Sammelsurium -  Eberhard Rosenke

Sammelsurium (eBook)

Dialoge, Kurzgeschichten, Gedichte, Aufsätze, Bilder
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
372 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-5367-3 (ISBN)
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Das Buch enthält, wie der Titel "Sammelsurium" besagt, skurrile kurze Hörspiele, Dialog und, Kurzgeschichten, aber auch Gedichte, philosophische Dialoge und Texte sowie einige Leserbriefe, z.T. ais Diskussionen mit anderen Lesern.

Dialoge


Wunder oder Mord (1963)

Ein Auto nähert sich und hält. Die Tür schlägt zu.
Jemand klingelt an der Gartenpforte

FRAU KOLKE: Ich bin hier im Garten - die Tür ist auf. (Schritte nähern sich) Ah, guten Abend, mein Junge, schön, dass du mich besuchen kommst. Warte, ich mach dir etwas zu essen.

FRITZ: Guten Abend, Mutter. Bitte mach dir keine Mühe. Wenn du einen Schluck Kaffee für mich hättest...

FRAU KOLKE: Den kannst du haben. Die Kanne ist noch halb voll, da unter der Kaffeemütze. Du kannst meine Tasse nehmen. Aber sag mal: du kommst ja ganz außer der Reihe? Sonst besuchst du mich doch immer donnerstags. Ist etwas passiert?

FRITZ: Nein, ich komme gerade von einer Konferenz. Wir haben große Sorgen wegen des Arbeitskräftemangels und sind dabei, den Betrieb umzuorganisieren. Na ja, das gibt Arbeit. Donnerstag werde ich nicht kommen können.

FRAU KOLKE: Schade, mein Junge, und ich dachte, du besuchst deine alte Mutter außerplanmäßig. Beinahe wärest du vergeblich gekommen. Ich wollte eigentlich zu einem Vortrag gehen. Dr. Anklam spricht über die Gestalt und Bewegung der Erde. Aber der Abend war so schön, da bin ich hiergeblieben.

FRITZ: Ja, ein schöner Abend. Ich wollte, ich hätte Zeit und könnte auf so etwas achten. Wer ist denn der Kerl da auf der Straße? Ist das nicht Baum?

FRAU KOLPE: Warum er wohl so rennt?

FRITZ: Betrunken ist er. Ich habe ihn mit Ludwig aus der Kneipe kommen sehen. Da, sieh dir das an! Er umarmt einen Baum, schüttelt ihn.

FRAU KOLPE: Ich möchte bloß wissen, warum du ihn nicht leiden kannst. Gib doch mal das Opernglas her. Er sieht aus, als hätte er etwas Besonderes erlebt, einen Mord etwa, oder ein Wunder.

FRITZ: Ach, der ist einfach betrunken.

FRAU KOLPE: Schon seit der Schulzeit kannst du ihn nicht leiden.

FRITZ: Das stimmt. Er hatte so etwas Unberechenbares, Unordentliches an sich. Man wußte nie, woran man mit ihm war.

BAUME: Hihihi.

FRAU KOLPE: Was war das?

FRITZ: Das war Baume. Er rennt ins Haus. Seine Frau wird sich freuen.

Eine Tür kracht zu

ERNA: Mein Gott, habe ich mich erschrocken. Hast du wieder getrunken? Wie schmutzig du bist.

BAUME: Ich bin matt zum Umfallen. Hast du Kaffee da?

ERNA: Warte, ich setze Wasser auf. (Küchengeräusche) Daß du wieder getrunken hast, gefällt mir gar nicht. Du weißt doch, was du mir versprochen hattest.

BAUME: Ich weiß. Und du weißt, daß ich mich auch daran halte. Aber heute... Ich fühlte mich ganz kaputt, und da hat Ludwig mich überreden können ...

ERNA: Ich bin im Bilde, du brauchtest eine Medizin.

BAUME: Hihihi.

ERNA: Was ist dir? Worüber lachst du?

