Herausforderung schulische Inklusion -  Margit S. Schiwarth-Lochau

Herausforderung schulische Inklusion (eBook)

zwischen Anspruch und Realität
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2023 | 1. Auflage
432 Seiten
Stockwärter Verlag
978-3-96692-115-2 (ISBN)
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Die Autorin Schiwarth-Lochau verfolgt seit mehr als 10 Jahren die Bemühungen in den einzelnen Bundesländern, ein Inklusives Schulsystem aufzubauen. Mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) gingen die Bundestagsfraktionen davon aus, dass die Inklusion, also das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen oder Beeinträchtigungen, letztendlich zur Abschaffung des Förderschulsystems führen wird. Damit wurde die Hoffnung verknüpft, dass der Personal- und Finanzbedarf für das Schulwesen geringer wird. Schiwarth-Lochau erlebte als Förderschullehrerin ab 2010 die überstürzte und konzeptionslose Einführung der Inklusion an den Grundschulen. In ihren Schulgeschichten, die gleichzeitig als Fallbeispiele für den sonderpädagogischen Förderbedarf von Grundschulkindern dienen, beschreibt sie die Herausforderungen und Bedingungen für den Gemeinsamen Unterricht. Des Weiteren hebt sie die Bedeutung der Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule hervor. Ist es im föderalen Bildungssystem Deutschlands gelungen, die notwendigen personellen, finanziellen und sächlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit jedes Kind individuell gefördert und gefordert werden kann? Es sollte der Frage nachgegangen werden, ob Inklusion als Chance, gar als Ressource oder Überforderung im Schulsystem gesehen werden muss. Haben sich in den letzten 10 Jahren die Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen verbessert? Wird die Kultusministerkonferenz (KMK) ihren Zielen, Koordinierung und Abstimmung der verschiedenen Landespolitiken sowie Qualitätssicherung in der Bildung, gerecht? Fehleinschätzungen und Sparzwänge führten bundesweit zu einem nie dagewesenen Lehrkräftemangel. Dieser beeinträchtigt die Bildungschancen unserer Kinder! Mit ihrem Buch "Herausforderung schulische Inklusion zwischen Anspruch und Realität" wendet sich die Autorin gleichermaßen an pädagogisch Tätige und Interessierte, Eltern, Lehrkräfte, künftige Lehrerinnen und Lehrer sowie Quer- und Seiteneinsteigende.

Margit S. Schiwarth-Lochau wurde 1953 in Halle (Saale) geboren. Sie studierte von 1971 bis 1975 an der Pädagogischen Hochschule Halle und war 41 Jahre lang im Schuldienst tätig, davon 30 Jahre als Förderschul- und Beratungslehrerin. Ab 2010 beschäftigte sie sich intensiv mit der Herausforderung Inklusion, förderte Kinder im Gemeinsamen Unterricht an einer Grundschule, schrieb Gutachten zum sonderpädagogischen Förderbedarf und veröffentlichte 2014 ihr erstes Buch (Sachbuch) "Schule ist doof - Inklusion in der Praxis". Ihre langjährigen Erfahrungen aus der Arbeit mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen sowie das Interesse an Fachliteratur sowie Fortbildungen über psychodynamische und psychosoziale Zusammenhänge lieferten die Grundlagen für ihre weitere literarische Arbeit. In der Kinderbuchreihe "Schule ist cool" sind bereits "Toms Wandlung" (2014), "Susi Tigerherz" (2016), "Sofie die Schreckliche" (2017), "Paul der Tollpatsch" (2020), "Pierre der Quatschkopp" (2020) und "Maria die Klassenbeste" (2021) erschienen. Nicht zuletzt kam ihr erster Roman "Bella Isabella" (2021) heraus. Außerdem ist Margit S. Schiwarth-Lochau Mitautorin in drei Büchern ihrer Schwester, Dr. med. Ingrid Ursula Stockmann, "Wenn Verwandte über das Leben und die Liebe s(p)innen" (2011), "Das kleine Schimpfwörterbuch für Autofahrer" (2012) und "Das vielseitige Schimpfwörterbuch für Nachbarn" (2022). Margit Schiwarth-Lochau ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und Großmutter. Gemeinsam mit ihrem Mann nahm sie Mitte der 90er Jahre einen 13jährigen Jungen als Pflegekind in die Familie auf und begleitete ihn auf dem Weg ins Erwachsenenleben.

Auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit


Mit Interesse verfolge ich die Entwicklungen im Bildungssystem der Bundesrepublik, insbesondere aber im Bundesland Sachsen-Anhalt. Seit Jahren gibt es die verschiedensten Reformbestrebungen in Deutschland, wo Bildungspolitik Ländersache ist und die Kultusministerkonferenz (KMK) Empfehlungen erarbeitet. Mit der Föderalismusreform I von 2006 wurde bekanntlich ein Kooperationsverbot in der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern vereinbart. Laut Einschätzung des (im Jahr 2012) Vorsitzenden der Bildungsgewerkschaft GEW4, Ulrich Thöne, ist der „Wettbewerbsföderalismus gescheitert - ein Kooperationsgebot notwendig“. Er bezeichnete die Bildungslandschaft in Deutschland als „bildungspolitischen Flickenteppich“ mit der Folge, dass die Bildungsgerechtigkeit weiter abnimmt. „7,5 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, sind kein Problem einzelner Bundesländer, sondern ein gesellschaftlicher Skandal, der alle betrifft.“ (E&W 04/2012, S. 29)

Eine vom Bundesbildungsministerium geförderte Studie „LEO 2018 - Leben mit geringer Literalität“ stellte den Rückgang dieser Zahl (Stand 2011) als Erfolg dar. Dennoch sind das 6,2 Millionen Erwachsene, die nicht richtig Deutsch lesen und schreiben können. 52,6 Prozent von ihnen haben Deutsch als Muttersprache. Die Mitteldeutsche Zeitung5 berichtet weiter: „Auch bei jenen Erwachsenen, die zwar zusammenhängende Texte verstehen, aber dennoch nicht gut lesen und nur sehr fehlerhaft schreiben können, gab es einen Fortschritt. Hier verringerte sich die Anzahl von 13,4 Millionen im Jahr 2011 auf nun 10,6 Millionen Menschen.“ (MZ, 8. Mai 2019, S. 23)

Was kann, bzw. muss, gegen das Zurückbleiben in der Schule von so vielen jungen Menschen getan werden? Wer ist verantwortlich? Ist das nur Sache der Politik? Können es die Lehrerinnen und Lehrer in einer „Schule für alle“ richten? Viele von ihnen machen sich Gedanken. So z. B. die bayerische Grundschullehrerin Sabine Czerny in ihrem Buch6 „Was wir unseren Kindern in der Schule antun … und wie wir das ändern können“. Gleich auf der Umschlaginnenseite ist zu lesen: „Wer ist schuld an der aktuellen Schulmisere? Es sind nicht die ehrgeizigen Eltern, die im Grunde nur das Beste für ihre Kinder wollen. Auch nicht die Lehrer, die sich zwischen Bildungs- und Sortierauftrag komplett aufreiben. Doch am allerwenigsten sind es die Schüler, die heutzutage - vorschnell - als lernfaul und unmotiviert abgestempelt werden. Schuld ist ein Schulsystem, das sich unerbittlich und bürokratisch über das Wohl der Kinder stellt - und damit über die Möglichkeiten und Fähigkeiten jedes einzelnen Schülers.“

Jörg Dräger (ehemals Bildungspolitiker in Hamburg) veröffentlichte das Buch7 „Dichter, Denker, Schulversager - Gute Schulen sind machbar - Wege aus der Bildungskrise“ mit einer „Politischen Gebrauchsanweisung“ von Klaus von Dohnanyi. Dräger schreibt in seiner Einleitung8: „Bildungskrise in der Bildungspolitik: Abgesehen von dem Rückstand der Bundesrepublik in internationalem Vergleich ergibt sich ein wahrhaft erschütternder Unterschied zwischen den verschiedenen Bundesländern. Dieser Unterschied hängt weder von der Sozialstruktur noch von den Finanzen der verschiedenen Bundesländer ab, sondern ergibt sich lediglich aus dem unterschiedlichen Ausbau des Schulwesens.“

Des Weiteren verweist er auf den Pädagogen und Philosophen Georg Picht, der schon 1964 in seinem Buch „Die deutsche Bildungskatastrophe“ den „Lehrermangel und die Bildungs-Kleinstaaterei der Bundesländer ebenso wie die mangelnde Chancengerechtigkeit des deutschen Bildungswesens“ kritisierte.

Diese Probleme bewegen uns auch heute noch, sogar in zunehmender Weise. Die Mitteldeutsche Zeitung9 machte unter dem Titel „Lehrer verzweifelt gesucht“ darauf aufmerksam, dass in Sachsen-Anhalt 2000 Pädagogen per Abordnung an andere Schulen versetzt werden mussten, um den Schulbetrieb im Schuljahr 2012/13 mit großer Mühe absichern zu können. Der damalige Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Thomas Lippmann, warnte davor, dass das System „in zwei bis drei Jahren kollabieren“ wird, wenn nicht Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Statt der geplanten 200 Neueinstellungen pro Jahr müssten 600 junge Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. „Die anderen Bundesländer haben das längst begriffen und stellen ein, nur wir sind die Blöden“, so Lippmann. „Häufig müssen Absolventen aus Sachsen-Anhalt weiterziehen, da sie hier keine Anstellung finden - andere Bundesländer freut es“, zitiert die MZ (v. 14.08. 2012, S. 1) weiter.

