KI und der moderne Krieg (eBook)

Wie künstliche Intelligenz die russische Armee besiegen kann | Krieg in der Ukraine: Drohnen und intelligente Waffensysteme als militärische Einsatzmittel

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
220 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3156-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

KI und der moderne Krieg -  Jay Tuck
Systemvoraussetzungen
18,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der Krieg in der Ukraine setzt neue Maßstäbe in der militärischen Auseinandersetzung. Smarte-Waffen, intelligente Raketenabwehrsysteme, tragbare und infrarotgelenkte Panzerabwehrlenkwaffen, Satelliteninformationen, Standorterkennungen der Handys von Soldaten oder Drohnen, entscheiden über Leben oder Tod, Sieg oder Niederlage. Der erfahrene Kriegsreporter und Rüstungsexperte Jay Tuck schreibt über seine persönlichen Erfahrungen in der Ukraine und seiner vorherigen Einsätze im Irak, er vergleicht die Funktion der jeweiligen Waffensysteme und Strategien und misst ihre Wirksamkeit an der brutalen Realität des Schlachtfeldes. Denn die Bilder, die wir sehen, spiegeln nicht, welche wichtige Rolle Information, Desinformation, digitale Infrastruktur, intelligente Waffensysteme, technologische Überlegenheit und Künstliche Intelligenz spielen und wie sehr sie den Ausgang des Krieges bestimmen werden. Jay Tuck ordnet genau das für uns ein. 

Jay Tuck ist investigativer Journalist, Bestseller-Autor und Kriegskorrespondent. Während des Studiums arbeitete der Amerikaner beim US-Finanzministerium und CBS-News. Für das deutsche Fernsehen produzierte er über 400 investigative Beiträge, u. a. für Panorama und Monitor. Als Frontreporter war er in drei Kriegen. Fünfzehn Jahre lang war er verantwortlich für die Tagesthemen. In Printmedien scheibt er für Focus, Le Point, Stern, Welt, Time Magazine und Zeit-Dossier. Sein TED-Talk im Internet erreichte über fünf Millionen Clicks.

Als anerkannter US-Kriegsdienstverweigerer während des Vietnamkrieges zog Jay Tuck 1969 nach Deutschland, wo er beim NDR als freier Journalist anheuerte. Er arbeitet u.a. für Panorama und Monitor, hat für Cicero, Stern, Spiegel, Welt, Welt am Sonntag, das Zeit-Dossier und das Zeit-Magazin geschrieben. Er gilt als anerkannter Kriegsreporter sowie als Militär- und Waffenexperte. Zum Thema KI hält Jay Tuck weltweit Vorträge vor tausenden von Zuschauerinnen und Zuschauern. Allein sein TED-Talk zu KI erreichte mehr als fünf Millionen Clicks.

Kapitel eins   
Zugfahrt in die Hölle


Zug war das Verkehrsmittel, um in Kriegszeiten in die Ukraine zu reisen. Kommerzielle Flüge gab es nicht. Autofahrten waren zu gefährlich – selbst für Fahrer, die sich mit Nebenstraßen und Frühwarn-Apps gut auskannten. Mein kriegserfahrener Kameramann Jörn Schulz empfahl mir, mit dem Zug in die Hauptstadt Kiew zu reisen. Es war die Route des deutschen Bundeskanzlers und des Bundesverteidigungsministers. Der US-Präsident wählte denselben Weg. Danach taufte man den Zug stolz »Rail Force One«. Also sprach einiges dafür.

Es war Ende März 2023, als ich ins Land fuhr. Was mich gleich beeindruckt hat, war die Normalität. Es fühlte sich an wie ein Pendlerzug. Die Menschen beobachteten die Landschaft, lasen Zeitung und blickten gelegentlich auf ihre Handys. Auf einem Overhead-Bildschirm lief ein Zeichentrickfilm. Draußen zog das ukrainische Land vorbei, das gelegentlich Ziel wahlloser russischer Raketenangriffe war.

Die meisten Fahrgäste waren Berufspendler. Männer mussten im Land bleiben und in den Streitkräften dienen. Frauen durften reisen. Im Zug wurden Kaffee und belegte Brote serviert. WLAN war kostenlos.

Wenn man nicht nachfragte, sprachen die Leute nicht viel über den Krieg. Natürlich hatte jeder seine eigenen erschütternden Erfahrungen – Explosionen in nahe gelegenen Gebäuden oder Verlust von Freunden und geliebten Menschen.

Ausländer reisten in die Ukraine in der Regel über Polen ein. Das Land ist NATO-Mitglied und begeisterter Unterstützer der Ukraine. Für mich als amerikanischer Journalist war Polen sicheres Terrain.

