Soziale Arbeit in multiprofessioneller Kooperation -  Elisabeth Sommer

Soziale Arbeit in multiprofessioneller Kooperation (eBook)

Eine genderkritische Untersuchung von handlungsleitenden Orientierungen bei der professionsbezogenen Positionierung am Beispiel Frühe Hilfen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
252 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8073-5 (ISBN)
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Im Buch wird eine empirische Untersuchung der geschlechts- und professionsbezogenen Positionierung von Fachkräften der Sozialen Arbeit in der Kooperation mit Fachkräften aus dem Gesundheitswesen präsentiert. Dabei werden Machtkonfigurationen identifiziert, in denen eine Begrenzung der für Frühe Hilfen grundlegenden (feminisierten) Kompetenz von Fachkräften Sozialer Arbeit stattfindet. Basierend auf den empirischen Rekonstruktionen wird ein Professionalitätsmodell vorgeschlagen, das eine systematische Bearbeitung von Geschlechterdynamiken in der Handlungspraxis und in disziplinären Räumen Sozialer Arbeit anregt.

Elisabeth Sommer, Jg. 1989, Dr. phil., ist Sozialarbeiterin/staatlich anerkannte Sozialpädagogin (M.A. Soziale Arbeit) und Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Professionalisierung sozialer Dienstleistung, Geschlechterdynamiken in Profession und Disziplin Soziale Arbeit, multiprofessionelle Kooperation Sozialer Arbeit mit Gesundheitsberufen, Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft, Diversität an Hochschulen.

1Einleitung: Soziale Arbeit in multiprofessioneller Kooperation


Disziplin und Profession Soziale Arbeit haben sich mit einer „marginalisierte[n] Positionierung im Feld personenbezogener Dienstleistung“ (Steckelberg/Thiessen 2020: 11; Einfügung E. S.) auseinanderzusetzen, die mit der „Minderschätzung von Frauen“ (Krüger 2003: 138) in Verbindung steht. Dieser Befund ergibt sich mitunter aus der berufsmäßigen Erfüllung von Aufgaben, welche ehemals in familialen Kontexten geleistet wurden und fortwährend mit privater Fürsorge in Verbindung gebracht sowie abgewertet werden (vgl. ebd.). Wissenschaftler*innen und Fachkräfte der Sozialen Arbeit sehen sich daher bislang mit Nachteilen konfrontiert (z. B. anhaftende Semiprofessionalität), die mit der Spezifität feminisierter personenbezogener Dienstleistung korrelieren (z. B. Handeln in Ungewissheit, vgl. Rabe-Kleberg 1993: 106 ff.). Weil die Soziale Arbeit durch die Korrelation von Abwertung und Feminisierung ihrer professionellen Dienstleistung geprägt ist, formulieren Bereswill und Ehlert (2017) den Bedarf von „Etablierung und Positionierung als Profession und Disziplin“ (ebd.: 94; vgl. dazu auchThieme/Silkenbeumer 2017: 5) und betonen die Bedeutsamkeit geschlechterkritischer Analysen, ohne die eine „[verkürzte] Sicht auf die Profession und die Handlungsprobleme der Praxis“ (Ehlert 2013: 117) bestehen bleibt. Die professionsbezogene Positionierung in der personenbezogenen Dienstleistung sollte also insbesondere unter Einbezug der Feminisierung Sozialer Arbeit diskutabel sein und thematisiert werden, um der Marginalisierung entgegenzuwirken.

Obwohl also disziplinär ein Bewusstsein über die Verschränkung von Geschlechterfragen mit der professionsbezogenen Positionierung Sozialer Arbeit besteht, fehlen bislang entsprechende empirische Analysen und Theoretisierungen, die diese Verschränkung in der Handlungspraxis der Sozialen Arbeit angemessen berücksichtigen und somit Verbesserungen hinsichtlich der Marginalisierung eröffnen würden (vgl. Ehlert 2019: 23, 2013: 127). So ergibt sich die Relevanz einer geschlechterkritisch angelegten Professionsforschung in der Sozialen Arbeit zum einen aus Verbesserungen für die Profession selbst (z. B. Gleichstellung zu anderen Professionen und eben keine Marginalisierung) und gleichsam aus Verbesserungen für deren Adressat*innen (durch feldadäquate Einbringung der spezifischen Fachlichkeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit). Hier setzt die vorliegende Untersuchung an, indem sie die geschlechts- und professionsbezogene Positionierung von Fachkräften Sozialer Arbeit in den Blick nimmt.

Die Handlungspraxis multiprofessioneller Kooperation birgt für Fachkräfte der Sozialen Arbeit das Potenzial, sich professionell zu positionieren, weil dort die je spezifischen Expertisen von Fachkräften verschiedener Professionen aufeinandertreffen und damit eine Kontrastierung der eigenen Fachlichkeit möglich wird. Zudem erlebt multiprofessionelle Kooperation einen Bedeutungszuwachs (vgl. Kaba-Schönstein/Kälble 2004: 29), welcher als Antwort auf die zunehmende Sichtbarkeit der Komplexität gesellschaftlicher Strukturen und sozialer Problemlagen (vgl. Zängl 2015: 105) gelesen werden kann. Kooperationen werden daher als zweckgebundene „Prozesse der Arbeitsteilung“ (Franzheld 2017a: 17) umgesetzt und dienen gleichzeitig der „Abstimmung beruflicher Orientierung“ (ebd.: 16) in „Arenen der Aushandlung und Aneignung“ (ebd.: 18). Fachkräfte verschiedener Professionen bringen dabei je eigene Wissensbestände „in die Bearbeitung von Problemstellungen ein“ (Bauer 2018c: 731). Dieses Zusammenführen verschiedener Expertisen ermöglicht die Untersuchung der professionsbezogenen Positionierung der einzelnen Profession, z. B. der Sozialen Arbeit. Findet die Kooperation in einem zentralen Aufgabengebiet Sozialer Arbeit statt, beispielsweise im Kinderschutz, der nachfolgend zentrales Thema dieser Untersuchung ist, dann wird die professionsbezogene Positionierung besonders relevant, weil sich die Fachkräfte mit weiteren, fachfremden Expertisen und Logiken auseinanderzusetzen haben.

