Kämpfen für die Demokratie (eBook)

Kleine politische Schriften
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
187 Seiten
CEP Europäische Verlagsanstalt
978-3-86393-655-6 (ISBN)

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Kämpfen für die Demokratie -  Hermann Heller
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Der Staatsrechtslehrer Hermann Heller war einer der weitsichtigsten politischen Denker seiner Epoche. Von Beginn an verteidigte er die Weimarer Verfassungsordnung und setzte sich reformerisch für eine Umgestaltung der Wirtschaftsordnung ein, um den Weg von der liberalen zur sozialen Demokratie zu ebnen. Für Heller beruht Demokratie auf geteilten Werten, 'sozialer Homogenität' und Rechtsstaatlichkeit. Gleichzeitig muss sich der demokratische Staat entschlossen gegen seine Feinde wehren, wie Hellers zeitige Warnungen vor einem 'autoritären Liberalismus' und der drohenden faschistischen Diktatur auf bewegende Weise in Erinnerung rufen. Als Antipode Carl Schmitts, der den sogenannten 'Preußenschlag' juristisch zu legitimieren versuchte, vertrat Heller vor dem Reichsgericht die preußische SPD-Landtagsfraktion. Die Herausgeber Hubertus Buchstein und Dirk Jörke zeigen die Aktualität eines lange vernachlässigten Demokratietheoretikers, dessen politischer Scharfsinn und schriftstellerische Brillanz sich in dieser Auswahl seiner politischen Schriften wiederentdecken lassen. Hermann Heller (1891-1933) zählt zu den bedeutenden Juristen der Weimarer Republik, er betrieb 'Staatsrecht als Wirklichkeitswissenschaft' und verschrieb sich einem engagierten sozialdemokratischen Reformismus. Als Professor für Öffentliches Recht wurde er 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt. Er starb am 5. November 1933 als Emigrant in Madrid. Zu seinen wichtigsten Werken zählen 'Sozialismus und Nation' (1925), 'Die Souveränität' (1927), 'Europa und der Fascismus' (1929), 'Staatslehre' (1934). Diese Auswahl der wichtigsten politischen Schriften von Hermann Heller lädt zur Wiederentdeckung eines großen sozialdemokratischen Theoretikers ein, der sich unermüdlich für soziale Gerechtigkeit und demokratische Wehrhaftigkeit in der Weimarer Republik einsetzte. Seine frühen Analysen von Autoritarismus und Faschismus wirken angesichts gegenwärtiger rechtspopulistischer Gefahren bestechend aktuell. Heller forderte die Umgestaltung des formalen Rechtsstaats zum sozialen und demokratischen Staat als einzig gangbaren Weg aus der Krise. Die spätere Bundesrepublik hat aus dieser Diagnose die Konsequenzen gezogen und sie geradezu zum Staatsdogma erhoben.

Hermann Heller (1891-1933) zählt zu den bedeutenden Juristen der Weimarer Republik, der 'Staatsrecht als Wirklichkeitswissenschaft' betrieb und sich einem engagierten sozialdemokratischen Reformismus verschrieb. Als Professor für Öffentliches Recht wurde er 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt. Er starb am 5. November 1933 nur 42-jährig als Emigrant in Madrid. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Sozialismus und Nation (1925) Die Souveränität (1927) Europa und der Fascismus (1929), Staatslehre (1934).

Hermann Heller (1891–1933) zählt zu den bedeutenden Juristen der Weimarer Republik, der "Staatsrecht als Wirklichkeitswissenschaft" betrieb und sich einem engagierten sozialdemokratischen Reformismus verschrieb. Als Professor für Öffentliches Recht wurde er 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt. Er starb am 5. November 1933 nur 42-jährig als Emigrant in Madrid. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Sozialismus und Nation (1925) Die Souveränität (1927) Europa und der Fascismus (1929), Staatslehre (1934).

2. Sozialismus und Nation


„Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe.“1

I. Vom Wesen des Sozialismus


Warum bin ich Sozialist? Weil es mir schlecht und anderen gut geht? Oder weil mein politisches, sittliches und religiöses Denken nur ein Spiegelbild meiner wirtschaftlichen Lage ist? Gewiß, das mag bei der großen Masse der Menschen richtig sein. Sind es aber die einzigen und wesentlichen Begründungen des Sozialismus? Nein, antwortest du, ich bin Sozialist, weil ich erkannt habe, daß der zwangsläufige Fortschritt der Produktionsverhältnisse zum Sozialismus führen muß. Wie auf die feudale die kapitalistische, so muß auf diese die sozialistische Gesellschaftsordnung folgen. Muß?! Woher diese Gewißheit? Aus der Wissenschaft kannst du sie nicht haben; denn die Wissenschaft kann bestenfalls gewisse Tendenzen, Bewegungsrichtungen der Geschichte aufzeigen, denen gegenüber du dich entscheiden mußt. Sie kann dir weder beweisen, daß du morgen leben wirst, noch, daß die Erde nach den nächsten zwei Stunden existieren wird. Gesellschaftliche Produktionsverhältnisse aber heißen zu deutsch: gesellschaftliche Arbeitsverhältnisse, und diese sind nichts anderes als das Zusammenwirken lebendiger Menschen. Muß deshalb nicht der Mensch sich entscheiden, muß er nicht selbst dazu mitwirken, daß sein seelischgeistiges Verhältnis zur Arbeit sich ändert?