Bereits zu Zeiten der Sowjetunion hatte sich Polen der russischen Hegemonie widersetzt. Johannes Paul II., der erste polnische Papst, ermahnte sein Volk, sich nicht vor Moskau zu fürchten und sich gegen das atheistische Regime des Kremls aufzulehnen – damals waren das mutige Worte. Er bot der antikommunistischen Gewerkschaft Solidarność öffentlich Unterstützung an. Moskau aber bestand auf der Zerschlagung der Solidarność. In einem Brief an den damaligen sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew warnte Papst Johannes Paul II., dass er, sollte die Sowjetunion gegen die aufstrebende Gewerkschaft vorgehen, »die Krone des heiligen Petrus niederlegen und in sein Heimatland zurückkehren würde, um seinem Volk zur Seite zu stehen«. Ein derartiger Widerstand war zu dieser Zeit ein Affront. Der Konflikt gipfelte in einem verzweifelten Komplott des Kremls zur Ermordung des polnischen Papstes. Es ging schief.

In der aktuellen Krise stellte sich Polen erneut gegen Russland, verurteilte den grundlosen Einmarsch Putins und drängte auf westliche Waffenlieferungen. Die Warschauer Regierung gewährte außerdem 4,5 Millionen ukrainischen Flüchtlingen einen vorübergehenden Flüchtlingsstatus. Polen war für sie ein sicherer Ort.

Für uns waren die Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze locker, der Grenzübertritt unspektakulär. Ein Schaffner kontrollierte die Fahrkarten, ein Zollbeamter blätterte die Pässe durch, und die Stahlräder ließen die Kilometer rattern.

Draußen vor dem Zugfenster deuteten vereinzelte grüne Farbtupfer auf den nahenden Frühling hin. Hin und wieder krönten hölzerne Kapellen die Hügel. Sie zeugten von dem reichen orthodoxen Erbe dieser Region. Rund tausend von ihnen sind in der Ukraine als nationale Denkmäler erfasst.

Die meisten Fahrgäste hatten für die Reise einen Schlafplatz gebucht, so wie ich – eine weise Entscheidung. Das Bett und das Bettzeug waren die pure Freude. Meine Flüge von Hamburg nach Krakau und eine dreistündige Taxifahrt nach Przemyśl an der polnisch-ukrainischen Grenze hatten ihren Tribut gefordert. Ich war völlig erschöpft. Vor mir lag eine neuneinhalbstündige Zugfahrt. Ich sah keine Anzeichen von Kampf oder Blutvergießen.

Das war ein Kontrast zu den Kriegsgebieten im Nahen Osten, in denen ich gewesen war. Diese Kriegsgebiete wurden von der Supermacht USA dominiert, mit kreischenden Düsenjägern über den Köpfen und dem tiefen Grollen schwerer Artillerie in der Ferne.

Die Effizienz der Bahn war das Verdienst eines Mannes namens Olexander Kamyschin, Direktor der ukrainischen Eisenbahngesellschaft und Arbeitgeber von 230 000 Ukrainern. Sein grimmiger Gesichtsausdruck und sein strenger Kosakenhaarschnitt spiegelten die Last wider, die er auf seinen Schultern trug. Die Reparatur zerbombter Gleise, die Entschärfung nicht explodierter Munition gehörten ebenso zu seinen Aufgaben wie der Transport von vier Millionen Flüchtlingen aus dem Land sowie von etwa 120 000 Haustieren (darunter ein Krokodil) und vierhunderttausend Tonnen dringend benötigter Hilfsgüter. Unter seiner Führung blieben die Züge sicher, zuverlässig und pünktlich. Im April 2023 wurde Kamyschin aufgrund seiner Leistungen von Präsident Selenskyj als Minister in die Regierung geholt.

Bald fuhren wir durch die Vororte von Lwiw, einer der westlichsten Städte des Landes. Aufgrund ihrer geografischen Lage befindet sie sich in der Nähe der NATO und in einem sicheren Abstand zum Osten des Landes, wo die intensiven Kämpfe stattfinden.

Lwiw war ein wichtiger Transitpunkt bei der Lieferung von Waffen und Nachschub. Zu Sowjetzeiten befanden sich hier Militärstützpunkte des Warschauer Paktes, teilweise ausgerüstet mit atomaren Mittelstreckenraketen. Damals waren sie Ziele der NATO. Nach dem Zerfall der UdSSR wurden die Silos mit westlicher Technologie nachgerüstet und zu russischen Zielen.