BAUME: Ich lache nicht, ich klappere mit den Zähnen. Ich fürchte, ich bin wahnsinnig.

ERNA: Sowas kommt vom Trinken.

BAUME: Nein, nein, soviel habe ich ja gar nicht getrunken. Ich habe etwas Gräßliches erlebt. Ich weiß nur nicht, ob ich es wirklich erlebt habe.

ERNA: Komm, wasch dir erstmal die Hände.

BAUME (die Hände waschend): Als wir aus dem Wirtshaus kamen, gingen Ludwig und ich zu dem großen Feld, das ist der kürzeste Weg nach Hause. Aber als wir vor der weiten und dunklen Fläche standen, da sagte der Ludwig zu mir ... (Wasserkessel pfeift)

ERNA: Das Kaffeewasser, einen Moment.

BAUME (lauter): ... da sagte Ludwig in seiner trocknen Art: „Laß uns um das Feld herumgehen. Weißt du, die Erdkruste ist hier dünn wie eine Eierschale, ich habe sie knistern gehört.‟

ERNA: So, hier ist der Kaffee. Dem Ludwig hätte ich so etwas gar nicht zugetraut. Er hat doch sonst keine Phantasie.

BAUME: Nur in betrunkenem Zustand. Darum trinkt er ja so gern. Ah, das tut gut, das ist Balsam. Vielen Dank. Ich habe gleich zu ihm gesagt, daß er besoffen ist.

ERNA: Peter!

BAUME: Dann ging ich los. Im Hintergrund waren ein paar Laternen zu sehen, nach denen richtete ich mich, dort war die Straße. Ludwig hielt mich fest und redete auf mich ein: „Du mußt bedenken, wie alt die Erde ist und wie sie beansprucht wird, und du weißt, daß ich ziemlich schwer bin ...“

ERNA: Das stimmt, er wiegt bestimmt zwei Zentner.

BAUME: Ich bin einfach weitergegangen und habe das Gerede nicht beachtet. Er ist mir dann auch nachgekommen. Wir folgten einem dieser Pfade, die sich ständig verzweigen.

ERNA: Ich begreife nicht, worauf du mit der Geschichte hinauswillst. Was ist so gräßlich?

BAUME: Kommt gleich. Wir gingen durch die Dunkelheit, ich voran, Ludwig etwa drei Meter zurück. Der Weg war sandig und ausgetreten. Plötzlich hörte ich ein merkwürdiges, knirschendes Geräusch und drehte mich um. Und was sehe ich da? Was glaubte ich zu sehen?

ERNA: Ich weiß es nicht.

BAUME: Ludwig versank stumm und starr, mit aufgerissenen Augen, in der Erde. Im letzten Moment warf er sich vor, krallte sich in den lockeren Sand - vergeblich. Weg war er.

ERNA: Und dann?

BAUME: Dann raste ich los, immer geradeaus.

ERNA: Du hättest ihm lieber helfen sollen. Vielleicht hättest du ihn aus dem Loch herausziehen können.

BAUME: Aus welchem Loch? Es gab kein Loch. Das ist ja das Unheimliche daran. Die Stelle sah hinterher genauso aus wie vorher. Als wenn Ludwig ins Wasser gefallen wäre.

Schäbiges, hallendes Dienstzimmer

JANSON: Das wollen Sie erlebt haben? Das glauben Sie doch selbst nicht!

BAUME: Jetzt glaube ich es natürlich nicht mehr, Herr Inspektor, aber an jenem Abend habe ich es geglaubt. Und Ihre beiden Polizisten, die plötzlich aus dem Schatten der Bäume traten, die haben mir auch geglaubt. Als ich ihnen die Geschichte erzählte, da haben sie gleich ein Protokoll aufgenommen.

JANSON: Reine Routinesache. Sie glauben also nicht mehr, was Sie erzählt haben? Sehr vernünftig. So können wir uns der Wahrheit zuwenden.

BAUME: Welcher Wahrheit?