Bis 2016 wurde in Sachsen-Anhalt sogar Personal abgebaut. In einer Richtlinie (RL-Rente 2011) zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente hieß es in der Fassung vom 30. Mai 2013: „Für die Realisierung des von der Landesregierung jährlich fortzuschreibenden Personalentwicklungskonzepts ist es zwingend erforderlich den Personalbestand abzusenken.“

Die Warnungen wurden nicht ernst genommen. Zehn Jahre später heißt es in der Mitteldeutschen Zeitung10: „Lehrermangel ist so schlimm wie nie zuvor. Viel Stundenausfall im neuen Schuljahr. … Rechnerisch reicht die Zahl der eingestellten Pädagogen nur noch für eine Abdeckung von 92 Prozent der eigentlich vorgeschriebenen Unterrichtsstunden. Landesweit jede dritte Schule (34 Prozent) hat bereits eine Unterrichtsversorgung von weniger als 90 Prozent. Vor allem Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen und Förderschulen leiden unter dem Mangel.“ (MZ v. 24.08.2022, S. 1)

Inzwischen stellt der Lehrkräftemangel in allen Bundesländern Deutschlands ein ernstzunehmendes Problem dar. Durch unterschiedliches parteipolitisches Verständnis (und auch Gezänk) gibt es bundesweit nach Landtagswahlen immer wieder Schulstrukturreformen und Änderungen in den Schulgesetzen, was bei Lehrern, Eltern und Schülern häufig zu Verunsicherungen führt. Einige Beispiele dazu: „Um die Jahrtausendwende hatte Sachsen-Anhalt das integrativste Schulsystem Deutschlands“, sagte der GEW Landeschef Lippmann.

Nach der Grundschule erfolgte nicht die Trennung der Schüler einer Klasse in verschiedene weiterführende Schulformen, also nicht der Übergang an ein Gymnasium oder an eine Realschule, sondern es wurde eine gemeinsame Förderstufe in den Klassen fünf und sechs geschaffen. Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf konnten auf Wunsch der Eltern im Gemeinsamen Unterricht gefördert werden. Der Hauptschulbildungsgang an Sekundarschulen wurde abgeschafft, die Schulpflicht auf zehn Jahre erhöht. Lippmann stellte fest:

„Zwischen 1998 und 2003 waren die Weichen für ein längeres gemeinsames Lernen in Sachsen-Anhalt schon gestellt. Doch in der Öffentlichkeit war der daraus resultierende Bruch mit der Tradition des Abiturs nach zwölf Schuljahren nicht zu vermitteln. CDU und FDP hatten leichtes Spiel und kippten die gesamte Reform.“ Mit dem „Bruch der Tradition“ ist gemeint, dass Sachsen-Anhalt mit Einführung der Förderstufe nicht mehr den traditionellen Weg gehen wollte, nach welchem leistungsstarke Schüler und Schülerinnen im Anschluss an die vierjährige Grundschulzeit acht Jahre lang am Gymnasium bis zum Abitur lernen. Nachzulesen ist der Bericht in der E&W 11/2012, S. 21. Seitdem sind die Fronten im Parlament und in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verhärtet, Reformbestrebungen werden argwöhnisch betrachtet.

Kernstück der Schulreform 2005 an Berliner Grundschulen war laut E&W 01/2013, S. 28: „... alle Kinder in dem Jahr einzuschulen, in dem sie sechs Jahre alt werden.“ Für manche Eltern stellt sich damit die Frage, ob mit dieser Regelung die Schulreife des Kindes (durch schulärztliche Untersuchungen festgestellt) noch berücksichtigt wird. In den ersten beiden Schuljahren lernen die Schüler der Klassenstufen 1 und 2 gemeinsam im sogenannten „Jahrgangsübergreifenden Lernen“, der Übertritt in die dritte Klasse erfolgt dann flexibel nach zwei oder drei Jahren. „Die Berliner GEW hat die Altersmischung zwar von Anfang an begrüßt, kritisiert jedoch, dass die Ausstattung vieler Schulen zu schlecht für das gemeinsame Lernen sei. Es fehle an Lehrkräften, Räumen und Fortbildungsmöglichkeiten für Pädagogen.“

Die damit verbundenen Probleme an verschiedenen Berliner Grundschulen (Klassen 1 bis 6) stellt Philipp Möller in seinem Buch „iSCH GEH SCHULHOF“11 sehr kritisch und anschaulich dar.

Möller wagte den Quereinstieg als Aushilfslehrer an einer Berliner Grundschule, in der er zuvor ein halbes Jahr als Assistent der Schulleitung gearbeitet hatte. Er bejaht die Frage, ob er vor seiner ersten Unterrichtsstunde aufgeregt sei: „Kein Wunder, denn in ungefähr zwei Stunden werde ich als Mathelehrer vor einer vierten Klasse stehen - ohne auch nur eine Minute Unterrichtserfahrung zu...

Erscheint lt. Verlag 28.12.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Bildungstheorie
Schlagworte Grenzen und Nachteile der Inklusion • Individueller Förderbedarf bei Schülern mit unterschiedlichen Störungen und Behinderungen • Inklusion als Chance • Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule • Stand der Inklusion in den verschiedenen Bundesländern
ISBN-10 3-96692-115-4 / 3966921154
ISBN-13 978-3-96692-115-2 / 9783966921152
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