Ein Schätzchen war ich nie (eBook)

Spiegel-Bestseller
Zum 80. Geburtstag der Filmikone

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Mosaik bei Goldmann (Verlag)
978-3-641-31980-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein Schätzchen war ich nie -  Uschi Glas
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Die beliebte Filmikone übers Frausein, Älterwerden, Glück finden
Uschi Glas ist eine Institution und aus Deutschlands Film- und Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken. In den 60er Jahren spielte sie sich als Winnetous Apanatschi in die Herzen eines Millionenpublikums, entgegen ihrer Rolle im Kinoklassiker 'Zur Sache, Schätzchen' wollte sie jedoch eines nie sein - ein Schätzchen. Niemals weichgespült, lieber mit Ecken und Kanten, so ihr Lebensmotto.

Anlässlich ihres 80. Geburtstag blickt Uschi Glas nicht nur zurück, sondern auch auf das, was noch vor ihr liegt. Sie schreibt darüber, wie man sich selbst findet und treu bleibt, warum ihr als berufstätige Frau und Mutter Unabhängigkeit immer wichtig war und übers Älterwerden in einer Branche, in der gerade Schauspielerinnen häufig ein Ablaufdatum haben. Egal, ob sie private, lebensverändernde Momente oder ihre persönlichen Strategien für Gelassenheit und inneres Glück teilt - Uschi Glas erzählt auf gewohnt bodenständige und patente Art, schlägt ernsthafte Töne an und vergisst dennoch nie ihren Humor. Dabei macht sie allen Leserinnen und Lesern Mut, sich ebenfalls den eigenen Widerstandsgeist zu bewahren.

Engagiert und empowernd: eine wahre Inspiration für uns alle!

Uschi Glas, geboren 1944 in Landau, zählt seit Mitte der 1960er Jahre zu den populärsten Schauspielerinnen des Landes. Ihre Filmkarriere startete sie mit Klassikern wie 'Winnetou und das Halbblut Apanatschi'. Zum Kultstar wurde sie 1968 im Kinoerfolg 'Zur Sache, Schätzchen'. Später folgten TV-Serien wie 'Zwei Münchner in Hamburg' und 'Unsere schönsten Jahre'. Bis zu zehn Millionen Fans pro Folge schalteten den Fernseher ein, als Uschi Glas Mitte der 1990er Jahre in 'Anna Maria - Eine Frau geht ihren Weg' ihre Paraderolle spielte. Als überforderte Lehrerin brillierte sie in der 'Fack ju Göhte'-Reihe. Das Engagement für sozial Benachteiligte ist ein Herzensthema von Uschi Glas. 2009 gründete sie mit ihrem Ehemann Dieter Hermann den Verein 'brotZeit e.V.', der bundesweit in mehreren hundert Schulen kostenloses Frühstück für Schülerinnen und Schüler anbietet.

Der Blick in den Spiegel


Zwergerl, abends musst du in den Spiegel schauen können.« An diesen Satz meines Vaters denke ich jeden Tag.

Das Zwergerl, das war ich, denn ich war das jüngste von vier Kindern, geboren am 2. März 1944 im niederbayerischen Landau an der Isar. Ich hatte drei ältere Geschwister, zwei Schwestern, Heidi und Sigrid, und einen Bruder, Gerhard. Meine Mutter Josefa war Hausfrau, mein Vater Christian Buchhalter.

Das Verhältnis zu meinem Vater war ambivalent, mit guten und weniger guten Phasen, manchmal standen wir uns nah, dann wiederum hatten wir uns entfremdet. Über viele Jahre war die Beziehung konfliktgeprägt, angefangen in meiner aufmüpfigen Kindheit, nahtlos übergehend in eine rebellische Jugend. Aber manchmal, wenn wir uns wieder einmal ganz heftig in die Haare bekommen hatten, weil mein Vater mich einfach nicht verstehen wollte, schaute er mich plötzlich an und sagte: »Ach, Zwergerl, du musst selbst wissen, was du tust, solange du abends in den Spiegel schauen kannst.« – »Was redest du da?«, sagte ich in meiner Wut oder dachte es zumindest.

Aber heute weiß ich, der Spruch meines Vaters ist ein wunderbarer Ratschlag, so schlicht und wahr. Egal, wie du handelst, was du redest oder wie du denkst, am Abend eines Tages musst du Bilanz ziehen und ehrlich mit dir sein: Hast du andere so behandelt, wie du selbst behandelt werden möchtest? Oder warst du eine Schlange, warst unverschämt, hast dich schlecht benommen? Bist du mit dir im Reinen? Was ist gut gelaufen, was hast du falsch gemacht?