JANSON: Der Wahrheit über das Verschwinden und den Verbleib von Ludwig. Was wissen Sie darüber? Kramen Sie ein bißchen in Ihrem Gedächtnis! Sie haben sich beide gemeinsam auf den Heimweg gemacht, aber Ludwig ist nicht zu Hause angekommen.

BAUME: Ich kann nichts Konkretes dazu sagen, rein nichts.

JANSON: Herr Baume - Sie haben als letzter mit Ludwig gesprochen, Sie sind auch der letzte, mit dem zusammen Ludwig gesehen worden ist, nämlich beim Betreten des Feldes. Zwei Männer betreten ein Feld, und nur einer verläßt es, schreiend und verstört. Was ist geschehen?

BAUME: Mein Herr, Sie sind doch ein nüchtern denkender Mensch. Trotzdem scheinen Sie meine Erzählung von gestern ernstzunehmen.

JANSON: Allerdings, die Erzählung ist aufschlußreich.

BAUME: Aber erlauben Sie, die Geschichte ist unsinnig, weil sie jeglicher Erfahrung widerspricht. Erde ist keine Flüssigkeit, und sie zerbricht auch nicht unter dem Gewicht eines Menschen. Und wenn doch, dann bleiben Löcher zurück. Es war sowas wie weiße Mäuse, was ich gesehen habe.

JANSON: Sie verstehen mich falsch. Natürlich ist Ihr Bericht absurd. Er erklärt zwar auf einfache Weise das Verschwinden von Ludwig, aber ich als Polizist kann diese Erklärung nicht anerkennen, weil sie allen bisherigen Erfahrungen widerspricht. Nein, ich halte Ihren Bericht deshalb für aufschlußreich, weil er vermuten läßt, daß auf dem Feld etwas Außergewöhnliches geschehen ist. Die Frage ist nur: Was ist geschehen?

BAUME: Mit anderen Worten - Sie halten mich für eine verdächtige Person. Hahaha. Aber ich kann Ihnen wirklich keine nutzbringende Antwort geben.

JANSON: Sie nehmen die Sache offenbar auf die leichte Schulter. Aber Sie haben kein Alibi und können auch nicht glaubhaft sagen, was Sie zur Tatzeit gemacht haben.

BAUME: Sie haben schon recht, Inspektor. Ich kann nichts zu meiner Entlastung sagen. Aber hätte ich mich wohl so auffällig benommen, wenn ich Ludwig umgebracht hätte?

JANSON: Diese rhetorische Frage haben mir schon viele Verbrecher gestellt. Darauf antworte ich, daß die meisten verbrecherischen Taten zugleich als dumm und schlau bezeichnet werden können. Das heißt, Sie können die Polizei sowohl aus Dummheit wie aus Schlauheit aufmerksam gemacht haben.

BAUME: Tja, aber wo ist das Tatwerkzeug? Wo ist die Leiche?

JANSON: Das werden wir schon herausfinden. Sie sind jedenfalls unter Verdacht und dürfen die Stadt nicht verlassen.

BAUME: Meinetwegen. Beweisen Sie, daß ich der Mörder bin. Schaffen Sie die Leiche her.

Schreibmaschinengeklapper. Dann Herausdrehen des Papiers

JANSON: So, das wäre das Protokoll deiner Aussage. Lies es noch einmal durch und unterschreibe bitte hier unten. Ich schlage vor, wir gehen noch auf ein Bier und unterhalten uns dabei weiter.

Aufbruch. Die Tür, die Treppe, die Straße

FRITZ: Er war mir schon immer irgendwie zuwider, weil er ein unordentlicher Mensch ist. Ich traue ihm auch einen Mord zu. Sogar meine Mutter ... JANSON: Ich denke, Sie mag Baume gut leiden?

FRITZ: Das schon, aber als wir ihn an dem...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7583-5367-X / 375835367X
ISBN-13 978-3-7583-5367-3 / 9783758353673
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