalerer Distanzabbau: Wir sind mit Sido am Block – so zumindest der Eindruck. Doch wie erzielt dieser Song eine solche Unmittelbarkeitsillusion? Wieso fühlen wir den Block selbst im Einfamilienhaus? Warum wirken Sound und Text so immersiv?

Wir eröffnen unseren Blockbesuch mit Kolja Podkowiks Beitrag „Nicht Blumentopf sein Block – Warum der ‚vercrackte Sido von der Sekte‘ eines Tages das Bundesverdienstkreuz bekommen wird“. Der Antilopen-Rapper schildert hier als Zeitzeuge anhand seiner eigenen Rap-Sozialisation, wie Mein Block die HipHop-Konsumgewohnheiten irritiert und nachhaltig verändert hat.

Sina Lautenschläger untersucht in ihrem Beitrag „Deviante Norm und normative Devianz – Eine (kultur-)linguistische Perspektive auf Sidos Mein Block“ unter konstruktivistischer Prämisse Sidos Spiel mit verschiedenen Normen und deren An- und Aberkennung und spürt dabei dem Zusammenhang von Sprache, Identität und Sprachnormen nach.

Im Folgebeitrag „‚The Sound of MV‘ – Klangästhetische Strategien in Sidos Mein Block“ betrachtet Tomy Brautschek dann eingehend das Sounddesign und die Produktionsweise des Songs in seinen beiden populärsten Versionen. Dabei historisiert und kontextualisiert er die Produktionen jeweils popkulturell und berücksichtigt auch die Trends der frühen 2000er Jahre.

Fabian Wolbring sucht im Beitrag „(M)Ein Block für alle? – Sidos Poetik der konvenienten Subversion“ nach der Hitformel hinter Mein Block, die er im ausgewogenen Verhältnis von Affirmation und Konfrontation, in der kalkulierten Schein-Eindeutigkeit und einer hohen Prägnanz vermutet.

Gabriel Kos’ Beitrag „Schlechtes Vorbild? – Gemeinschaftsbildung zwischen Subversion und Teilhabe bei und mit Sido“ schließt unmittelbar daran an und weitet den Blick auf das Gesamtwerk Sidos. Die Studie zeigt, wie die Kunstfigur Sido innerhalb des Mainstream immer wieder neu positioniert und re-etabliert wird und beobachtet Bewegungsdynamiken vom Song in den medialen Diskursen.

II.Inszenierung


Der zweite ‚Block‘ dieses Sammelbands widmet sich den Strategien der Inszenierung sowohl im Kontext des Liedes Mein Block als auch in Bezug auf die Kunstfigur Sido.

Einleitend wird das Interview „‚Kunst soll verdauen dürfen‘ – Über Mein Block und die Anfänge von Aggro Berlin als popkulturelle Zäsur“ mit Specter Berlin präsentiert, einem Mitbegründer des Labels Aggro Berlin und einem wichtigen Akteur der Szene, der maßgeblich an der Bildgestaltung und Inszenierung beteiligt war. Das Interview konzentriert sich auf die Anfangszeit des Labels im Allgemeinen und auf Sido (und dessen Entwicklung) im Speziellen. Besonderes Augenmerk wird auf die Planung und Produktion des Musikvideos zu Mein Block gelegt, auf die Herausforderungen, mit denen Aggro Berlin konfrontiert war, sowie zuletzt auf Fragen zu Specter Berlins Arbeitsweisen.

Im anschließenden Beitrag „750 Gramm Geld, Sex, Gewalt und Drogen – Wie Sidos Maske in Mein Block real wurde“ untersucht Sebastian Berlich die vielschichtige(n) Bedeutung(en) sowie Funktion(en) der Maske. Er erforscht das Spannungsfeld zwischen Authentizität und anonymem Schutz, das durch die Maske erzeugt wird. Berlich zieht popkulturelle Vergleichsfiguren heran und widmet sich der Frage, inwiefern die Maske hierzu als Differenzmarkierung wirkt. Letztlich analysiert er die Semantik des Abnehmens der Maske und die davon ausgehenden Auswirkungen auf die (Kunst-)Persona Sido.

Lothar Mikos untersucht in seinem Artikel „Innen- und Außenansichten in Sidos Video Mein Block – Lokalität in der globalen Bilderwelt der Popkultur“ die Illustration des Textes durch das Musikvideo anhand von ästhetisch-dramaturgischen Analyseverfahren sowie mittels Ansätzen aus der Glokalisierungsforschung. Dazu betrachtet er zunächst die Rolle der ‚Hood‘ im HipHop und deren Differenziertheit vom globalen Bild des Städtischen. Eine besondere Rolle spielt hierbei die lokale Nachbarschaft, die eigene Posse, sowie die soziale Gemeinschaft. Auch im Musikvideo werden diese gängigen Motive von Rap-Videos inszeniert, wodurch das Visuelle die Lokalität des Märkischen Viertels (re)produziert. Das Außen von Sidos Block wird verknüpft mit dem Innen und den Menschen, die wiederum die spezielle Lokalität des Ortes erzeugen.

Zuletzt werden im Interview „‚Alles ein bisschen grauer‘ – Zur Bildästhetik des deutschen urbanen Straßen- und Gangsta-Raps“ mit der renommierten Fotografin und Regisseurin Katja Kuhl Einblicke in bildästhetische Inszenierungsaspekte des urbanen Deutschraps gewährt. Insbesondere diesbezüglich prägnante Motive (und deren materielle Beschaffenheit), die die visuelle Landschaft des Genres prägen, werden diskutiert. Außerdem werden Entwicklungen und Dynamiken der Szene seit den 90er Jahren bis heute besprochen.

III.Kontext


...

Erscheint lt. Verlag 6.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie
ISBN-10 3-7799-7999-3 / 3779979993
ISBN-13 978-3-7799-7999-9 / 9783779979999
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