Das gilt für das Klein-Klein des Alltags ebenso wie für das große Ganze. Wenn ich zum Beispiel mit dem Auto unterwegs bin und jemand zeigt mir den Vogel, dann würde ich am liebsten spontan aus dem Fenster brüllen und mich beschweren. Stattdessen sage ich mir: Moment! Was habe ich davon? Und dann grinse ich zurück und sage: »Ja, auch Ihnen einen schönen Tag.« Dann ist der Groll verschwunden, und ich trage ihn nicht mit mir nach Hause. (Klappt aber nicht immer, manchmal schimpfe ich zurück.)

Als ich nach meiner ersten Hauptrolle in Winnetou und das Halbblut Apanatschi plötzlich im Rampenlicht stand, war die Gefahr groß, die berühmte Bodenhaftung zu verlieren. Erfolg verführt zu schlechtem Benehmen. Warum? Weil man es sich leisten kann und die anderen einem alles durchgehen lassen und einem jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Ob du zu einem Termin pünktlich kommst oder zwei Stunden zu spät bist und alle warten lässt – ist doch egal. Denn du bist der Star. Deinetwegen stehen die Menschen Schlange vor den Kinos. In dieser Situation musste auch ich lernen, mich selbst zu kontrollieren, indem ich mir immer wieder sagte: »Es geht nicht um dich als Menschen, du bist gefragt, weil du gerade erfolgreich bist. Morgen kann die Welt schon wieder anders aussehen.« Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mit irgendwelchen Spinnereien und Allüren anzufangen. Was nicht leicht ist, wenn ein kleiner Teufel auf deiner Schulter sitzt und dir einflüstert: »Du darfst das. Mach es.« In solchen Momenten dachte ich an den Satz meines Vaters. Wenn ich dann in den Spiegel schaute, sah ich nicht mehr den Star von der großen Leinwand, sondern wieder das Zwergerl aus Landau.

Seitdem habe ich mir angewöhnt, jeden Abend meine kleine Bilanz zu ziehen und die Erlebnisse, Erfahrungen, Begegnungen des Tages zu reflektieren. Ich halte Zwiesprache mit mir selbst und versuche, dabei nichts schönzureden. Natürlich denke ich in solchen Momenten auch an meine Liebsten. Geht es unseren Kindern gut, sind die Enkel wohlauf? Aber man blickt ja zum Glück über den eigenen Tellerrand hinaus (sollte man zumindest). Wenn ich heute über den zurückliegenden Tag nachdenke, überwiegen Sorgen, denn das, was wir gerade in unserer Gesellschaft erleben, treibt mich um, und so geht es, denke ich, den meisten Menschen. Das meine ich mit dem »großen Ganzen«. Was ist passiert, dass viele Leute nicht mehr in der Lage sind, die Meinung Andersdenkender zu ertragen oder zu akzeptieren? Man muss ja nicht alles gut finden, aber warum die anderen gleich niedermachen, fertigmachen, hassen? Warum verstehen wir uns denn nicht mehr? Gleichzeitig nehme ich eine große Resignation wahr. Viele stecken lieber den Kopf in den Sand, sie wollen nichts mehr von Krisen und Kriegen hören. Aber macht es das denn besser? Was wir ausblenden, findet in der Realität trotzdem statt. Das sind Fragen, mit denen ich mich intensiv beschäftige.

Ich war schon immer ein politisch denkender und interessierter Mensch. Politik spielte in meinem Elternhaus eine große Rolle, ausgehend von meinem Vater, einem Sozialdemokraten mit Leib und Seele, dessen Überzeugungen ich allerdings nur selten teilte. Wer mich ein bisschen kennt, weiß, ich habe mit meiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten und eckte hier wie dort an. Für die Linken war ich die »schwarze Ziege«, für die Rechten die Querulantin, die sich in alles einmischen muss.

Ich kam im vorletzten Kriegsjahr zur Welt. 14 Monate sollte der Krieg noch andauern. Unsere niederbayerische Region, Landau und Umgebung, lebte hauptsächlich von der Landwirtschaft. Industrie gab es kaum, weshalb Landau von den massiven Bombardierungen, wie es sie in anderen Regionen und Städten gab, weitestgehend verschont geblieben war. Ein Mahnmal des Krieges war noch lange nach 1945 die Stahlruine der Isarbrücke im Herzen Landaus. In den Wirren der allerletzten Kriegstage hatten deutsche Soldaten auf Befehl der SS die Brücke gesprengt. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir als Kinder verbotenerweise zwischen ihren Überbleibseln herumschwammen. Für uns war das ein Abenteuer, die Lebensgefahr nimmt man in dem Alter ja nicht wahr.