Der Kinderschutz ist eine hoheitliche Aufgabe der Sozialen Arbeit, in dem die Fachkräfte das grundgesetzlich verankerte staatliche Wächteramt erfüllen (Art. 6 Abs. 2 GG und § 8a SGB VIII, vgl. Merchel 2021: 500) und in dem kooperative Arbeitskontexte verpflichtend sind (§ 8a Abs. 1 SGB VIII). Kinderschutz geriet insbesondere im Jahr 2005 durch mediale „Skandalisierung von Einzelfällen“ (Schutter 2020: 463) in den Fokus der Öffentlichkeit (vgl. Tolasch 2015: 22 f.). Aus professioneller Perspektive heraus bleibt zu betonen, dass es zu diesem Zeitpunkt zu keinem nennenswerten Anstieg der Fallzahlen kam, sondern, dass vielmehr ein „Anstieg der Berichterstattungen“ (ebd.: 22) stattgefunden hat. Laut Tolasch ist daher von einer „medialen und politischen dramatisierenden Diskursivierung“ (ebd.: 25) von Kinderschutzfällen, insbesondere von Kindstötungsdelikten, auszugehen. Gleichwohl hat die beschriebene mediale Präsenz die öffentliche und politische Aufmerksamkeit für den Kinderschutz gebündelt und rechtliche Interventionen angestoßen. So wurde die Entwicklung niedrigschwelliger, präventiver, kooperativ zu erbringender Angebote für Familien befördert (vgl. Schutter 2020: 463), die im Konzept ‚Frühe Hilfen‘ konkretisiert werden. Das Konzept sieht vor, dass Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen und Sozialer Arbeit in multiprofessioneller Kooperation (vgl. Sann/Mengel/Küster 2020: 627) zusammenarbeiten, um präventive Angebote im Kontext des Kinderschutzes umzusetzen. Doch wie bewährt sich die spezifische Fachlichkeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit in der Handlungspraxis der multiprofessionellen Kooperation mit Fachkräften außerhalb der eigenen Profession? Welchen Sinnmustern resp. Orientierungen unterliegt diese Handlungspraxis? Und welchen Einfluss haben Geschlechterdynamiken auf diese professionsbezogene Positionierung? Aus diesen zentralen Fragestellungen heraus wird in der vorliegenden Arbeit eine Analyse von handlungsleitenden Orientierungen zur geschlechts- und professionsbezogenen Positionierung von Fachkräften Sozialer Arbeit in der multiprofessionellen Kooperation vorgenommen.

Es ist, so wurde bis hierhin deutlich, von einer konstituierenden Verknüpfung von Professionalisierungsprozessen mit Geschlechterdynamiken in der multiprofessionellen Kooperation im Feld Frühe Hilfen auszugehen, die durch empirische Untersuchungen zu explizieren sind, um der Marginalisierung Sozialer Arbeit entgegenzuwirken. Die Identifikation von handlungsleitenden Orientierungen, denen die geschlechts- und professionsbezogene Positionierung unterliegt, setzt ein Wirklichkeitsverständnis voraus, das sowohl „Professionalität als auch Geschlecht […] als Konzepte von Wirklichkeiten [begreift, welche] gesellschaftlich hergestellt und verhandelt [werden]“ (Sabla/Rohde 2013: 131; Auslassung und Einfügung E. S.) und ein reziprokes Verhältnis der Konstruktionen von Professionalität und Geschlecht (vgl. Ehlert 2019: 29) berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Analysen von Professionalisierungsprozessen steht die geschlechtsbezogene Unterlegung der Professionen (vgl. Rerrich 2010: 92; vgl. Bereswill 2016: 21), insbesondere dort, wo Geschlechterzuweisungen Hierarchisierungen implizieren können (vgl. Hirschauer 1994: 677 ff; vgl. Gildemeister 2015: 217; vgl. Ehlert 2019: 29) und somit der Gleichstellung von Professionen in der Kooperation entgegenwirken sowie letztlich auch Nachteile für die Adressat*innen Sozialer Arbeit hervorbringen. Ein so geartetes sozialkonstruktivistisches Wirklichkeitsverständnis hilft, die eingangs beschriebene Marginalisierung Sozialer Arbeit entlang von Geschlechterdynamiken zu explizieren und ferner Verbesserungen für die Adressat*innen Sozialer Arbeit anzuregen, die nur von einer nichtmarginalisierten Profession Soziale Arbeit adäquat profitieren können.

Das nun beschriebene Verhältnis von professionsbezogener Positionierung einerseits und zunehmend zu erbringender Kooperation in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit andererseits, oder vielmehr die Konstruktion einer professionsbezogenen Positionierung Sozialer Arbeit in der Kooperation, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Dabei handelt es sich um eine geschlechterkritische Analyse, die die Verwobenheit von Professionalisierungsprozessen mit Geschlechterdynamiken am Beispiel Frühe Hilfen entlang von handlungsleitenden...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8073-8 / 3779980738
ISBN-13 978-3-7799-8073-5 / 9783779980735
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