Sicherlich ist es richtig, daß das gesellschaftliche Dasein der Menschen ihr Bewußtsein durchschnittlich stärker bestimmt als umgekehrt. Selbst wenn man aber dieses Verhältnis von Sein und Bewußtsein zugibt, so muß man sich gerade an den Persönlichkeiten eines Marx, Engels oder Lassalle die gewaltige Bedeutung eines sittlich gestaltenden Bewußtseins für die Entstehung neuer Gesellschaftsordnungen klarmachen. Sind doch diese Söhne der Bourgeoisie der lebendige Beweis dafür, daß der Sozialismus nicht nur eine Magen- und Massenfrage ist, und daß es gerade die großen Führer sind, die Epoche machen eben deshalb, weil sie ihr sittliches Bewußtsein über ihr gesellschaftliches Dasein zu erheben vermögen. Marx, der Sohn des wohlhabenden rheinischen Rechtsanwaltes, verheiratet mit der Schwester des preußischen Innenministers, ausgestattet mit allen Möglichkeiten eines bequemen gesellschaftlichen Daseins und doch durch sein sittliches Bewußtsein in das Londoner Exil verbannt, wo er einmal seinen Rock versetzt, um Schreibpapier zu kaufen, ein andermal einen Zeitungsartikel nicht schreiben kann: „weil ich den Penny nicht hatte, um Zeitung lesen zu gehen“, am Begräbnistage seines einzigen geliebten Knaben zu benachbarten Franzosen laufen muß, um Geld für die Beerdigung zu pumpen, und dennoch zwei Anträge Bismarcks, die ihm eine gesellschaftliche Existenz hätten bieten können, ohne Besinnen abweisend, in seine Arbeiten gewühlt, mit denen er einen Erdteil umwälzt! Wer vor der Gewalt dieses, das kapitalistische Dasein zermalmenden Führerbewußtseins, wer vor der Größe dieser sittlichen Kraft sich nicht in Ehrfurcht neigt, der hat weder vom Wert und der Würde des großen Menschen einen Hauch verspürt, noch hat er das geringste verstanden von der Bedeutung des großen Führers für das Werden und Vergehen geschichtlich-gesellschaftlicher Lebensformen.

Was uns an dem Bilde eines Marx erschüttert, ist sein leidenschaftlicher Wille zur Gerechtigkeit. Er war der mächtigste Antrieb in ihm, der ihn auf die niedrigen Vorteile eines bequemen Lebens verzichten ließ und ihm die Kraft gab, für die Befreiung eines unterdrückten Menschentums zu kämpfen und zu leiden. Im Bewußtsein eines jeden Menschen sind diese sittlichen Gründe, für oder gegen eine bestimmte Ordnung der gegenseitigen Beziehungen, die entscheidenden. Daß der Sozialismus die unbedingt nützlichere oder die mit naturnotwendigem Zwange eintretende Ordnung ist, kann zunächst einmal niemandem bewiesen werden. Ganz abgesehen davon, daß unter Tausenden immer nur einer sein wird, der das begriffliche Rüstzeug besitzt, um solchen Beweisen folgen zu können, wäre mit solchen Beweisen auch noch sehr wenig gewonnen; denn fraglich wäre es, ob dadurch die gestaltende Tätigkeit vermehrt oder unmittelbar belebt würde, und darauf gerade kommt alles an. Daß aber der Sozialismus die menschenwürdigere und gerechtere Ordnung der Lebensbeziehungen bedeutet, daß die wirtschaftliche Gesinnung und gesellschaftliche Form des Kapitalismus ein Vandalismus ist, mit dieser Erkenntnis können wir sowohl dem vielleicht entmutigten und erschöpften Arbeiter wieder Kraft und Schwung zu seiner Befreiung geben, als auch die gesellschaftlichen Kampfmittel gegen die Verteidiger jener kapitalistischen Lebensformen verstärken. Sittliche Überzeugungen sind gewaltige Mächte! Marx selbst hat an sie immer wieder appelliert, wenn er seine große Anklage schleuderte gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Hartherzigkeit, Habgier und Profitsucht und von der ‚großen Pflicht‘ der Arbeiterklasse zur Eroberung der politischen Macht spricht. Die letzte Begründung des wahren Wesens des Sozialismus liegt uns also in der Idee der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, in dem Willen zu gegenseitiger Hilfe und gerechter Gemeinschaft, in der sittlichen Gestaltung unserer gegenseitigen Beziehungen.