Unser Nachtzug hielt gelegentlich an einem ländlichen Bahnhof, um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Alles war ruhig. Leise läutete eine Kirchenglocke. Auf dem Land gab es kaum Anzeichen für den Krieg: keine Wachposten entlang der Gleise, keine gepanzerten Fahrzeuge auf den Straßen. Wir ratterten ereignislos durch die Nacht, durch die dunklen Fenster blinkten gelegentlich Lichter einer vorbeiziehenden Stadt.

In den frühen Morgenstunden erreichten wir die Hauptstadt Kiew. Ich war überrascht, dass der Hauptbahnhof menschenleer war. Hier hatte ich erwartet, dass viel los sein würde. Ich brauchte eine neue Speicherkarte für meine Kamera und fand einen Straßenhändler, der Accessoires verkaufte. Er sprach kein Englisch, ich kein ukrainisch.

Wir experimentierten mit Vokabeln und Gesten und kamen gut zurecht, bis ein ziemlich grober Wachmann in einer gelben Weste auf uns zukam und unverständliche Befehle bellte. Er sprach ukrainisch, laut, gereizt. Ich verstand nichts. Dann begann er, mich mit Gewalt aus dem Gebäude drängen zu wollen. Es war der Verkäufer, der mir zu Hilfe kam.

Luftalarm, erklärte er.

Draußen heulten die Sirenen. Die Passanten nahmen keine besondere Notiz davon. Es gelang mir, in dem Gewimmel meinen Fahrer zu finden, und wir fuhren zu meinem Hotel. Auf dem Weg dorthin habe ich kaum Kriegsschäden gesehen. Schwere Kämpfe fanden im Osten statt, weit weg. Der Bürgermeister der Hauptstadt, der frühere Boxweltmeister Vitali Klitschko, war bei der Beseitigung der Trümmer sehr effizient.

In der Stadt standen noch viele Panzer, rostende Gerippe am Straßenrand. Sie flößten keine Angst mehr ein. Es waren Wracks russischer Fahrzeuge, die zu Tausenden zerstört worden waren. Ihre Türme waren weggesprengt – ein Schaden, der für die Javelin-Raketen aus US-Produktion charakteristisch ist.

Die Ukraine hatte die Panzerwracks als Symbol für Putins Schwäche in benachbarte Länder exportiert. In Berlin zum Beispiel wurde eines neben der russischen Botschaft aufgestellt – trotz energischer Proteste des Botschafters. Es wurde mit Anti-Putin-Graffiti dekoriert.

Abb. 1: Autor in Kiew mit russischem Panzerwrack, Foto: Nikolai Yavorski

Im Hotel zeigte man mir mein Zimmer und den Standort des Luftschutzbunkers. Er befand sich in der Tiefgarage. Dorthin gingen die Menschen, wenn die Sirenen heulten. Ich musste nicht lange warten.

Ich war gerade dabei, einen kleinen Altar für meine geliebte Familie aufzustellen – mit Fotos und einem Glücksbringer –, als die Sirenen heulten. Unten in der Garage drängten sich die Mitarbeiter und Gäste in kleinen Gruppen zwischen den Autos. Sie beugten sich über ihre Handys und unterhielten sich flüsternd.

Die Frühwarn-Apps, teils staatliche, teils private, waren überraschend leistungsfähig. Sie enthielten viele Details über die Bedrohung: Typ des Fluggeräts, Zeitpunkt des Eindringens in den ukrainischen Luftraum, aktueller Standort und erwartete Ankunft. Die Hotelgäste konnten sich darauf einstellen: laufen, wenn sich ein großer Marschflugkörper näherte, gehen, wenn es sich um eine kleine, im Iran gebaute Shahed-Drohne handelte. Die meisten Menschen nahmen die Alarme gelassen hin.

Ich nicht.

Zwei Tage zuvor waren in der Stadt ein Dutzend Menschen durch Raketen getötet worden.

Mein Fahrer hieß Nikolai Yavorski, ein cleverer Einheimischer mit guten Englischkenntnissen. Wir haben uns gut verstanden. Nach einem anstrengenden Tag nahm er sich die Zeit, um mich etwas herumzuführen. Wir schlenderten an Souvenirläden und...

Erscheint lt. Verlag 28.12.2023
Übersetzer Piwowarski Jaroslaw
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Artifical Intelligence • Autonome Waffensysteme • Cyberwar • Desinformation • Krieg • Künstliche Intelligenz • Putin • Russland • Rüstungsindustrie • smart weapons • Ukraine • USA • Zukunft
ISBN-10 3-8437-3156-X / 384373156X
ISBN-13 978-3-8437-3156-0 / 9783843731560
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann Verlag
14,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99