Ich wuchs auf im Nachkriegsdeutschland, dem Wirtschaftswunderland Bundesrepublik Deutschland. Es war der Beginn unserer jungen Demokratie. Als ich 1965 zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl mitwählen durfte (CDU-Ludwig-Erhard trat an gegen SPD-Willy-Brandt), empfand ich den Urnengang selbst als etwas Besonderes. Das Wählen war für mich als junge Frau auch Teil meines Erwachsenwerdens. Ich habe niemals nicht gewählt. Wählen war mir nie »lästig«, sondern immer ein Privileg. Ich war mir meiner Verantwortung bewusst. Die Demokratie ist angewiesen auf das Volk, auf mündige, engagierte, couragierte Bürgerinnen und Bürger, und es ist nicht zu viel verlangt, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen, oder? Das Argument: »Ich wähle nicht, um es denen da oben mal zu zeigen«, ist – Verzeihung – nur dämlich. Und zu protestieren, indem man Parteien wählt, die das Wählen am liebsten abschaffen möchten, grundgefährlich. Freie Wahlen, Meinungs- und Pressefreiheit, das demokratische System – das alles ist nicht gottgegeben und schon gar nicht selbstverständlich, auch wenn wir das lange glaubten. Aber es gibt keine Garantie. Mir ist es ein Anliegen, Stellung zu beziehen und mit meiner Stimme dazu beizutragen, dass wir alle weiterhin frei leben können, egal welche Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung jemand hat. Wir dürfen Fremde nicht ausgrenzen, müssen aber darauf pochen, dass die Werte, auf denen unser friedliches Zusammenleben beruht, von allen eingehalten werden. Ohne falsche Toleranz. Ohne Fremdenhass.

Ich hatte das Privileg, viel von der Welt zu sehen, andere Länder, Kulturen und Mentalitäten kennenzulernen, bin früh gereist, nach Italien, England, Frankreich, Spanien, obwohl meine Eltern nicht gerade viel Geld besaßen. Irgendwie bekam ich es hin. Reisen war damals noch etwas Exotisches. Man war in der Fremde. Die Erfahrung, selbst fremd in einem Land zu sein, nimmt einem die Angst vor den Fremden. Damals, ich rede von den 60er-Jahren, waren wir Deutsche längst nicht überall willkommen. Der Zweite Weltkrieg lag erst wenige Jahre zurück. Am liebsten war es mir, wenn man mich im Ausland nicht sofort als Deutsche identifizierte. Wenn man dann doch mit der Vergangenheit konfrontiert wurde, fühlte es sich demütigend an. Denn da war immer dieses Schuldgefühl in einem.

Vor mehr als 50 Jahren besuchte ich zum ersten Mal Israel und bin seitdem viele Male in dem Land gewesen, das mich von Anfang an fasziniert hat. Ich reiste mit einer Freundin erst nach Tel Aviv, eine damals schon pulsierende Metropole, und dann weiter nach Jerusalem, eine Stadt, die nur schwer zu fassen war, erhaben, vielschichtig, Respekt einflößend. Wir schauten uns auch Bethlehem und andere historische Orte an. Israel hatte einen besonderen Spirit, allein durch die vielen jungen Frauen und Männer, die aus aller Welt hierherströmten, um das Land aufzubauen. Gleichzeitig waren das besondere Verhältnis Deutschlands zu Israel und unsere Verantwortung für das Land allgegenwärtig – und unstrittig. Dass jüdisches Leben gerade in Deutschland schützenswert und wichtig ist – in diesem Bewusstsein ist meine Generation erzogen worden. Im Laufe meines Lebens ist meine Verbundenheit mit Israel geblieben und sogar tiefer geworden, auch durch gute Freunde, die jüdischen Glaubens sind und von denen ich weiß, was es bedeutet, als Jüdin oder Jude in Deutschland zu leben. Dass jüdische Einrichtungen polizeilichen Schutz benötigen – und das nicht erst seit dem im Jahr 2023 ausgebrochenen Nahostkrieg –, ist eine Schande für unser Land. Und wenn ich Sätze höre wie »Lass mich in Ruhe mit der Vergangenheit, ist doch alles lange her«, könnte ich auf die Palme gehen. In Ruhe lassen, genau das geht halt nicht. Es spielt auch keine Rolle, wenn du es nicht mehr hören kannst. Wer so redet und denkt, lässt den Populisten von rechts und links freie Bahn. Wir müssen hellwach sein. Wehret den Anfängen, heißt es...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2024
Co-Autor Peter Käfferlein, Olaf Köhne
Zusatzinfo mit farbigem Bildteil
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Biografie • Biographien • eBooks • Motivation • Neuerscheinung • Positives Denken • Selbstwert
ISBN-10 3-641-31980-3 / 3641319803
ISBN-13 978-3-641-31980-9 / 9783641319809
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