Weil wir aber wissen, daß der Mensch durch sein gesellschaftliches und insbesonders durch sein wirtschaftliches Dasein durchschnittlich und auf die Dauer stärker beeinflußt wird, als durch sein sittliches, religiöses oder sonstiges Bewußtsein, so müssen wir, wollen wir ganze Menschen schaffen helfen, von der juristisch-formalen Gerechtigkeit fortschreiten zur wirtschaftlich-materiellen. „Man hat“, um mit Fichte zu sprechen, „…die Aufgabe des Staates bis jetzt nur einseitig und nur halb aufgefaßt, als eine Anstalt, den Bürger in demjenigen Besitzstande, in welchem man ihn findet, durch das Gesetz zu erhalten. Die tiefer liegende Pflicht des Staates, jeden in den ihm zukommenden Besitz erst einzusetzen, hat man übersehen. Dieses letztere aber ist nur dadurch möglich, daß die Anarchie des Handels ebenso aufgehoben werde, wie man die politische allmählich aufhebt.“2 In der Gestaltung der Wirklichkeit muß also die Idee der genossenschaftlichen Gerechtigkeit bezogen werden auf das zu gestaltende Material, insbesondere auch auf die Erzeugung und Verteilung der wirtschaftlichen Güter. Ein Idealismus, der in unserer Zeit diese Wirklichkeitswendung zur Wirtschaft nicht mitmacht; ein Idealismus, der, um ganz konkret zu reden, vor der Lohnfrage oder dem Arbeitslosenproblem versagt, ein solch wirklichkeitsfremder Idealismus betrügt entweder sich oder andere und kann uns augenblicklich gestohlen werden. Fichtes Idealismus war aus anderem Holze als der so vieler unserer heutigen Gebildeten. „Der Mensch soll arbeiten“, sagt eines seiner bekannten Worte, „aber nicht wie ein Lasttier, das unter seiner Bürde in den Schlaf sinkt, und nach der notdürftigsten Erholung der erschöpften Kraft zum Tragen derselben Bürde wieder aufgestört wird. Er soll angstlos, mit Lust und Freudigkeit arbeiten, und Zeit übrig behalten, seinen Geist und seine Augen zum Himmel zu erheben, zu dessen Anblick er gebildet ist.“3 Dieser Idealist wußte auch, daß im organisatorischen Aufbau der gerechten Gemeinschaft der Weg vom Materiellen zum Ideellen, von unten nach oben gegangen werden muß: „Die Mitglieder der Regierung, sowie die des Lehr- und Wehrstandes sind bloß um der ersten [der ökonomischen Produzenten] willen da.“4 Wer Fichte kennt, weiß auch, wie weit der Sozialismus trotzdem von einer Verdauungsphilosophie entfernt ist.

Jedes Ideal vermag sich nur im Kampf mit den gegebenen gesellschaftlichen Machtverhältnissen durchzusetzen. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse sind verwirtschaftlicht in der Weise, daß einzelne Individuen und Gruppen durch ihre wirtschaftliche Macht zugleich tatsächlich die Herrschaft über den Staat besitzen. Das kapitalistische Unternehmertum organisiert seine privatrechtliche Eigentumsmacht an den Produktionsmitteln in Trusts und Kartellen, mittels welcher es die Staatsmacht auf sehr vielen Gebieten völlig auszuschalten, auf anderen sehr wesentlich zu beschränken vermag. So übt schließlich Agrar-, Industrie- und Finanzkapital – man werfe nur einen Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika –, trotz aller demokratischen Staatsformen, eine weitgehende einseitig wirtschaftliche Herrschaft über die staatliche Gesamtheit aus, deren Gefahr für eine lebendige Kultur kaum überschätzt werden kann. Sozialismus heißt gerechte Herrschaft der Gemeinschaftsautorität über die Wirtschaft. Die Arbeiterschaft im weiten Sinne wird, auch wenn sie die organisierte staatliche Macht verfassungsmäßig in Bewegung zu setzen vermag, den Gedanken der genossenschaftlichen Gerechtigkeit nur dann zur Durchführung bringen können, wenn der Staat und andere öffentliche...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Demokratie • Demokratietheorie • Staatsrecht • Verfassungsordnung • Weimarer Republik
ISBN-10 3-86393-655-8 / 3863936558
ISBN-13 978-3-86393-655-6 / 9783863936556
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